Die Niederlage der FDP in Berlin ist die Niederlage Christian Lindners

Die Berliner Regierungsparteien haben verloren, die Opposition gewonnen. Mit Ausnahme der FDP. Deren Niederlage fällt relativ heftig aus und hat wenig mit der Hauptstadt selbst und viel mit der Bundespolitik zu tun.

IMAGOO/Chris Emil Janßen

Die FDP verliert in Berlin ein Drittel ihrer Stimmanteile und deutlich mehr als ein Drittel ihrer Wähler. Und das als Oppositionspartei in einer Stadt, deren Regierungsparteien heftig versagt haben: verpatzte Organisation einer Wahl, grundsätzlich keine funktionierende Verwaltung, chaotische Verkehrspolitik und massive Mängel in der Sicherheitspolitik, die spätestens in der Silvesternacht offensichtlich wurden. Eigentlich hätte eine Oppositionspartei in so einer Situation zulegen müssen, so wie es CDU und AfD denn auch getan haben.

Aber die FDP hat verloren. Wer will, kann die Gründe für diese Niederlage in der Berliner Landespolitik suchen – er wird sie dort nur nicht finden. Der Verband hat im Stadtstaat nicht viel verkehrt gemacht; mit Verkehr, Bauen und Wohnen die richtigen Themen aufgegriffen und einen soliden Wahlkampf hingelegt. Ihr Spitzenkandidat Sebastian Czaja ist zwar mit der nicht übermäßig witzigen Idee aufgefallen, sich kopfüber plakatieren zu lassen. Aber es war eindeutig die Bundespolitik, die den Berliner Liberalen als heftiger Gegenwind ins Gesicht geblasen hat.

Es ist nur eine Niederlage unter vielen

Selbst wenn die Partei noch ins Abgeordnetenhaus einzieht, reiht sich das Berliner Ergebnis in eine Reihe ein: Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen… seit die FDP im Bund in die Ampelkoalition eingetreten ist, hat sie nur noch Niederlagen eingefahren. Zweimal aus Parlamenten geflogen, zweimal aus Regierungen – würde sich die FDP heute gegen Mitternacht auf über 5 Prozent retten, wäre das die erfolgreichste Wahl der letzten anderthalb Jahre. Steht die Sonne tief, wirft ein Zwerg auch lange Schatten.

"Progressives Lager" verliert
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Die FDP in der Ampel ist der Grund für die Niederlagen der FDP in den Ländern. Das liegt zum einen an den Inhalten. Der FDP wirkt nur wie ein Mehrheitsbeschaffer. Sie kann keine eigenen Themen setzen, muss aber rot-grüne Inhalte mittragen, die bei den eigenen Wählern oft auf Unverständnis stoßen: Der grüne Wirtschaftsminister spricht bei Maischberger von Firmen, die nicht in die Insolvenz müssen, wenn sie rechtzeitig aufhören zu produzieren. Weil es an Strom fehlt, müssen Unternehmen mit hohem Energieverbrauch ihre Produktion drosseln. Gleichzeitig schaltet der Bund die letzten drei Atomkraftwerke ab und will auch Kohlekraftwerke vorzeitig runterfahren. Die wirtschaftlichen Folgen dieser Energiepolitik möchte die Regierung mit absurd hohen Subventionspaketen auffangen und mit staatlichen Eingriffen in die Privatwirtschaft.

Amoklauf in der Energiepolitik, Plan- statt Marktwirtschaft und Subventionen statt vernünftiger Rahmenbedingungen – und wie reagiert die FDP auf diese politische Agenda? Ihr Parteichef Christian Lindner spielt den Entertainer, der dieses rot-grüne Chaos schönreden will. Haut einen Euphemismus nach dem nächsten raus, fabuliert von „Zukunftskoalition“, „Freiheitsenergien“ und „Sondervermögen“. Die Rhetorik eines Gebrauchtwagenhändlers statt solider Politik. Wer als Bürgerlicher FDP gewählt hat, erkennt seine Partei nicht mehr.

Die FDP ist nicht wiederzuerkennen

Das gilt vor allem für die Corona-Politik. Da verspricht die FDP das Ende der Maßnahmen, verschärft sie dann aber Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zuliebe und hebt sie im Bund erst auf, als die Länder es schon vorgemacht haben. Es gilt aber auch für das Selbstbestimmungsgesetz. Für das lässt sich Justizminister Marco Buschmann feiern. Doch bestenfalls geht die Stärkung der Rechte von Transsexuellen mit Grünen und der SPD nach Hause. Doch das Gesetz hat Fallstricke, die maximal antiliberal sind: Wer Transsexuelle künftig mit dem falschen Vornamen anspricht, soll Geldstrafen erhalten, die existenzgefährdend sind. Wenn ein 15-Jähriger gegen den Willen seiner Eltern eine Geschlechtsumwandlung anstrebt, entscheidet der Staat. Im Sinne des Kindeswohls. Klingt nach Grünen, nach SPD und nach SED/PDS/Linke – dürfte aber für bürgerliche Wähler ein Graus sein.

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Zum anderen hat die FDP ein Problem mit ihrem Personal. Etwa Marco Buschmann. Der Justizminister freut sich wie ein Schulbub, wenn ihn die Süddeutsche Zeitung wegen Themen wie dem Selbstbestimmungsgesetz mal nicht ganz so schlecht findet, wie sie Liberale sonst bewertet. Doch damit umschwärmt er die Wähler, die keine FDP wählen. Die eigene Klientel erreicht die Partei damit nicht. Wohin das führt, zeigt das Berliner Ergebnis. In der Wahlnacht präsentiert die ARD eine Wählerwanderung. Demnach hat die FDP 29.000 Wähler an die CDU verloren und 3000 an die AfD – 26.000 FDP-Wähler sind gar nicht mehr zur Urne gegangen. Es bringt der FDP nichts, von rot-grünen Wählern weniger verachtet zu werden – wenn gleichzeitig die eigenen Leute weglaufen.

Doch Buschmann ist nur ein Nebenproblem der Partei. Das gilt auch für die Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die mag als Fachpolitikerin anerkannt sein, wirkt aber in ihren vielen TV-Auftritten maximal unsympathisch. Aber am Ende sitzt das Problem der FDP am Kopf – und heißt Christian Lindner. Er kann der FDP kein Profil geben. Weil er selbst keins hat. Vom Startup-Unternehmer im Unterhemd bis zum Society-König auf Sylt hat er schon jede Rolle gespielt. Gespielt. Das ist das Schlüsselwort im Zusammenhang mit Lindner, dem es an Ernsthaftigkeit fehlt.

Lieber schlecht regieren, als nicht im Dienstwagen sitzen

Einst wollte er lieber gar nicht regieren als schlecht. Heute will er lieber schlecht regieren, als nicht im Dienstwagen sitzen. Den Ausstieg aus der Atomkraft beschreibt er als unverantwortlich, trägt ihn aber mit, um den Dienstwagen nicht verlassen zu müssen. Als Finanzminister macht er Rekordschulden, will aber als Sanierer gefeiert werden, weil Schulden ja jetzt „Sondervermögen“ heißen. Christian Lindner ist wie Horst Seehofer (CSU) – er sagt das Richtige und macht das Falsche. Damit ist längst jede Aussage, jede Ankündigung Lindners belanglos geworden. Er braucht gar nicht mehr zu reden, weil seine Worte eh nur noch als heiße Luft gelten. Das Land werde seinen Wohlstand verlieren, kündigt der Finanzminister mittlerweile offen an. Warum er bleiben will, obwohl er nicht kämpfen will, kann er nicht erklären – außer mit dem Anspruch, die eigenen Privilegien nicht verlieren zu wollen. Das ist aus der privaten Sicht Lindners durchaus verständlich – aber aus Sicht der Wähler mehr als verzichtbar. Und das haben sie der FDP in Berlin nun schon zum fünften Mal in Folge gezeigt.

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Kommentare ( 38 )

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RA.Dobke
1 Jahr her

Das AUS mit dem ehemaligen „Propagandaverkäufer“ auf der Bühne wird wohl erst mit der geplatzten Koalition kommen. Sein Wechsel auf gestelzte Sprache in „staatsmännisch“ hat ihm offensichtlich nicht weitergeholfen. Nun kommt das Aus und sein heimlicher Traum, wie Walter Scheel mal Bundespräsident zu werden – Ende, empty, aus!

Edwin
1 Jahr her

Die FDP ist die Partei der Beamten, Selbständigen sowie kleineren Unternehmen. Da diese zwischenzeitlich alle von Subventionen leben, ist des die Partei der Subventionsempfänger. Marktwirtschaft mit Eigenverantwortung ist für die FDP ein völliges Fremdwort.

Evero
1 Jahr her

Lindner ist für mich ein rotes Tuch. Der passt in die Zeit. Ein Zeitgeistgespenst: wenig nachhaltig, egoistisch, arrogant und lebensfremd. Kids on stage. Help!

Thorben-Friedrich Dohms
1 Jahr her

In Hessen und Bayern kann es ebenfalls klappen mit dem Projekt 5-x%. Der Spitzenkandidat in Hessen hat sich bisher dadurch profiliert, dass er sich erfolgreich gegen den Bau eines großen Wohngebietes am Rande Frankfurts engagiert hat. Er findet es toll, wenn die öffentliche Hand z.B. Betriebe in der Gastronomie finanziert und so den Wettbewerb verzerrt. Da ist von traditionellen FDP-Positionen nur die eine übrig geblieben: Man regiert gerne mit, egal mit wem.

Ohanse
1 Jahr her

„Gespielt. Das ist das Schlüsselwort im Zusammenhang mit Lindner, dem es an Ernsthaftigkeit fehlt.“ – „Rosen, Sä send albern. Ehnen fählt die settliche Reife.“

Siggi
1 Jahr her

Die FDP hat nur eine Option wieder gewählt zu werden. Aufkündigung der Koalition. Aber dazu sind die viel zu feige.

Nibelung
1 Jahr her

Manche haben halt mehr Zeit für anderen Unsinn und das sehen dann die Wähler, daß nichts dabei heraus kommt und mit der Verantwortung und Pflichtgefühl scheint es in allen Parteien nicht mehr soweit her zu sein und nun bekommen sie dafür den Dämpfer, was mehr als richtig ist, bei solchen Lotterhaufen, die man ja gewählt hat um sich vor den Gefahren des Lebens zu schützen. Die machen es teilweise umgedreht und befördern diese noch und der Sinn der Habsburger durch Heirat etwas zu bewirken ist heute zum Spektakel verkommen, wie es schlimmer nicht mehr gehen kann in einer Zeit des… Mehr

Ralph Martin
1 Jahr her

Die Politik ist voll von Menschen die nur um mal 4 Jahre mal richtig wichtig zu sein und anschliessend ausgesorgt zu haben jeden Blödsinn mitmachen.
Es braucht wieder Menschen in der Politik die sich dem Land und der Gesellschaft wirklich verpflichtet fühlen.

Evero
1 Jahr her
Antworten an  Ralph Martin

Im Prinzip ja, Seiteneinsteiger aus allen Berufen, keine Abgeordnetenstudenten (Schule, Uni, Bundestag). Aber wenn ich an Strack-Zimmermann denke, die Spezialhaubitze der FDP, kommen mir Zweifel.

Wir brauchen vor der Wahl eine Qualifikationsrunde der Kandidaten vor dem Volk und nicht nur im Parteikarusell.
Jeder Psychopath kann sich heute in der Parteihierarchie hocharbeiten und ganz Deutschland hat dann unter diesen Irren zu leiden, zumal durch Koalitionen es immer wahrscheinlicher wird, dass Psychopathen und Hochstapler Regierungsämter bekleiden.

Last edited 1 Jahr her by Evero
Tesla
1 Jahr her

Ich stimme der Analyse des Autors vollkommen zu. Auch hier zeigt sich wieder wie wahr einst Lindners Satz ist, als er sagte: „Es ich besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Die Ampel-Politik hat nichts mit „liberal“ zu tun, und passt daher auch nicht zu einer Partei, die sich liberal sehen will. Das fällt der FDP jetzt auf die Füße – getreu Lindners Zitat. Dass die FDP diese Politik trotzdem mitmacht, lässt daher starke (aber nicht neue) Zweifel aufkommen, ob die FDP überhaupt noch eine liberale Partei ist. Ihr geht es offenbar mehr um Karrieren und um die Versorgung… Mehr

EinBuerger
1 Jahr her

Die Wähler wechseln innerhalb der etablierten Parteien hin und her. Heute ist die FDP unten. Morgen wird medial irgendeine neue Sau durchs Dorf getrieben und die FDP kann mit einer einzigen Aussage punkten und die Leute wählen sie wieder.
Ich fürchte, man kann sich noch jahrelang durchwursteln. Sowohl die FDP als auch die BRD.