Euro-Protest-Votum

Der Ärger mit der Euro-Rettung bringt europaweit Protestparteien Zulauf. Was wird aus der Euro-Alternative in Deutschland?

Es ist ja nicht so, dass der Euro grundsätzlich abgelehnt wird – seine Vorteile sind unübersehbar. Aber immer deutlicher wird, dass die Euro-Rettung das Problem ist, weit über die ungeheuren und meist noch verborgenen Summen, für die Deutschland haftet. Die Rettungspolitik verändert schleichend wesentliche Grundlagen der Europäischen Union – Wirtschaft, Demokratie und Rechtsstaat.

Seit 2010 wird mit einem behaupteten übergesetzlichen Notstand argumentiert und regiert; bestehende Gesetze werden schlicht missachtet, neue, europaweite Gesetze durchgepeitscht, die Europäische Zentralbank ermutigt, in einer beispiellosen Selbstermächtigung Fiskal- und Wirtschaftspolitik zu betreiben und zu kontrollieren. Das Untergraben der rechts- staatlichen Ordnung von oben nimmt den Normalbürgern unten die Sicherheit, sich auf gesetztes Recht verlassen zu können.

Alternativen werden nicht diskutiert, Kritiker werden schnell ausgegrenzt oder mundtot gemacht. Die Oppositionsparteien haben sich der Regierungspolitik widerspruchslos angeschlossen. Das schwächt die parlamentarische Kultur. „Die da oben machen doch, was sie wollen“ – dieses Gefühl macht sich breit und drückt die neue Ohnmacht des Bürgers gegenüber Staat und Europa aus.

Mittlerweile erfahren die Anleger beim Blick auf ihre Konten, durch die Mitteilungen ihrer Lebensversicherung oder Riester-Rente, dass die künstliche Niedrigzinspolitik ihnen das Ersparte nimmt. Die Angst vor Enteignung paart sich mit dem Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit.

Angesichts der vielen Proteste in den südlichen Staaten, die sich gegen die vermeintliche monetäre Besetzung durch Deutschland richten, befürchten viele: Das Dogma der Politik „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ führt in der Wirklichkeit dazu, dass der Euro gerettet wird, aber in Folge Europa scheitert. Längst ist aus der Klammer, die der Euro werden sollte, ein Sprengsatz geworden.

In diesen Cocktail ständig anschwellender Ängste, Unzufriedenheit und Verbitterung stößt eine neue Partei vor, die sich „Alternative für Deutschland“ nennt. Sie gewinnt an Gewicht, weil sie von Professoren der Wirtschaftswissenschaft initiiert wurde – die Häme, mit der Politiker den Berufsstand der Hochschullehrer überziehen, schlägt nun gegen die Berufspolitik zurück: Kompetenz und Integrität der Gelehrten werden höher eingeschätzt als die der Berufspolitiker. Die neue Partei registriert breiten Zulauf; auch Versuche, sie mit der Nazikeule mundtot zu machen, verbittern viele nur noch mehr und stacheln sie an, sich nun erst recht dort zu engagieren.

Politisches Engagement in der Demokratie ist an sich ein gutes Zeichen. Viele traditionelle Wähler der großen Volksparteien CDU und SPD gehen nicht mehr an die Urne. Das prozentuale Wachstum der Grünen ist kein Effekt eines Zulaufs – sondern eher der Triumph einer radikalen und ideologisierten Minderheit über eine schweigende Mehrheit der Politikverdrossenen.

Das Ergebnis ist noch nicht vorauszusehen. Bleibt die Alternative bei einem oder auch drei Prozent der Wählerstimmen hängen, befördert sie das Gegenteil ihres Ziels: Dann blieben ihre Stimmen wegen der Fünf-Prozent-Hürde wertlos, das Ende der FDP wäre besiegelt und das bürgerliche Lager fatal geschwächt. Das fest untergehakte rot-grüne Politpaar dagegen bräuchte dann zur Mehrheit nicht einmal die Stimmen der Linken, die in jedem Fall noch als letzte Reserve zur Verfügung stehen, um sich die Macht zu holen. Springt die Alternative aber über die Todesfalle, hätte fachkundige wie entschiedene Kritik an der Euro-Politik Sitz und Stimme im Parlament. Aber kann eine Partei, auch wenn die Piraten es vorübergehend vorgemacht haben, so schnell bundesweit Kandidaten, Programm und Organisation aufbieten? Die WirtschaftsWoche wird Sie darüber informieren – so offen, aber auch so distanziert und kritisch, wie wir über alle Parteien berichten.

(Erschienen auf Wiwo.de am 13.04.2013)

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