Der Mann ohne Antworten: Kanzler Scholz sitzt anders aus als Merkel

Wer dieser Bundeskanzler Olaf Scholz wirklich ist, bleibt undeutlich. Nur eins ist klar: Die Merkel-Masche zieht nicht mehr, Entschluss-Schwäche ist keine Stärke – nächste Woche in Washington wird der Ampel-Kanzler das merken.

IMAGO / Zoonar
Willy-Brandt-Haus in Berlin

Erst wenige Wochen bekleidet der Sozialdemokrat Olaf Scholz das in der deutschen Exekutive höchste Amt – das des Bundeskanzlers. Der für viele über lange Zeit völlig unerwartete Sieg bei der Bundestagswahl verschaffte ihm diese Chance. Doch schon jetzt fragen sich viele Bürger, wer dieser Olaf Scholz eigentlich ist. Eine Unsicherheit, die sich auch in den Umfragen dieser Tage spiegelt. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik haben eine Partei und ihr Kanzler nach so kurzer Zeit so viel Zustimmung verloren.

Es mehren sich Fragen wie diese: „Wohin will Scholz eigentlich?“, „Wann beginnt der Mann, zu führen?“, „Warum taucht Scholz immer wieder ab?“, „Ob Energiekrise oder Preisexplosion, Scholz bleibt im Nebel – warum nur?“, „Wo steht unser Land nun wirklich im Russland-Ukraine Konflikt?“

Auf all das verweigert der neue Bundeskanzler eine klare Antwort, von Richtlinienkompetenz erst gar nicht zu sprechen. Eine der Antworten ist in seiner machtorientierten Schläue und taktischen Begabung zu suchen. Ein Beispiel ist seine Reaktion auf die stärker werdende Kritik im Bündnis an der unklaren Positionierung gegenüber Russland. Das ist eine klare Aufgabe der Regierung. Scholz aber delegiert das in eine Runde von Parteioberen der SPD, getreu der Devise: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Ein klassischer Scholz eben. Es ist so, als ob man versucht, einen Wackelpudding an die Wand zu nageln: Es wird niemals gelingen.

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Selbst Monate nach ihrem Abtritt führt Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel die Popularitätsskala deutscher Politiker an. Dabei vermissen die Deutschen nicht die CDU-Politikerin Merkel – wenn sie das überhaupt je gewesen ist –, sondern ihre leise und fast magische Art, selbst in schwierigsten Situationen Gefasstheit und Kompetenz auszustrahlen.

Ob man es wahrhaben will oder nicht, zweifellos gehörte dazu auch, dass mit Merkel erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Frau ganz oben stand. Durch ihre Weiblichkeit verströmte sie auch ein Gefühl der Geborgenheit, welches Männern niemals gelingen kann. Deshalb musste auch der Versuch des gewieften Scholz fehlschlagen, in der letzten Phase des Wahlkampfes und den ersten Wochen der Kanzlerschaft seine Vorgängerin in Gesten und Mimik nachzuahmen. Zunehmend durchschauen die Deutschen diesen Trick und beginnen stückweise abzurücken.

Hinzuzufügen ist, dass Olaf Scholz der klassische Typ des Parteifunktionärs ist. Schon als Schüler trat er 1975 der Jugendorganisation der SPD, den Jungsozialisten, bei. Schnell machte er dort Karriere und wurde schließlich 1982, im Jahr des Regierungswechsels von Helmut Schmidt (SPD) zu Helmut Kohl (CDU), deren Bundesvorsitzender. Es waren die wilden Jahre des linken Protestes. Zum Sammelbecken all dieser Kräfte diente die, wie man heute weiß, maßgeblich von der DDR gesteuerte „Friedensbewegung“. Der Sozialdemokrat Helmut Schmidt scheiterte letztlich an der Weigerung seiner Genossen, der sowjetischen Aufrüstung mit nuklear bestückten SS-20 Mittelstreckenraketen in Form von amerikanischen Pershing 2 Raketen eine Kraft entgegenzustellen.

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In dieser Zeit hatten sowohl die SPD als auch die Jusos intensive Beziehungen zur DDR und hier speziell zur Jugendorganisation der SED, der FDJ, aufgebaut. Immer wieder verfasste man gemeinsame Resolutionen, die ausschließlich den Standpunkt der Sowjetunion wiedergaben. Prominenteste Vertreter der SPD waren unter anderem Oskar Lafontaine und der spätere Kanzler Gerhard Schröder – und Olaf Scholz immer mit dabei. Sie waren es auch, die die Aufgabe einer gemeinsamen deutschen Staatsangehörigkeit für alle Deutschen, also auch die in der DDR und Berlin-Ost Lebenden, forderten und sich schließlich der von der übergroßen Mehrheit der Deutschen gewünschten Wiedervereinigung widersetzten.

Die Gegnerschaft zum Kommunismus wurzelte nicht in einer inneren weltanschaulichen Grundüberzeugung, sondern in der Ansicht, der Sozialismus der DDR und auch der Sowjetunion sei verbürokratisiert und historisch stehengeblieben und deshalb reformbedürftig, aber den ‚postfaschistoiden‘ Gesellschaften des Westens auf dem Weg der Geschichte weit voraus. Sieht man einmal davon ab, dass diese Vorstellungen auf einem arg vereinfachten Verständnis des Marxismus basierten, musste sich mit ihr zwangsläufig ein prinzipieller Antiamerikanismus verbinden. Dies alles war prägend für die Generation in der Sozialdemokratie, die heute an die Hebel der Macht gelangt sind. Hier liegt ein ganz wesentlicher Aspekt für die wankelmütige Haltung zum Geschehen in und um die Ukraine.

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Scholz war dabei nie der charismatische und mit Leidenschaft führende Charakter. Ihm liegt mehr das stille Wirken auf leisen Füßen um ihn herum. Behilflich ist ihm dabei auch seine nüchtern-kühle hanseatisch scheinende Art. Der Volljurist bildet belastbare Netzwerke, liebt das Prinzip des „sowohl als auch“ und scheut die klare Sprache. Kritischen Fragen weicht er aus, indem er mit einer wortreichen und langatmigen Beschreibung der jeweiligen Problematik beginnt, um den mittlerweile ermüdeten Fragesteller auf die weitere Entwicklung zu verweisen und damit zu vertrösten.

Mit dieser Taktik gelingt es ihm bis heute, der Klärung seiner Rolle in der Cum-Ex Affäre bei einer Hamburger Bank und im Wirecard-Skandal immer wieder auszuweichen. Nur einmal in seiner Karriere wurde es für den Genossen wirklich eng: Während bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017 linksradikale Chaoten einen ganzen Stadtteil nahezu verwüsteten, saß der 1. Bürgermeister ungerührt in der Elbphilarmonie. Draußen auf der Straße musste die Polizei vor der Übermacht der Chaoten zurückweichen. Welch eine Blamage für Deutschland. Aber auch hier gelang es ihm gleich einem trockenen Schwamm, den Sturm der Kritik und Entrüstung in sich versickern zu lassen.

Das für Scholz Tragische ist nur, dass die Nummer eins in Deutschland so nicht führen kann. Von einem „Kaliber“ mit Spitzenformat erwartet man klare und durchschaubare Haltungen und Entscheidungen.

Dies gilt besonders für die jetzige Gefahr eines Krieges in Europa. Ob in der Corona-Krise oder im Energiedebakel – im Gegensatz zu diesen hilft kein Durchmogeln, Abducken und Verschleiern. Jetzt ist Klarheit gefragt. 5.000 Stahlhelme reichen nicht aus.

Schon zu Beginn nächster Woche kommt es zur Nagelprobe. Der deutsche Kanzler trifft in Washington auf die Spitze der Vereinigten Staaten. Herumlavieren wird im Weißen Haus nicht mehr gehen.

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Kommentare ( 37 )

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Hannes
2 Jahre her

„Ob man es wahrhaben will oder nicht, zweifellos gehörte dazu auch, dass mit Merkel erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Frau ganz oben stand. Durch ihre Weiblichkeit verströmte sie auch ein Gefühl der Geborgenheit…………………..“ Sehr geehrter Herr Georg Gafron, … sei die Frage erlaubt, an was Sie bei der empathielosen … Merkel Weiblichkeit festmachen, abgesehen von der Tatsache, dass diese biologisch wohl doch eine Frau ist. Was Sie dabei auch noch ein Gefühl der Geborgenheit überkommen lässt, wird wohl für immer Ihr ganz persönliches Geheimnis bleiben. Und ganz ehrlich gesagt, möchte ich das auch nicht wirklich in Erfahrung bringen… Mehr

Hannes
2 Jahre her

Nicht trozdem Angst macht, sondern gerade eben weil……..

moorwald
2 Jahre her

Also mir hat Merkel keine Sekunde ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Mir war sie immer in jeder Hinsicht schattenhaft und gleichzeitig unheimlich.

Fulbert
2 Jahre her

Wo sitzt er denn was aus? Er hat doch gerade deutlich gesagt, dass es keine Lockerungen gibt. Standhaft wie die deutsche Eiche und unbeirrt von den wankelmütigen Nachbarländern. Ein echter Kerl!

Hannes
2 Jahre her
Antworten an  Fulbert

Bitte als Satire kennzeichnen. Es soll Menschen geben, die Ihnen das so 1 zu 1 für bare Münze abnehmen, sich selbst in Ihrem fatalen Irrglauben bestätigt sehen. Ganz große Gefahr, ganz großes Dilemma………..
PS. Ich gehe davon aus, dass das nicht Ihr Ernst ist. Falls wider Erwarten doch, bitte den Psychiater Ihres Vertrauens konsultieren.

Last edited 2 Jahre her by Hannes
rainer erich
2 Jahre her

Hauptsache, er ist nicht „rechts“…. Das genuegt voellig. Uebrigens koennte man sich zur Abwechslung fragen, warum es mit dem Politpersonal nicht besser, sondern, man glaubt es kaum, schlechter wird. Liegt es am Fundus, liegt es an den „Kriterien“, an beidem? Da ein durchgängig idealer Fundus zumal im „Parteiensystem“ nicht zu erwarten ist, muessten es die richten, die nach bestimmten Kriterien auswaehlen. Wichtig ist, dass der Kandidaten nicht einmal irgendwelche Berührungen mit oder nach „rechts“ hatte. Alles andere ist, und da sind „Konservative“ wieder einmal nicht unbeteiligt, voellig irrelevant geworden. Interessanterweise haelt sich auch unter Konservativen der erstaunlich naive Glaube, wenn… Mehr

horrex
2 Jahre her

„Das für Scholz Tragische ist nur, dass die Nummer eins in Deutschland so nicht führen kann.“ Doch, ganz offensichtlich kann man. In einem Land kann man das, das längst und zutiefst von „Beliebigkeiten“ und „innneren Widersprüchen“ geprägt ist. In einem Land in dem eine große Mehrheit längst nach dem Scholz-Prinzip lebt „wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass“. Und in der Meinung einer einzigen Person all zu oft die eklatantesten inneren Widersprüche vereint sind. OHNE, dass der Person diese Widersprüche im geringsten auch nur auffallen. Wie – zum Beispiel nur – Geld ausgeben das man nicht hat für… Mehr

Reinhard Schroeter
2 Jahre her

Das Gefühl von Geborgenheit bei einer alten und kinderlosen Bolschewistin wie Merkel, hatten wohl nur die, die das Glück hatten nach dem Krieg jenseits von Mauer und Stacheldraht zu leben. Es scheint wohl darin begründet zu sein, dass man dort 70 Jahre in Frieden, Freiheit und Wohlstand gelebt hat und sich dabei eine gewisse Denkfaulheit , ja sogar Dummheit eingestellt hat, die am Ende dazu geführt hat, dass , es eben die sich so geborgen Gefühlten waren, die es der Zerstörerin ermöglicht haben,dieses Land in den Niedergang zu führen. In Mitteldeutschland wollte sich dieses Gefühl nie einstellen. Man hatte seine… Mehr

Hegauhenne
2 Jahre her
Antworten an  Reinhard Schroeter

Zur Bundestagswahl 2017 war hier in BW in meinem Rentnerumfeld die Meinung, naja anfangs war sie doch ganz gut, und jetzt, wer sollte es denn sonst machen, da ist ja keiner nirgendwo.
Ich sagte dann immer, du, du oder ich, also noch schlechter könnten wir’s auch nicht machen.?
Aber da ging es uns ja noch so gut, also lieber weiter so in Taka-Tuka-Land.
Und der weiße Ritter Friedrich war ja auch noch nicht in Sicht.?
Jetzt sitzen wir mit Scholz auf dem Narrenschiff und hoffen, wer nix macht, macht auch nix verkehrt.

Hannes
2 Jahre her
Antworten an  Reinhard Schroeter

Volltreffer, versenkt………………
Chapeau Herr Schroeter, unterschreibe ich Ihnen ganz genau so, Wort für Wort, jedes einzelne Wort!
Ich bin begeistert, schreiben Sie mir doch vom Herzen.
1000 DANK

Lizzard04
2 Jahre her

„Von einem „Kaliber“ mit Spitzenformat erwartet man klare und durchschaubare Haltungen und Entscheidungen.“ Das ist zwar korrekt, aber für’s Regieren in Deutschland insgesamt gar nicht nötig! Das haben die vergangenen 16 Jahre hierzulande doch eindrucksvoll bewiesen. Merkels Handeln war weder klar, noch durchschaubar, eher aus dem Bauch heraus, an augenblicklichen Umfragen orientiert, absolut kurzsichtig, ohne jede gestalterische Vision und gerne auch heute im Gegensatz zu gestrigen Entscheidungen, wenn es der „Popularität“ nützte! Wir können also durchaus noch lange „Freude“ an Scholz haben!

Hannes
2 Jahre her
Antworten an  Lizzard04

Merkels handeln? Welches Handeln?
Ach so, Sie meinen das Aussitzen von Allem, jedes Problems, von Ihr selbst erst geschaffenen Problems. Dann ist ja alles gut. Ich hatte tatsächlich schon befürchtet, Sie hätten bei der tatenlosen Wuchtbrumme Merkel irgendetwas bemerkt, was der Definition von handeln auch nur ansatzweise gerecht werden könnte. Puh, nochmal Glück gehabt………………….

santacroce
2 Jahre her

Bitte keine Lobhudelei für Merkel, sie hat wahrlich genug Sachen vergeigt.
Merkel hat immer abgewartet, was kommt, und wenn die Mehrheitsmeinung sich herauskristallisierte, hat Merkel sich dazugestellt. Scholz hält sich dagegen komplett zurück und macht erstmal nichts. Und wenn es wirklich ernst wird, kann er sich nicht erinnern.
Was passierte bzw. passiert den Beiden: Nichts!
Die Presse steht nun mal auf rotgrüne Sozialisten, wenn ich nur daran denke wie Kohl fertiggemacht wurde von gewissen Blättern, dieselben packen die Vorgenannten leider nur mit Samthandschuhen an.

Sonny
2 Jahre her

Warum sollte ein Herumlavieren im weißen Haus nicht mehr gehen? Was soll denn dann passieren? Den Amis ist doch sch…egal, was aus Deutschland wird. Die amerikanische Führung vertritt ihr eigenes Land – im Gegensatz zu Deutschland. Wenn Deutschland nicht bei Amerikas Vorstellungen mitzieht, verlieren die Amis sofort das Interesse und wenden sich anderen Staaten zu, die keine Führungsschwäche oder gar sozialistische und kommunistische Anwandlungen signalisieren. Man kann den Amis viel nachsagen, aber eines steht in Amerika schon immer an erster Stelle: Freiheit. Wer dies nicht genauso sieht, ist für die Amis unsympathisch und gemessen an Deutschlands Größe und mittlerweile in… Mehr