Boris Johnson will neue Kernkraftwerke statt Windindustrieanlagen

Auch Großbritannien hatte sich von der Kernkraft abgewendet, zwar nicht so radikal wie Deutschland. Doch leidet UK unter Energiemangel und unsicherer Stromerzeugung. Das Land muss Energie importieren, weil die vielen Windräder allein es nicht mit genügend Strom versorgen können.

IMAGO / ZUMA Wire

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson will weitere Pläne für Windindustrieanlagen aufgeben und stattdessen neue Kernkraftwerke. Nach dem Brexit von der EU befreit wirft er mutig in den Raum, bis zu sieben neue Kraftwerke zu erstellen.

Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng schlug noch vor, die Zahl der Windräder bis 2030 zu verdoppeln. Er will die gesamte Leistung der Windräder von 14 GW auf 30 GW verdoppeln – vor allem in Schottland. Ihm schwebt sogar vor, sie auf 45 GW bis 2035 zu erhöhen. Allerdings handelt es sich um installierte Leistung – wenn kein Wind weht, kann diese Leistung nicht geliefert werden. All die vielen Windräder nützen dann nichts.

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Auch Großbritannien hat sich von der Kernkraft abgewendet – nicht so radikal wie Deutschland, schon gleich gar nicht hat das Land Kraftwerkstürme in die Luft gesprengt –, und hat auch eine »Energiewende«, die unter verhängnisvollem Energiemangel und unter sehr wechselnder, vom Wetter abhängiger Stromerzeugung leidet. Gasquellen in der Nordsee dürfen nicht weiter erschlossen werden. Das Land muss Energie importieren, weil all die vielen Windräder das Land nicht mit Strom versorgen können.

Zurzeit werden zwei neue Leichtwasserreaktoren am Standort Hinckley Point in Somerset gebaut. Neuer Favorit sind vor allem kleinere Reaktoren; Rolls-Royce baut sie und will sie Anfang des nächsten Jahrzehnts betriebsbereit haben. Am kommenden Donnerstag soll Englands neue Energiestrategie veröffentlicht werden.

Während in Deutschland Wälder abgeholzt und Landschaften mit Windrädern zugemüllt werden, steht seit 1. April mit Block A des Kraftwerkes Grevenbroich-Neurath ein weiteres Braunkohlekraftwerk still. Weitere 300 MW Leistung wurden gerade abgeschaltet – unter dem Jubel von WDR (»kein Strom, aber auch kein CO«) und des Umweltkonzerns BUND, dessen Sprecher weismacht, dass Strom nicht das Problem sei: »Wir können locker 10 Prozent wegsparen«. Es könnten schnell Windräder angeschaltet werden, meint er unbedarft aus seinem warmen Büro in die Kamera und fügt hinzu, dass ein schnelles Verbot der Gasheizungen Putin schaden könne. Die galten gerade noch als Ausweg aus der Energiekrise. Der WDR-Mann vermag nicht kritisch nachzufragen.

»Mit Stilllegung von Block A des Kraftwerks Neurath setzt RWE den gesetzlichen Kohleausstieg planmäßig fort«, beschreibt die RWE-Pressemeldung das Abwürgen einer sicheren Energieversorgung Deutschlands. Allerdings scheinen viele Verantwortliche bei der Bundesnetzagentur immer kältere Füße zu bekommen. Das Kraftwerk soll noch nicht abgerissen werden, sondern »konserviert« für den Notfall zur Versorgungssicherheit beitragen. RWE: »Das Unternehmen wird somit zunächst alle Maßnahmen unterlassen, die eine Wiederinbetriebnahme für den Fall gefährden können, dass die Bundesregierung entscheidet, dass die Anlage temporär noch zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit benötigt wird.«

Währenddessen wird auch dem Vorstandschef des Chemiekonzerns BASF, Martin Brudermüller, angst und bange. So sehr, dass er sich öffentlich über einen Mangel an Energie und Gas äußert. Er hält einen Import-Boykott gegen russisches Erdgas für unverantwortlich. Viele Deutsche unterschätzten die Risiken. Klar müsste sein, so Brudermüller in einem Gespräch mit der FAZ, dass zum Beispiel Flüssiggaslieferungen aus den USA zu deutlich höheren Energiepreisen führen würden und nicht auf Knopfdruck umgesetzt werden könnten. Es reiche nicht, die Heizung um 2 Grad herunterdrehen. Russland deckt 55 Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs. Würden die über Nacht wegfallen, würde vieles einbrechen, viele Unternehmen würden insolvent. Das würde zu irreversiblen Schäden führen.

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Das könnte die deutsche Volkswirtschaft in ihre schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs bringen und den Wohlstand zerstören. Vielleicht in vier bis fünf Jahren könnte eine Abkehr vom russischen Gas vollzogen werden, meinte der Chef der BASF, die einer der größten Energieverbraucher Deutschlands ist. Er entgegnete auch der Aussage von Ökonomen, die einen Boykott handhabbar bezeichneten: »Lassen Sie mich das in aller Deutlichkeit sagen: Die größten Wortführer sind diejenigen, die an dieser Stelle keine Verantwortung tragen. Wenn Sie Verantwortung haben für viele Menschen, dann ist das anders. Wir stellen hier in Ludwigshafen auch Produkte für die Pharmaindustrie und andere lebenswichtige Bereiche her. Das ist alles sehr viel komplexer, als das von manchen in Modellen skizziert wird.«

Den Vogel schoss Niedersachsens Ministerpräsident Weil ab. Er fordert einen Kurswechsel. In einem Interview mit der Welt breitete er seine Vorstellung von einem Wiederaufleben der Förderung von Öl und Gas in Niedersachsen aus. Denn unter Norddeutschland und der Nordsee liegen bekanntlich solch große Mengen an Erdgas und Öl, dass die Deutschland lange mit Energie versorgen könnten. In der Gegend um Wietze bei Hannover befindet sich sogar der Ursprung der Ölförderung in Deutschland. Doch auf Betreiben der Grünen sind sämtliche Förderungen eingestellt worden – angeblich aus Umweltschutzgründen.

Weil sei gerade aus Großbritannien zurückgekommen; dort habe er über die Energieversorgung der Zukunft gesprochen, erzählte er. Er träumt von Lieferbeziehungen mit Schottland, denn die würden Offshore-Windstrom in Hülle und Fülle haben. Über neue Kernkraftwerke sprach er offenbar nicht. Jetzt will Weil mit Unternehmen reden, ob man bei den bereits erschlossenen und teilweise ausgeförderten Gebieten noch intensiver und mehr fördern könne. Erschrocken weist er die Frage zurück, ob jetzt nicht doch der Weg zum Fracking-Gas freigemacht werden solle: »Nein.«

Nach einem jahrelangen heillosen und emotionalen Streit habe auch die Gasindustrie erkannt, dass es dafür an Akzeptanz fehle. »Wir brauchen jetzt schnelle Lösungen«, so Weil. Doch schnelle Lösungen in der Energieversorgung gibt es nur in grünen Wunschvorstellungen. Immer wird eine umfangreiche Anlagentechnik benötigt, die man nicht wie einen Tofubratling mal schnell eben fabrizieren kann.

Was passieren kann, wenn es zu heftigen Preissteigerungen und tagelangen Stromausfällen kommt, sieht man in Sri Lanka. Dort demonstrierten am Sonntag 20.000 Bürger eben gegen die Notstände. Sie forderten den Rücktritt des Präsidenten und seiner Regierung sowie Neuwahlen. Diese hätten es nicht geschafft, die Krise zu lösen. Präsident Gotabaya Rajapaksa hatte den nationalen Notstand ausgerufen. Jetzt traten alle Minister zurück – bis auf den Präsidenten Rajapaksa und dessen Bruder.

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Kommentare ( 18 )

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Jan des Bisschop
2 Jahre her

Die Konzernchefs haben als nützliche Idioten jede Fehlentwickel mit dämlichem Grinsen auf dem Gesicht abgenommen, weil sie dumm wie sie sind glaubten, dass die Regierung alle Preissteigerrungen mit Staatshilfen abfedern würden. die aktuellen Preise und die Versorgungsunsicherheit kann aber nicht mit mehr Schulden ausgeglichen werden, jetzt geht den nützlichen Idioten der Arsch auf Grundeis. Am Ende bezahlt der einefache Steuerzahler die Rechnung, die von der Regierung bezahlten Scharfmacher wird dies nicht kümmern.

Christian
2 Jahre her

Ich gehe inzwischen davon aus, wir brauchen erst einen großflächigen Zusammenbruch der Energieversorgung und massive Wohlstandsverluste in D ehe sich hier etwas ändert.Der verwöhnte deutsche Michel nimmt klaglos die Preissteigerungen hin. Er glaubt offensichtlich auch in der Mehrheit das mit ein paar mehr Windrädern unsere Energieproblem gelöst werden. Der Absturz wird alles übertreffen, was die Mehrheit der heute lebenden, je erlebt hat. Die Pfeifen von BASF und anderen Konzernen, haben sich nie in der Kritik an der idiotischen Energiepolitik hervorgetan, fasst wie die früheren Kombinatsdirektoren gegenüber Honecker.

4Frankie
2 Jahre her

Man hat in Deutschland, speziell in Bad-Württemberg unter dem Maoisten/Kommunisten/Grünen Kretschmann keinen „Kraftwerkstürme in die Luft gesprengt“ – sondern „nur“ (verheerend genug) die Kühltürme, das aber möglichst schnell. Ansonsten wäre radioaktive Strahlung freigesetzt worden; so könnte man bei gutem Willen innerhalb von 2-3 Jahren (und dem Bau neuer Kühltürme) die Kernkraftwerke wieder voll betreiben (wenn man auf weiter zerstörerische Maßnahmen sofort verzichtet).

J. Werner
2 Jahre her

Auch Fracking wäre in Deutschland schnell machbar und kurzfristig die beste Lösung. Bei Notstandsverordnungen ginge das innerhalb von Monaten bis zum Beginn der Förderung. Das Equipment steht in den USA bereits da, muss nur hierher gebracht und aufgestellt werden. Die Fortschritte waren in den letzten Jahrzehnten so groß, dass Umweltbelastungen mittlerweile minimal sind. Alles “ mit dem Feuer aus dem Wasserhahn“ sind aus einer Zeit, als man vor vierzig Jahren mit dem Fracking in Pennsylvania begann. Es wird im ÖR so getan, als ob das immer noch Stand der Technik sei.

H. Meier
2 Jahre her

Boris Johnson könnte sich auf erfahrene Spezialisten verlassen, wenn er denn wollte die gibt es, z. B. hier http://german.china.org.cn/china/2015-03/13/content_35048433.htm
Wer ein Land mit Strom versorgen will, macht das am besten wie auf einem modernen Schiff, man baut Antriebsmaschinen ein, die Tag und Nacht bei jedem Wetter tadellos funktionieren. Nur Vollidioten verirren sich an Deck und gehen über Bord, das ist der Vorteil der Seefahrt.

Hueckfried69
2 Jahre her

Wir werden hier von Lesch, Hirschhausen, Kemfert und Co. weiter mit Anti- AKW-Argumenten zugemüllt, die aus dem vorigen Jahrtausend stammen. Mit freundlicher Unterstützung des ÖRR! Lt. STATISTA waren 2020 immerhin weltweit 104 Atommeiler geplant bzw. im Bau. Die Zahl dürfte sich bis heute deutlich erhöht haben. Allein Indien plant 15 neue Kraftwerke. Indien! Aber bei uns angeblich- zu teuer! Aufklärung über neue, wesentlich sicherere Atom-Technologien wäre dringend erforderlich! Das wäre (lachen Sie nicht!) auch eine Aufgabe des ÖRR.

Ruhrler
2 Jahre her

Herr Douglas,
sie sollten noch erwähnen das ein englisches Konsortium eifrig am SMR (small modular reactor) forscht. Die liefern zwar nicht so viel Strom wie herkömmliche AKW, lassen sich aber dafür schneller „in Serie“ fertigen und sind modular aufgebaut. Das Konsortium wird auch staatlich unterstützt, während unsere Politik alles einstampft, was ideologisch nicht in den (grünen) Kram passt. Aber vielleicht können wirdafür ja irgendwann britische Reaktoren „von der Stange“ kaufen.
https://www.gov.uk/government/news/uk-backs-new-small-nuclear-technology-with-210-million

FranzJosef
2 Jahre her

Nur zur Ergänzung Handelsblatt heute: „Netzagentur-Präsident warnt vor „furchtbaren Konsequenzen“ im Fall einer Gasmangel-Lage.Netzagentur-Präsident Klaus Müller rechnet für den Fall eines Versorgungsengpasses mit gravierenden Einschnitten.“ Stattdessen lässt unser ÖR bei Anne Will eine unbedarfte Ökonomin labern, es gehe höchstens beim BSP um einen Rückgang um einige Prozentpunkte. Und die FAZ hat zwar den hier zitierten Beitrag des BASF-Chefs gebracht, lässt aber ihre Feuilletonisten die rein emotionalen Beiträge der Frauen bei der Will-Sendung feiern, weil die „die besseren Argumente“ gehabt hätten betreffend sofortigen Gas-Ausstieg.

Waldorf
2 Jahre her

„Errichten von Anlagentechnik ist kein Tofubratling, den man mal eben…“ Das ist der Kern aller grüner Utopien, das Fehlen jeglichen Gespürs für Technik im Großmaßstab, Industrie, Energiewirtschaft etc Das laienhafte BackebackeKuchen-Denken, ein Windrad hier, ein PV-Panel da und fertig ist die Energiewende, dominiert die mediale Öffentlichkeit bis hinauf in die Bundesregierung, in der Habeck und Baerbock stur weiter von „Transformation“ schwurbeln, womit sie Dekarbonisierung und Wind und Sonne als Exklusivenergie meinen. Diese Fatamorgana ist derart tief in Grüne-Denke eingebrannt, daß wenig Hoffnung bleibt, mit diesen Ideologen jemals sinnvolle Energiepolitik für eine Industriegesellschaft machen zu können. Wir könnten wesentlich (Energie)unabhängiger von… Mehr

Ali Mente
2 Jahre her

Leider beobachtet man schon seit Jahren, vor allem seit 2005 aber eigentlich in gewisser Weise auch schon davor ( z.B. Experimente mit den Rentenkassen), dass politische Entscheidungen nicht mehr wirklich durchdacht sind sondern man eigentlich eher mal was ausprobiert um dann zusehen, was am Ende dabei herauskommt, allerdings mit der Sicherheit, nicht mehr in der Verantwortung zu sein, wenn das dicke Ende dann kommt! Als Paradebeispiel dient hier natürlich wieder Frau Merkel, 16 Jahre ziellos herumirrend, außer in Fragen des eigenen Machterhalts, hat sie soviel Chaos verursacht, das nun langsam nicht mehr unter dem Teppich halten kann. Der völlig überstürzte… Mehr

Waldorf
2 Jahre her
Antworten an  Ali Mente

Sehr richtig “Einfach mal machen“ und dann schauen, „ob’s funktioniert“, ist hier seit Jahren Standard, ebenso wie das Delegieren der Konsequenzen in die allgemeine Staatsverwaltung und/oder die Bevölkerung Und wenn es „Mist war“ ist es auch egal, dann sagen „wir“ eben ab morgen das Gegenteil von gestern… (rglm medial ungestraft) Auch finde ich es geradezu erschütternd, dass die breite Mehrheit der Wähler, die Böcke immer wieder zum neuen Gärtner bestellt, stoisch immer wieder die gewählt werden, die in der Vergangenheit den Unfug angerührt haben, egal wie verheerend die Folgen waren (von Breitscheidplatz bis totaler Energieabhängigkeit von Drittstaaten, maximale Steuerlast, Strompreise… Mehr