Nach dem Brexit: Tod und Auferstehung

Häppchen und Riesling, nachdem Stock-Star Enoch zu Guttenberg die Totenmesse von Anton Dvořák dirigierte, das ist für Mainhatten doch der richtige Rahmen, um die Business-Linien in die Zukunft zu ziehen.

Am Abend nach dem Brexit traf sich die Frankfurter Geld-Promis zur Totenmesse. Die Laune gut bei Häppchen und Riesling, denn Stock-Star Enoch zu Guttenberg dirigierte das Requiem von Anton Dvořák, 1890 für einen englischen Auftraggeber komponiert. Ausgerechnet. Gastgeber Frank Riemensperger von der Technolgieberatung Accenture rechnete vor, dass in der Finanzkrise 2010 die Aktienkurse auf 5.500 Punkte abgestürzt waren; beim Brexit nur auf 9.600. Es ist ein grandioses Musikstück um Tod und Auferstehung. Er erwartet eine Auferstehung für viele britische Konzerne und Maschinenbauer; schließlich ist der Pfundkurs gesunken und jetzt Treibstoff für Exporte. Auferstehung.

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An der Börse ist das Geld nie weg. Es hat nur ein anderer. Diesmal waren es viele andere. Lutz Raettig, der Mister Mainhattan der Großbank Morgan Stanleys  rechnete vor, dass diesmal doppelt so viele Aktien gekauft und verkauft wurden als jemals an einem Rekordtag zuvor – Krisensymptom. Viele Fondsmanager nehmen den Brexit als Ausrede, um sich von Verlustbringern zu trennen und schlechtes Management zu tarnen. Man ahnt schon, wie die Krokodilstränen aus den Briefen tropfen, die die Fondsanleger erhalten. „Der Brexit war´s!“. Dabei sinken längst Gewinne und Zukunftsaussichten, und viele Fondsmanager haben den Abstieg nicht wahrhaben wollen. Jetzt folgen hektische Kauf- und Verkaufsempfehlungen.  Dabei sollte für Anleger gelten: Immer an die Gebühren denken. „Viel hin- und her, macht dem Anleger die Taschen leer“, so eine alte Bankenregel. Besser also Cool bleiben, wenn Kurse fallen.

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Kaufen soll man dann, wenn das Blut in den Straßen fließt. Der frühere Deutsche-Bank Chefvolkswirt Thomas Mayer (jetzt Flossbach von Storch) sagt, dass britische Unternehmen die Stars für schnelle Gewinne sind. Kurse im Keller, das britische Pfund geschlagen, das erleichtert den Export. Aber die Briten kommen wieder, vielleicht sogar gestärkt als Konkurrenz für deutsche Maschinenbauer, erwartet Frank Riemensperger. Die Wirtschaftswelt dreht sich eine Runde weiter.

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Lange Gesichter nur bei der Deutschen Börse – sie hat die Londoner Börse gekauft und will dorthin umziehen; Börsenchef Carsten Kengeters Familie wohnt schon dort.  Ein „Referendum-Kommittee“ unter Vorsitz des mächtigen Aufsichtsratschefs Joachim Faber stellt alles auf den Prüfstand; das Gremium ist paritätisch mit Deutschen und Engländern besetzt. Viele erwarten: Der Umzug der Holding  muss wohl abgeblasen werden – warum den Hauptsitz ins Ausland verlagern? Für viele Geldgeschäfte über die Grenzen braucht man einen Pass; innerhalb der EU war da Freizügigkeit angesagt. Aber jetzt? Diese Fragen stellen jetzt Beamte und Abgeordnete des Landes Hessen, das die Fusion absegnen muss. Zu Recht befürchten sie eine schrittweise Entkernung der Frankfurter Börse, wenn der Kopf erst mal in London sitzt. Bislang hat schon die EZB die Nase darüber gerümpft, dass Euro-Werte in einem Land ohne Euro gehandelt werden. Auch in London werden die Karten neu gemischt. Eine Fusion wird erneut geprüft unter der Überschrift: Was nützt London?  Manches spricht für die Fusion: Londons Bankenzentrum  braucht eine Geldpipeline nach Europa – via Frankfurt. Dann könnten Banker an der Themse bleiben; die Geschäfte und die Abwicklung pro Forma in Frankfurt für Europa.

10.000 Jobs wandern daher von London nach Frankfurt, erwartet Main-Lobbyist Hubertus Väth. Das wären nur zwei Prozent der Jobs in der City, wenig, aber viel für das kleine Mainhattan. 2.000 Händler von Morgan Stanley, 1.000 Devisenhändler von Goldman-Sachs inklusive Clearing und Abwicklung, Auslandsbanken, dazu die europäischen Bankenkontrolleure. Packt das überhitzte Frankfurt das im Wettbewerb mit Dublin und Paris? Bürgermeister Peter Feldmann ist bei den Bankern unbeliebt; sie trauen ihm wenig zu und schon gar kein Interesse für Geld und Kapital. Er geht nicht gern zur Oper, fehlte bei der Totenmesse. Dabei geht es in der um Angst und Auferstehung. Bei mir hat schon ein Makler angerufen, will meine Wohnung kaufen. Auferstehung, ganz privat.

Der Beitrag erschien kürzer in der BamS.

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