Mögliches Terrormotiv: Zuwanderer zündet in Italien Schulbus an

Suchte man auf google nach Berichten über die Tat, erschien bis zum Abend lediglich bei österreichischen und schweizerischen Medien in den Schlagzeilen ein Hinweis auf Terror bzw. Protest gegen die Flüchtlingspolitik als mögliches Motiv.

FLAVIO LO SCALZO/AFP/Getty Images
Italian police rescued some 50 children on March 20, 2019 after their driver threatened to torch their school bus which he doused with petrol, the authorities said. 'It is a miracle, it could have been carnage. The police were outstanding, blocking the bus and getting the children off,' said Milan prosecutor Francesco Greco, who added that he could not rule out a terrorist connection.

In der italienischen Provinz Cremona hat der Fahrer eines Schulbusses seine Fahrgäste, 51 Schüler und ihre Begleiter, entführt, gefesselt, mit dem Tod bedroht und dann den Bus angezündet.

Die Polizei konnte nur knapp eine Katastrophe verhindern und alle Opfer retten, nachdem diese zuvor Todesängste ausstehen mussten. Der Busfahrer Ousseynou S., ein Italiener senegalesischer Herkunft, erlitt Brandverletzungen und wurde festgenommen. Der 47-Jährige soll mehrfach geschrieben haben, „das Sterben im Mittelmeer muss aufhören“. Einige der Kinder mussten mit Schnittwunden in ein Krankenhaus gebracht werden. Die Staatsanwaltschaft in Mailand ermittelt gegen Ousseynou S. nun auch wegen eines möglichen Terrormotivs, wie die Neue Zürcher Zeitung schreibt.

Der mehrfach vorbestrafte Ousseynou S., der laut Polizei seit 15 Jahren für das Busunternehmen arbeitet und Vater zweier Kinder ist, hatte seinen Opfern in der Stadt San Donato Milanese südöstlich von Mailand gedroht, niemand werde überleben. Danach fuhr Ousseynou S. sie eine Stunde durch die Gegend. Obwohl der 47-Jährige den entführten Kindern die Handys abnahm und sie mit Kabelbindern fesselte, konnte einer der entführten Schüler mit einem auf den Boden gefallenen Telefon seine Eltern informieren; diese alarmierten die Notrufzentrale. Drei Polizeistreifen konnten den Bus später an der Mailänder Stadtgrenze stoppen.

Während Beamte die hintere Bustür öffneten, versuchten zwei andere Ousseynou S. abzulenken. Dieser griff daraufhin zu einem Feuerzeug und drohte, den Bus mit einem Kanister Benzin anzuzünden. Während hinten die ersten Kinder ausstiegen, machte Ousseynou S. seine Drohung wahr und begann, den Bus anzuzünden. Auf einem Video sind Kinder, die panisch aus dem Bus rennen, und Feuerwehrleute beim Löschen des Busses zu sehen. Von dem Fahrzeug blieb nur ein verkohltes Fahrgestell übrig. Den Bildern vom Tatort nach zu urteilen, sind die um die 12 Jahre alten Kinder und ihrer Begleiter nur knapp dem Feuer entgangen.

Ein Mädchen aus dem Bus berichtete der Nachrichtenagentur ANSA laut Bild: „Er hat gesagt, wenn sich jemand bewegt, schüttet er Benzin aus und zündet das Feuer an.“ Ousseynou S. habe gesagt, dass die Menschen in Afrika sterben müssten und dass das die Schuld des italienischen Vize-Regierungschefs Salvini von der rechten Lega und Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung sei. Salvini ist für seinen harten Kurs gegen Migration bekannt. Die Nachrichtenagentur ANSA meldet unter Berufung auf eine Lehrerinnen aus dem Bus, der Fahrer habe gesagt, er wolle zur Rollbahn des Mailänder Flughafens Linate fahren.

„Ich konnte nicht mehr mit ansehen, wie Kinder im Mittelmeer von Haien zerrissen werden, schwangere Frauen und Männer, die aus Afrika fliehen“, soll Ousseynou S. gesagt haben. Die Eskortierung des Rettungsschiffes „Mare Junio“ durch den italienischen Küstenschutz nach Lampedusa sei für ihn der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, erklärte er bei der Vernehmung durch den Chef des Mailänder Antiterror-Staatsanwalts Alberto Nobili und Staatsanwalt Luca Poniz laut ANSA. Einen Bezug zu islamistischem Terror gebe es nach bisherigen Erkenntnissen aber nicht, vielmehr handle es sich um einen «einsamen Wolf». Das Innenministerium in Rom teilte mit, dass der Senegalese bereits wegen sexueller Gewalt und Alkohol am Steuer amtlich bekannt ist. «Warum fährt so eine Person einen Schulbus?», fragte Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini.

Auf twitter wurde die Berichterstattung in den deutschen Medien zu der Tat am gestrigen Abend teilweise heftig kritisiert:

Auf tagesschau.de war lange nichts über die Tat zu finden, zumindest nicht über die Suchfunktion, als andere Medien bereits berichteten; inzwischen ist auf der Seite ein Artikel erschienen, ausgewiesen mit „Stand 8.32 Uhr, 21. März“. Von den für das Verständnis der Tat wesentlichen senegalesischen Wurzeln des Busfahrers erfährt der Leser dort erst im vorletzten Absatz etwas. Auch in der Tagesschau in der ARD selbst um 20 Uhr wurden die dramatischen Ereignisse gestern nicht erwähnt, während etwa ausführlich über Überschwemmungen in Mosambik berichtet wurde. Ebenso in der heute-Sendung im ZDF um 19 Uhr. In dem erwähnten Bericht auf tagesschau.de heißt es heute: „Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 21. März 2019 um 12:00 Uhr.“ Also dem Anschein nach zum ersten Mal am Tag nach der Tat – und nach viel Kritik am Schweigen in den sozialen Medien.
Der Besucher der Webseite heute.de findet einen sehr kurzen dpa-Eintrag bei heute von 22:19 Uhr. Die meisten deutschen Nachrichtenseiten erwähnten die Tat im hinteren oder unteren Bereich bzw. Kleingedruckten.

Suchte man auf google am Mittwoch nach Berichten über die Tat, erschien bis zum Abend lediglich bei österreichischen und schweizerischen Medien in den Schlagzeilen ein Hinweis auf Terror bzw. Protest gegen die Flüchtlingspolitik als mögliches Motiv. Auch in vielen Vorspännen in deutschen Medien fehlen solche Hinweise. Eilige Leser bleiben so über die Hintergründe und das mutmaßliche Motiv der Tat im Unklaren. Ebenso fehlen Hinweise  auf die senegalesische Herkunft des Täters in den Überschriften. Im Bericht der „Welt“ etwa – möglicherweise ohne Änderungen von dpa übernommen – wurde dieser Aspekt zunächst erst im allerletzten Absatz des gesamten Berichts erwähnt. Erst später wurde der Beitrag aktualisiert und dieser Aspekt vorgezogen in den zweiten Absatz

In italienischen Medien dagegen wird der Busfahrer teilweise auch in Überschriften als „Senegalese“ bezeichnet, und auch von Terrorismus ist in den Schlagzeilen die Rede. Die Zeitung Repubblica titelt: „Mailand: Fahrer entführt Schulbus und setzt ihn in Brand: Vorwurf des Massakers und des Terrorismus. „Eine vorsätzliche Geste für tote Migranten“. Die Überschrift der Neuen Zürcher Zeitung: „Mann setzt bei Mailand Schulbus in Flammen – Staatsanwalt ermittelt auch wegen Terrorismus“.

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Kommentare ( 31 )

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Michael_M
4 Jahre her

„Von den für das Verständnis der Tat wesentlichen senegalesischen Wurzeln des Busfahrers erfährt der Leser dort erst im vorletzten Absatz etwas.“
So wesentlich ist dies hier eigtl nicht.
Wesentlich ist vielmehr, dass es sich um einen, wie man anhand seiner aussagen („…der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe,…“) begründet vermuten kann, um einen flüchtlingsaktivisten handelt.

Ralf Poehling
4 Jahre her

Anhand der unterschiedlichen Reaktionen auf Ereignisse wie in Christchurch, oder eben in Utrecht und jetzt in Mailand, erkennt man die vorherrschende Interessenlage und die Verstrickungen der jeweiligen Akteure.
Mal wird gnadenlos draufgehauen, mal relativiert dass die Schwarte kracht.
Eine Islamisierung findet angeblich nicht statt. Medien und etablierte Politik liefern den Gegenbeweis.

Seneca
4 Jahre her

Super-Recherche ! Bitte dringend bei dem kleinen Retter dran bleiben. Das würde viele TE-Leser bestimmt interessieren. Ein wirklicher kleiner HELD !

Moses
4 Jahre her

Dies ist nicht nur im Deutschland ein Problem. Die Welt war schockiert, als ein australischer Faschist in einer Moschee in Neuseeland Muslime erschoss. Proteste haben die ganze Welt erfasst. Es war die richtige Reaktion, denn die Anhänger des neuseeländischen Killers sollten wissen, dass sie keine Nationalhelden werden. Das Einzige, was ich sehr gerne gesehen hätte, dass die Welt, einschließlich der muslimischen Welt, auf den Terror gegen Christen und Juden genau so reagiert hätte. Seit Jahresbeginn wurden in Nigeria 120 Christen getötet. Letzte Woche griffen muslimische Kämpfer Dörfer in der Provinz Khajuri an und töteten 52 Menschen.  Der „Christlichen Post“ zufolge… Mehr

Ivan de Grisogono
4 Jahre her

Solche Meldungen könnten die Bürger nur verunsichern? Und so etwas möchte die Merkel Regierung und gewissenlosen Claquere nicht! Danke für den Weckruf! Natürlich hat Salvini Recht, wie kann man nur unsere Kinder in die Hände der Terroristen ausliefern ?
Normalität ist in Europa schon längst vorbei, nicht per Zufall sondern mit Absicht. Alle Warnungen wurden aus niedrigen Beweggründen überhört, Verteilungskämpfe i.e. Überlebenskampf in christlichen Europa gegen die 5. Kolone beginnt!

Rohe Ostern
4 Jahre her

Ist doch klar wieso verschwiegen wird. Dieser Anschlag ist in seiner Auswirkung auf Deutschland wesentlich schlimmer als Christchurch: 1. White supremacists gibt es nicht so viele. Scheinbar integrierte Männer mit Migrationshintergrund schon (nichtintegrierte Männer ebenfalls) 2. Eine automatische Waffe und Munition zu beschaffen ist schwierig, Benzin, Kabelbinder und ein Feuerzeug nicht 3. Um Menschen eigenhändig mit einer Waffe umzubringen gehört wesentlich mehr dazu, so nehme ich an, als mit einem Feuerzeug Benzin anzuzünden. Das geht mit geschlossenen Augen. Letzteres ist eine feige Tat, ersteres eher nicht. 4. Moscheen kann man evtl unter Polizeischutz stellen, wie es auch bei vielen Synagogen… Mehr

Fernando Girasole
4 Jahre her

Es ist erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit dieser Geiselnahme die deutschen Leitmedien widmen. Wenn überhaupt, so wird weitgehend die dpa-Meldung übernommen, die das Verbrechen in Bezug setzt zum Regierungshandeln – und damit implizit relativiert.

Das sind wohlgemerkt die gleichen Medien, die sehr häufig der weiteren Vertiefung der EU, hin zu einem Bundesstaat, das Wort reden. Dann aber müssten Ereignisse bei Mailand zumindest annähernd das gleiche Gewicht haben und in der Berichterstattung den Raum einnehmen, wie solche in Chemnitz, Kandel oder Freiburg, am Alexanderplatz in Berlin oder einem Spielplatz in Köthen.

Ach – gerade so ist es ja….

Roland Pressler
4 Jahre her
Marcel Seiler
4 Jahre her

Dass die NZZ den Täter in der Überschrift als „Mann“ beschreibt, und nicht als einen Senegalesen mit inzwischen italienischer Staatsbürgerschaft, nehme ich dieser Zeitung übel. (Von der deutschen Presse erwarte ich nichts anderes.)

andreas59
4 Jahre her
Antworten an  Marcel Seiler

Die NZZ ist schon lange nicht mehr das, was sie einmal war. Auch sie wurde eingenordet bzw neu justiert.

Maria KH
4 Jahre her

Wenn der Terrorist den Mord an den Kindern vollendet hätte, wäre man wohl an einer Berichterstattung in Deutschland nicht mehr vorbeigekommen. Aber selbst dann graut einem bei dem Erfahrungswissen, wo und wie der Anschlag versteckt oder mit dem „richtigen“ Frame bis zur Unkenntlichkeit verkleidet worden wäre. Da müssten vermutlich nicht nur die italienische Regierung, sondern wie immer auch die AfD und Trump als Verursacher ran.
Gibt es bei Journalisten nicht so etwas wie eine Berufsehre oder moralische Leitlinien, nach deren Unterschreitung man beim Blick in den Spiegel nur noch speien kann?