Zwischen Streik als „Showveranstaltung“(IW) und großem Potenzial für weitere Streiks (DIW)

Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft bewertet Streik und Hintergründe. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung betätigt sich als Zukunftsguru. Und Aufstocker haben keine Gewerkschaft. Die Wirtschaft schaltete auf Corona-Modus.

Foto: Zugausfälle bei der Bahn (über dts Nachrichtenagentur)
Der Streikt der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes hat das Land weit weniger getroffen als zunächst befürchtet worden war: Viele Unternehmen und Arbeitnehmer schalteten einfach in den Corona-Modus: Home-Office, was verschoben werden kann wurde verschoben, morgen ist auch noch ein Tag. Das Auto ersetzt perfekt den öffentlichen Nach- wie Fernverkehr, der ja auch unter Staus leidet. Auch am Dienstag bleiben wohl die gefürchtete Nachhol-Staus aus. Die Innenstädte blieben leer; das Innenstadtsterben wird also beschleunigt und Amazon dürfte sich freuen. Wozu also das Ganze? Es macht Appetit auf mehr. Auch andere Beschäftigte leiden unter der Inflation. Der Streik dürfte also der Auftakt zu dem sein, was als Lohn-Preis-Spirale bekannt ist: Höhere Preise provozieren höhere Lohnforderungen die höhere Preise auslösen. Jetzt gerät die Bundesregierung unter Druck: Denn Inflation ist Gift für die Wirtschaft. Aber ist die Bundesregierung nicht ohnehin dafür, das Wachstum umzukehren in Richtung „Degrowth“ oder Armut für Alle? Für viele Arbeitnehmer war es einfach ein zumindest halbfreier Tag. Gelassenheit beherrschte die Szene, nicht Aufgeregtheit.

Alles nur Show?

Der Tarifexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Hagen Lesch, sieht im jüngsten Streik eine Showveranstaltung und rechnet mit einer raschen Tarifeinigung. Der „Bild“ (Dienstagausgabe) sagte Lesch: „Dieser Streik ist völlig überzogen. Es ist der Höhepunkt einer großen Verdi-Show. Der Gewerkschaft geht es nämlich vor allem darum, sich selbst in Szene zu setzen, um neue Mitglieder zu werben.“ Lesch betonte, in den vergangenen Tarifrunden seit 2012 habe es immer in der dritten Verhandlungsrunde eine Einigung gegeben. „Die Verdi-Show ist schon das Maximum an Eskalation. Das spricht dafür, dass eine Einigung nicht fern ist“, sagte Lesch. Seit Montag sind Verdi und Arbeitgeber von Bund und Kommunen zur dritten Verhandlungsrunde in Potsdam zusammengekommen.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht großes Potenzial für weitere Streiks. „Der heutige Streiktag könnte nur den Anfang eines intensiven Arbeitskampfes markieren. Wir erleben gerade eine Zeitenwende auf dem Arbeitsmarkt, weg von einem Arbeitgebermarkt, hin zu einem Arbeitnehmermarkt“, sagte Fratzscher der „Rheinischen Post“ (Dienstag).

„Durch den großen Fachkräftemangel gewinnen Beschäftigte an Macht und damit die Möglichkeit, höhere Lohnabschlüsse durchzusetzen“, so der DIW-Präsident. „Der Streiktag heute dürfte zwar einige Unternehmen hart getroffen haben, hat aber gesamtwirtschaftlich nur geringe Kosten, da sich viele drauf einstellen und mobil arbeiten konnten. Trotzdem ist eine Stärkung der Sozialpartnerschaften wichtig und wünschenswert, um in Zukunft größere Arbeitskämpfe zu vermeiden“, sagte Fratzscher.

Über 800.000 Erwerbstätige sind Aufstocker

806.992 Erwerbstätige waren im Oktober auf zusätzliche Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Das meldet „Bild“ (Dienstagausgabe) unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Etwa die Hälfte der sogenannten Aufstocker hatte demnach sogar einen sozialversicherungspflichtigen Job.

Am häufigsten waren Reinigungskräfte von Armut betroffen. Mehr als 60.000 bezogen zusätzlich zu ihrem sozialversicherungspflichtigen Einkommen noch die staatliche Leistung. Dahinter folgen Lagerarbeiter/Post- und Paket-Zusteller (36.009) sowie Verkäufer (34.871). Aber selbst Sekretärinnen und Altenpfleger müssen oft zum Amt, um über die Runden zu kommen.

Soweit Nachrichten. Unser Kommentar:

Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft bewertet Streik und Hintergründe. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung betätigt sich jeweils als Zukunftsguru. Und die Aufstocker haben keine Gewerkschaft. unter den angeblich Beschäftigten sind weitere Millionen, die nur in Psuedo-Beschäftigungsmaßnehmen der Bundesagentur für Arbeit versteckt sind – oder in unproduktiven Bereichen wie in weiten Teilen der Verwaltung ihre Runden drehen.

Nach Fratzscher „erwirtschaftet ein Flüchtling nach fünf bis sieben Jahren mehr, als er den Staat kostet.“ Sagte er 2015. Davon kann keine Rede sein. So viel zur Kompetenz des gefragten Mannes.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 14 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

14 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
F.Peter
1 Jahr her

Dass die Gewerkschaft nicht in der Lage sind zu denken und dazu zu lernen, zeigt sich an den immer wieder gleichen Forderungen ohne Berücksichtigung der Auswirkungen. Wenn jedes Jahr immer nur prozentuale Lohn- und Gehaltssteigerungen gefordert werden, dann dürfte wohl jedem, der das kleine Einmaleins beherrscht, klar sein, dass die höheren Einkommen davon mehr profitieren als die unteren Einkommen. Damit verstärkt sich immer mehr der Effekt der Lohnunterschiede und damit der soziale Sprengstoff. Denn die Bezieher höherer Einkommen dürften auch mit der derzeitigen Inflation sehr gut zurecht kommen, während die Bezieher der unteren Einkommen schon sehr zu kämpfen haben. Außerdem… Mehr

Anne
1 Jahr her
Antworten an  F.Peter

Ergänzung:
Außerdem sollte Beachtung finden, dass der Bruttolohn für die Bemessung der Steuer- und Abgabenlast (Lohnsteuerer/ggf. Solidaritätsbeitrag, Kranken- Pflege-Arbeitslosenversicherung) entscheidend ist. Daher kommt von der Erhöhung im Portemonnaie oftmals sehr wenig an.

LanR
1 Jahr her

Sie wiesen bereits daraufhin, was Herr Fratzscher in 2015 sagte.
Ergänzend kann man noch erwähnen, das der selbe Herr Fratzscher im Herbst 2021 sagte, er „rechnet für Deutschland mit einem kurzfristigen Anstieg der Inflation bis Jahresende und einer anschließenden Entspannung“. Er gehe davon aus, „dass sich die Teuerung zum Jahresende bis auf 5,0 Prozent bewegen könnte“. Weiter verlautbarte er, dass das DIW – also sein Verein – davon ausgehe, dass für Deutschland in 2022 eine Teuerung von 2,5 Prozent anstehe. War wohl in einem Interview mit der Augsbuger Allgemeinen.

Marcel Seiler
1 Jahr her

Die Deutschen streiken jetzt gegen etwas, das sie selbst über fast 20 Jahre wieder und wieder herbeigewählt haben: eine völlig unfähige politische Kaste, eine grüne Traum-Ideologie und den wirtschaftlichen Abstieg des ganzen Landes.

Wenn die Deutschen durch den Streik endlich merken, dass etwas grundsätzlich schief läuft, hat er eine gute Funktion. Wenn sie aber die Schuld auf Unschuldige abwälzen wollen, etwa: Den Kapitalismus oder Die Bösen Unternehmen, dann geht es weiter abwärts.

Aegnor
1 Jahr her

Man darf nicht vergessen, dass es hier, von ein paar Randgruppen wie den Eisenbahnern abgesehen, um den öffentlichen Dienst geht. D.h. von den Lohnabschlüssen sind auch die Beamten betroffen. Damit verhandeln die staatlichen Arbeitgeber hier de facto auch über ihre eigenen Gehälter, bzw. über die ihrer eigenen Mitarbeiter. Da wird man kaum voll auf Konfrontation gehen und um den letzten Cent feilschen, zum Wohle der (Netto-)Steuerzahler. Der Streik dürfte wohl lediglich den Zweck haben, im Wissen um die Kompromissbereitschaft der ÖD-AG noch ein paar Prozente mehr rauszuholen. Woher das Geld dafür kommt, kann sich jeder ausrechnen. Lustig wird es, wenn… Mehr

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Aegnor

Woher das Geld dafür kommt, kann sich jeder ausrechnen….zu 100% aus der MITTE der gesellschaft denn „unten“ hat Merkel CDU schon alles abgegrast. Was wir jetzt haben ist größtenteils die folge dieser politik sprich Merkel hat eine steuer-preis-lohn-spirale in gang gesetzt! Wir erinnern uns was die unternehmen immer gejammert haben wie hoch die belastungen durch steuern und abgaben sind. Das hat sich massiv auf die preise ausgewirkt und so zu real sinkenden löhnen UND jetzt haben WIR den salat.

Klaus D
1 Jahr her

„Durch den großen Fachkräftemangel gewinnen Beschäftigte an Macht und damit die Möglichkeit, höhere Lohnabschlüsse durchzusetzen“…..DAS stimmt nicht! Die meisten unternehmen vezichten dann lieber auf fachkräfte und wuscheln sich mit dem rest der mitarbeiter irgendwie durch oder lassen aufträge einfach liegen.

Britsch
1 Jahr her
Antworten an  Klaus D

Höhere Löhne bedeutet mehr Lohnkosten die zu den Gesamtkosten natürtlich dazu kommen. Kosten die kompensiert, eingespart oder auf die Preise aufgeschlagen werden müssen. Somit treffen die Mehrkosten bezüglich öffentlichem Dienst Allwe.
In der Privatwirtschaft werden höhere Löhne oft dadurch kompensiert, daß die Beschäftigten in der gleiochen Zeit einfach mehr leisten müssen.
Die Gewinnmarschen in der Privatwirtschaft sind meist nicht so hoch wie sich das Manche vorstellen und durch Minderung kostensteigerungen augfgefangen werden können.
Vielleicht sollte man mal gerade beim Öffentlichen Dienst die Struktur betrachten besondes bezüglich Verwaltung

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Britsch

Ja Nein zu dem was sie schreiben….darum geht es hier doch gar nicht. Es geht darum das die niedrigen löhne bei den facharbeitern dazu führen das unternehmen weniger gewinn machen weil sie keine aufträge annehmen können.

Yani
1 Jahr her

Mal wieder eine typisch (west)deutsche Neiddebatte. Für Gott und die Welt ist Geld da. Im Überfluss. Nur für die Angestellten im öffentlichen Dienst nicht? Ich hätte gerne eine Zeitreisekapsel und würde sehen ob es im preussisch dominierten Kaiserreich auch so viel Neid und Missgunst unter den Leuten und im Lande gab wie im heutigen verkappten Rheinbund. Wären Neid und Missgunst olympische Disziplinen, das Rheinland bis runter nach Südwestschland und der Wurmfortsatz Schweiz würden die Champions stellen.

Juergen P. Schneider
1 Jahr her
Antworten an  Yani

Die Debatte ist keineswegs rein deutsch. Demokratisch regierte, kapitalistische Gesellschaften haben wie kaum eine andere Gesellschaftsform in der Geschichte auf Neid und Gier gesetzt. Für viele sind diese beiden „Todsünden“ der kirchlichen Glaubenslehre des Mittelalters zum Antrieb ihrer wirtschaftlichen Existenz geworden. Wer kennt sie nicht, die Nachbarn, die unbedingt ein größeres Auto haben wollen, weil Müllers von Nebenan ein solches gerade gekauft haben. Es sind zutiefst menschliche Verhaltensweisen, auch wenn sie einem manchmal geradezu anekeln. Aber, Hand aufs Herz, wer ist nicht auch schon mal neidisch gewesen?

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Yani

Welchen neid meinen sie? Den der wohlhabenden auf das volk weil dieses zu „viel haben“ will? Diese typische deutsche neiddebatte wird von oben geführt und nicht von unten. Dieses „DU bist ja nur neidisch“ ist in deutschland (west-deutschland) so ein totschlagargument denn man kommt in die situation auf neid zu antworten und DAS tun die „west“deutschen NICHT gerne aber ganz und gar nicht gerne. Ist wie mit „du bist doch rechts“.

GP
1 Jahr her

„Mega-Streik“ ? das was da ablief, darüber lachen die Franzosen doch nur. So ein Streiktag läuft bei denen unter „Meldungen aus der Region“…

F.Peter
1 Jahr her
Antworten an  GP

Genau so! Aber bei uns gibt es doch noch die willfährigen Medien, die aus jeder solchen Mücke gerne einen Elefanten konstruieren…….