Eingeschüchterte schweigen, aber bleiben, sehen, hören und warten

Die Geschichte zeigt, je mehr den Herrschenden ihr Machtverlust droht, desto verzweifelter, wahlloser und skupelloser greifen sie nach allem, was sie zu retten scheint. Die Schlussfolgerung ermuntert. Je schlimmer es die Herrschenden treiben, desto näher ist das Ende ihrer Macht.

Sie kamen morgens, erzählt Norbert Bolz, wiesen den Durchsuchungsbeschluss vor und sagten, er solle das Gerät zeigen, auf dem er den inkriminierten Tweet abgesetzt habe. Das holte er in Begleitung einer netten Polizistin aus seinem Arbeitszimmer, sie suchten den Tweet, riefen ihn auf, die Berliner Polizei machte ein Foto. Weil er so nett und kooperativ gewesen wäre, habe der leitende Polizist von seinem Ermessen Gebrauch gemacht, ihm den Laptop dazulassen, nicht mitzunehmen …

Die Polizei hat also einen Tweet fotografiert, von dem jedermann seit Ende Januar einen Screenshot machen konnte. Wozu war die Polizei dann bei Bolz? „Es soll abschrecken und die Menschen ängstigen. Man will signalisieren: Es kann sehr teuer werden, wenn du deine Meinung ungeschminkt zum Ausdruck bringst.“

— p3likan (@p3likaan) October 23, 2025

Über die politmediale „Angstindustrie“ hatte Kommunikationswissenschaftler Bolz 2021 auf TE gesprochen, vor der Bundestagswahl mit Peter Hahne, Vera Langsfeld und Pauline Schwarz diskutiert.

Das Ausmaß der Einschüchterung zeigte eine INSA-Umfrage (Sommer 2025). 54 Prozent der Befragten gaben an, selbst schon einmal ihre Meinung nicht geäußert zu haben – aus Angst vor Konsequenzen. Zugleich sagten aber 84 Prozent über ihre Mitbürger, diese würden ihre Meinung aus solcher Angst zurückhalten. Die alte Erfahrung, über sich selbst sagt man deutlich weniger die Wahrheit als über andere.

Bisher hat Kanzler Merz seinen sprachlich schrägen Spruch vom „Stadtbild“ nicht zurückgenommen. Sein Unions-Fraktionsvormann Spahn verteidigt ihn bis jetzt gegen Kritik. Im ARD-Magazin „Bericht aus Berlin“ sagte Spahn, Merz spreche aus, was die Mehrheit der Deutschen denke. Der linke „Empörungszirkus“ gehe an der Realität vorbei. Die allermeisten hätten von Anfang an verstanden, es gehe Merz nicht um Hautfarbe oder die große Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund in erster, zweiter oder dritter Generation, „die mit uns die Zukunft des Landes gestalten wollen“. Sondern um Bahnhöfe und Marktplätze, „wo wir Verwahrlosung sehen, um Straßenzüge und Stadtteile, wo Juden, Schwule, Frauen sich nicht hintrauen, wo wir steigende Kriminalität haben“.

Die Antworten bei INSA sind eindeutig.

Der Einwand liegt nahe, so dumm können die Herrschenden doch nicht sein zu glauben, mit Einschüchterung an der Macht bleiben zu können. Doch der Blick in die Geschichte zeigt, je mehr den Herrschenden ihr Machtverlust droht, desto verzweifelter, wahlloser und skupelloser greifen sie nach allem, was sie zu retten scheint. Die Schlussfolgerung ist zwingend und ermunternd zugleich. Je schlimmer es die Herrschenden treiben, desto näher ist das Ende ihrer Macht.

Mit dem Ende der Macht des Dem-Blocks enden dann Meldungen wie diese noch oben drauf auf die Energie-Vernichtungstat in Gundremmingen: „Leise und unbemerkt, im Schatten der Sprengung der Kühltürme von Grundremmingen, ging in dieser Woche Hochofen 9 in Duisburg aus.“

Klassenkampf. Schlagzeile heute: SPD fordert gerechtere Erbschaftssteuer. Im Juso-Antrag heißt das ohne Tarnung (RND): „Dieser Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit droht den demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu zerstören. Enttäuschungserlebnisse zerstören Vertrauen und führen dazu, dass sich Menschen von der Demokratie abwenden. Die Antwort auf diese Entwicklung ist konsequenter Klassenkampf.“

Der Regierung Merz-Klingbeil gibt Juso-Vormann Philipp Türmer diese Note: „Nach einem halben Jahr tänzelt auch diese Koalition um viele Baustellen herum, anstatt auf drängende Gerechtigkeitsfragen tatsächliche Antworten zu liefern.“

Türmer zeigt nur auf einen Teil der Fragen, die die Herrschenden nicht nur ungelöst lassen, sondern immer noch schlimmer machen, weil sie alle Problem-Baustellen mit Geld aus Milliardenschulden zuschütten, die sie mit neuen Schulden „finanzieren“. Roland Tichy zählte die drängendsten Probleme auf: Energienot, Überschuldung, Bürokratisierung, Migrationsfolgen, Kriegsfurcht, Arbeitslosigkeit.

Einen Kontrapunkt setzt der Wahlsieg von Argentiniens Präsident Javier Milei. „La Libertad Avanza“ wurde gestern mit rund 41 Prozent landesweit die meistgewählte Partei, die peronistische Allianz kam mit 32 Prozent auf den zweiten Platz. Die letzten Umfragen vor der Wahl hatten die Peronisten noch knapp vorne gesehen. Mit diesem Ergebnis dürfte Milei seinen Reformkurs leichter fortführen können. Selbst in der Provinz Buenos Aires, die als Hochburg der Peronisten gilt und wo es immer wieder heftige Proteste gegen Milei gibt, kann er sich durchsetzen.

Mileis konsequente Verkleinerung und Entmachtung der Staatsbürokratie folgt dem selben Muster wie das der US-Regierung Trump-Vance. Wie weit sich Sanae Takaichi, die erste Frau als Japans Premier, erklärte Bewunderin von Margaret Thatcher, zu ihnen gesellt, wird sich bald herausstellen. Jedenfalls tritt mit dem einstigen Heavy Metal Drummer ein weiterer Regierungschef eines wichtigen Landes der Gruppe der Antiwoken hinzu.

Die Prunksucht von Imperator Trump wie beim unhistorischen Umbau des Weißen Hauses ist die Seite, auf die man verzichten könnte, aber Menschen sind eben stets nur ganz zu haben oder gar nicht. Was Trump nun in Asien vorzeigen kann, die gelungene Vermittlung des Friedens zwischen Thailand und Kambodscha, lässt erneut hoffen, dass seine MAGA-US-egoistische Beharrlichkeit den Ukraine-Krieg doch zum Einfrieren bringen kann.

Anzeige

Unterstützung
oder