Medien und Krieg

Mit der steigenden Zahl an „asymmetrischen Kriegen“, in denen sich keine klar erkennbaren und ausgewiesenen Nationalarmeen mehr gegenüber stehen, werden alle Toten zu legitimen Feindzielen, ohne Ansehen der Personen, des Geschlechts oder des Alters.

Screenshot: MSNBC

Selbst die „Mütter aller Bomben“ sind nur Blechtonnen mit todbringendem Inhalt, aber die Presse gibt sich alle Mühe, uns das vergessen zu lassen. Es ist der Traum aller Militärs auf der Welt: Kriege ohne Blutvergießen, Feinde, die ohne viel Aufhebens eliminiert, ausgeschaltet, unschädlich gemacht werden. Als angenehmer Nebeneffekt schont man die Nerven und die Energie der eigenen Kräfte, Feigheit vor dem Feind, posttraumatische Symptome und Suizide nach dem Einsatz gehörten der Vergangenheit an.

Obwohl enorme Fortschritte auf dem Wege dorthin gemacht wurden, bleibt das Handwerk des Krieges aber immer noch ein Schmutziges. Neutral eingefärbte Pünktchen auf der Landkarte, Kreuzchen auf dem Bildschirm oder perfekt durchnummerierte Ziele, die elektronische Kriegsführung macht es dem Soldaten heute einfach, wenn er mit Drohnen oder Marschflugkörpern per Knopfdruck seine Gegner bekämpft. Kein Schrei dringt an seine Ohren, selbst im Kampfpanzer wird über den Bildschirm zu anregender Musik gekämpft und gestorben. Das erleichtert einem die grimmige Arbeit und lässt Skrupel oder ein das Zucken des Fingers am Abzug gar nicht erst zu. Regelmäßig berichten die Medien dann von ganzen Gruppen, die erfolgreich bekämpft worden seien, ohne auch nur die Wortwahl einer kritischen Abwägung zu unterziehen.

Mit der steigenden Zahl an „asymmetrischen Kriegen“, in denen sich keine klar erkennbaren und ausgewiesenen Nationalarmeen mehr gegenüber stehen, werden alle Toten zu legitimen Feindzielen, ohne Ansehen der Personen, des Geschlechts oder des Alters. Es gibt nur noch aus dem Wege geräumte Gegner, für Verwundete ist sowieso kein Platz in der Schlagzeile. Ob der Teejunge beim vertraulichen Gespräch der Aufständischen ausgeschenkt hat, lässt die Berichterstatter kalt, eine Recherche erübrigt sich.

Aber jedes Opfer hat seinen Preis und löst eine Welle des Zorns aus, die sich irgendwann einmal an etwas brechen muss. Was Sting in seinem berühmten Lied über die Russen sang, trifft auch für die Eltern im Nahen Osten zu: „the arabs love their children too.“ Jedes Kind, das blutüberströmt und staubbedeckt aus den Ruinen des elterlichen Hauses gezogen wird, hat ein Recht darauf, genannt zu werden, auch wenn das den falschen Agitatoren in die Hände spielt. Mitgefühl und Mitleid dürfen nicht nur da ansetzen, wo es politisch gerechtfertigt scheint. Deutschland spielt hier im Chor seiner westlichen Alliierten als Zielfernrohr mit, da kann sich die deutsche Presse nicht wegducken.

Erst kürzlich gelang einem alliierten Einsatz ein grosser Schlag gegen afghanische Milizen, die sich, so die Meldung, in einem Tunnelsystem eingegraben hatten. Die Presse konnte sich vor Begeisterung kaum halten. Der Focus musste dem Leser gar einen aufklärenden Rundgang durch die Macht der Bombe verschaffen – und eine Simulation, was die Bombe „in Ihrer Stadt“ anrichten könnte. Das Blatt wusste Auskünfte der afghanischen Behörden wiederzugeben, denen zufolge der Einsatz „keine zivilen Opfer gefordert aber mindestens 36 Islamisten des IS getötet habe“. Es wurden bei n-tv brav Archivaufnahmen der “verheerenden Sprengkraft“ der Bombe aus dem Jahr 2003 gezeigt, die offenbar eine ganz eigene morbide Faszination auf die Journalisten ausübt.

Der Name „MOAB“ weiß gleich auf mehreren Ebenen zu überzeugen. Hier wird dem monströsen Lebensvernichter der Name verliehen, der in viele Kulturen der Lebensspenderin vorbehalten ist. Nicht mal bei Mama, so mögen sich die wohl unbekümmerten Namensgeber dieser Waffe ausgemalt haben, sollen die Feinde sicher sein. Die Welt lässt den SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold zu Wort kommen, „der den Abwurf der größten nicht-atomaren Bombe grundsätzlich für gerechtfertigt halte.“ „Die Zerstörung der Tunnelsysteme der Terroristen sei ein „wichtiges und legitimes militärisches Ziel“, und „Wenn dabei die Regeln des Humanitären Völkerrechts eingehalten würden, könne ein Angriff auch mit einer sehr schweren Bombe erfolgen“.

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Herr Arnold vergaß dabei nicht, auf den „Vorrang des Schutzes der Zivilbevölkerung“ im Einsatzland hinzuweisen. Abschließend mutet die Zeitung dem Leser noch eine ausdrückliche Würdigung der beeindruckenden Technik zu: „die gut neun Meter lange MOAB-Bombe wiegt 10.300 Kilogramm und wird in der Regel von einer C-130 Hercules abgeworfen. Sie ist in der Lage, mit ihrer gewaltigen Druckwelle Bewaldung oder Gebäude im Umkreis von 1500 Metern auf der Erdoberfläche wegzufegen, aber auch unterirdische Tunnel und Bunker, die der IS im Einsatzgebiet nach Erkenntnissen der US-Militärs angelegt hatte, zu zerstören. Darüber hinaus wird ihr ein erheblicher psychologischer Effekt beigemessen.“

Der Spiegel weiß zwar von fast auf das Dreifache gestiegenen Opferzahlen (dem Artikel zufolge ein Sechstel der überhaupt in Afghanistan eingesetzten IS-Kämpfer) zu berichten, lässt aber die erleichtert klingende Aussage des Sprechers des afghanischen Verteidigungsministeriums unkommentiert, demnach es „zum Glück keine Berichte über getötete Zivilisten gebe“.

Die Spitzfindigkeiten präziser Kriegsberichterstattung sind allesamt zu kompliziert, anstrengend und nervraubend; Da zieht man sich lieber, wie die Süddeutsche, aufs sachliche zurück, wenn sie den Vorgang wortreich und völlig blutleer auf zwei mit „eine Bombe für sehr spezielle Fälle“ überschriebenen Seiten abhandelt. Wenn man es gut mit dem Schreiber meint, könnte man darin ein Indiz für sein Entsetzen sehen, das er durch hohle Phrasen und das Abspulen von Technikalien zu überspielen versucht. Ein gruseliges Schauspiel der Selbstvergewaltigung.

Er nimmt sich unter neun fett gedruckten Punkten scheinbar der drängendsten Fragen der Leser nach dem „Wer, was und warum“ an, muss die wirklichen Antworten aber klar erkennbar schuldig bleiben. Lediglich das Bild der schön sauber lackierten GBU-43/B in ihrem Hangar und die Tatsache, dass sie so einfach abgeworfen und dabei gefilmt werden kann, bleiben wirklich hängen.

Die Mutter aller Bomben wird so zu einer Ikone der Kriegskunst, schon durch ihren Namen in die begriffliche Nähe der „Heiligen Teresa“ und vieler Kirchenbilder gerückt, als Spitzenleistung und Oberhaupt aller jemals bekannten Höllenmaschinen. Sie erscheint kurz, nur um für immer zu verschwinden, bevor eine ihrer Schwestern wieder aufsteigen mag, um als zornige Faust des Westens niederzusausen.
T-online versteigt sich in die Lobpreisung „grosser Kraft“, „mächtiger Druckwelle“, und obwohl „anschließend eine gewaltige Staub- und Rauchwolke über dem Ort des Einschlags aufgestiegen sei, seien Schäden… jedoch nicht zu erkennen gewesen.“

„Ich habe noch nie im Leben solch einen Knall gehört“ zitiert die Seite das Entsetzen eines Einheimischen. Genauso müssen Schilderungen über den Untergang Sodoms und Gomorras wohl geklungen haben. Den Journalisten sei ein Besuch im Berliner Technikmuseum empfohlen, wo in der Rubrik Luftkrieg das Foto eines kleinen Jungen hängt, der sich sterbend in die Arme seines halb verbrannten Großvaters geflüchtet hat. So sieht Bombenkrieg aus. Danach sollte man so einen Artikel wohl nie mehr schreiben.

Emil Kohleofen ist freier Publizist.

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Kommentare ( 15 )

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Poco100
6 Jahre her

Das mit dem Schönreden stimmt, da ist dies harmonisch im Gleichklang mit der Bundesregierung u. der Mainstreampresse….

Poco100
6 Jahre her

Wieso, hat sie alle ! Eltern gesagt ? Dann hätten sie damit Recht…

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6 Jahre her

Die Verteidigung Syrien durch Assad halte ich nicht für Völkerrechtswidrig.
Und der Krieg wäre nicht eskaliert, wenn die jungen Männer dort ordnungsgemäß ihren Wehrdienst geleistet hätten.
Man kann auch eine Revolution anzetteln und Assad stürzen.
Aber ein bißchen Krawall machen und dann abhauen, wie die „Helden“ des arabischen Frühlings ist verantwortungslos.

Eloman
6 Jahre her

Nur leider ist der Gegner noch schlimmer. Also hat man mal wieder nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.

GermanMichel
6 Jahre her

Seltsam diese Sorge um Zivilisten.

Waren es nicht die Briten/Amis die Brandbomben auf deutsche Städte (bizarrerweise haben allierte Bomber etwa soviele französiche Zivilisten getötet wie Nazi Bomber britische Zivilisten, und natürlich das zigfache an Deutschen Zivilisten)?

Napalm auf asiatische Zivilisten in den Stellvertreter Kriegen mit der Sowjetunion?

Atombomben auf japanische Zivilisten?

Nur weil irgendwelche Kriegsbürokraten Brandbomben und Napalm nicht auf den Index setzen (so wie Gas) erscheint es mir nicht unbdingt humaner zu sein. Im Gegenteil … viel grausamer gehts ja wohl kaum noch.

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6 Jahre her

1. Der letzte symmetrische Krieg war der Falklandkrieg. 2. Die Unterscheidung zwischen unschuldiger Zivilbevölkerung und schuldigen Soldaten stammt noch aus der Ritterzeit und ist absolut unredlich. – Nach dieser Definition waren Wehrpflichtige wie ich „potentielle Mörder“. Fast ausnahmslos alle Prominenten, von Beckenbauer, Müller, Netzer, Boris Becker,…. haben sich erfolgreich gedrückt und waren (skandalöser Weise) im Gegensatz zu mir „unschuldige Zivilisten“. – Meine Mutter hat mir immer erzählt, dass ihr Bruder, der sich als einziger in der Familie gegen Hitler ausgesprochen hat, an der Front gefallen ist, während alle Hitlerunterstützer nach 1945 ein neues Leben anfangen konnten. 3. Durch die Fernwaffen… Mehr

kicknrush
6 Jahre her

Der Einsatz der Moab war m. E. das Richtige im Falschen. Richtig deshalb, als es keinen Grund gibt, das Leben von Isaf Truppen unnötig zu gefährden. Gegenüber einem Gegner, der nur den Tod verherrlicht. Falsch, da die westliche Doktrin des ‚Nation-Building‘ zur Gänze widerlegt ist. Wobei das wiederum auch nicht stimmt. Das westliche Nation Building, auch als Demokratie-Export bekannt geworden, hat schon seit über einem Jahrzehnt seine Richtung gewaltig umgekehrt. Nicht wir exportieren Demokratie sondern schaffen damit die Kulisse für den ungehemmten und gewalttätigen Islamimport. Denn die Grundannahme der westlichen Politik, könnte absurder nicht sein. Nämlich den Islam in seinen… Mehr

hasenfurz
6 Jahre her

Du meine Güte, in einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Welt, die nichts weniger als einer stammhirngesteuerten Primatenhorde mit zigfacher Overkill-Kapazität entspricht, die sich begriffstutzig von bunten medialen Glasperlen bespielen lassen, kommt hier Einer mit echten Werten und echtem Leben? Schön und gut, aber wir müssen Merkel und die Globalisten loswerden, die Maasens und Antifas dieser Republik, und den Islam, der sich hier überall breitmacht. Prioritäten! Ansonsten: wer, der schon mal Waffengewalt real miterlebt hat, wollte dem Autor widersprechen?

Hubert Paluch
6 Jahre her

Es sind wohl ausschließlich männliche Kommentatoren, die MOAB fasziniert. Leider hat die Evolution lange, lange Zeit bei Männern auf Krieger-Gene selektioniert und deren Exprimierung prägt auch heute noch das Denken vieler Jungen. Diese Gene sind übrigens in verschiedenen Ethnien unterschiedlich häufig anzutreffen.

Falk Kuebler
6 Jahre her

Die Schlusssätze haben mich zu Tränen gerührt:

„Den Journalisten sei ein Besuch im Berliner Technikmuseum empfohlen, wo in der Rubrik Luftkrieg das Foto eines kleinen Jungen hängt, der sich sterbend in die Arme seines halb verbrannten Großvaters geflüchtet hat. So sieht Bombenkrieg aus. Danach sollte man so einen Artikel wohl nie mehr schreiben.“

Ja.

Aber ohne die Frage polemisch und denunzierend zu meinen: was sind wirkliche Alternativen in unserer real existierenden Welt, ohne im – ehrenhaften – Appell steckenzubleiben?