Verfassungsschutz hat keine Erkenntnisse zur Anzahl der IS-Gefährder

Das weite Feld der Bedrohung durch die islamische Ideologie erläutert der neue Bericht des Verfassungsschutzes durchaus. Eine genaue Kenntnis des verbundenen Personenpotentials hat er allerdings nicht. Seit dem 7. Oktober franst das Feld immer mehr aus – unideologisch und doch gewaltbereit.

picture alliance / Andreas Gora | Andreas Gora
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt und Sinan Selen, Verfassungsschutz-Vizepräsident, Berlin, 10.06.2025

Große Aufregung löst fast jeden Juni der Verfassungsschutzbericht aus, den der Innenminister vorstellt. Nicht anders war es auch, als Dobrindt es tat. Er sah dabei in den Erkenntnissen der Behörde keine Grundlage für einen Verbotsantrag gegen die AfD, auch wenn SPD und Grüne das wohl gerne anders hätten. Daneben gab es einige Zahlen zu den Delikten, die allein durch ihre Größe oder Höhe für sich einnahmen. Bei 40 Prozent und mehr sollen die Steigerungen liegen, fast egal übrigens in welchem Feld, ob links- und rechtsextrem, islamisch motiviert oder anderweitig. Kritiker wenden allerdings ein, dass dieser Anstieg nur durch eine Zunahme der Meinungsdelikte zugenommen habe. Und der Staat und seine Behörden haben sich bei deren Verfolgung und Aufzeichnung freilich zuletzt sehr hervorgetan, angefangen mit dem neuen Straftatbestand der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ – ein Passepartout-Begriff für alles und nichts.

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Daneben bleibt klar, dass namentlich die Meinungsdelikte der politisch motivierten Kriminalität „rechts“ durch unzählige Schmierereien und Propagandadelikte aufgebläht werden, die man normalerweise nicht dem rechten Phänomenbereich zuordnen würde. Doch Ausfüllanleitungen der Polizei sehen diesen Automatismus noch immer vor – auch wenn ein Afghane „alles für Deutschland“ tun will oder ein Levantiner die Hand etwas zu steil hebt, um zu provozieren.

Als vergessenes Verfassungsschutz-Objekt in einer Ecke verbleibt regelmäßig der islamische Extremismus, zum einen, weil die Zahlen – auch angesichts und dank der vielen Meinungsdelikte – klein erscheinen, zum anderen wohl aus anderen Gründen, über die man nur mutmaßen kann. Die Gefahr kommt allerdings im Bericht des Verfassungsschutzes vor, und dieses Jahr vielleicht intensiver als in anderen. So ist zumindest der erste Eindruck.

„Maximum an Gewalt fantasieren und ausleben“

Unter der Überschrift „Islamismus/islamistischer Terrorismus“ gibt der Bericht (ab Seite 200) einen relativ umfassenden Überblick über die terroristischen Aktivitäten und Gefahren der Gegenwart, vor allem natürlich des Berichtsjahrs 2024. Denn das begann, wie der Bericht hervorhebt, mit einer umfassenden Terrordrohung des IS gegen westliche Gesellschaften: „Tötet sie, wo immer ihr sie findet“. Dazu rief der IS auf und hat inzwischen nachgelegt, dass neben Messern auch Kraftfahrzeuge eine praktische Waffe sein könnten. Gemeint sind laut Verfassungsschutz „alle ‚Ungläubigen‘, das heißt alle, auch Muslime, die nicht dem IS folgen“. Am 31. Mai war in Mannheim ein Polizist einem solchen Attentat erlegen, während fünf weitere Personen verletzt wurden, darunter das Hauptziel des Angriffs, der Islamkritiker Michael Stürzenberger. Am 23. August kostete ein weiterer Messerangriff drei Leben in Solingen und zahlreiche Verletzte.

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Der „womöglich größte Erfolg des IS“ ist laut dem Verfassungsschutz, dass „er es durch seine Propaganda und durch seine Taten geschafft hat, zum Inbegriff des Jihadismus zu werden“. Dschihad und IS seien mittlerweile „Synonyme, vor allem für Jugendliche, die einen immer größer werdenden Teil seiner Anhänger und Unterstützer ausmachen“. Der IS ist damit für viele Jugendliche und sonstige Täter „attraktiv“ geworden, die sich nicht viel mit Ideologie oder Theologie beschäftigen wollen. „Der IS gibt ihnen die Möglichkeit, mit einem Minimum an Ideologie ein Maximum an Gewalt zu fantasieren und auch auszuleben.“ Damit entkoppeln sich Salafismus und Dschihadismus (IS): „Man muss kein Salafist mehr werden, um Jihadist zu sein.“

Später heißt es zum Thema der „radikalisierten jihadistischen Minderjährigen“ wiederum: „Religiös-ideologisches Wissen ist allgemein nur sehr gering und fragmentarisch vorhanden, nicht selten werden verschiedene Einflüsse undifferenziert vermischt. Gewaltfaszination spielt dagegen fast immer eine zentrale Rolle.“

Der besorgniserregende blinde Fleck des VS

Angesichts dieses Vorlaufs ist eine Lücke im Verfassungsschutzbericht besonders besorgniserregend. Sie erscheint aber fast schon als denklogische Notwendigkeit. Es kann eigentlich gar nicht anders sein. So weiß der Verfassungsschutz zwar, oder glaubt doch zu wissen, wie viele Salafisten sich ungefähr in Deutschland aufhalten (es seien 11.000) oder auch wie groß das Personenpotential von Milli Görüs, Muslimbrüdern, Hizb Allah oder Hamas ist. Die angegebenen Anhängerzahlen bewegen sich hier zwischen 550 und 10.000.

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Aber zum Islamischen Staat (IS) und Al Qaida weiß er gar keine Angaben zu machen. Dort steht schlicht: „keine gesicherten Zahlen“. Es gäbe mehr als 11.000 Salafisten in Deutschland und 10.000 Anhänger der national-religiösen Milli Görüs. Doch der quasi ent-ideologisierte, ent-theologisierte IS hat im Grunde ein viel breiteres Potential als jede der Einzelgruppen, das im Grunde weder zu ermessen noch auszuschöpfen ist. Jeder Schüler kann ein IS-Anhänger sein oder dazu werden, ohne dass es überhaupt jemand erfährt.

Im Bericht heißt es: „Europaweit sind in den letzten Jahren zunehmend radikalisierte Minderjährige in jihadistische Aktivitäten verwickelt.“ Und schon zuvor: „Der IS setzt bei seinen Taten auf zwei unterschiedliche Modi Operandi: zum einen auf geschulte, ausgebildete Täter, die als Gruppe agieren und komplexe Anschläge durchführen, zum anderen auf Einzeltäter, die im Internet kontaktiert und rekrutiert werden oder auch nur seine Propaganda konsumieren und die mit überall und leicht verfügbaren Mitteln (Messer, Fahrzeug) ‚einfache‘ Anschläge verüben.“ Bei der zweiten Variante sind „Aufwand und Kosten (…) ungleich geringer“, sie ist also vorzuziehen und leicht zu begehen.

Auch jenseits des IS eröffnet sich ein weites Feld

Neues gibt es aber auch „jenseits des Jihadismus“. Denn da vereinen sich vermehrt seit dem 7. Oktober 2023 „bisher getrennt und unterschiedlich agierende islamistische Gruppierungen“ oder „rücken doch (…) näher zusammen“, argumentieren demnach auf einer Linie: „Sie behaupten eine staatliche und gesellschaftliche Unterdrückung und Ausgrenzung von Muslimen und fordern diese dazu auf, sich vom deutschen Staat und seinen Institutionen fernzuhalten und unter sich zu bleiben.“ Staatliche Stellen hätten keine Legitimation für „wahre“ Muslime, würde da verbreitet. Und diese „Position verfängt bei vielen, vor allem jungen Muslimen, und wird voraussichtlich noch länger wirkmächtig bleiben“, so der Bericht. Es braut sich also etwas zusammen.

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Die Beobachtung dieser sehr breiten Szene wird noch deutlich schwieriger und komplexer als die bisher genannten Felder Salafismus und IS. Man kommt damit in Bereiche, die aus Frankreich und Großbritannien bekannt sind, wo die „fiché S“ und die Prevent-Kandidaten schon Überhand genommen haben. Auch die beiden westeuropäischen Staaten sind deshalb noch keinen Schritt weiter, auch sie können nicht viel unternehmen, selbst wenn sie die bekannten Terrorgefährder finden und bei verdächtigen Manövern ertappen.

In Deutschland fehlt aber, wie gesehen, sogar die Erkenntnis: „keine gesicherten Zahlen“ – man kann es nicht genug betonen. Das bedeutet unter anderem, man traut sich nicht einmal eine Schätzung zu. Das Problem scheint größer zu sein, als der Verfassungsschutz vertragen kann. Derselbe Verfassungsschutz überwacht und kritisiert allerdings reihenweise gesetzestreue Bürger, die ein grünen-kritisches Meme geteilt haben. Er scheint gut beim Abhören und Überwachen der eigenen Staatsbürger, schlecht bei den neu Zugewanderten. Das ist keine neue Erkenntnis, aber in der derzeit sich anbahnenden Lage – die der Bericht richtig, sine ira et studio erläutert – eine immer gefährlichere.


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Kommentare ( 48 )

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48 Comments
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Siggi
1 Monat her

Die Zahlen hat man schon, aber der Bürger soll damit nicht konfrontiert werden, würden dann doch auch die Fragen kommen, wie die ins Land gekommen sind. Dass Baeerbock und Faeser einen Großteil auf unsere Kosten hier hergeholt haben, dürfte außer Frage stehen. Leider wird nach Taten nicht ermittelt, ob die zu diesen Importen gehören oder nicht. Wofür auch, Folgen selbst für schwerste Verbrechen werden bei Politikern nicht verfolgt.

Juergen Waldmann
1 Monat her

Nach Einschätzung von Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer wächst mit der Eskalation der Lage zwischen Israel und dem Iran die Gefahr von islamistisch motivierten Anschlägen in Deutschland. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Iran seine bekannten Netzwerke nutzen werde, um mit Terroranschlägen gegen jüdische beziehungsweise israelische Einrichtungen aktiv zu werden, sagte Kramer dem Handelsblatt.
Und was hat der VS getan , damit dese “ Lage “ erst garnicht entstehen kann ?
Man weiß alles über die AfD , der ist aber keine Gefahr für Juden und Deutsche , islamistisch motivierte Anschläge kommen von Migranten aus dem Islam !

Mausi
1 Monat her

Zunächst wäre interessant, ob D diese Information generell von Außen bezieht, sprich aus den USA. Und zum Anderen geht Kampf gegen Rächts vor. Schließlich muss der Verfassungsschutz im Bund und in den Ländern all die Hinweise auf Nazi-Parolen auswerten und einen Bericht zur AfD aktualisieren. Ich wende mich mit Grausen ab. Rechtsstaat kaputt, Wählerwille ignoriert, stattdessen Bürgerräte, nicht legitimierte NGOs, gewalttätige Aktivisten auf friedlichen Demos, Antisemitismus versteckt hinter Mitleid und Menschenrechten und Abwendung von der freien, sozialen Marktwirtschaft hin zur Planwirtschaft. Jede Behörde, die beim Bürger Vertrauen genießt, wird für ideologische Zwecke mißbraucht. Der neutrale, informative ÖRR ist umgekrempelt. Die… Mehr

Last edited 1 Monat her by Mausi
Sonny
1 Monat her

Man könnte schon, wenn man denn wirklich wollte. Aber die wollen ja gar nicht. Die Heuchler in der Politik wissen das zu verhindern. Diejenigen, die nicht der vorgegebenen, grün-linken Gesinnung entsprechen, sind ein viel leichteres Ziel. Sie sind in der Regel nicht gewalttätig und leichter in der Öffentlichkeit zu brandmarken. Vergeltungstaten gibt es da kaum. Und man kann sich in die Brust schlagen, was man wieder so alles getan hat… Lege ich mich jedoch mit kriegswilligen Migranten an, kann das schnell mal eskalieren. Da wird jeder Angriff durch staatliche Seite schnell zum offenen Krieg auf der Straße. (Den wir eigentlich… Mehr

jsdb
1 Monat her

Also Unfähig, wie gehabt.

Siggi
1 Monat her
Antworten an  jsdb

Die haben auch ihre Hypotheken zu zahlen. Der Sumpf ist halt ein Sumpf. Erst mit der AfD kommt die Aufklärung. Und genau deshalb wird sie so angegangen. Wer wissen will, wie wir gelogen und betrogen werden und das ja nicht erst seit 2015, muss die AfD wählen.

Martin Mueller
1 Monat her

Aber sich hat der Verfassungsschutz 10000 Seiten Dossier über die Rentnerputschisten angelegt. Da weiß man sicher exakt, wie oft sie am Tag gewinkelt haben…

hansgunther
1 Monat her

Die Ahnungslosen, das Duo Infernale … Nichts Genaues weiß man nicht! Zumindest bei den potentiellen Verbrechern internationaler Claqueure und Absahner, per Kassensturm. Im Gagaland D, wie Dummbeutel! Zur Verfolgung von demokratischen „Parteien“ – eigentlich langt es nur für eine Partei, da lässt man sich vor den Kartellkarren spannen, ohne Moral, Anstand und Gesetzestreue, alles biegsam wie Schilf. Feine Herrschaften! Seit Jahren sitzen sie auf der Tribüne und schauen dem deutschen Ausverkauf, dem Ausbeuten und Morden durch Fremde und den Vergewaltigungen, empathielos zu. Gerade an die Macht gekommen, läuft es genauso weiter. Keiner von denen wird wirklich gebraucht, sind sie doch… Mehr

Chris Friedrich
1 Monat her

„Verfassungsschutz hat keine Erkenntnisse zur Anzahl der IS-Gefährder“
Wo sollen die diese Erkenntnis auch her haben. Die kümmern sich doch nur um die AfD und zählen irgendwelche Nazi-Sprüche, diese Pfeifen.
Der VS ist nämlich seit neustem ein „Etablierte-Partei-Schutz“

Siggi
1 Monat her
Antworten an  Chris Friedrich

Mit der ungerechtfertigten Entlassung des ehrenwerten Herrn Dr. Maaßen, der es gewagt hat, die Wahrheit zu sagen, ist dieser Verfassungsschutz nur noch Regierungsschutz. Merkel gehört endlich bestraft und das anständig; wie auch immer.

Will Hunting
1 Monat her

Wenn man sich ein Bild machen möchte, wie Behörden in Deutschland arbeiten, sollte sich die letzte Aktenzeichen XY gelöst ansehen. Desaströs, vor allem der erste Fall.

pcn
1 Monat her

Warum grinst Dobrindt so süffisant in die Kamera? Der Verfassungsschutzbericht beweist die katastrophale Aufgabe der inneren Sicherheit. Nichts anderes. Eine flächendeckende Aufklärung durch die Geheimdienste findet nicht statt. Wäre ja racial profiling, oder islamophob. Anschläge konnten in Deutschland nur mit Hilfe des US Geheimdienstes noch gerade so eben verhindert werden. Denn der Verf.schutz musste sich mehr um satirische Kritiker kümmern, die die Regierung wagten scharf zu kritisieren. In der extremistisch islamischen Community geht man indes den Weg der Radikalisierung im Internet. Der Islam mit alleinigem Herrschaftsanspruch. Die Forderung nach einem Kalifat ist nur die Spitze der Pyramide, unter der sich… Mehr