Was die Grünen im Wahlkampf über Waffenexporte sagten, die sie jetzt fordern

Das, was wir von Scholz erleben, ist das Gegenteil von Führung. Was wir von den Grünen in Sachen Ukraine erleben, macht angesichts des letzten Bundestagswahlprogramms fassungslos.

IMAGO / photothek
Robert Habeck (Grüne), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und Vizekanzler, und Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler, in einer Sitzung des Sicherheitskabinett im Bundeskanzleramt, Berlin, 12.04.2022

Die SPD hat ein Problem. Nein, eigentlich hat sie zahlreiche Probleme, vor allem mit ihrem „Spitzen“-Personal in Kabinett und Parteispitze: beginnend bei Kanzler Scholz über Gesundheitsminister Lauterbach, Innenministerin Faeser, Verteidigungsministerin Lambrecht, Entwicklungshilfeministerin Schulze, Bauministerin Geywitz bis hin zur Co-Parteivorsitzenden Esken und zu Partei-„General“ Kühnert sowie Ministerpräsidentin Schwesig. Aber all diese personellen Probleme hat sie sich selbst geschaffen. Und sie scheint nicht einmal willens, sich dieser Personalprobleme zu entledigen.

Aber bleiben wir bei dem aktuell „einen“ Problem: bei der Frage nach der Lieferung von „schweren“ Waffen für die ukrainische Armee im Kampf gegen den russischen Aggressor. Hier kommen in der SPD alte, stramm-militant pazifistische Träume zu neuer Blüte. „Nein, keine schweren Waffen für die Ukraine!“ – das hört man aus dem Kanzleramt. Wenn man denn von dort oder aus dem Verteidigungsministerium außer immer neuen, verschwurbelten Statements überhaupt etwas hört. Mal kursiert eine Liste ukrainischer Wünsche, die im Kanzleramt offenbar zensiert wurde. Mal heißt es, die Bundeswehr könne auf kein schweres Material verzichten. Mal heißt es, ukrainische Soldaten könnten diese Waffen gar nicht bedienen. Mal heißt es, man müsse alles tun, einen Atomkrieg zu verhindern. Ganz vorne d’ran mit diesem Geschwurbel: Kanzler Scholz, Ex-Außenminister Gabriel und SPD-Fraktionsvorsitzender Mützenich.

Aktueller Stand: Nun will man einen Ringtausch via Slowenien einfädeln: Deutsche Panzer gehen nach Slowenien, slowenische Panzer russischer Bauart gehen in die Ukraine. Konkret: Das kleine Nato-Land Slowenien, in dem übrigens an diesem Wochenende gewählt wird, liefert Kampfpanzer des Typs M84 an die Ukraine. Dieser Panzer ist eine in Ex-Jugoslawien produzierte Weiterentwicklung des sowjetischen T-72-Panzers. Aus Deutschland soll Slowenien dafür den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs erhalten. Über die Stückzahlen ist nichts bekannt. Groß kann die Zahl nicht sein, denn laut „Military Balance“ des „International Institute for Strategic Studies“ hat Slowenien von diesem Panzer-Typ 14 Exemplare für Trainingszwecke und 32 im Depot. 

Nun ja, der nächstgrößere „Ampel“-Partner, die Partei der „Grünen“, ist da schon viel weiter. Sie erweist sich zudem als weitaus flexibler. Außenministerin Baerbock ist für die Lieferung von schweren Waffen, ihr Parteikollege Habeck, als Wirtschaftsminister eigentlich federführend zuständig für Waffenexporte, ist unbedingt dafür. Und Anton Hofreiter, bis 2021 Fraktions-Co-Vorsitzender der „Grünen“, „weil“ Mann, nicht in Ministerränge, sondern nur in den Vorsitz des Europa-Ausschusses gelangt, ist vehement für die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine.

Ergründen wir diese Flexibilität der „Grünen“ genauer. Da gibt es doch ein „grünes“ Programm für die Bundestagswahl 2021. Es trägt den großen Titel: „Deutschland. Alles ist drin. Bundestagswahlprogramm 2021. Bereit, weil Ihr es seid.“ Auf der Seite 259 finden wir folgende Passage: „Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktaturen, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete verbieten sich.“

Dieses Programm gibt ziemlich genau wieder, was die „Kanzlerkandidatin“ Baerbock während des gesamten Wahlkampfes 2021 vertrat. Ende Mai 2021 bekräftigte sie zum Beispiel die ablehnende Haltung ihrer Partei zu Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. Also auch in die damals bereits von der russischen Armee umstellte Ukraine.

Was kam bei all dem am 7. Dezember 2021 heraus? Ein rot-grün-gelber Koalitionsvertrag mit dem voluminösen Titel „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Dort finden wir zum Thema „Waffenexport“ auf Seite 116 folgende Passage: „Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik brauchen wir verbindlichere Regeln und wollen daher mit unseren europäischen Partnern eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung abstimmen. Wir setzen uns für ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz ein. Unser Ziel ist es, den gemeinsamen Standpunkt der EU mit seinen acht Kriterien sowie die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, die Kleinwaffengrundsätze und die Ausweitung von Post-Shipment-Kontrollen in einem solchen Gesetz zu verankern. Nur im begründeten Einzelfall, der öffentlich nachvollziehbar dokumentiert werden muss, kann es Ausnahmen geben …“

(Am Rande: Die „acht Kriterien“ können in einem „Gemeinsamen Standpunkt des EU-Rates vom 8. Dezember 2008“ nachgelesen werden. Sie betreffen gemeinsame Regeln der EU für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern.

Nun also wird der „richtlinienkompetente“ Bundeskanzler einiges zu tun haben, eine Linie vorzugeben. Die eigene Partei, die SPD, wird ihn in seiner lavierenden Haltung mittragen. Und ausgerechnet die Links-Fraktion und die AfD-Fraktion werden ihn dabei stützen.

Aber die zwei etwas kleineren „Ampel“-Partner haben es in sich. Zumal die CDU/CSU-Fraktion eine baldige namentliche Abstimmung des Bundestags über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine plant. Die FDP mit der dynamischen Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann wird die SPD vor sich hertreiben, und mit der Koalitionsdisziplin der „Grünen“ wird es auch nicht sehr weit her sein. Zumal ein prominenter „Grüner“, Anton Hofreiter, vehement für die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine eintritt. Hofreiter forderte die Lieferung von 20 bis 30 funktionsfähigen Marder-Schützenpanzern der Bundeswehr und 70 bei „Rheinmetall“ ausgemusterte Leopard-Panzer: Lieferung innerhalb weniger Wochen.

Nur zur Erinnerung: Am 6. Februar 2015 (also wenige Monate nach der Vereinnahmung der Krim durch Russland) bekam Hofreiter von der „Rheinischen Post“ folgenden Impuls vorgesetzt: „Die USA sind bereit, Waffen an die ukrainischen Streitkräfte zu liefern, damit sie den von Russland versorgten Separatisten etwas entgegenstellen können.“ Hofreiters Antwort war: „Das lehnen wir ab. Es erschwert die politische Lösung. Und es hilft auch nicht: Das führt nur dazu, dass Russland nur noch mehr Waffen an die Separatisten liefert sowie Personal zur Verfügung stellt. Eine militärische Lösung des Konflikts kann es nicht geben.“

Auch Hofreiter erweist sich damit als flexibler Wendehals: Ob aus Rache oder aus Einsicht – das lassen wir dahingestellt. 

Und ganz oben der große Schweiger Scholz, der sich offenbar seit mehr als zehn Jahren in ein selbstfabriziertes Zitat verliebt hat: „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt.“ Wenn freilich das, was wir derzeit in Sachen Ukraine-, Corona- oder Energie-Politik erleben, Führung ist, dann gelten auch Orwells drei Big-Brother-Leitsprüche: Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke.

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Kommentare ( 47 )

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Ralf Poehling
2 Jahre her

Ich halte generell nichts von Waffenlieferungen an Wackelkandidaten. Im Falle eines Umsturzes bzw. Richtungswechsels einer ganzen Nation, kann es sonst passieren, dass die gelieferten Waffen sich plötzlich gegen den Lieferanten wenden. In Afghanistan ist nach Abzug des Westens genau das passiert. Ich finde es überaus kurios, dass die Grünen plötzlich nicht nur solche Waffenlieferungen in Krisengebiete befürworten, nachdem sie so etwas immer abgelehnt haben, ich finde es auch überaus kurios, dass die Grünen dies nun fordern, obwohl sie den privaten Waffenbesitz in Deutschland komplett abschaffen wollen. Die Grünen trauen also einem Krisenstaat wie der Ukraine, der im Krieg gegen Russland… Mehr

privilegierter Erpel
2 Jahre her

Wenn man die Waffenlieferungen befürwortet, wie ich, dann sollte man mit der veränderten Position der Grünen zufrieden sein, wie ich.
Man sollte immer im Kopf behalten, dass Russland versucht, einen Völkermord an den Ukrainern zu exekutieren.
Alle Einwohner der besetzten Gebiete werden entweder vertrieben oder sollen russifiziert werden, durch Umerziehung in Gulags, massive Propaganda und dem Verbot der ukrainischen Sprache und Kultur, durch den Vorwand des „Nazismus“.

Innere Unruhe
2 Jahre her
Antworten an  privilegierter Erpel

Wie soll man mit einer Partei zufrieden sein, die nicht das tut, wofür sie eingetreten ist? Glauben Sie, ein Krieg in Afrika folgt anderen Gesetzen als der in der Ukraine? Wenn man an die Araber und nach Afrika nicht liefern möchte, warum dann in die Ukraine? Die Grünen haben nie in Betracht gezogen, dass Waffen/Armee auch der Verteidigung dienen. In ihrer Welt würde man mit Waffen 100% angreifen. So gesehen ist es richtig, nicht zu liefern. Nur leider wurde die Verteidigungsoption übersehen. Nun braucht Ukraine Verteidigungsmöglichkeiten. Wie verhält sich das gegenüber „Wir-liefern-nicht-in-Kriegsgebite“ Ideologie? Nein, eine Partei, die weltfremd denkt, kann… Mehr

Schwabenwilli
2 Jahre her

Hoffentlich knüpft sich die zweitstärkste Oppositionspartei im Bundestag diese Heuchler vor.

Julischka
2 Jahre her

Richtig, das sind die die „Advent, Advent ein Bulle brennt…“ trällern, noch mehr Verachtung geht kaum, sie dann aber dringend brauchen, wenn es darum geht Kinder vom Schlittenberg, Jugendliche durch den Park zu jagen, den Schlagstock auszupacken wenn es jemand wagt das GG in den Händen zu halten und das auch noch ohne Maulkorb!

Contra Merkl
2 Jahre her

Das mit dem Leopard 1 Panzer hat sich doch auch schon erledigt, weil nur noch Reste von 105mm Munition da sind und selbige aktuell auch nicht produziert wird. Weshalb Leute ausbilden und die Panzer hinschaffen, wenn nach 2 Tagen die Munition alle ist ? Für mich ist die Regierung eine Bande von Lügnern. Olaf Scholz noch vor der Wahl gegen Impfpflicht. Die Grünen die keine Waffen in Krisen und Kriegsgebiete liefern wollten, sind die größten Waffenschieber auf einmal. Die FDP ist plötzlich die Partei der Sondervermögen und Schuldenmacherei. Deren Parteiprogramme sind das Papier nicht wert, für mich ist das alles… Mehr

MisterX
2 Jahre her

Diejenigen, die noch nie beim Bund waren, schreien jetzt nach Krieg. Sowas kann man sich einfach nicht mehr ausdenken. Aber gut, Deeskalation war ja noch nie deren Stärke, das hat man auch schon während der gesamten Corona-Zeit gesehn. So wie diese Parteien die „Pandemie“ „besiegt“ haben wollen, so wollen sie es auch mit Russland. Aber Russland und ein Virus lassen sich nicht besiegen, man muss mit ihnen Leben, egal ob sie mal mehr oder mal weniger zerstörerisch sind. DIe „Anheizer“ haben nichts aus der Geschichte gelernt. Aber das hat man als Land davon, wenn man sich einen Haufen ungebildeter Nichtskönner… Mehr

Last edited 2 Jahre her by MisterX
Micci
2 Jahre her

Interessant: das prinzipielle Grünen-Diktum „Keine Waffen in Krisengebiete“ wird tatsächlich präzise umgesetzt: von Scholz. Und dass Grüne „Einsicht“ hätten, bezweifle ich aus zwei Gründen. Erstens ist das noch nie vorgekommen, und zweitens braucht man für das Szenario „A überfällt B, sollen wir B helfen?“ keinen Ukraine-Krieg. Die gesamte Menschheitsgeschichte besteht ausschließlich aus solchen Szenarien (ein Bonmot nennt Geschichtswissenschaft die ‚Unfallchronik der Menschheit‘). Meine Erklärung ist daher eine andere: der grüne „Pazifismus“ war niemals ernst gemeint, sondern immer nur zeitgeistiges Machtinstrument. Mit „Frieden schaffen ohne Waffen“ brachte man 1980 hunderttausende auf die Straße, mit „Rüsten wir den freiheitsfeindlichen Aggessor Sowjetunion zugrunde“… Mehr

Okko tom Brok
2 Jahre her

Dieses „Spitzenpersonal“ ist der keineswegs unverdiente Lohn für ein Volk, das glaubt, Demokratie bedeute, alle vier Jahre seine Stimme „abzugeben“ und ansonsten das heimische Sofa zu hüten.

humerd
2 Jahre her

„Außenministerin Baerbock ist für die Lieferung von schweren Waffen,“ und sagt das Gleiche wie Scholz „Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) wies bei einem Treffen mit dem litauischen Außenminister Gabrielius Landsbergis Vorwürfe, Deutschland mache zu wenig, zurück. Die deutsche Regierung habe die Ukraine von Anfang an mit dem unterstützt, was lieferbar gewesen sei. Die NATO könne nur erfolgreich sein, wenn sie gemeinsam agiere. Es sei zudem wichtig, dass die Lieferungen abgestimmt seien und jedes Land das tue, was es tun könne.“ https://orf.at/stories/3261311/ Baerbock wird hofierrt Scholz getreten. Der Anton, nicht aus Tirol, sondern aus Bayern wiederspricht seiner Außenministerin. Strack-Zimmermann… Mehr

Bambu
2 Jahre her

Zu den Wünschen von Waffenlieferungen der Grünen habe ich so meine eigene Theorie. Die Grünen dürften für den Krieg Russlands mit der Ukraine ein klares Ziel haben. Der Krieg soll möglichst lange dauern, damit die fossilen Energien über kurz oder lang nicht mehr geliefert werden. Wenn nicht die EU oder Deutschland selbst auf diese Energie verzichtet, dann werden die Russen provoziert, bis sie selbst den Hahn schließen. Das wäre für die Grünen ohnehin die bessere Lösung, denn dann wäre Russland schuld. Russland wäre auch schuld wenn das mit den alternativen Energien doch nicht so klappt, wobei die Grünen derzeit durchaus… Mehr