Die belohnte Intransparenz: Der unverdiente Karlspreis für Ursula von der Leyen

Wofür bekommt Ursula von der Leyen den Karlspreis? Für Macht ohne Mandat, Deals ohne Akten und Loyalität zur Elite – so zumindest lässt sich die aalglatte Begründung der Aachener Preisjury lesen.

picture alliance/dpa/dpa-Pool | Federico Gambarini

Darauf hat die Welt gewartet: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bekommt am Himmelfahrts-/“Vater“-Tag im Krönungssaal des Aachener Rathauses den 75. Karlspreis der Stadt Aachen. Da an diesem Tag wegen des angesagt schlechten Wetters die Biergärten leer sind und eine „Public-Viewing“-Übertragung des Festaktes ausfallen muss, wird sich das Volk nolens volens den Aachener Festakt ab 11.15 Uhr auf dem Kanapee qua WDR-Liveübertragung reinziehen. Irgendein Begleitprogramm braucht man ja zur Vernichtung der auf Vorrat angeschafften Grillspieße, Nackensteaks, Bierfässchen und Sixpacks.

Also feiern wir die größte, schier royale EU-Lichtgestalt, wo gibt, und die „mächtigste Frau der Welt“ (Forbes) vor der Glotze. Wofür eigentlich? Dass das EU-Volk sie nie gewählt hat, ja – wiewohl zur sog. Europawahl 2024 CDU/CSU-Spitzenkandidatin – nicht einmal wählen konnte? Weil wir es nicht wissen, haben wir uns die Begründung des 19-köpfigen Preisdirektoriums reingezogen: „Für ihre Verdienste um die Einheit der Mitgliedstaaten, die Eindämmung der Pandemie, die Geschlossenheit des Verteidigungswillens gegen Russland und die Impulse zum Green Deal einerseits sowie zur Ermutigung gegenüber den anstehenden Aufgaben.“ So begründet das Direktorium des Internationalen Karlspreises, dass seine Wahl in diesem Jahr auf Frau von der Leyen gefallen ist. Die 66-Jährige wird dann eine Urkunde, die dazugehörige Medaille mit dem Bildnis Karls des Großen sowie ein Preisgeld von erstmals einer Million Euro erhalten. Dieses Preisgeld soll in Abstimmung mit der Preisträgerin europäische Projekte (nein, nein, nein, nicht den Kauf von Pfizer-Vakzinen!) finanzieren. Möglich macht diese finanzielle Ausstattung des angeblich „bedeutendsten politischen und gesellschaftlichen Preises in Deutschland“ das Engagement der privaten DSA Schäfer-Schulz-Stiftung. „DSA“ heißt übrigens nicht Digital Service Act (DSA) wie das neue EU-Bespitzelungsprogramm, sondern „Daten- und Systemtechnik GmbH“.

Ja, ja, so ehrt man sich als Spender selbst mit. Ebensolches tun ja auch die 19 Damen und Herren, die zum Direktorium des Karlspreises zählen: etwa die Oberbürgermeisterin von Aachen Sibylle Keupen (parteilos-grün), Ex-NRW-Ministerpräsident und Aachen-MdB Armin Laschet (CDU) sowie Vertreter von fünf der zehn Stadtratsfraktionen. Früher wurden mit dem Karlspreis schon auch mal wichtige Leute ausgezeichnet: Jean Monnet (1953), Václav Havel (1991), die Päpste Johannes Paul II (2004) und Franziskus (2016). Wiederholt aber war der Karlspreis ein Flop. Es bekamen ihn so illustre Leute wie 2006 Jean-Claude Juncker (Vorgänger von der Leyens als Präsident der EU-Kommission). Das ist der, der schon auch mal sagte: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ Oder 2019 der UN-Obersozialist António Guterres. Und 2008 natürlich Angela Merkel. 2008: Da war allerdings noch nicht erkennbar, dass sie zur Spalterin Europas werden würde.

Als Ehrengäste sammeln sich diesmal in Aachen einige ehemalige Karlspreisträger wie Jean-Claude Juncker (siehe oben). Und Martin Schulz (SPD, Ex-Präsident des „Europäischen Parlaments“). Das ist der, dessen einziger, aber wahrlich ehrlicher und erinnerungswürdiger Satz nach wie vor Bestand hat: „Wäre die EU ein Staat und würde sie einen Antrag zum Beitritt zur EU stellen, so würde dieser wegen sichtlicher demokratischer Defizite abgelehnt“ (1. Juli 2013, Tagesgespräch „Phoenix vor Ort“).

Dazu kommt alles nach Aachen, was geopolitisch von Bedeutung ist: Robert Abela (Premierminister von Malta), Luc Frieden (Ministerpräsident von Luxemburg), Albin Kurti (Premierminister des Kosovo) und Edi Rama (Premierminister von Albanien). Ferner Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident. Nee, nee, nee, Trump, Putin und Papst Leo XIV. kommen nicht. Haben wohl keine Zeit. Ursula wird zumindest zwei davon zu gegebener Zeit ohnehin heimsuchen.

Das hätten wir beinahe vergessen: Der spanische König Filipe VI. soll eine Rede halten, der deutsche Kanzler Merz ebenso. Wetten, dass Merz die Lichtgestalt und Parteigenossin Ursula von der Leyen nach allen Seiten ausleuchten wird!? Wir setzen mindestens ein Sixpack darauf.

Der von-der-Leyen/Pfizer-Milliarden-Deal bleibt ausgeblendet

Eines wird Merz nicht tun: Er wird sich nicht an das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs erinnern. Dieser hatte am 14. Mai 2025 festgehalten: Von der Leyen muss endlich ihre SMS-Kommunikation offenlegen, mit der sie 2021 mutmaßlich einen Milliarden-Deal mit Pfizer-Chef Albert Bourla einfädelte. Weil die Firma AstraZeneca Lieferprobleme hatte, bestellte vdL bei Pfizer für den Preis von mehr als 30 Milliarden Euro einige Millionen Anti-Corona-Impfdosen. Wie das zustandekam, soll niemand wissen. Wie damals 2019, als das Diensthandy der Verteidigungsministerin von der Leyen nicht zur Verfügung stand, um die 200 Millionen teuren, von der Ministerin initiierten Beraterverträge aufzuklären. Nun, Rettung kam damals durch die Übersiedlung nach Brüssel.

Apropos Pfizer-CEO Albert Bourla und von der Leyen: Die beiden bekamen am 10. November 2021 in Washington zusammen den „Atlantic Council’s 2021 Distinguished Leadership Awards.” In ihrer Dankesrede legte von der Leyen schon mal dar, was da läuft. Sie sagte (Übersetzung): „…. ich habe vor zehn Monaten zum ersten Mal mit Albert Bourla gesprochen. Als die Pandemie die Welt traf, beschloss Albert, ein Risiko einzugehen. Gemeinsam mit Präsident Ugur Sahin und Dr. Özlem Türeci beschloss er, Milliarden in eine vielversprechende, aber noch unerprobte Technologie zu investieren. So begann die Erfolgsgeschichte des BioNTech-Pfizer-Impfstoffs. Ein auf mRNA-Technologie basierender Impfstoff war zuvor weder zugelassen noch in Massenproduktion hergestellt worden. Aber Sie, Albert, vertrauten Ihrer Arbeit, und wir vertrauten einander. (Hört, hört!) Und nachdem Sie Ihren Impfstoff gegen COVID-19 entwickelt hatten, starteten Sie sofort die Massenproduktion, ohne die Zulassung abzuwarten – eine Entscheidung, die als riskant und unorthodox beschrieben wurde. Sie entschieden sich, Milliarden von Dollar aufs Spiel zu setzen, denn wenn Sie es nicht versuchten, würde die ganze Welt dafür bezahlen. Und dadurch hätten Sie und Ihr Team möglicherweise Millionen von Leben retten können.“

Nein, nein, nein: Wir wollen in diese Sätze nicht hineingeheimnissen, dass vdL hier am großen Rad mitgedreht hat. Aber wir können auch nicht ausschließen, dass es nach solchen Live-Begegnungen keiner SMS-Kommunikation mehr bedurfte.


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Kommentare ( 59 )

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59 Comments
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Talleyrand
1 Monat her

Auszeichnungen und Preise sind dieser Tage nicht der Rede wert. Warum daran auch nur einen Gedanken verschwenden, wenn sich die Erlauchten gegenseitig mit Orden bewerfen?

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Talleyrand

Die Liste der bisherigen Träger spricht Bände. Passt also, das: https://de.wikipedia.org/wiki/Karlspreis#Liste_der_Preistr%C3%A4ger
Besonders die vor Kurzem erst behängt wurden. Oder bestochen: Martin Schulz musste ich da auch lesen. Oder Macron.
2002 bekam sogar „Der Euro“ den Karlspreis.
.
Was aber macht UvdL mit der zusätzlichen Million? https://www1.wdr.de/nachrichten/aachener-karlspreis-kuenftig-mit-einer-million-euro-dotiert-100.html
Und weiß jemand, wie oder woher die Stifter, die DSA Schäfer-Schulz Stiftung, dazu kamen, so viel Geld einzusetzen? Scheint in Würselen beheimatet, wie der Herr Schulz von der spd?

Haba Orwell
1 Monat her
Antworten an  Kassandra

Der Klavierspieler war vor zwei Jahren dran. Vielleicht wird ihn das trösten – zu den NATO-Treffen wird er nicht mehr eingeladen. Dennoch besteht er immer noch darauf, dass dorthin sein Korruptostan soll – und selbst wenn ganz Europa dafür verglüht.

mediainfo
1 Monat her

Für mich ist ein Land, in dem sich die Eliten gegenseitig mit Auszeichnungen behângen, ein Sinnbild für die Entfremdung derselben von der Normalbevölkerung.

abel
1 Monat her
Antworten an  mediainfo

Wie in allen kommunistisch, sozialistischen Ländern der Planwirtschaft und Meinungsunterdrückung.

Minusmann
1 Monat her

Wenn man sich die Liste der Karlspreisträger anschaut, dann kann man das Spektakel, von wenigen Verleihungen abgesehen, wirklich nicht ernst nehmen. Der Karlspreis war immer mit viel Schleim behaftet, UvdL passt da bestens rein. Herzlichen Glückwunsch!

Lars Baecker
1 Monat her

Es ist schon abgehoben, wie sich die Politischickeria selbst feiert. Die Leute merken aber immer mehr, wie lächerlich das alles ist. Wenn Demokratiefeinde den Karlspreis erhalten, sagt das wenig über den Geehrten, aber viel über den Preis und dessen Verleiher.

Peter Gramm
1 Monat her

Bin immer begeistert wenn sich Leute die auf Kosten der Steuerzahler alles zusammen raffen was es zusammenraffen gibt gegenseitig mit buntbemalten Blech bekränzen. Irgendwie kindisch diese Preisumhängerei.

Simplex
1 Monat her

Irgendwie kann man es verstehen, wenn Leute einen Rückbau zur EWG und zum ECU vertreten. Und alles andere ist Sache der Nationalstaaten und ihrer demokratischen Systeme. Übrigens war auch damals schon der Exportanteil Deutschlands in die EWG unter den damaligen Verhältnissen sehr hoch. Und eine NATO hatten wir damals auch schon (Ironie off).

Landgraf Hermann
1 Monat her

Die ist und bleibt eine durch und durch zwielichtige Gestalt und irgendeines Preises absolut unwürdig.

Dominik R
1 Monat her

Als ehemaliger Student der Technischen Hochschule Aachen (RWTH) wundere ich mich nicht über diesen Misthaufen, der mittlerweile das große historische Erbe dieser schönen Stadt überragt. Dass dort übermäßig viel Ideologie im Sinne der „Eliten“ betrieben wird, war mir auch vor über 30 Jahren klar.

Casa Done
1 Monat her

Peinlich, diese gegenseitige Beweihräucherung und Ordensverleihung. Es erinnert mich in seiner Absurdität an die Bundesverdienstkreuze für die Herrn Drosten und Wieler oder das Ehepaar Türeci/Sahin (BioNTech) – je schlimmer die Verquickung in den Coronaskandal, desto wahrscheinlicher wird die Ehrung für vermeintliche Verdienste. Fehlt eigentlich nur noch der Medizin-Nobelpreis für Karl Lauterbach …

Dr. Rehmstack
1 Monat her

Ich möchte in diesem Zusammenhang an Billy Wilder erinnern, dem ein denk würdiger Spruch über den Zusammenhang zwischen der Vergabe von Orden und dem Alter zugeschrieben wird: „Mit Orden ist es wie mit H…“ Die Fortsetzung möge sich der geneigte Leser aus dem Internet holen.

horrex
1 Monat her
Antworten an  Dr. Rehmstack

War es nicht Mark Twain der – in etwa – gesagt habens soll:
Mit Politikern ist es wie mit Windeln. Wenn sie nicht rechtzeitig gewechselt werden fangen sie an zu stinken. –

Ho.mann
1 Monat her

Hier wird also eine Erfolgsgeschichte – für wen auch immer – ausgezeichnet, die man mit gesundem Menschenverstand schlechthin nur als den blanken Wahnsinn kennt.

Regina Lange
1 Monat her

Die gegenseitige Preisverleiherei ist doch sowieso nur noch lächerlich! Da kann man nichts drauf geben! Man muss nichts besonderes geleistet haben, man muss nur ins richtige Horn blasen – und schwupps wird man mit Preisen überschüttet und mit Orden behängt!

Kassandra
1 Monat her

Weshalb aber weshalb hat es bei der anderen Frau weder 2015 noch danach zum Friedensnobelpreis gereicht?
Fragen!!!

Astrid
1 Monat her

Der Oberbrüller dieser Dame war während der Coronazeit, wie sie den EU-Bürgern gezeigt hat, wie man sich die Hände wäscht. Spätestens da hätten die Leute mal wach werden können, ist jedoch leider nicht passiert. Vielleicht erhält sie dafür den Preis?

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Astrid

Dieser Tage wurde sie vom Gericht zur Veröffentlichung ihrer Pfizerdeal-smsen zu Lasten der EU-Steuerzahler verdonnert. Prokrastiniert sie hinsichtlich dessen wie hinsichtlich der Zölle? Am 9. Juli ist die von Trump gesetzte nächste Frist hinsichtlich dessen dann auch wieder vergangen – und ob Scott Bessent das Dilemma zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten akribisch in ein paar Sätzen erneut wie folgt aufdecken muss – man kann es nicht wissen: „This is in response to the E.U.’s pace.“ „E.U. has a collective action problem…it’s 27 countries but they’re being represented by 1 group in Brussels. The underlying countries don’t even know what… Mehr

abel
1 Monat her

Der Dame sollte meiner Meinung nach besser silberfarbener Handgelenkschmuck angelegt werden bei den Skandalen der letzten Jahre.