Feuerwehr von Rhodos: Die Brände wurden von Menschenhand gelegt

In Griechenland ist eines klar: Die Waldbrände auf Rhodos und anderswo sind nicht dem Klimawandel geschuldet, sie wurden von Menschenhand gelegt. Im Hintergrund steht der Wunsch, an neues Bauland zu kommen. Ob für Häuser oder Windparks, ist da egal. Es gibt eh nur einen Baulandmarkt.

IMAGO / ANE Edition

Das Feuer nagt an den Ausläufern des Bergdorfes Asklipio auf Rhodos. Ein Mann dreht das Geschehen aus sicherer Entfernung, von einer Anhöhe auf der anderen Seite des Dorfes, um ihn herum die abgebrannten Bäume des gestrigen Tags. Er filmt den Kirchturm und direkt dahinter die hochzüngelnden Flammen. Sein Kommentar ist von unnachahmlicher Trockenheit und aber auch Verzweiflung. Kurz gesagt: Wenn man darauf wartet, dass die Intriganten aus der Politik etwas tun, dann sei man ohnehin verloren. Wenn alles verbrannt ist, dann ist das Feuer aus. Gute Nacht. Selbsthilfe ist in diesen einsamen Dörfern oftmals die einzige Hilfe.

Aber in noch etwas sind sich die lokalen Beobachter auf Rhodos weitgehend einig: Das ist nicht der Klimawandel, was da in den Bergen von Rhodos, Korfu oder der Peloponnes wütet. Bei den Feuern, denen gerade der zentrale Bergwald der zweitgrößten griechischen Insel Rhodos zum Opfer fällt, seien vielmehr menschliche Verursacher niemals weit. Ein Anwohner berichtet von Methan- und Propangasflaschen, die man im Wald gefunden habe. Es handele sich um Angriffe auf die Gemeinschaft der Bürger.

Der Pressesprecher der Feuerwehr von Rhodos, Giannis Artopoios, berichtete gegenüber dem Fernsehsender Skai von ersten Vorladungen und weiteren Nachforschungen, die man in dieser Sache anstelle. Noch gibt es keine Festnahmen, wie ein weiterer Feuerwehrsprecher mitteilte. In einem sind sich die beiden Sprecher aber einig: „Die Feuer wurden von Menschenhand gelegt.“ Ob durch Nachlässigkeit oder in arglistiger Absicht, müsse noch geklärt werden. Der Bürgermeister von Rhodos, Antonis Kampourakis, hat nun gar Anzeige gegen Unbekannt erstattet – wegen vielfacher Brandstiftung seit dem 18. Juli bis zum heutigen Tage.

Aufgrund der Brände mussten 16.000 Personen innerhalb der Insel evakuiert werden, natürlich sind das nicht nur Touristen, die man hierzulande meist in den Nachrichten sieht. 3.000 Menschen verließen die Insel kurzfristig. 266 Notfallhelfer, darunter Mitglieder der Streitkräfte, wurden mobilisiert. Ebenso sind häufig die Einwohner selbst im Dienst, um die Flammen zu bekämpfen und – oftmals im Alleingang – ihre Häuser zu retten.

Auf der Peloponnes brennt es unweit von Ägion, das wiederum nicht fern von der Großstadt Patras liegt. 64 neue Brände begannen allein am vergangenen Sonntag in ganz Griechenland. Landesweit gab es zu diesem Zeitpunkt 82 Waldbrände. Anwohner bestreiten aber häufig, dass es sich um neue Ausbrüche handelt. Die Feuer hätten vielmehr nie zu brennen aufgehört. Auf Rhodos brennt es nun seit acht Tagen. Es ist ein Großbrand. Auch die Insel Euböa ist wieder betroffen, in der große Brände vor zwei Jahren für Entsetzen und Argwohn sorgten. Dieses Mal ist es der Süden, in dem schon heute viele Windkraftanlagen stehen. Ein Löschflugzeug ist dort verunglückt. Auch auf Kerkyra gibt es noch keineswegs Entwarnung, am Dienstag mussten weitere Bergdörfer – mitsamt größerem Viehbestand – evakuiert werden.

Einigkeit herrscht darüber, dass überwiegend nur das Innere der Insel Rhodos betroffen ist. Dem Feuer fielen demnach 150 Quadratkilometer zum Opfer, die vorher zu allermeist aus Wäldern bestanden, teils auch landwirtschaftlich genutzt wurden.

Großes Thema seit Jahrzehnten: Die Nutzung des Landes verändern

Erfahrene Beobachter gehen davon aus, dass nur fünf bis sieben Prozent aller Waldbrände im Land durch Nachlässigkeit entstehen. Das schwerwiegende, tieferliegende Problem sehen diese ernsthaften Beobachter, darunter ausnahmsweise ein Syriza-Politiker namens Stefanos Tzoumakas (einst Gründungsmitglied des Pasok), in wirtschaftlichen Interessen: „Das große Eigeninteresse besteht darin, die Nutzung des Landes zu ändern. Das ist das große Thema.“ Laut dem Gesetz müsse zwar jedes abgebrannte Waldstück in Griechenland innerhalb von 40 Tagen wieder aufgeforstet werden. Das geschieht aber wohl in sehr vielen Fällen nicht. So gibt es schon allein kaum Baumschulen im Land, wie Tzoumakas berichtet. Doch darüber werde nicht diskutiert, stattdessen errege man sich kurzfristig, wenn wieder ein Waldfeuer ausgebrochen ist.

Überhaupt, „ausgebrochen“ seien diese Feuer keineswegs. „Menschen legen sie!“, so der Politiker mit Nachdruck. Vielleicht kämen zu den fahrlässig verursachten Waldbränden noch einige durch Transformatoren hinzu, das könnten dann 15 Prozent aller Waldbrände sein. Der große Rest sei mit einiger Sicherheit auf Brandstiftung zurückzuführen. Ähnliche Einschätzungen gibt es auch von deutschen Feuerwehren.

Auch die Orte der Brände – häufig in der Nähe der städtischen Zentren – erklären sich aus den waltenden Eigeninteressen der Brandstifter. Seit Jahrzehnten brenne es immer wieder bevorzugt in der Hauptstadtregion Attika, wo man das Land als Bauland nutzen wolle, sagt Tzoumakas dem Fernsehsender Kontra. Auf den Inseln kommen zudem weitere Interessen hinzu: Auch hier geht es um Grundstücke für Ferienhäuser und Hotels, daneben aber – und das könnte ähnlich wie auf Euböa auch auf Rhodos eine Rolle spielen – um die Errichtung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen.

Dienen die Brände der Windkraft-Industrie?

Unbestritten ist, dass die Regierung die Windparks ausbauen will. Gemeinden profitieren von einer Sondersteuer, die die Betreiber als Anteil des Umsatzes zahlen. Die Gelder fließen in die lokalen Haushalte und senken die Strompreise der Bürger (zusammen 2,7 Prozent des Umsatzes). Trotzdem ist der Widerstand vielerorts groß. Die Vereinigung der Windkraftbetreiber trat nun Berichten entgegen, dass die Brände etwas mit neuen Bauvorhaben zu tun haben. Demnach sei es schon jetzt erlaubt, Windkraftanlagen in Waldgebieten unter bestimmten Auflagen zu erbauen. Der gesetzliche Aufforstungszwang nach Bränden erschwere den Bau hingegen, statt ihn zu erleichtern.

Ob man den „Zwang“ immer umsetzt, scheint nach Tzoumakas’ Worten allerdings zweifelhaft. Auffällig bleiben die Feuer auf Euböa, deren südlicher Teil (Karystia) schon jetzt viele Windkraftanlagen hat. Dort kam es nun zum zweiten Mal in drei Jahren zu größeren Feuern. Aber vielleicht ist es ja auch schlicht der Flächenverbrauch durch die Windparks, der die übrigen Landnutzer unter Druck setzt, so dass sie zum illegalen Mittel der Brandstiftung greifen. Bauland wird auch durch den forcierten Erneuerbaren-Ausbau knapper, und so erhöht sich der „Druck auf dem Topf“.

Die Regierung hat zuletzt der öffentlichen Meinung nachgegeben und einige Höhenzüge von der Errichtung von Windkraftanlagen ausgenommen. Im letzten Jahr wurden im Vergleich eher wenige Windkraftanlagen errichtet, insgesamt nur mit einer Leistung von 230 MW, was auf einen Mangel an geeigneten Lagen und Schwierigkeiten im Genehmigungsprozess zurückgeführt wird. Nur in 2.138 Stunden (etwa ein Vierteljahr lang) betrug der Windkraftanteil in Griechenland mehr als 30 Prozent. Die Großinseln Kreta und Rhodos gelten als ideale Standorte, weil es dort eine größere Nachfrage nach elektrischem Strom gibt, die man durch „erneuerbare Energie“ sättigen will, um das obskure Netto-Null-Ziel („net zero“) zu erreichen.

Bürger bleiben wütend

Die Bürger, die in ihrer schwierigen Lage häufig alleingelassen werden, bleiben dennoch misstrauisch, auch aus den von Stefanos Tzoumakas genannten Gründen. So heben sie den mangelnden Brandschutz hervor. Man hätte demnach vor Beginn der bekannten „Brand-Saison“ Schneisen schlagen müssen. Das geschah jedoch nicht. Man zieht die Schneisen nun teils im letzten Moment mit Bulldozern.

Grenzenlos ist häufig die Wut der Menschen darüber, dass die Regierung erneut eine solche Katastrophe zugelassen hat, obwohl das Land eigentlich durch wiederkehrende Feuersbrünste gewarnt sein müsste.

— thch (@theocha52630506) July 24, 2023

In Athen warfen Bürger verkohlte Äste und Holz vor die Tür des Ministeriums für Katastrophenschutz.

In den sozialen Medien finden sich daneben auch surreale Bilder, auf denen man Feuerbekämpfung und Strandvergnügen auf einem Bild sehen kann. Das sind zwei Welten, die normalerweise voneinander getrennt sind. Die meisten Feuer brennen im Landesinnern von Rhodos, fernab der meisten Hotels und Badeorte.

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