Sondergipfel in Doha: Eine symbolische Einheitsfront gegen Israel

Nach dem Angriff Israels auf Katar bekundeten die Staaten der Region ihre Solidarität mit Doha. Auf dem Krisengipfel waren sie jedoch nicht in der Lage, konkrete Maßnahmen gegen Israel zu ergreifen. Für die USA als Schutzmacht der Golfmonarchien war der israelische Angriff rufschädigend.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Iranian Presidency
Mohamed bin Salman, saudischer Kronprinz (r) und Masoud Pezeshkian am Rande des Krisengipfels in Doha.

Zum Dringlichkeitsgipfel arabischer und islamischer Staaten in Doha reisten vor Kurzem zahlreiche Staatschefs aus der Region, um den Angriff Israels auf Katar zu verurteilen. Der Luftangriff Israels am helllichten Tag auf ein Ziel in einem Wohngebiet in Doha war ein schwerer Schlag – nicht nur für die Hamas, sondern auch für den Golfstaat. In den vergangenen Jahren hatte das Land auf Wunsch der USA zwischen Israel und den Islamisten im Gazastreifen vermittelt.

Zwar setzten die Gipfelteilnehmer ein eindeutiges Zeichen der Unterstützung für Katar, konkrete Maßnahmen wurden jedoch nicht beschlossen. Erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedern verhinderten jeden Versuch, konkrete Maßnahmen gegen Israel zu ergreifen. In 25 Punkten lassen die Unterzeichner jedoch durchblicken, dass sie Israel in Zukunft diplomatisch unter Druck setzen könnten, beispielsweise in der UNO oder vor internationalen Gerichten. Zudem verlangt der Text, die Beziehungen zu Israel zu überprüfen, keine Waffen an das Land zu liefern und rechtliche Schritte gegen es einzuleiten. Die vage Formulierung in der Abschlusserklärung ermöglicht es jedem Staat, eigene Schlüsse zu ziehen. Vor dem Gipfel kursierten Gerüchte, wonach die Staaten der Region eine Sperrung des eigenen Luftraums für israelische Flugzeuge oder eine Abschwächung der diplomatischen Beziehungen zu Israel ins Spiel bringen wollten. Letztlich wurden beide Drohungen in der Erklärung nicht umgesetzt.

Zu den Teilnehmern zählte auch der iranische Präsident Masoud Peseschkian. „Israel schlägt zu, wo es will, und tut, was es will“, sagte er. Allerdings erwähnte er nicht, dass Teheran drei Monate zuvor selbst einen Raketenbeschuss auf eine US-Basis in Katar ausgeführt hatte. Beim Gipfel drängte Teheran auf eine „islamische NATO“ – eine von vornherein zum Scheitern verurteilte Idee, da viele arabische Staaten den Iran eher als Bedrohung denn als Verbündeten betrachten.

Katar hat bereits eine einstimmige Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Verurteilung des israelischen Angriffs erwirkt. Das Land könnte auch versuchen, Israel vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen. Doch solche Schritte sind eher symbolischer als substanzieller Natur. Jede ernsthafte Reaktion muss letztlich mit den anderen Golf- und arabischen Staaten koordiniert werden, zwischen denen es oft nur wenige Übereinstimmungen gibt. Ein Beispiel: Katar hat die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) aufgefordert, ihre Beziehungen zu Israel herunterzustufen. Die Emirate haben bereits einige bescheidene Schritte unternommen. So wurde der stellvertretende israelische Botschafter zu einer Demarche einbestellt und israelischen Firmen wurde die Teilnahme an der Luftfahrtmesse in Dubai im November untersagt. Sie zögern jedoch, viel weiter zu gehen.

Abraham-Abkommen in Gefahr?

Dennoch ist der Sondergipfel von Doha von großer Bedeutung. Er könnte nämlich vor allem für die Golfstaaten den Beginn eines Wandels markieren. Bisher galt Tel Aviv den Golfstaaten als idealer Partner in ihrem Kalten Krieg gegen den Iran, der als Hauptgefahr für den Frieden in der Region gesehen wurde. Gemeinsam mit den US-Amerikanern sollte so eine neue Sicherheitsarchitektur im Nahen Osten entstehen. All das war nach dem 7. Oktober jedoch schwer zu vermitteln. Der Gaza-Krieg hat Israel in der arabischen Welt äußerst unbeliebt gemacht. Die Herrscher der Golfstaaten befürchten, in den immer weiter eskalierenden Konflikt Israels mit dem Iran und seinen Verbündeten hineingezogen zu werden – wie im Juni, als der Iran als Reaktion auf einen Bombenangriff der USA auf seine Atomanlage eine US-Basis in Doha angriff. Die Golfstaaten lehnen zwar eine iranische Vorherrschaft ab, wollen aber auch keine israelische Hegemonie. In den letzten Jahren haben die USA versucht, die Golfstaaten davon zu überzeugen, dass sie durch ein Bündnis mit Israel zu mehr Sicherheit gelangen könnten. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain normalisierten im Jahr 2020 ihre Beziehungen zu Israel und auch Saudi-Arabien stand kurz davor, ein eigenes Normalisierungsabkommen zu unterzeichnen.

Knapp zwei Jahre nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sind diese großen Träume jedoch geplatzt. Mit ihrer brutalen Kriegsführung in Gaza sowie ihren Luftangriffen im Libanon, im Iran, in Syrien und im Jemen haben sich die Israelis in den Augen der Golfstaaten längst zu einem Sicherheitsrisiko entwickelt. Seit dem Bombardement in Katar gilt der jüdische Staat als unkontrollierbarer Akteur, den es einzuhegen gilt. Vor allem, wenn der israelische Premierminister Netanjahu seine Drohung wahr macht und Teile des besetzten Westjordanlands annektiert, könnte dies das Abraham-Abkommen mit Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten gefährden. Dieses Abkommen, mit dem die beiden Staaten Israel formal anerkannten, wurde vor fünf Jahren unterzeichnet. Bisher schrecken die beiden als Schwergewichte geltenden Petromonarchien jedoch vor einem solch radikalen Schritt wie der Aufkündigung dieses Abkommens zurück.

Kein Vertrauen mehr in die USA

Die Golfstaaten haben ohnehin nur geringen Einfluss auf die Regierung Netanjahus. Nun wird erwartet, dass sie Druck auf dessen engste Verbündete ausüben. Die US-Amerikaner versuchen, die Araber zu beschwichtigen. Katar sei ein wichtiger Alliierter und so etwas werde nicht mehr passieren, hatte Donald Trump bereits Stunden nach dem Angriff gegenüber Doha versichert.

Die Araber sind nicht nur wütend auf Israel, sondern auch auf die USA. Washington gilt den Golfstaaten als enger Verbündeter. Dass Trump sich nur wenige Monate nach seinem Nahost-Besuch, bei dem er von den Golfstaaten mit Investitionsversprechen überhäuft worden war, nicht gegen Israels Angriff auf Katar eingesetzt hat, löst bei ihnen Bitterkeit aus. Einmal mehr erscheinen die USA wie ein unsicherer Verbündeter.

Jahrzehntelang basierte die Beziehungen zwischen den USA und den Golfstaaten auf dem sogenannten Petrodollar-Pakt. Dieser geriet jedoch bereits nach den vom Iran unterstützten Angriffen auf Ölanlagen in Saudi-Arabien im Jahr 2019 ins Wanken. Auf iranische und nun auch israelische Angriffe folgte keine starke amerikanische Reaktion. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Golfstaaten für die USA als Garant für das US-Petrodollar-System im Welthandel fungiert. Sie haben ihren Rohölhandel fast ausschließlich in US-Dollar abgewickelt und Washington hat im Gegenzug für die Sicherheit der reichen Golfmonarchien gesorgt.

Die Golfstaaten könnten nun zwei Hebel gegen die USA einsetzen: Sie könnten Waffengeschäfte mit US-Rivalen abschließen oder geplante Investitionen in den USA streichen. Der Kauf von Waffen bei US-Rivalen würde in Washington parteiübergreifend für Aufruhr sorgen. Zudem gäbe es ein technisches Problem: Die Systeme aus Russland und China sind nicht mit der Ausrüstung der NATO-Mitglieder kompatibel. Ein weiterer Hebel ist wirtschaftlicher Natur.

Die Golfstaaten könnten damit drohen, einige ihrer geplanten Investitionen zu streichen. Doch auch hier laufen sie Gefahr, einen launischen Präsidenten zu verärgern und ihre eigenen Bemühungen zur Diversifizierung ihrer Wirtschaft zu gefährden. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate setzen nicht nur auf amerikanische KI-Firmen, um Trump zu beschwichtigen, sondern wollen auch ihre eigenen Technologiesektoren stärken. Die Golfaraber würden von daher nicht in eine offene Konfrontation mit den USA ziehen.

Fakt ist jedoch, dass der neue Nahe Osten, von dem viele vor ein paar Jahren noch träumten, nach Israels Angriff auf Doha weiter weg scheint denn je. Saudi-Arabien rückt nun noch enger mit dem atomar bewaffneten Pakistan zusammen. Nach dem Angriff auf Doha haben beide Länder einen Verteidigungspakt unterzeichnet.

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Kommentare ( 4 )

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Schwabenwilli
2 Monate her

Kein Araber traut einem Anderen auch nur 3 cm über denWeg.
Das ist noch schlimmer als der Kampf zwischen links ind rechts im Westen.
Deshalb hat Israel bis heute überlebt.
Der liebe Gott bestraft immer auf die eine oder andere Weise jene die sein Volk vernichten wollen.

ach_was
2 Monate her

„Nach dem Angriff Israels auf Katar“
Der Autor vergisst zu erwähnen, daß nicht irgendein Wohngebiet und Katar angegriffen wurden, sondern die Terrorzentrale der Hamas in Katar.
Der eigentliche Skandal ist, daß diese Mörderbande in Katar unterschlüpfen konnte und ungestört von dort aus Ihre Terroranschläge geplant und koordiniert hat.

Haba Orwell
2 Monate her

> Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate setzen nicht nur auf amerikanische KI-Firmen, um Trump zu beschwichtigen, sondern wollen auch ihre eigenen Technologiesektoren stärken. Die Golfaraber würden von daher nicht in eine offene Konfrontation mit den USA ziehen.

Heute führen nicht mehr die USA auf fast allen technologischen Feldern, sondern China. Dieses Land bevorzugt nichtwestliche Partner vor westlichen. In Konsequenz müssen sich die Araber immer weniger um die USA kümmern.

Die neue US-Verteidigungsdoktrin sieht doch den Rückzug auf die westliche Halbkugel vor? Mehr Dominanz können sich die USA nicht mehr leisten. Wolfowitz war gestern.

Mausi
2 Monate her

Saudi-Arabien tendiert m. W. doch zum radikalen Islam. Andere islamische Staaten setzen alles daran, damit der radikale Islam sie nicht stürzt. Daher denke ich, ist es schwierig für die islamischen Staaten mit dem Angriff auf Katar umzugehen. Wenn sie nichts tun, könnte ihnen der radikale Islam im Innern um die Ohren fliegen. Kein Ergebnis ist in meinen Augen ein gutes Ergebnis.
Und Pakistan ist auch ein islamisches Land. Das Zusammenrücken macht doch Sinn. Wenn Mitglieder des radikalen Islam im Nahen Osten nicht mehr sicher sind, Pakistan ist es vielleicht. Und es hat die Atombombe, die der Iran noch nicht hat.