Libyen soll Bootsflüchtlinge wieder an seine Küste zurückholen; Shuttle-Service gestoppt

Annalena Baerbock auf Praxiskurs: Was für sie in der Opposition „Bruch mit dem Völkerrecht“ war soll jetzt durchgezogen und Mittelmeerflüchtlinge zurück nach Libyen gebracht werden. Die grünen Migrations-NGOs müssen zurückstecken und ihren Shuttle-Service einstellen.

IMAGO/photothek
Annalena Baerbock (Buendnis 90/Die Gruenen), Bundesaussenministerin, spricht zu den Medien nach einem Gespraech zum Zusammenhang zwischen Klima- und Sicherheitskrise in Ouallam, 14.04.2022.

Es ist ein Kurswechsel von historischen Ausmaßen – zumindest soweit er die grüne Partei betrifft und für sie gilt. Wie das Auswärtige Amt gegenüber dem WDR bestätigt hat, hält Außenministerin Annalena Baerbock an der Verabredung mit der libyschen Küstenwache zur Seenotrettung fest. Libyen ist demnach „völkerrechtlich verpflichtet, Seenotrettung in seinem Verantwortungsbereich zu organisieren und zu koordinieren“, so die Auskunft aus dem Auswärtigen Amt. Gemeint ist damit die offizielle Such- und Rettungszone des nordafrikanischen Landes, die auch internationale Gewässer umfasst – in WDR-Sprech als „weite Teile des Mittelmeers“.

In dieser Zone hat Libyen das Recht und die Verantwortung für die Seenotrettung. Aufgelesene Boote darf die libysche Küstenwache samt Insassen an die eigene Küste zurückbringen. Und dafür soll das Land auch weiterhin zuständig bleiben, wenn es nach dem Auswärtigen Amt geht.

Die Antwort nahm manchen Wunder. Denn die heutige Außenministerin hatte die schon damals gültigen Regelungen noch im Jahr 2018 heftig kritisiert. „Europa droht sich weiter von seinem Wertegefüge zu verabschieden, denn wer auf Rückweisung auf hoher See setzt, Menschen an die libysche Küstenwache überführt, der bricht mit dem Völkerrecht“, hatte die nach eigenem Bekunden „aus dem Völkerrecht kommende“ Grünen-Politikerin Baerbock damals mit Blick auf die eigene Wählerklientel getönt. Schon damals waren ihre Worte klug gewählt und die Außenamts-Mitteilung fährt sozusagen Slalom um sie herum: Aber wie soll Libyen die Seenotrettung koordinieren, ohne dass andere Akteure mit der libyschen Küstenwache zusammenarbeiten? Das wird wohl nicht gehen.

Gegen-Aufschrei der grünen Basis

Und so konnte der Gegen-Aufschrei der grünen Basis nicht ausbleiben. Organisationen, die sich der Erleichterung der illegalen Migration verschrieben haben, wie der in Berlin sitzende Verein „Sea-Watch“, kritisieren den grünen Kurswechsel deutlich. Die noch im Koalitionsvertrag gemachten Versprechungen, wonach „illegale Zurückweisungen“ an den EU-Außengrenzen beendet werden sollten, seien reine Lippenbekenntnisse gewesen. Die Politik der „letzten 16 Jahre“ werde lediglich fortgesetzt, das sei „schon beschämend“, so Felix Weiss von Sea-Watch.

Und auch der grüne Obmann im Menschenrechtsausschuss des Bundestags, Max Lucks, erwartet, dass seine Bundesregierung sich „klar und in verschiedenen Formaten auch dafür einsetzt, dass die Kooperation mit der libyschen Küstenwache so, wie sie bisher geschehen ist, nicht vorangetrieben wird“. Wenn Lucks sich so als standhafter Kritiker der Außenministerin präsentiert, dann muss einen nur das Wörtchen „auch“ ins Überlegen bringen. Sein wortreiches Statement verdeckt vielleicht nur, dass Herr Lucks seiner Außenministerin damit erlaubt hat, dass sie auch andere Dinge durchaus tun darf, solange sie nur parallel „in verschiedenen Formaten“ seinen Vers aufsagt. So einfach könnte ein leidiges Positionierungsproblem der Regierungsgrünen aus der Welt geschafft werden: Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen.

Im Klartext heißt das: Baerbock trägt zwar zähneknirschend die in dieser Frage unveränderte Haltung des Außenamtes mit, setzt aber daneben in Pressemitteilungen und Mikrophon-Terminen Äußerungen in die Welt, die so klingen, als sei sie weiterhin gegen Zurückweisungen an den EU-Außengrenzen im Mittelmeer.

Tatsächlich hat Baerbock just am Donnerstag ihre neue Außenamtslinie schon wieder relativiert, als sie sich in Athen demonstrativ kritisch über Frontex äußerte, interessanterweise mit einer Formulierung, die stark an ihr eigenes Zitat von 2018 erinnert: „Wenn wir da wegschauen, dann gehen unsere Werte im Mittelmeer unter.“ Fragt sich nur, wann die Außenministerin diese Ansicht auch in Bezug auf Griechenland fallen lässt. Das könnte noch spannend werden, vor allem wenn man bedenkt, dass sie zugleich für Harmonie zwischen Athen und Ankara sorgen will.

Wann sprechen die Grünen Klartext mit ihren NGOs?

Einen Tag zuvor hatte auch das WDR-Magazin Monitor noch Stimmung gegen die Arbeitsteilung mit der libyschen Küstenwache gemacht, von „Jagdszenen“ fabuliert und sich uneingeschränkt mit den illegalen Migranten solidarisiert. Einen Tag später ist klar: Die Grünen an der Macht sind für diese Praxis, die die Migranten in ein Land zurückbringen, in dem ihnen angeblich „Folter und Misshandlungen“ drohen. Doch handelte sich das WDR-Magazin sich mit seinem migrationistischen Furor auch die Außenamts-Absage ein, die klarstellte, dass „Libyen völkerrechtlich verpflichtet [ist], Seenotrettung in seinem Verantwortungsbereich zu organisieren und zu koordinieren“. Und mit diesem Verantwortungsbereich ist die gesamte libysche Such- und Rettungszone gemeint.

Die Bundesregierung weiß auch, so berichtet der WDR, dass die libyschen Haftzentren für illegale Migranten nicht in allem den eigenen, europäischen Vorstellungen und Standards entsprechen. Die Zustände seien „zum Teil menschenunwürdig und besorgniserregend“, teilte das Auswärtige Amt dem WDR mit. Man setze sich für eine „sofortige Verbesserung der Zustände in den sogenannten ‚Detention Centern‘ ein“. Solche Worte sind schön und gut und vor allem relativ preisgünstig, denn Libyen wird sich hier nicht unbedingt in seine inneren Angelegenheiten hineinreden lassen – es sei denn die EU zahlt. Auch das wäre nicht das erste Mal.

Auf der anderen Seite erwartet die grünen Regierenden aber eine viel größere Aufgabe: Sie müssten endlich einmal ihrer eigenen Klientel die Spielregeln an dieser Stelle so mitteilen, dass sie verstanden werden. Ein gutes Dutzend grün durchwirkte NGOs durchstreift noch immer mit spendenfinanzierten Schiffen das zentrale Mittelmeer – immer in der Hoffnung, Bootsmigranten aus Nordafrika auflesen zu können, um sie in europäische Häfen zu bringen. Dass es für solche Fälle internationale Regelungen gibt, an die sich Nationalstaaten ebenso wie privat-hauptamtliche Seenotretter halten müssen, wäre vielleicht auch eine öffentliche Aussage der Außenministerin wert. Nur wird man darauf wohl lange warten.

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Kommentare ( 54 )

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Unglaeubiger
1 Jahr her

Baerbock kann leicht schwätzen, die Faeser wird handeln. Nur nicht im Sinne des deutschen Volkes. Wehe wenn die Neubürger losgelassen werden, ich glaube kaum, dass die dann auf Politiker Rücksicht nehmen. I had a tream – diese Horden stürmen den Bundestag und ……., gehen mit diesen Kaspern ebenso um wie mit dem Normalbürger, der immer noch so blöd ist und die Kohle anschafft und außer jammern nix auf die Beine bringt..

Arminius
1 Jahr her

hat wohl Sorge, ihre Gäste müssen im Winter bei uns frieren.
Oder werden die gleich per Flieger zu uns geshuttled?

Last edited 1 Jahr her by Arminius
AnSi
1 Jahr her

Was ist los? Kein Platz mehr? Oder angst vor Reaktionen der Zugereisten, wenn Gas & Strom ausfallen?

MartinLa
1 Jahr her

So hat es doch was Gutes, dass die Grünen in Regierungsverantwortung mit der Realität konfrontiert werden. Und der Atomausstieg wird auch fallen … oder die Grünen.

gast
1 Jahr her

Wenn das Schleppergeschäft beendet würde, müsste auch niemand seenotgerettet werden. Aber ich glaube nicht daran.

Index
1 Jahr her

Ach, jetzt bricht den armen „NGO“s das Geschäftsmodell weg? Das ist schon seit 7 Jahren mehr als überfällig!
Allein, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer — und eine Baerbock sowieso nicht.
Hier befinden sich noch eine halbe Million an Abgelehnten und Illegalen, die haben in diesem Land also nichts mehr zu suchen. Diese Leute gehören endlich ausgewiesen.

Contra Merkl
1 Jahr her
Antworten an  Index

Wenn der Fluchtgrund entfallen ist müssen die alle wieder zurück, so war es bei den Flüchtlingen aus Jugoslawien auch. Da kamen Busse und dann war Abreise, wer sich durch Arbeit ein Auto leisten konnte, hat seine Familie eingeladen und dann Abreise. In Syrien ist wieder alles normal, bis auf Alleppo. In Afghanistan ist kein Krieg mehr, im Sommer heiß und im Winter kalt ist kein Fluchtgrund. Auch die Taliban finden über 90 % gut. Im Irak ist Ruhe. Ich weiß noch wo in Frankfurt die 14 jährige Suzanna von einem Flüchtling umgebracht wurde, wie schnell die 10 köpfige Familie Flugtickets… Mehr

Armin Latell
1 Jahr her

nett….aber eine (Eintags)Fliege macht noch keinen Sommer. btw:“die grünen Regierenden“??? Steter Tropfen höhlt den Stein.

Lotus
1 Jahr her

Shuttle-Service gestoppt“

Jede Wette, dass nicht.

h.milde
1 Jahr her

Ich glaube dieser notorischen GRÜNEN „Flunkerin“ von Schwabs Gnaden kein Wort.

Metric
1 Jahr her

Nochmal für alle Grünen: Es ist die rotgrünschwarze „Flüchtlingspolitik“, die die Leute überhaupt erst auf die Schlauchboote treibt! Denn deren Logik ist: Nur wer illegal nach D einreist, bekommt hier faktisch das volle Bleibe- und Alimentationsrecht – für eine legale Einreise dagegen bekommen die meisten Menschen kein Visum, und eine Prüfung der „Flucht“gründe (aufgrund derer ein Visum erteilt werden könnte) findet vorab nicht statt. Viele andere europäische Länder agieren anders und haben die Prüfung in die Herkunftsländer verlagert, nur D zwingt die Leute zur illegalen Einreise per Schlauchboot.