„Was war das denn?“ Letzte Redeschlacht von Scholz und Merz

In weniger als zwei Wochen wählen die Deutschen den 21. Bundestag. Zum Abschied des 20. duellierten sich nochmal Olaf Scholz und Friedrich Merz am Rednerpult. Es waren drei verlorene Jahre einer Wahlperiode in einer Nussschale.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Über das Talent von Olaf Scholz (SPD) als schlechter Redner sind schon viele Texte veröffentlicht worden. Dabei ist das noch nicht einmal das allergrößte Problem des amtierenden Kanzlers. Er hat gute Redenschreiber, die ihm manchmal gute Sätze anbieten, die Scholz dann auch mit dem angemessenen Pathos vorträgt. Zum Beispiel: „Die Antwort kann doch nicht in den Technologien von gestern liegen.“ Klingt gut. Nach Realismus auf der einen und nach Perspektive auf der anderen Seite.

Schlimm wird es für Scholz, wenn man seine Rede mit seiner Tat vergleicht. Das wird verheerend. Wenn der Kanzler sagt, die Antwort könne nicht in den Technologien von gestern liegen, meint er grünen Wasserstoff als Technologie von gestern. Ja, ist ein Energieträger und keine Technologie. Aber darum geht es jetzt nicht. Sondern um Scholz‘ Energiepolitik:

Scholz verantwortet als Kanzler den Atomausstieg. Trotz „Zeitenwende“ hat er Robert Habecks (Grüne) Schwindel mitgetragen und die Abschaltung von sechs hoch modernen Atomkraftwerken durchgepeitscht. Jetzt will Scholz Atomstrom aus Frankreich kaufen, mit dem künstlich „grünen Wasserstoff“ herstellen lassen und den dann in Deutschland wieder zu „sauberem“ Strom zu machen. Klingt irre? Ist irre. Deswegen sagt Scholz auch lieber abstrakt: „Die Antwort kann doch nicht in den Technologien von gestern liegen.“

Im Bundestag lobt sich Scholz selbst. Das macht aus seiner Sicht Sinn. Denn niemand kann ihn so gut loben wie er sich selbst. Aus der Sicht von Olaf Scholz kann ohnehin niemand irgendetwas so gut wie er. Wäre der Kanzler ein Familienmitglied, wäre er der Onkel, der Stunden lang neben dem Schachbrett steht und den Spielern gute Tipps gibt – um dann im Aufbau den Läufer auf das Springer-Feld zu setzen, wenn er selbst mit Spielen dran ist.

25 Minuten lobt Scholz sich selbst. Er zeichnet ein Land, das zusammenhält. Dessen Wirtschaft trotz aller Probleme funktioniert. Die Probleme werden von anderen verursacht und von Scholz gelöst. Deutschland ist ein anerkannter Partner weltweit, der Trumps USA bremst, die internationalen Konflikte löst und dessen Regierung von allen bewundert wird. Im Innern ist Deutschland sicher, Gefahren auf Bahnhöfen oder Marktplätzen gibt es nicht. Scholz‘ Rede ist nicht das Problem. Heikel wird es für ihn erst, wenn sie mit seiner Tat verglichen wird.

Scholz‘ Zukunftsvision ist die „Modernisierung der Schuldenbremse“, was zugegebenermaßen besser klingt als: die massive Neuverschuldung Deutschlands. Dieses Mal soll das Geld eins zu eins in sinnvollen Projekten ankommen wie der Sanierung von Brücken. Gut. Deutschland nimmt so viele Steuern ein wie noch nie. Die Wirtschaft bricht unter dieser Last zusammen. Trotz der Rekordeinnahmen kommt die Politik mit dem Geld nicht aus. Weil sie es international verschwendet, um Klima-Ideologie bis in die peruanischen Anden zu tragen. Weil sie es national an NGOs verschwendet, um für SPD und Grünen Straßenprotest gegen deren Konkurrenten zu organisieren. Aber die massive Neuverschuldung soll in sinnvollen Projekten münden. Es ist einfach verkehrt, die Rede des Kanzlers mit der Realität abzugleichen. Aus Sicht von Scholz.

25 Minuten lobt Scholz sich selbst. 25 Minuten zeichnet der Kanzler das Bild eines Landes, in dem es ein Glück wäre zu leben, wenn es denn dieses Land so gäbe. 25 Minuten macht Scholz klar, dass die Welt eine bessere wäre, wenn es nur keine Opposition gäbe, die seine Genialität sich nicht voll entfalten lässt. 25 Minuten ist Scholz so von der realen Welt abgekehrt, dass der nüchterne Sauerländer Friedrich Merz seine eigene Rede mit den Worten anfängt: „Was war das denn?“ Der Kanzler habe den Plenarsaal des Deutschen Bundestags mit einem Bundeskongress der Jusos verwechselt, wo er sozialdemokratische Ideologie guten Herzens ausbreiten könnte.

Wobei Merz Scholz einen Vorwurf macht, der auch auf den Unions-Kandidaten selbst zutrifft: Scholz blicke nur zurück, sagt Merz. Das stimmt. Aber er selbst tut das eben auch. Die Zukunft taucht bei dem Christdemokraten bestenfalls in Schlagworten auf. Etwa „Künstliche Intelligenz“. Die solle es künftig auch in Deutschland geben. Fein. Aber Details wären hilfreich gewesen.

Wie Scholz auch, ist Merz in alten Parteistrategien verhaftet. Der Sozialdemokrat will alles mit mehr und mehr und noch mehr Steuergeld lösen. Der Christdemokrat aus den 80ern will es über Entlastung versuchen. Immerhin bliebe dabei den Bürgern mehr Geld im Geldbeutel. Aber an strukturelle Probleme geht Merz auch nicht wirklich ran. Klar fordert er den Bürokratie-Abbau – wer tut das dieser Tage nicht. Doch so wie Scholz weicht Merz unangenehmen Wahrheiten aus:

Bürokratie hat in Deutschland einen metaphorischen Namen: Brüssel: Dort sitzt mit der EU-Verwaltung ein Monster, das seinen Griff auf das Privatleben der Bürger in einem verstörenden Tempo ausweitet. Geführt wird dieses Monster von Ursula von der Leyen. Der Eiskönigin der bürokratischen Herrschaft. Eine Christdemokratin. Von der deutschen CDU zur Spitzenkandidatin der Europawahl gemacht. Wer wie Merz hinrotzt, Bürokratie abbauen zu wollen, der wäre ehrlicherweise halt eine Erklärung schuldig, wie er mit einer solchen Parteifreundin fortan umgehen will.

Nun ist Deutschland keine Präsidialdemokratie. Fünf Fraktionen sitzen im Bundestag, zwei Gruppen und eine Landesgruppe. Die dürfen in einer solchen Debatte auch reden. Robert Habeck (Grüne) holt nach, was das „Kanzlerduell“ im Staatsfernsehen versäumt hat: Er redet über den Klimaschutz. Dass er als „Wirtschaftsminister“ nicht substantiell über Wirtschaft reden will, ist nachvollziehbar.

Christian Lindner gelingt eine gute Pointe: Willy Brandt habe als Sozialdemokrat den ersten Nobelpreis geholt, Olaf Scholz werde den zweiten nach Hause tragen. Brand erhielt den für Frieden, Scholz bekomme den für Physik. „Weil er endgültig bewiesen hat, dass es Paralleluniversen gibt.“ Zack. Der hat gesessen. Lindner ist ein großartiger Redner.

Dumm halt für Lindner, dass er auch ein Politiker ist. Als solcher hat er drei Jahre lang rot-grüne Erfüllungspolitik betrieben. Er hat zugesehen, wie Marco Buschmann die Verlängerung der Corona-Maßnahmen mittrug. Wie Marco Buschmann das hoch gefährliche „Selbstbestimmungsgesetz“ geschrieben hat. Als die FDP mit alledem in der Ampel gescheitert war, machte Lindner diesen Marco Buschmann zum Generalsekretär. Als Zeichen, wie es künftig weitergeht mit der FDP. Um den Redner Christian Lindner ist es schade. Angesichts des Politikers Christian Lindner drängt sich die Frage auf: Warum ist der immer noch da?

Bliebe noch Alice Weidel. Sie zeichnet ein Land, wie es aussehen würde, wenn die AfD regiert. Doch sie kommt kaum dazu. Die Abgeordneten der „demokratischen Mitte“ brüllen sie nieder. Bärbel Bas könnte jetzt beweisen, dass sie die Größe für ihr Amt als Bundestagspräsidentin besitzt und das Rederecht der Opposition durchsetzen. Oder Bas könnte zeigen, dass sie nie mehr war als eine Parteisoldatin, die ein Leben im Schatten verbracht hat, für das sie als spätes Pfründe das Amt geschenkt bekam. Weidel bittet die Bundestagspräsidentin um Hilfe. Bas reagiert mit einer schnippigen, parteipolitischen Antwort. Die Sozialdemokratin hat sich entschieden, wem sie verpflichtet ist – die Würde des Amtes ist es offensichtlich nicht.

Der 20. Bundestag geht mit dieser Debatte zu Ende. Sie ist nochmal diese verlorenen drei Jahre in einer Nussschale: Ein Parlament, dessen Mehrheit nur das Ziel hat, die einzige echte Oppositionspartei unten zu halten. Das aber auch nicht weiß, was es darüber hinaustun soll. Die Zukunft kommt hier nur in Schlagworten vor wie „Bürokratie-Abbau“ oder „Künstliche Intelligenz“ vor. Dass irgendwas davon von diesen Abgeordneten gestaltet wird, lässt sich nur schwer vorstellen.

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Kommentare ( 61 )

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sunnyliese
1 Monat her

Drei verlorene Jahre? Wenn sie einfach nichts gemacht hätten, dann könnte man das vielleicht sagen, aber sie haben 3 Jahre an einem Stück auch noch aktiv genutzt, um dem Land und den Bürgern ununterbrochen zu schaden.

BellaCiao
1 Monat her
Antworten an  sunnyliese

Man sollte meinen, unsere sogen. Volksvertreter müssten genug Verstand haben, um zu begreifen, dass das ständige, fortgesetzte Aufbürden von immer mehr Lasten auf die Bürger nicht endlos weitergehen kann.

Auf die Dauer wird der Souverän diese Politik auf seine Kosten sicher nicht goutieren und wiederwählen. Das müsste unseren Volksvertretern doch klar sein. Sogar ein durchschnittlich intelligenter Drittklässler ist imstande, das zu verstehen. Aber bei unseren Politikern offenbar: Fehlanzeige.

Der Krug geht nur solange zum Brunnen, bis er bricht.

Epouvantail du Neckar
1 Monat her
Antworten an  BellaCiao

Stichwort „Verstand“-haben Sie sich bei dem gestrigen Redebeitrag von Frau Weidel einmal genauer das Parteiensegment von rotgrün im „Hohen Haus“ angeschaut? Zum Fremdschämen!

Dellson
1 Monat her

Die Rede von Frau Weidel war eine Offenbarung. Alles was sie an Themen aufgezählt hat, waren Positionen die wir in den besten Jahren dieser Republik bereits erreicht hatten. Ihr Zukunftsprogramm war klar und verständlich vorgebracht worden. Der Staat, die Regierung ist nicht der Erzieher der Bürger, sondern „die politische Strassenmeisterei“, die davor sorgen muß dem Bürger freie Fahrt auf allen Ebenen zu gewährleisten mit den entsprechenden Leitplanken. Diese „Rahmenbedingungen“ eines verantwortlichen Staates in seiner Haltung zu seinen Bürgern gegenüber wurden gezielt durch die einseitige und überzogene Umarmungspolitik der ganzen Welt in einer riesigen Kollekte auf dem Altar der ideologischen Absolution… Mehr

Gert Friederichs
1 Monat her
Antworten an  Dellson

Ach herrje, Kirchen oder Ärzte zuständig! Ärzte in Corona-Zeiten und Kirchen in Rettung der Migrantenseelen…..
Meine Frau berichtet mir immer wieder, wie der Pfarrer so um 1960 herum im hinteren Westfalendorf die Schäflein stets ermahnt hat, das Kreuzchen ausschliesslich an „Schwarz“ zu vergeben und nun sind die Katholen und Evangelen einträchtig bei der linksgrünen Fraktion angekommen!
Hat das Pfarrerstochter Merkeline geschafft?

Phil
1 Monat her
Antworten an  Gert Friederichs

Die christlichen Kirchen haben vergessen was Zentrum und Ausgangspunkt für das Werteverständnis unserer Kultur ist, welches sie ironischerweise massgeblich geprägt haben. Die Pfarrer*innen sind dem Kulturmarxismus ebenso zum Opfer gefallen wie die Politiker, Medien- und Kulturschaffenden und Bürokraten. Egal welcher weltlichen, gruppenbezogenen Moralkategorie sie für sich in Anspruch nehmen, ob die sogenannten Menschenrechte, oder demokratische Werte, Gleichberechtigung etc. sie vergessen dabei das Individuum und die eigene Verantwortung, ebenso wie die eigene Beziehung zu Gott und ihren Nächsten, welche sie auf dem Altar der Gruppenmoral als Opfer darbringen. Die Kirche ist, wie der Staat, eine Institution. Institutionen sind funktionsbedingt Hierarchisch gegliedert.… Mehr

imapact
1 Monat her

Wenn es denn nur ein Abgesang auf 3 unselige Jahre gewesen wäre. Aber zugleich war es wohl eine Ouvertüre für die kommenden unseligen Jahre. Warum sind so wenige Wähler in der Lage zu erkennen, daß Merz in völligem Widerspruch befangen ist. Entweder, er will sein proklamiert es Programm umsetzen oder er will die Brandmauer beibehalten. Merz gleicht einem Fahrer, der gleichzeitig Gas- und Bremspedal drückt. So etwas geht nicht lange gut.

Ernst K.
1 Monat her
Antworten an  imapact

„Merz gleicht einem Fahrer, der gleichzeitig Gas- und Bremspedal drückt. So etwas geht nicht lange gut.“

Da bin ich anderer Meinung. Merz wird als Kanzler sofort den Fuß vom Gas nehmen. Und solange Smartphone und Fernseher funktionieren, er essen und trinken kann, schnarcht der Michel, jedenfalls der größte Teil, einfach weiter.

Nix fuer ungut
1 Monat her

Es sind keine drei verlorenen Jahre, es ist viel schlimmer…

Querdenker73
1 Monat her

Leute – schickt sie am 23. Februar einfach alle heim!

Der-Michel
1 Monat her

Ich kann nur jedem raten sich die Rede von Dr. Alice Weidel in den Mediathek anzuschauen. Eine Sternstunde des Parlamentarismus!

ChristianeB
1 Monat her

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass sich der grösste Wirtschaftsminister und Visionär, den Deutschland jemals hatte, im Ton vergriffen hat. Er sagte in Weiterführung einer Kritik an Dobrindt, Ramsauer, Scheuer „Und die gleichen Vögel…..“ Die Zwischenraufe aus der AfD-Fraktion zur seiner Klimapolitik bezeichnete er als „animalisches Grunzen“. An wen erinnert mich diese Form der Entmenschlichung?

Freigeistiger
1 Monat her

„Ein Parlament, dessen Mehrheit nur das Ziel hat, die einzige echte Oppositionspartei unten zu halten.“
Um sich selbst oben zu halten, mit Macht, fürstlichen Diäten und Privilegien. Darum geht es den Nicht- und Minderleistern in diesem Parlament. Denn sonst droht das, was Weidel den Störenfrieden zugerufen hat: Gehen Sie mal etwas arbeiten!

Last edited 1 Monat her by Freigeistiger
MfS-HN-182366
1 Monat her

In ganz vielen Fragen lehne ich die damalige Einstellung der Nazis zum deutschen Parlament, dem Reichstag und anderen Fragen zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entschieden ab -aber – das, was sie über eine »Quasselbude« sagten, so Goebbels, kann ich nachvollziehen, ohne Nazi zu sein. Der Deutsche Bundestag ist in seiner derzeitigen Zusammensetzung in der Mehrheit, weder demokratisch noch die Stimme des Volkes, eine Quasselbude eben.

Legolas
1 Monat her

Die Roten und Grünen kann ich in gewisser Weise sogar respektieren. Sie kämpfen mit offenem Visier für ihre Ideologie. koste es Deutschland was es wolle, und sagen ganz unverbrämt, welche Ziele sie kompromisslos verfolgen. Die sukzessive Abgabe jeglicher Souveränität an Brüssel, die unbedingte Beugung unter die „Rechtssprechung“ des EUGH und der UNO-Organisationen. Kurz die Leugnung jeden nationalen Eigeninteresses der BRD. Von Deutschland kann in diesem Zusammenhang kaum gesprochen werden, da ca.40% seines Gebietes derzeit von anderen Staaten verwaltet werden. Um ihre Ziele nicht zu gefährden und bereits Erreichtes zuverlässig zu schützen, wird durch eine ständig ausgeweitete Massenmigration die Verarmung der… Mehr