Neues zum Fall Bernig: Wie man sich in Bayern eines Künstlers entledigt

Erst sieht es aus wie ein weiteres Beispiel von „Cancel Culture“ in Deutschland. Bei näherem Hinsehen ist die Absage einer Lesung des Autors Jörg Bernig mehr, denn sie führt eine neue, gleich doppelte Rückgratlosigkeit vor: Mitläufertum in Tateinheit mit Feigheit.

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | André Wirsig

Bevor wir zu dem kommen, was bisher noch nicht bekannt war, kommen wir kurz zurück auf das, was schon bekannt ist: Das Sudetendeutsche Musikinstitut Regensburg hatte Jörg Bernig zu einer Lesung aus dem erfolgreichen Roman „Eschenhaus“ eingeladen. Die Veranstaltung war seit langem für den 10. April geplant und ebenso lange öffentlich angekündigt.

Kurz vor der Lesung, am 20. März, erhält Bernig einen Anruf: Die Veranstaltung wird abgesagt. Als Grund wird ihm mitgeteilt, dass man über ihn „im Internet recherchiert“ habe. Die Orte, an denen er publiziert oder mal publiziert hat, würden an übergeordneter Stelle „auf Missfallen stoßen“. Das Sudetendeutsche Institut SMI ist eine abhängige Einrichtung des bayerischen Bezirks Oberpfalz. Der, so erfährt der Autor, habe das SMI angewiesen, den Abend abzusagen.

Soweit der bekannte Teil. Unbekanntes Territorium betreten wir nun, als TE beim Bezirk Oberpfalz um nähere Auskünfte bittet:

Welche Stelle genau hat die Absage veranlasst? Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Weisung? Welche Orte, an denen Bernig publiziert oder publiziert hat, stoßen „auf Missfallen“? Sind in den vergangenen drei Jahren noch andere fest eingeplante und öffentlich angekündigte Veranstaltungen abgesagt worden?

Jörg Bernig
„Ich werde mehr Zeit für mein Schreiben haben. Das wird einigen auch wieder nicht gefallen“
Die Antwort überrascht. „Es wurden keinerlei Weisungen erteilt“, schreibt die Pressestelle des Bezirks Oberpfalz. Und weiter:

„Die Entscheidung, auf die Veranstaltung zu verzichten, wurde allein durch das Sudetendeutsche Musikinstitut getroffen. (…) Der Verzicht auf die Veranstaltung erfolgte rein aus organisatorischen Gründen. Aufgrund eines zeitnah bevorstehenden Wechsels in der Leitung des Sudetendeutschen Musikinstituts aufgrund der Pensionierung des bisherigen Leiters ist auch keine Organisation eines Ersatztermins geplant.“

Aha. Die Begründung, die Jörg Bernig telefonisch für die Absage seiner Lesung gegeben wurde, wurde ihm also nie gegeben. Der Bezirk Oberpfalz wirft dem Autor hier indirekt eine Lüge vor, denn um ein Missverständnis wird es sich eher nicht handeln: „Organisatorische Gründe“ sind doch recht weit entfernt von „man hat sich über Sie im Internet erkundigt“. Das könnte man selbst am Telefon nicht verwechseln.

Der Bezirk Oberpfalz jedenfalls wäscht seine Hände in Unschuld und schiebt alles auf das SMI.

In so einem Fall bleibt dem gründlichen Journalisten nur die Nachfrage beim Institut. Doch das spielt toter Käfer. Auch der Hinweis, dass das SMI als staatliche Einrichtung nach dem Bayerischen Pressegesetz zur Erteilung der angefragten Auskünfte verpflichtet ist (Art. 4 Abs. 1 BayPrG), hilft nicht. Das SMI verweigert die Aussage.

Zwischen Realismus und surrealer Parabel
Drift. Jörg Bernigs Roman »Eschenhaus«
Jedenfalls offiziell. Inoffiziell ist nicht jeder in Regensburg so schweigsam, denn nicht jeder dort ist mit dem Vorgang glücklich. Und so hört man inoffiziell, dass es überhaupt keine organisatorischen Gründe für die Absage von Bernigs Lesung gab. Keinen einzigen.

Auch die Pensionierung des langjährigen Institutsleiters zum 1. April taugt natürlich nicht als Begründung. Wann der Mann in den Ruhestand geht, ist ja seit Jahren bekannt – und war bereits bekannt, als die Veranstaltung mit Jörg Bernig verabredet wurde. Zudem führt ein Wechsel an der Spitze nicht zum Stillstand des Tagesgeschäfts.

Das alles, hört man aus dem SMI, ist vorgeschobener Unfug. Woher der Wind wirklich weht, erkenne man daran, dass kein Ersatztermin für die Veranstaltung mit Bernig vorgesehen ist. Die Oberpfalz will den Autor einfach nicht.

Jörg Bernig rätselt noch, was schlimmer ist: Der vorauseilende Gehorsam in Regensburg vor einem linken Meinungsmob, der allen Nicht-Linken die Äußerungsräume verschließen will – oder die Feigheit, dann noch nicht einmal zu der „Cancel Culture“ zu stehen, die man da praktiziert.

„Schaden anrichten und keine Spuren hinterlassen“, nennt das der Autor. „Hernach reden solche dann von Verschwörungstheorien.“

Meinungsunterdrückung von staatlichen Stellen und auf staatliche Anweisung ist in Deutschland inzwischen an der Tagesordnung. Man könnte sich also daran gewöhnen. Wer Deutschland als freiheitliche Demokratie noch nicht ganz aufgegeben hat, darf sich daran aber nicht gewöhnen.

Wir von TE werden uns daran nicht gewöhnen. Versprochen.

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Kommentare ( 23 )

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Klaus Kabel
12 Tage her

Würde ich mich daran gewöhnen und akzeptieren, würde ich mit den Nationalsozialisten und den SED Kommunisten gemein machen. Nicht anders als diese, handelt dieser heutige deutsche Staat.

H.H.
11 Tage her
Antworten an  Klaus Kabel

Man frägt sich ob Antifa die Umbenennung der SA ist.

joly
11 Tage her
Antworten an  H.H.

Der Umbenennungsprozess verlief so: Fischers Putztruppe + linke Hausbesetzer + linke Autonome + übrig gebliebene RAF-Sympathisanten erfanden die linksfaschistische Antifa.

FStein
11 Tage her

Ich kann Euch nur empfehlen, kauft Bernigs Bücher. Ich mochte übrigens das erwähnte „Eschenhaus“ sehr. Eine äußerst interessante dystopische Story, die geschickt Vergangenheit (Stasi-Drama um Eltern von Anna) und eine totalitäre Zukunft der BRD verknüpft. Ach, lest einfach selbst 😉

Judith Panther
11 Tage her

AUS für der Bücher-Verbrenner!
https://de.wikipedia.org/wiki/Verbrennerverbot

Nicht CO2-neutral genug!

Und die Verantwortlichen vom Sudetendeutschen Musikinstitut gehören vertrieben.

gmccar
11 Tage her
Antworten an  Judith Panther

Was für ein Wahnsinn !!! Und Alle machen mit !

Sonny
11 Tage her

So was, wie das, was der SMI getan hat, können nur absolut verblendete und gewissenlose Menschen tun. Warum die vor Scham nicht im Erdboden versinken, spricht Bände über deren Charakter. Aber auf jeden Fall möchten sie ihre Taten verschleiern und hoffen, das Gras über die Sache wächst. Darum geben die auch keine Antworten.
Mit solchen Menschen, wie denen beim SMI, möchte ich nie etwas zu tun haben müssen. Ich verachte diese Art Menschen.
Herr Bernig sollte froh sein, dieser Veranstaltung gezwungenermaßen entkommen zu sein.

MartinKienzle
11 Tage her

Wie sieht die Erwartung aus: Dass die BRD, sprich jener sogenannte „Staat“ (https://www.youtube.com/watch?v=UlM1tBAO5XE), uns Autochthonen das Recht zugesteht, unsere Meinung zu äußern? Ein Irrtum: Die BRD, die sich selbst als sogenannte „Demokratie“ bezeichnet, die allerdings ideengeschichtlich Chiffre für „Kommunismus“ ist (das äußerte der ehemalige BRD-Bundeskanzler Scholz öffentlich https://www.youtube.com/watch?v=_6g7k-18dJI), ist ein kommunistisches System, das – systemimmanent – keine Meinungsfreiheit kennt, das sich darin äußert, dass konservative Einstellungen, ergo die Bejahung gewachsener Strukturen, gnadenlos im Namen der sogenannten „Toleranz“, ein kommunistischer Begriff, unterdrückt respektive verfolgt werden, das wiederum bedeutet: Die Überwindung der BRD sollte angestrebt werden, um unsere (christlichen) Traditionen als Volk weiterhin… Mehr

Nachdenkerin X
11 Tage her

Einem früheren Buch Bernigs konnte ich entnehmen, daß seine Familie selbst aus Böhmen stammt. Er geht in einer Erzählung auf Spurensuche. Und dann lädt ihn ein Sudetendeutsches Institut aus. Wahrscheinlich wäre denen ein Afrikaner lieber gewesen, damit man „Weltoffenheit“ zeigen kann. (Womit ich nicht gesagt haben will, daß nicht auch ein Afrikaner einen interessanten Roman schreiben könnte.)

Waldschrat
12 Tage her

Um es mal zynisch auszudrücken, gefördert werden in Deutschland offenbar prioritär kriminelle Künstler. Das ist der Mangel bei Herrn Bernig, er kann nicht mit krimineller Vergangenheit glänzen. Er sollte mal jemanden niederschlagen, ggf. einen vermeintlichen Rechten, dann ist er prädestiniert, gefördert zu werden, Preise einzuheimsen und kann überall auftreten. So ist Deutschland, so weit verkommen.

Matthias
12 Tage her

Offenbar gibt es besonders im Söder-CSU-Bayern vom Amts wegen vorauseilanden Gehorsam gegenüber der grünroten Mafia. Wenn das FJS wüsste!

Kassandra
12 Tage her

„Das Sudetendeutsche Musikinstitut (SMI) in Regensburg erforscht, dokumentiert und fördert die Musikkultur in den böhmischen Ländern „unter besonderer Berücksichtigung der Bevölkerung deutscher Sprache, Abstammung oder Nationalität“.[1] Das Institut arbeitet die komplexen deutsch-tschechischen Wechselwirkungen dieser Kultur im europäischen Kontext heraus und ist auf Austausch und Völkerverständigung angelegt.[1] Der Terminus „Musik“ ist in diesem Projekt weder an Staats- noch Genrebestimmungen gebunden.[1] Neben der „Klassischen Musik“ wird „das ganze Spektrum der Umgangs- und Unterhaltungsmusik (Folklore, Jazz und andere Musik)“ behandelt und gefördert.“ wiki So was hat doch in angesagtem „multikulti“ seinen Platz lange verloren – oder? Und Musik, wie wir sie schätzen, scheint… Mehr

Budgie
12 Tage her

In Sachsen ist es auch nicht anders. Am Karfreitag sollte auf dem Dresdner Neumarkt, also vor der Frauenkirche, eine große Friedensprozession stattfinden. Ich dachte immer, die Kirche ist die Inkarnation des Friedens. Aber weit gefehlt. Nachdem sie uns schon in der Corona-Zeit die Tore zugesperrt hatten, torpedieren die Kirchenoberen jetzt die Prozession für den Frieden. Die sind verkommen bis ins Mark, die segnen lieber die Kriegstoten als für den Frieden zu beten. Da hätten sie sich den Wiederaufbau der Frauenkirche sparen können, wenn jetzt in diesem Gotteshaus wieder das Verbot aller „Anderen“ gepriesen wird. Nach dem nächsten Krieg auf deutschem… Mehr

Lupo A
12 Tage her

Es fällt schwer, da nicht an den Kunstpreis für Frau Schiller von der Hammerbande zu denken. Dieser Staat und seine Gliederungen hat nicht nur ein bisschen Schlagseite, er ist komplett durchgekentert!