Tichys Einblick
Vor einem Jahr

Weihnachten 2021 war das Fest der Ausgrenzung

Weihnachten im Jahr 2021 war kein Fest der Nächstenliebe oder der Gemeinschaft. Liebe und Empathie fehlten in weiten Teilen der Gesellschaft, die von Politik und Medien aufgestachelt und immer weiter in die Angst getrieben wurde. Es war eine Zeit der Ausgrenzung, der Stigmatisierung und der Heuchelei. Von Friedrich Pürner

IMAGO / Marc John

Weihnachten. Das Fest der Liebe. Das Fest der Familie. Im vergangenen Jahr war das anders. Politische Verordnungen ließen ein normales Weihnachtsfest nicht zu. In Bayern wurden Menschen nicht nur ausgesperrt. Nein. Mit dem Ausschluss der Ungeimpften wurden gleichzeitig die christlichen Werte ausgesperrt. Begründet wurde dieses unchristliche Verhalten mit dem Schrecken der Pandemie. Mit der Gefährlichkeit der damals noch neuen Variante „Omikron“.

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Obgleich erkennbar war, dass Omikron weniger gefährlich ist und diese Variante den Ausweg aus der Pandemie hätte bedeuten können, wurden die Zügel damals stark angezogen. Vor allem im Freistaat Bayern. Dort galten besonders strenge Kontaktbeschränkungen. Neben Personen des eigenen Haushalts galt für Ungeimpfte bzw. Nicht-Genesene, dass diese nur mit maximal zwei weiteren Personen eines anderen Haushalts feiern durften. Diese Regel galt nur bis zum 19. Dezember 2021. Also nicht einmal bis zum Heiligen Abend. Ab dem 20. Dezember 2012 trat eine grausame Verschärfung in Kraft. Diese Verschärfung pervertierte das Weihnachtsfest in Bayern zu einer bisher nie da gewesenen Weihnachtszeit.
Den Ungeimpften sollte das Fest vermiest werden

Haushalte, in denen eine ungeimpfte bzw. eine nicht-genesene Person lebte, durften nur noch mit zwei weiteren Personen eines anderen Haushalts feiern. Dabei war es unerheblich, ob diese weiteren Personen geimpft oder genesen waren. Die Regelungen galten für Personen ab 12 Jahre.
Eine Obergrenze für die Anzahl an Personen auf einer Familienfeier – was für ein Unfug. Welch menschenverachtende Regelung. Die Verantwortlichen werden sich heute nur ungern an diese Grausamkeit erinnern.

Selbstverständlich werden Ausreden gesucht, weshalb man diesen Weg gehen musste. Eine viel genutzte Floskel ist, dass man es zu diesem Zeitpunkt nicht besser wissen konnte. Doch ist es wirklich so einfach? Nein. Ist es nicht. Denn hätten die Verordnungsgeber nur einen Moment innegehalten, einmal scharf nachgedacht, andere Experten gehört, die gesellschaftlichen Auswirkungen überdacht und den eigenen inneren moralischen Kompass aktiviert, dann hätte ihnen bewusst werden müssen, dass diese Regelungen absolut ausgrenzend, widerwärtig, unmenschlich und obendrein fachlich falsch waren.

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Im Grunde ging es darum, Ungeimpften das Fest zu vermiesen. Sie sollten spüren, was es bedeutet, nicht geimpft zu sein. Und die perfide Idee entfaltete seine gewollte Wirkung: Sobald ein Ungeimpfter an einer Feierlichkeit teilnehmen wollte, musste in die Verordnung geschaut, gerechnet, um geplant, ausgeladen oder abgesagt zu werden. War kein Ungeimpfter eingeladen, so stand einer großen Feier nichts und niemand im Weg.

Jedem, dem diese Verordnung durch die Hände ging, muss klar gewesen sein, dass hier eine maximale Ausgrenzung von Menschen stattfinden wird. Doch entweder waren die daran Beteiligten zu feige oder zu unwissend, um hier den Finger zu heben, Bedenken oder Kritik zu äußern und schlussendlich die Kette der grausamen Weihnacht 2021 zu durchbrechen. Menschlich ein Desaster, fachlich ein Abgesang auf die Wissenschaft. Denn wissenschaftlichen Kriterien hielt diese Entscheidung zu keinem Zeitpunkt stand. Es war eine rein politische Entscheidung. Getragen vom Populismus der damaligen Zeit – entgegen aller Fakten.

Man nahm den Bruch von Familien und Freundschaften in Kauf

Während der Bundesgesundheitsminister, seine Länderkollegen und die Ministerpräsidenten noch von der Killervariante fabulierten, war erkennbar, dass Omikron zwar ansteckender, aber keinesfalls gefährlicher war. Zudem gab es bereits vor Weihnachten Hinweise, dass Omikron den Immunschutz der Geimpften und Genesenen unterlaufen könne. Das bedeutet, dass Geimpfte und Genesene ebenfalls stark am Infektionsgeschehen beteiligt sein würden. Dies hielt sogar der Corona-Expertenrat der Bundesregierung in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2021 fest.

Dies wollte man vermutlich in der Politik nicht wahrhaben. Die Impfkampagne durfte keinen Schaden nehmen. Das Narrativ von der „Impfung als Weg aus der Pandemie“ musste mit Gewalt aufrechterhalten werden. Komme, was wolle. Selbst dass Familien und Freundschaften daran zerbrechen könnten, wurde in Kauf genommen.

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Welches Motiv steckte hinter den Regelungen für die Feiertage? Inzwischen sollte jedem klar sein, dass dies nur ein Ziel hatte: Die Ungeimpften und die noch nicht Erkrankten mussten bestraft werden. Die Ungeimpften, weil sie sich nicht beugen wollten. Und die noch Nicht-Erkrankten, weil die wohl so umsichtig waren, dass sie einfach nicht erkranken wollten oder womöglich bereits immun waren, was dann aber wieder Fragen aufgeworfen hätte. Was für eine grausame Politik!

Aufgrund der Beschränkungen und der Verschärfungen mussten Eltern ihre Kinder und Enkelkinder wieder ausladen. Während die Ungeimpften und Nicht-Genesenen überlegen mussten, mit wem sie das Fest der Liebe und der Familie verbringen dürfen, viele in der Folge ganz auf größere Feiern verzichteten, weil sie nicht mehr wussten, was erlaubt oder verboten ist, durften Geimpfte bzw. Genesene großzügig mit anderen geimpften und genesenen Teilnehmern feiern. Bis zu 50 Personen waren im Innenbereich erlaubt. Weshalb genau 50? Das kann wohl niemand sagen. Diese Zahl wurde vermutlich willkürlich und ebenfalls ohne wissenschaftliche Untermauerung hineinverordnet.

Zu keiner Zeit war diese Verordnung erforderlich und geeignet. Ob sie eine Wirkung hatte? Keiner kann es sagen, denn eine Evaluierung dieser Maßnahme gibt es bis heute nicht – vielleicht aus gutem Grund.

Der Grinch sabotiert Weihnachten

In welcher schlimmen Situation mussten sich diejenigen befinden, die einen Teil der Familie nicht einladen oder gar wieder ausladen mussten. Wie haben sich diejenigen gefühlt, die ausgeladen wurden oder erst gar nicht eingeladen? Was hier passiert ist, ist mehr als bedauerlich und schwer wieder gut zu machen. Diese Kaltherzigkeit verdient zudem Unverständnis, zumal die mitverantwortliche Partei ein großes „C“ für „Christlich“ in ihrem Namen trägt.

Apropos christlich: Wie verhielten sich die Vertreter der Kirchen an Weihnachten? Still und starr waren sie. Die großen Kirchen schwiegen und sahen zu, wie Menschen aus den Familien ausgesperrt wurden, während in den Messen Nächstenliebe gepredigt wurde. Was machen die Kirchen um Maria, Josef und das Jesuskind für ein Gewese. Werden dann tatsächlich Menschen vor ihren Augen ausgegrenzt, schweigen die Kirchen und ihre bigotten Vertreter beharrlich.

Weihnachten im Jahr 2021 war kein friedliches Fest. Kein Fest der Nächstenliebe oder der Gemeinschaft. Liebe und Empathie fehlten in weiten Teilen der Gesellschaft, die von Politik und Medien aufgestachelt und immer weiter in die Angst getrieben wurde. Es war eine Zeit der Ausgrenzung, der Stigmatisierung und der bösen Heuchelei. Der Grinch selbst hätte Weihnachten nicht schlimmer machen können.

Dr. med. Friedrich Pürner, MPHFacharzt Öffentliches Gesundheitswesen, Epidemiologe