Nigerias verfolgte Christen: Standhafte Glaubenszeugen

Jedes Jahr häufen sich um Ostern und Weihnachten Berichte über Anschläge auf Christen. Besonders angespannt ist die Lage in Nigeria. Die Gläubigen praktizieren ihren Glauben dennoch – und beschämen damit all jene, die in weitgehender Sicherheit ihren Glauben leben könnten.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Samson Omale

Am Palmsonntag 2017 detonierte während des Gottesdienstes eine Bombe in der St. Georgs-Kirche in Tanta, Ägypten. Wenig später versuchte ein Selbstmordattentäter, sich Zugang zur St. Markus-Kathedrale in Alexandria zu verschaffen, wo der koptische Papst Tawadros II. der Palmsonntagsliturgie vorstand. Da ein Polizist den Mann daran hinderte, detonierte der Sprengsatz außerhalb der Kirche. Statt ausgelassen das höchste Fest der Christenheit zu begehen, musste die koptische Kirche – eine uralte Kirche, deren Angehörige die eigentlichen „Ureinwohner“ Ägyptens sind, die lange vor den Arabern dort ansässig waren – 40 Tote aus ihren Reihen beklagen. Zwei Jahre später traf an Ostern ein ebenfalls vom IS koordinierter Anschlag Christen und Touristen auf Sri Lanka: 270 Menschen wurden hier ermordet.

Wenige Angriffe auf Christen werden derart breit von der internationalen Presse aufgegriffen wie diese beiden Anschläge. Das Leid der meisten verfolgten Christen findet abseits von kirchlichen und christlichen Medien kaum Beachtung. Dabei geraten sie Jahr für Jahr insbesondere an christlichen Hochfesten nochmals verstärkt ins Visier muslimischer Terroristen. Das gilt auch für Nigeria.

Massive Gewalt gegen Christen durch Boko Haram und Fulani-Milizen sind dort seit Jahren Realität: Priester werden entführt, Frauen und Mädchen vergewaltigt und verschleppt, Gläubige, die sich zum Gottesdienst versammeln, überfallen.

Sicherlich ist ein Grund für die mangelnde Aufmerksamkeit die unübersichtliche Lage: Viele Angriffe ereignen sich in abgelegenen Regionen, Vorfälle werden nicht oder nur unzureichend dokumentiert, Angaben zu Opferzahlen variieren und lassen sich schwer verifizieren – undankbares Terrain für Berichterstattung.

Zudem sind Angriffe und Überfälle derart an der Tagesordnung, dass man den Überblick verliert: Von mittlerweile circa 113 Toten seit Ende März spricht die christliche Hilfsorganisation Open Doors.

Nachdem die Attacke durch Amnesty International verurteilt worden war, griffen internationale Medien wenigstens den jüngsten großen Angriff auf: Am Palmsonntag überfielen Bewaffnete das Dorf Zike. Von seinen 3000 Einwohnern wurden über 50 Menschen ermordet, vor allem Frauen, Kinder und Alte massakriert.

Beunruhigend auch: Während sich die Gewalt gegen Christen in den vergangenen Jahren vor allem auf den Norden des Landes „beschränkte“, wo Christen eine Minderheit bilden sowie ethnische und ökonomische Konflikte die Lage verkomplizieren, weitet sie sich nun laut Open Doors auch auf den Süden aus, in dem Christen mit 71 Prozent der Bevölkerung die Mehrheit stellen.

Angesichts dieser dramatischen Situation mag es vielleicht erstaunen: Nigeria gehört zugleich global zu den Ländern mit den prozentual meisten Gottesdienstteilnehmern. Was die katholische Kirche betrifft, so besuchen 94 Prozent der Gläubigen die Sonntagsmesse – obwohl sie sich damit zu einem leichten Ziel terroristischer Anschläge machen. Bei protestantischen Gemeinschaften sind die Zahlen weniger leicht zu erfassen, aber ebenfalls hoch.

Das ist für Christen in Deutschland schlicht beschämend: Hierzulande nahmen 2024 lediglich gut 4 Prozent der Katholiken regelmäßig an der – grundsätzlich verpflichtenden – Sonntagsmesse teil, und gerade einmal 3 Prozent der Protestanten, die der EKD zugehören, besuchten den Sonntagsgottesdienst. Dort, wo der Kirchgang potenziell tödlich ist, lassen ihn sich die Menschen nicht nehmen; lassen sich Christen buchstäblich mit Christus kreuzigen. In Deutschland hingegen vertagt man ihn gern, weil der ausgiebige Sonntagsbrunch als wichtiger erscheint.

Für diesen Relevanzverlust sind die christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften freilich in erster Linie selbst verantwortlich, indem sie die Banalisierung des Glaubens jahrzehntelang vorangetrieben haben. Andererseits zeigt die weltweite Christenheit eindrücklich, dass eine nur auf das eigene Land oder gar die eigene Pfarrgemeinde begrenzte Perspektive einen geradezu provinziellen Tunnelblick darstellt.

Der Grad an Ernsthaftigkeit, der anderswo in Sachen Religion an den Tag gelegt wird, sollte zu denken geben: Gerade bezogen auf Afrika, aber auch generell im Hinblick auf große Teile des globalen Südens sollte er unser Bild von „indigener“ Frömmigkeit deutlich mehr prägen als die stereotyp als „bunt“, „lebendig“ und „fröhlich“ empfundene äußerliche Erscheinungsform, von der begeisterte Afrikareisende so enthusiastisch berichten, um im eigenen Gospelchor dann daran zu scheitern, auf den Offbeat zu klatschen. Diese Attribute mögen alle zutreffen, die bewunderte „Exotik“ lässt aber leicht vergessen, mit welcher Opferbereitschaft hier Menschen ihren Glauben im Angesicht des Todes leben.

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Kommentare ( 28 )

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Autour
27 Tage her

Frau Diouf, das kann alles gar nicht sein… wie sagen doch die deutschen Islamwissenschaftler und Mitglieder des Islamrates oder wie der Quatsch auch heisst?: Islam ist die Religion des Friedens…. Da kann also irgendetwas nicht stimmen…. vielleicht haben die Christen die Andersgläubigen auch nur provoziert oder rassistisch beleidigt… oder aber schief von der Seite angeschaut… soll ja auch in Deutschland schon mal vorgekommen sein, dass auf Grund eines „verächtlichen“ Blickes das Messer gezückt und der Autochthone in die ewigen Jagdgründe befördert wurde… Tja… und dann wird von der Bedrohung der Islamisten gefaselt… als ob es einen Unterschied zwischen Islam und… Mehr

Edwin
27 Tage her

Und hat man hierzu etwas von dem aktuellen Papst gehört? Dieser Repräsentant ist der schwächste Papst, den es je gab. Kein Rückgrat, keine Grundsätze, rein gar nichts.

Wegen diesem Papst bin ich am Überlegen, aus der Kirche aufzutreten. Obwohl ich schon immer pragmatisch zu der Kirche stand. Seit ich das Glaubensbekenntnis zur Kommunion gelernt habe,blieben meine Lippen zu „ich glaube an die heilige katholische Kirche “ stumm. Nein, ich glaube an keine fehlerbehaftete Kirche, sondern nur und ausschließlich an Gott.

Mugge
27 Tage her

Ureinwohner“ Ägyptens sind, die lange vor den Arabern dort ansässig waren

Diese Feststellung ist eine glaubwürdige Kristallkugel.

Last edited 27 Tage her by Mugge
Tom Schmied
27 Tage her

Bin der Autorin dankbar, dass sie immer wieder die weltweite Gewalt gegen Christen unter dem Teppich hervor zieht. Die Rolle der Kirchen hier ist erbärmlich. Auch sie kehren eifrig unter den Teppich. Habe das ganz persönlich mitbekommen, als ein deutscher Missionspriester und ein Abgesandter des Vatikan in Ostafrika ermordet wurden. Der Missionspriester betreute eine Gemeinde in einem islamischen Gebiet und wurde seit geraumer Zeit von Moslems bedroht. Kannte den Priester persönlich. Das war ein toller, humorvoller Mensch. Sein früher Tod hat mich sehr traurig aber auch wütend gemacht. Die Morde bekamen schnell den Stempel „Unglücksfall“ und kamen zu den Akten,… Mehr

Tin
27 Tage her
Antworten an  Tom Schmied

Stimme Ihnen vollkommen zu. Zudem hat die Schnupfenvirusplandemie endgültig offenbart, wer in der „Kirche Christi“ nun das Sagen hat.

Last edited 27 Tage her by Tin
Tin
27 Tage her

Westeuropa, da regiert das Heidentum pur. Deswegen ist es auch so, wie es ist: „Abtreibung, sogar als Menschenrecht“, „Suizidhilfe“, „Menschenexperimente mit Giftstoffen“, „Christentumsphobien ob aus Brüssel oder daheim“, „Nix haben, aber glücklich sein Agenda“, „Einwanderungen aber bitte illegal aus bestimmten Regionen der Welt“, „sozialverträgliches Frühableben“, „Digitale Diktatur“, „Abschaffung der Demokratie“, „Josef und Marianamensverbot zu Weihnachten“, was hat das mit dem christlichen Menschenbild überhaupt etwas zu tun?.

Holger Tuerm
27 Tage her

Aus dem deutschen Bundestag: Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Nigeria umfasst ein Gesamtportfolio von rund 640 Millionen Euro, das sich auf laufende Projekte über mehrere Jahre verteilt . Im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit wurden Nigeria im Oktober 2022 insgesamt 67,5 Millionen Euro zugesagt, davon 46,5 Millionen Euro für technische und 21 Millionen Euro für finanzielle Zusammenarbeit .​
Die Schwerpunkte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Nigeria liegen auf der Förderung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz, der Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten sowie der Bekämpfung von Ursachen islamistischen Terrors und ethnischer Konflikte .

Salvian
27 Tage her

Es ist ehrenwert, dass Tichys Einblick das Thema Christenverfolgung aufgreift. Das Problem ist nur: Der gemeine Deutsche interessiert sich nicht dafür. Der sitzt lieber abends vorm ÖRR-Tatort mit Wotan (!) Wilke Möhring („Schweigen“), glaubt felsenfest an dessen Darstellung, dass die katholische Kirche eine einzige Kinderschänder-Mafia ist, gruselt sich wohlig und fühlt sich moralisch weit überlegen, weil er schon längst ausgetreten ist. Genau wie einst sein Nazi-Opa, der die Goebbels-Propaganda zum selben Thema geglaubt hat. Und dem es völlig wurscht war, wenn in Polen Hunderte von Priestern von seinen Landsleuten ermordet wurden.

Warte nicht auf bessre zeiten
27 Tage her

In den Gottesdiensten sitzt eine kleine, verschworene Truppe von Ü60, die Mitglieder kennen sich meist seit Jahrzehnten. Es ist so eine Art erweiterter Freundeskreis oder ein Verein. Wenn mal jüngere dabei sind, dann fast ausschließlich Eltern mit kleinen Kindern. Der Glaube ist für sie nachrangig. Es geht ihnen darum, für ihre Kinder ein behütetes Umfeld zu schaffen, wie sie es selbst als Kinder erleben durften. Sie sind „kulturelle“ Christen, der Glaube, wie er im Glaubensbekenntnis bekannt wird, ist reine Fassade. Ist mal ein neues Gesicht im Gottesdienst, wird sofort gerätselt, wer das wohl sei und woher er komme.

Haba Orwell
27 Tage her

In Europa sollten die Christen besser auf friedliches Zusammenleben setzen – am 16.04 im Bösen Medium: „Wien: Islamischer Schüleranteil in Pflichtschulen erreicht 41,2 Prozent“. Katholiken gibt es nur noch 17,5% – dazu 14,5% orthodoxe Christen. 23% ohne Religion.

littlepaullittle
27 Tage her

Fuer die Glaubenskriege der Politik muessen Sie gar nicht so weit fahren:
Schauen Sie sich die gestrige Unterdrueckung der moldawischen Orthodoxen an. Da wird gerade deren Oberhaupt schikaniert. Er ist wohl zu „russlandfreundlich“ sein.
Uebrigens aehnlich, wie in der „demokratischen“ Ukraine ……
„Unsere Demokratie“ eben.

Haba Orwell
27 Tage her
Antworten an  littlepaullittle

In den USA berichtet Tucker Carlson viel darüber. Die Sache macht noch brisanter, wenn ein Herr Merz aus einer Partei mit „C“ für Banderisten, die eine christliche Religion drangsalieren, mit den Taurus in den Krieg rennen möchte.