Staatsakademie bestätigt ehem. Kanzleramtschef, dass der Staat bei Corona alles richtig gemacht hat

Die heile Welt der wissenschaftsbasierten Politikberater überlebt auch die offenkundigen Katastrophen der Corona-Politik. Man suhlt sich in gegenseitiger Selbstbestätigung, auch im Rückblick: Null Selbstkritik bei der Aufarbeitung der Corona-Politik. Von Friedrich Pürner

IMAGO / Political-Moments
So wird es nichts mit der Aufarbeitung der Folgen der Corona-Politik: Vertreter der Staats-Wissenschaftsakademie Leopoldina bestätigen dem damaligen Kanzleramtschef Helge Braun, dass der Staat alles richtig gemacht hat. Dabei geht es um eine der größten innenpolitischen Krisen Deutschlands: den Umgang mit Corona.

Aber alles ist gut, das garantiert die Zusammensetzung des Podiums einer Corona-Aufarbeitungstagung im Berliner Futurium. Immerhin geht es um die Zukunft eines Landes, das darüber tief gespalten ist. Aber mit dem konformen Klimaforscher Gerald Haug, der Kinder- und Jugendmedizinerin Jutta Gärtner und dem Soziologen Armin Nassehi sitzen drei Mitglieder der Leopoldina auf dem Podium, Haug ist ihr Präsident.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften ist in der Corona-Zeit nicht durch wissenschaftliche Beratung, sondern vor allem durch immer neue Forderungen nach weiteren Verschärfungen aufgefallen. Ihr Mitglied, der sogenannte Verhaltensökonom Armin Falk forderte etwa, „Impf“verweigerer wie Steuerhinterzieher zu behandeln.

Statt kritischer Begleitung paddelte die Leopoldina im Strom der gewünschten Ergebnisse mit und surfte auf der Welle der Befeuerung der Gefahrenszenarien. Corona war die Stunde der Leopoldina – aber nicht der Wissenschaft.

Aber statt Selbstkritik: Selbstbestätigung, trotz der mittlerweile bekanntgewordenen Fakten über die Fehlentscheidungen. Dabei: Irren ist menschlich – aber Irrtümer können gerade deshalb auch eingestanden werden. Davon keiner Spur in der Nachbetrachtung.

Wer könnte es den Teilnehmern der Podiumsdiskussion verübeln. Womöglich bräuchten wir alle eine kurze Auszeit in eine heile und perfekte Welt. In eine Welt, in der wir alles richtig machen. In eine Welt, in der uns alle lieb haben. Wie schön das doch wäre.

Weiterhin eine solch heile Welt zu zelebrieren, kann nur mit Drogen oder stimmungsverändernden Substanzen möglich sein, mag man denken. Der Mensch hat sich eine weit effektivere Methode geschaffen, diesen „heile Welt Zustand“ zu erzeugen. Ganz frei von Chemie. Die Methode des Schönredens.

Es gibt nicht wenige Menschen mit dieser unglaublichen Eigenschaft. Sie können sich Dinge und Wahrheiten derart schönreden, dass sie selbst daran glauben. Es wird eine solche Überzeugung an den Tag gelegt, dass sie auch andere von ihren Ansichten überzeugen können. Selbst ausgebuffte Profis wie Psychiater oder Psychotherapeuten fallen auf sie herein.

„Die Schönredner“

Während sogenannte „Querdenker“, „Rechte“, „Nazis“, „Schwurbler“ und „Covidioten“ die Anti-Corona-Maßnahmen kritisierten, dafür heftigste berufliche sowie private Einbußen hinnehmen mussten und teilweise immer noch müssen, waren die „Schönredner“ schon längst wieder im Urlaub und beim Feiern. Sie waren unterwegs in Gaststätten und Restaurants, auf Weihnachtsmärkten und in Sporthallen. Ihre „ungeimpften” Mitmenschen ließen sie draußen stehen.

Während die einen für die Demokratie einstanden, weil sie wussten, dass viele Maßnahmen über das Ziel hinausschossen und so einige Grundrechte gerade über Bord geworfen wurden, da fuhren andere schon wieder in ihre Urlaubsländer, hatten schöne Wochen mit ihren Liebsten, gingen auf Partys, hatten die tollsten Erlebnisse und konnten uneingeschränkt wieder Sport machen. Natürlich mussten sie sich dafür „impfen” lassen. Egal. Wird schon nichts passieren. Natürlich musste auch mal Maske getragen werden. Egal. Wird schon passen. Natürlich wurde der eine oder andere im Bekannten- oder Freundeskreis oder auch mal ein Kollege ausgegrenzt. Egal. Was soll’s. Hauptsache, die eigene Moral stimmt. Einfache Erklärungen wurden dankbar übernommen. Die Freundin wird schon recht haben, dass die Maßnahmen so richtig sind. Immerhin hat sie studiert. Sie wird es wissen. Oder die andere Freundin. Die arbeitet im Büro und die Kollegin, die kennt jemanden, der das ganz sicher weiß.

Ziemlich beste Freunde

Kamen dennoch erste Zweifel auf, wurden diese im Keim erstickt. Die Politik wird schon recht haben. Die Berater der Politik natürlich auch. Und mal ehrlich, den Urlaub und die Annehmlichkeiten des Lebens nun aufgeben? Für was? Für wen? Eben. Dann lieber auf Anraten der „besten“ Freundin – weil die es ja von den anderen gehört hatte – „impfen” lassen und ab in den Urlaub. Hurra. „Haben wir uns ja verdient, gell Schatz?“.

War es wirklich so einfach? Hätte man nicht kurz innehalten und nachdenken können? Doch. Man hätte dies sogar müssen. Es ist Bürgerpflicht und Menschenpflicht gewesen. Es hätte Nächstenliebe bedeutet. Solidarität und Liebe – das wär’s gewesen. Neben der „Impfung” und 2G wurden uns auch andere, völlig absurde Maßnahmen als „Pflicht“ zur Solidarität verkauft. Angebracht wäre es gewesen, wenn viele Mitläufer Solidarität mit den Ausgegrenzten gezeigt hätten. Das wär’s gewesen.

Viele der mitgelaufenen „Schönredner“ suchen nun nach Erklärungen, weshalb sie mitgemacht haben. Solidarität und Vertrauen in Wissenschaft und Politik werden hierfür gerne bemüht. Mag sein. Den Aussagen fehlt jede Glaubhaftigkeit, den sich dieser Erklärungen bedienenden Personen fehlt die Glaubwürdigkeit. Die Erklärung ist vermutlich eine andere. Die meisten wollten einfach ihre Ruhe haben. Koste es, was es wolle. Den Preis hierfür zahlten die Kritiker. Die Schönredner wollten auf nichts verzichten und den Kritikern nicht zustimmen, da sie selbst Sorge hatten, unter die Räder zu geraten.

Das Schaf, an den Ohren zur Schlachtbank gezogen

Insofern hat der ehemalige Kanzleramtsminister Helge Braun mit seiner Aussage, dass die Menschen keinen Streit in der Politik mögen, nicht so ganz unrecht. Die Menschen mögen eine kräftige Opposition sowie deren deftige Bierzeltsprüche und markigen Aussagen gut finden, aber Streit ist ihnen unangenehm. Denn in diesem Moment wäre es am Bürger, sich plötzlich selbst ein Urteil zu bilden. Sie müssten selbst recherchieren, sich informieren und auch andere Meinungen aushalten können. Sie müssten sogar in der Lage sein, einen Gedanken völlig aufzugeben, um für einen anderen Platz zu machen. Das mögen Menschen nicht. Es ist zu anstrengend. Es ist unbequem. Lieber den nächsten Urlaub planen. Lieber nichts sagen, damit weder Karriere noch Freundschaften leiden. Doch jede Gesellschaft bekommt das, was sie verdient. Wer träge und faul in der sicheren Menge schwimmt, ist keiner großen Unbequemlichkeit ausgesetzt. Der Preis dafür ist, dass falsche Dinge sich wiederholen. Dies wird auf Dauer zu Lasten der Gesellschaft gehen. Zwangsläufig.

— TheRealTom™ 🌞 (@tomdabassman) June 3, 2023

Gestern war es Corona, heute ist es Klima. Und dazwischen wurde kurz der Krieg eingeschoben. Wer sich nicht selbst informiert, wird „informiert“. Wer alles mit sich machen lässt, der geht eines Tages wie ein Schaf in der Herde und der Weg führt zur Schlachtbank. Erst auf dem Weg dorthin wird den meisten Schafen das bevorstehende Unheil instinktiv klar. In meiner Jugend sah ich mehrmals, wie Schafe geschlachtet wurden. Schafe sind Gruppentiere. Sie stehen beieinander, weil es ihnen Sicherheit gibt. Ich konnte die Schlachter beobachten, wie sie sich dieses Verhalten zunutze machten. Ein Schaf aus der Gemeinschaft wurde an den Ohren gepackt und ziemlich grob in Richtung Schlachtstätte gezogen. Und die Herde folgte diesem einen Schaf.

Alles richtig gemacht, mach artig Sitz

Die meisten Menschen hörten lieber auf die sogenannte „Wissenschaft“, die in der Corona-Zeit ganz sicher keine mehr war. Diese „Wissenschaft“ verkümmerte zu einem erbärmlichen Haufen, den die Politik aus ihrem Enddarm hervorbrachte, um es einmal deutlich, aber noch gepflegt auszudrücken. Alles war bereits aufbereitet und konnte nun portionsgerecht abgegeben werden.

Wie das aussehen kann, zeigten die Redner auf der Veranstaltung im Futurium in bester Manier. Der Moderator und selbst ernannte „Die Erde hat Fieber“-Komiker Hirschhausen schaffte dafür ideale Voraussetzungen. Die eine Abweichlerin auf dem Podium konnte locker übergangen werden.

Eigenlob stinkt. Die Teilnehmer hätten dort allen Grund dafür gehabt, eine Maske aufzusetzen. Zusammenfassend stellten die Podiumsmitglieder – mit Ausnahme der Abweichlerin – fest, dass sie als Berater und Entscheider damals alles richtig gemacht hätten. Und die Mehrheit der Deutschen hätten auch gut mitgemacht. Richtig. Mitgemacht. Und der Moderator strahlt vor Glück. Gehörte er doch genau zu denen, die brav alles „richtig“ gemacht hatten. Sitz, Hirschhausen!

Klopfen sich alle Verantwortlichen gegenseitig auf die Schultern und attestieren sich ein gutes Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Politik, kann sich der mitlaufende Schönredner getrost und entspannt zurücklehnen. Das „Team Vorsicht“ hat seinen Fanclub „Die Schönredner“ schon lange überzeugt.

Wenn sich Team und Fans weiter so verhalten, ist eine Aufklärung noch lange nicht in Sicht. Eine Wiederholung bestimmter struktureller und gesellschaftlicher Fehler hingegen schon.

Aufklärung jetzt – DAS wär’s gewesen.


Dr. med. Friedrich Pürner, MPH
Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Epidemiologe

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