Der AfD-Umfrageboom hat zwei Gründe: die „Ampel“ und die CDU

Friedrich Merz hatte sich einst zum Ziel gesetzt, die AfD zu halbieren. Nun ist die AfD allerdings auf dem Weg, sich zu verdoppeln. Das hat nicht nur mit der Politik der Ampel, sondern auch wesentlich mit der von CDU/CSU zu tun.

IMAGO / Christian Spicker

In diesen Tagen hagelt es Umfragedaten, mit denen der Mainstream am liebsten umgehen würde wie die Figur Palmström in Christian Morgensterns „Galgenlied“ mit dem Titel „Die unmögliche Tatsache“. Palmström war von einem Kraftfahrzeug angefahren worden und sinniert darüber nach, wie das Unglück überhaupt geschehen konnte/durfte. Die Schlussstrophe lautet dann: „Und er kommt zu dem Ergebnis: Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“

Was ist das aktuelle „Erlebnis“, auf das wir anspielen? Es sind vier „Erlebnisse“:

  • Laut INSA vom 27. Mai 2023 würden die Bundesbürger derzeit in Prozent wie folgt wählen: CDU/CSU 28,0 – SPD 20,0 – AfD 18,0 – Grüne 13,0 – FDP 9,0 – Linkspartei 4,0. Das heißt: Die „Ampel“, die bei der Bundestagswahl vom 26. September 2021 in der Summe 52 Prozent erreicht hatte, käme derzeit auf nur noch 42,0 Prozent. Die AfD würde ihr Ergebnis von der Bundestagswahl von 10,3 auf 18 Prozent toppen (siehe hier).
  • Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, würde die AfD in den neuen Ländern 35 Wahlkreise direkt gewinnen. Das wären mehr als doppelt so viele wie 2021. Das geht aus Berechnungen von https://election.de im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hervor.
  • Der Anteil derer, die ihre Stimme grundsätzlich nicht der AfD geben würden, ist rückläufig. Eine aktuelle Umfrage zeigt eine „insgesamt verbesserte Akzeptanz“ der Partei. Nur noch 53,9 Prozent der Menschen in Deutschland wollen demnach niemals AfD wählen. Dieser „Niemals“-Anteil ist zuletzt stark gesunken. So lag er im November 2020 noch bei 75 Prozent, im Dezember 2022 bei 60 Prozent (siehe hier).
  • In Sachsen und Thüringen würde die AfD bei Landtagswahlen, fänden sie derzeit statt, jeweils Platz 1 erreichen. In Sachsen mit 32 Prozent vor 31 Prozent der CDU. In Thüringen mit 30 Prozent vor 25 Prozent der Linkspartei und 17 Prozent der CDU.

Wie gehen Politik und regierungstreue Medien mit dieser „Schwefel- und Proletenpartei“ um? Klar, nach der Methode „Was nicht sein kann, das nicht sein darf“. Keine Talkshow dazu! Keine Sondersendung! Man müsste ja nolens volens AfD-Leute einladen. Allenfalls vernimmt man präsidiale oder sonstige Warnungen vor einem Rechtsruck der Nation.

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Einige wenige Kommentatoren gehen den aktuellen Umfrageergebnissen auf den Grund. Wenigstens ein bisschen. Wolfram Weimer prognostiziert gar einen politischen „Kipppunkt“ und nennt in N-TV fünf Gründe für das aktuelle AfD-Umfragehoch: die schwindende Akzeptanz der Ampel, die „grüne Ideologie“, mulmige Abstiegs- und Ausgeschlossenheitsgefühle, das wachsende Migrationsproblem und die Regierungsnähe der meisten Medien. Alexander Kissler schreibt in der NZZ, die Ampel „mäste“ die AfD.

Das ist alles richtig. Und dennoch fehlt ein gewichtiger Grund für das Anwachsen der AfD. Der Grund heißt CDU. Sie schafft es nicht, die Frustration von Millionen Wählern ob der „Ampel“-Politik zum eigenen Vorteil umzuleiten.

Kann die CDU zufrieden sein mit der aktuellen Pole-Position?

Mitnichten! Mit 28 Prozent darf man beim Zustand dieser „Ampel“ nicht zufrieden sein. Wenn man der Koalition von Scholz/Habeck/Lindner gegenüber der Bundestagswahl nur 4 Prozent abnimmt, dann ist das äußerst mager. Wobei die aktuell 28 Prozent wohl eher nur 25 wären, wenn man die im Moment mit fast 40 Prozent wiedererstarkte CSU herausrechnet.

Anders ausgedrückt: Die CDU wird nicht als Alternative zur Ampel, sie wird nicht einmal als die führende Oppositionspartei wahrgenommen. Kuschelopposition scheint angesagt. Eine Innenministerin Faeser schont man, wiewohl sie autistische Personalpolitik betreibt (siehe Arne Schönbohm) und wiewohl sie sich der Sicherung deutscher Grenzen verweigert. Einen „Wirtschafts“-Minister Habeck schont man. Allenfalls den Agora-/Graichen-Clan attackiert man, wie wenn Habeck mit all dem nichts zu tun habe. Eine unsägliche Außenministerin schont man, die sich und Deutschland Woche für Woche neu blamiert. Hofft die CDU auf ein vorzeitiges Ende der Ampel und einen Wechsel der Grünen und Gelben mitsamt CDU zu „Jamaika“? Will man Friedrich Merz schonen, dessen früherer Arbeitgeber BlackRock Nutznießer und Förderer der Ökopolitik ist?

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Nein, Opposition ist das nicht. Nicht einmal die alltägliche Parlamentsarbeit, die für Oppositionsparteien vor allem in kritischen Anfragen an die Bundesregierung besteht, lahmt seitens der CDU/CSU. Die schärfsten Anfragen etwa in Sachen Migrantenkriminalität, Asylmissbrauch usw. kommen aus der AfD. Und auch die Preisgabe nationaler Souveränität treibt die CDU/CSU-Fraktion voran. Methode Merkel war es schon immer, Verantwortung nach Brüssel und zu EU-Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) zu delegieren. Nun pflegen CDU/CSU eine Beißhemmung gegenüber von der Leyen, die in seltsame Verträge mit Biontech verstrickt ist. Man darf gespannt sein, ob CDU/CSU zur Europawahl Anfang Juni 2024 mit von der Leyen als Spitzenkandidatin antreten. Dass es CDU/CSU Anfang 2022 nicht schafften, wenigstens einen namhaften Gegenkandidaten gegen Steinmeier aufzubieten, zählt ebenfalls zu deren Schläfrigkeit.

Die „Brandmauer“ des Friedrich Merz hat die AfD gestärkt

Merz musste bekanntermaßen dreimal antreten, um den CDU-Vorsitz zu ergattern. Beim ersten Anlauf im November 2018 hatte er noch ein aus CDU/CSU-Sicht vernünftiges Ziel angesagt: Er wollte die AfD „halbieren“ und enttäuschte Wähler von der AfD zurückgewinnen, zugleich war die (damals) größte Oppositionsfraktion im Bundestag für ihn aber weder „koalitions- noch gesprächsfähig“. Bei seinem dritten und schließlich erfolgreichen Anlauf Richtung CDU-Parteivorsitz erfand Merz dann Ende 2021 die Theorie der „Brandmauer“ gegenüber der AfD. Richtung AfD kooperationswilligen Christdemokraten drohte er mit dem Parteiausschluss.

Nun wurde die AfD nicht halbiert, sondern sie ist auf dem Weg, sich zu verdoppeln. Das hat auch mit CDU/CSU zu tun. Die derzeit bundesweit 18 Prozent, die angeben, AfD zu wählen, waren in Ost und West früher zu erheblichen, wohl zu größten Teilen Unionswähler. In Sachsen und Thüringen waren es in den 1990er Jahren gar über 50 Prozent. Mit „Brandmauer“-Theorie und „grünen“ Schmusereien gewinnt man diese früheren CDU-Wähler nicht zurück. Schon gleich gar nicht, wenn man sie „rechts“ liegen lässt und de facto zu Rechtsradikalen erklärt.

Mühlstein Merkel

Es kommt hinzu: Intern mögen manche (bei weitem nicht alle) CDU/CSU-Granden nach wie vor mit Merkels seltsamen Alleingängen hadern: Atomausstieg, Vernachlässigung der Bundeswehr, Übertragung von Hoheitsrechten an die EU, Grenzöffnung und Flüchtlingsansturm. Offiziell aber steht die Distanzierung zum katastrophalen Merkel-Erbe noch immer aus.

Im Gegenteil: Man sonnt sich in Merkels medial inszeniertem Nimbus und verleiht ihr die höchsten Landesorden: in NRW durch Ministerpräsident Wüst (CDU), in Bayern durch Ministerpräsident Söder (CSU). Daraus werden AfD-Stimmen. Was sonst. Denn der „woke“, stromlinienförmige deutsche Medien-Michel wird nicht deswegen CDU/CSU wählen oder suggestiv CDU/CSU zur Wahl empfehlen. So bleibt Merkel der Mühlstein am Hals der CDU/CSU. Ur-Mutter der AfD war sie ohnehin schon durch ihre Euro- und ihre Flüchtlingspolitik geworden.


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Kommentare ( 145 )

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FKR
10 Monate her

Der Zuwachs der AfD hat nur einen Grund: Die Grünen haben mit ihrer Wärmpumpe sämtliche Immobilienbesitzer und auch Mieter von älteren Beständen
In Angst und Schrecken versetzt. Das s7nd ziemlich viele Menschen.
Die Wärmpumpe ,eigentlich Elektroheizung, ist eine Stimmenpumpe für die AfD.

what be must must be
10 Monate her

Distanzierung zum Merkel-Erbe? Merz ist nun mal kein Chruschtschow.

peer stevens
10 Monate her

….“Will man Friedrich Merz schonen, dessen früherer Arbeitgeber BlackRock Nutznießer und Förderer der Ökopolitik ist?“ …Herr Kraus, ich verstehe nicht, warum Sie das in eine Frage kleiden. …dabei dürfte doch jedem in Deutschland klar sein, dass der Herr M.. in erster Linie die Interessen seines Chefs zu vertreten hat, …und der heißt: BLACKROCK! …und so erklärt sich, warum sich Herr M.. als -Volksvertreter- und als Chef der CDU so verhält, … er hat eben nach der Pfeife von BlackRock zu „tanzen“, ODER?! …es ist beinahe so, wie bei seinem Besuch des 10-Meter-Turms im Schwimmbad … denn sonst sind die Karriereaussichten für nach… Mehr

Last edited 10 Monate her by peer stevens
Christa Born
10 Monate her

Sehr richtig! Seit der zweiten Amtszeit Merkels habe ich diese Partei nicht mehr gewählt und werde auch dem Blackrockmann keine Stimme leihen. Der Mann hat den Schuss noch nicht gehört. Bei CDU/SPD brodelt es gewaltig, sieht schon wieder nach einer großen Koalition aus.

Niklot
10 Monate her
Antworten an  Christa Born

Die „große“ Koalition ist Deutschlands Tod. Man darf niemanden der beiden wählen, damit es für die beiden allein nicht reicht.

Del. Delos
10 Monate her

„Der Grund heißt CDU. Sie schafft es nicht, die Frustration von Millionen Wählern ob der „Ampel“-Politik zum eigenen Vorteil umzuleiten.“ Wie sollte sie auch! Da sei Friedrich Merz vor! Merz ist ein lupenreiner Blackrock-Mann und als solcher hat er vollkommen andere Interessen als die der CDU aus 2005. Seine Interessen sind deckungsgleich mit denen der Globalisten, die sich ein totalitäres Welt-System wünschen. Es geht also beileibe nicht nur um die Ökopolitik, an der Blackrock kräftig verdient, es geht um sehr viel mehr. Und weil auch die Grünen in genau die gleiche Richtung gehen, steht die CDU unter Merz den Grünen… Mehr

Dellson
10 Monate her

Das Tabu oder das Dogma, die AfD wäre theoretisch die böse vogelfreie Partei mit den bösen Argumenten, zieht vor dem Hintergrund der praktischen hohen Lebenskosten der Bürger ( Die Energiewende kostet nur eine Kugel Eis ( Trittin) mittlerweile eine Eisdiele) nicht mehr. Die Bürger merken ein politisch errichteter Weidezaun zur Einhegung und Begrenzung der eigenen Meinungsbildung durch die Regierungsparteien, wird durch die bloße in Fragestellung einfach niedergetrampelt und als obsolet erachtet. Die Bürger sind der Souverän und nicht eine selbsternannte Kaste an ideologisierten, berufslosen Systemprofiteuren, die sich die Taschen auf Kosten der Steuerzahler füllen. Jeder Legastheniker hat mehr Profil als… Mehr

Luckey Money
10 Monate her

Die AFD liegt deshalb im Aufwind, wie sich der eine oder andere lieber, als „Nazi“ diffamieren lässt, wenn der Teller leer bleibt, die Stromrechnung unbezahlt oder er sieht, dass die „Neubürger“ hervorragend und ohne Probleme gut versorgt werden. Die Ablehnungsquote beim Bürgergeld für die länger hier Lebenden erheblich höher und der Zugang immens schwierig. Der „Fragebogen“ für die länger hier lebenden ist 78 Seiten lang (wenn nicht selbstständig, sonst noch aufwendiger) Kein zu gewandeter der letzten Jahre kann diesen Befüllen. Aus meiner Sicht eine klare Diskriminierung der länger hier lebenden. Auf Städte und kommunaler Ebene müssen per Gesetz Migranten bei… Mehr

Kassandra
10 Monate her
Antworten an  Luckey Money

Wie sieht es eigentlich mit der Verschickung der Neuankömmlinge in die Dörfer inzwischen aus? Es kann doch nicht sein, dass Upahl das einzige Dorf in Deutschland ist, das dermaßen überrollt werden soll?
Auch von dort; seit Ende März nichts Neues?

Takeda
10 Monate her
Antworten an  Kassandra

In unserer Gemeinde, irgendwo in NRW und ureigens Unions-Gebiet, kommen offiziell wöchentlich vier Glücksritter an. Es wurden bereits neben zwei Stellen, zwei weitere gebaut. Eine weitere wurde jetzt von der Union entschieden. Die Bewohner sind allesamt am murren, haben Angst. Besonders Ältere, was verwundert schimpfen über den ÖRR. Wie wahrscheinlich nahezu überall, ausser bei den schlauen Sachsen, hat die Geisel Deutschlands, die Grünen massiv Prozente gewonnen. Dieser Ei fluss ist merkbar. Meine Gemeinde hat laut offizieller Vermeldung 10 Mio für Flüchtlinge ausgeben. Wie überall, leidet darunter die Infrastruktur und Bildung. Die Union hat 2022 bei der Wahl knapp über 20… Mehr

Klaus Kabel
10 Monate her

Warum verzichtet Merz auf die Rolle des Oppositionsführers? Weil Black Rock zu dem Milliardärskartell gehört, das die Grünen Kommunisten finanziell unterstützt um die Transformation durchzuführen, ganz im Sinne des WEF-Führes Schwab: „Du wirst nichts haben, aber glücklich sein“?

Luisl
10 Monate her

Ich habe die AFD in den vergangenen 3 Jahren als einzige Opposition wahrgenommen. Corona, Ukraine, Klima, WHO. Es werden die richtigen Fragen aufgeworfen. Fazit, für mich absolut wählbar.

Robin Wood
10 Monate her

Vielleicht hat der Erfolg der AfD auch etwas mit ihrem Parteiprogramm zu tun!

Der allseits verbreitete Schwefelgeruch wird als Fake wahrgenommen und wirkt kontraproduktiv. Gut so!