Söder gegen Günther und die CSU ein bisschen gegen Merz

Die Harmonie zwischen CDU und CSU ist eines der wichtigsten Verkaufsargumente im Wahlkampf der Union. Doch diese bröckelt nun. Weil die Merkelianer in der Partei immer noch das Sagen haben.

IMAGO - Collage: TE

Gute Vorsätze äußert man in der Regel an Silvester – und bricht sie in der Woche danach. So wie die Union. Beide Parteichefs, Friedrich Merz und Markus Söder, betonen im Wahlkampf die Harmonie zwischen den Schwestern CDU und CSU. Exakt sieben Tage nach Silvester sitzt Daniel Günther bei Lanz und sagt: Markus Söder beschwöre eine Koalition der Union mit den Grünen, von der eigentlich niemand rede, daher solle der bayerische Ministerpräsident lieber den Mund halten.

Niemand rede in der Union von einer Koalition mit den Grünen. Sagt Daniel Günther. Am Dienstag. Am Sonntag titelte die Tagesschau im Internet: „Günther wirbt für Schwarz-Grün als Option nach der Bundestagswahl.“ Zwei Tage zwischen Hü und Hott. Zwei Tage zwischen „Ich will die Grünen“ und „Niemand will die Grünen“. Günther ist Merkelianer. Ihm ist eigentlich egal, was er fordert. Er könnte Feuerzeuge oder Feuerlöscher verkaufen, solange ihm nur irgendwer irgendwas abkauft. So funktioniert der Merkelismus, der zu einer inhaltlichen Entkernung der Union geführt hat.

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Nun führen die Vorsitzenden der Unions-Schwestern Wahlkampf. Neben Harmonie wollen sie Entschlossenheit ausstrahlen. Friedrich Merz stellt seine Kampagne unter das Buzzwort „Politikwechsel“. Markus Söder liefert die Spiegelstriche, die einen solchen Politikwechsel glaubwürdig machen sollen. Vor allem für das Thema, das wie kein anderes die Bilanz der Ära des Merkelismus geprägt hat: die unkontrollierte Einwanderung. Unter „Mutti“ fand Günther die nicht so schlimm, heute will er sie begrenzen. Merkelianer halt. Käme es zu der von Günther – zumindest am Sonntag – gewünschten Koalition mit den Grünen, wäre eine solche Begrenzung nicht möglich. Das weiß der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein auch.

Nach der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Bundestag geben Merz und Söder eine gemeinsame Pressekonferenz. In den eigenen Beiträgen ist die Rollenverteilung klar. Merz betont, dass die Union unter ihm für Wirtschaftsthemen stehe. Erst Söder erwähnt das Problem mit der Einwanderung. Auf Nachfrage der Journalisten räumt es dann auch Merz ein und sagt sogar, würde die illegale Einwanderung nicht begrenzt, seien Probleme in anderen Feldern wie der Schulpolitik oder dem Wohnungsbau gar nicht zu lösen. Starke Aussage. Aber halt auch erst auf Nachfrage. Sollte der grün-linke Mainstream in den Medien darauf zu stark reagieren, lässt sich der Unionskandidat damit die Option für das offen, was er am liebsten tut: zurückrudern.

Die Union hat drei Kernprobleme im Wahlkampf. Das erste: An kaum einer Fehlentwicklung in Deutschland ist sie unschuldig. Merz will die grüne Energiepolitik umkehren, aber Angela Merkel hat die Grundlagen gelegt – sowohl für Heizhammer wie für Kohle- und Atomausstieg. Merz will den Bürokratie-Wahnsinn beenden. Doch in Brüssel ist es mit Ursula von der Leyen eine deutsche Christdemokratin, die eben diesen Bürokratie-Wahnsinn verantwortet. Und dann noch – auf Nachfrage – die illegale Einwanderung. Egal, was Olaf Scholz, Robert Habeck oder Nancy Faeser in dem Bereich verbaerbocken – niemand wird je so für den Kontrollverlust in der Einwanderung stehen wie Angela Merkel.

Das zweite Kernproblem der Union: Sie bräuchte starke und glaubwürdige Kandidaten, um gegen diese Schuld an Fehlentwicklungen anzukämpfen. Sie hat Friedrich Merz. Der vertritt diese Positionen so zögerlich und erst auf Nachfrage, dass der Unmut unter den Christdemokraten wächst, die sich vom Merkelismus verabschiedet haben. Die Bild zitiert einige CSU-Mitglieder, Merz betreibe „Schlafwagen-Wahlkampf“ und seine „Schlagzahl“ sei zu gering – zumindest die beim Vorwärtsrudern.

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Doch das führt zum dritten Kernproblem der Union. Nicht nur die Bild erreichen solche Stimmen aus der CSU. TE auch: Furchtbar, wie Merz die Chance verpasst. Wir müssen aufpassen, dass die Unzufriedenen nicht zur AfD überlaufen. Die AfD könnte viel stärker werden als in den Umfragen. Doch, doch. Solche Stimmen erreichen uns. Nur halt hinter vorgehaltener Hand und mit der dringenden Bitte versehen, sie bloß nicht zu veröffentlichen. Das Wappen der Konservativen in der Union ist eine in der Tasche geballte Faust auf weißer Fahne.

Die Merkelianer trauen sich ungehemmt in die Öffentlichkeit. Günther bittet keinen Journalisten, er solle nicht schreiben, dass Söder besser mal den Mund halten solle. Er geht damit ins Staatsfernsehen, vor ein Millionenpublikum. Merz hat die Merkelianer nie rasiert. Im Gegenteil. Er hat sie in der Partei sogar befördert. Selbst dann, wenn sie ihn zuvor öffentlich diffamiert hatten.

Nun steht der Unionskandidat vor dem Kloster Seeon. An seiner Seite der CSU-Chef, auf dessen Harmonie er angewiesen ist. In seinem Rücken den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, der seinen Parteifreund im Staatsfernsehen auffordert, den Mund zu halten. Mit kleinen Witzchen über Leberknödelsuppe und Gesprächen, zwischen Söder und Günther, versuchen die Verantwortlichen darüber hinwegzutäuschen, dass die Union schon an der Minimalaufgabe scheitert: wenigstens Harmonie vorzutäuschen.

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Kommentare ( 34 )

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Simplex
10 Tage her

Günther ist ein Produkt der Führungsschwäche von Merz. In Thüringen hat die CDU massiv in den Parlamentarismus eingegriffen, eine Wahl rückgängig gemacht und den Brandmauer-Bundesvorstandsbeschluss durchgezogen, um dann mit dem BSW zu koalieren, weil das ja keine „LINKE“ ist, mit der sie seit Jahren unter Ramelow die Landesregierung – formal als Minderheitsregierung – geführt hat. Sorry, aber da kann man sich nur noch an den Kopf fassen, wenn man als Bundesvorsitzender einen Herrn MP Günther einfach so neben der Spur weiter laufen lässt. Es sei denn, es ist egal, und man sowieso eine Art von „Einheitslistensystem“ als neues politisches Parteiensystem… Mehr

Last edited 10 Tage her by Simplex
CaTo23
10 Tage her

MP Günther ist einer von Merkels Resterampe in der Union, der den Schuss noch nicht gehört hat. Warum der in Hedwig Holßbein so beliebt ist, hab ich noch nie verstanden.

Fred Katz
11 Tage her

Sollte MP Günther sich nicht um Northvolt kümmern?
Vorbereitung für Lanz kostet knapp eine Woche….

Wolfgang Schuckmann
11 Tage her

Ich freue mich auf den Tag, an dem das Lügengebäude komplett einstürzt, wohlgemerkt derer, die im Angesicht des Niedergangs, den sie mitverursacht haben, auch jetzt noch mit gezinkten Karten spielen.
Nichts darf übrig bleiben von diesem Lügengebäude, das seit 2005 sorgfältig zusammengefügt wurde.

Apfelmann
11 Tage her

Günther lässt Söder hier ziemlich alt aussehen. Und auch Merz. Da hat die CDU eindeutig aufs falsche Pferd gesetzt. Mit Günther hätte sie bessere Chancen.

Grenz Gaenger
11 Tage her
Antworten an  Apfelmann

Da hat die CDU eindeutig aufs falsche Pferd gesetzt. Mit Günther hätte sie bessere Chancen.“

Das kann man auch anders herum interpretieren.
Gut, dass die CDU auf Merzkel gesetzt hat – damit hat sie schlechtere Chancen. 😉

Hueckfried69
11 Tage her
Antworten an  Apfelmann

Mit Günther hätte vor allem die AfD bessere Chancen.

Joe
11 Tage her

Lieber Herr Thurnes, nennen Sie mir bitte einen CDU-Politiker, der letztlich kein Merkelianer ist. Es gibt keinen. Die, die es waren, sind bei der AfD.

H. Hoffmeister
11 Tage her
Antworten an  Joe

So ist es. Früher oder später realisiert jeder normale Nettowertschöpfer, dass Union und FDP ihn nur verarscht…… Fragt sich nur, ob es überhaupt noch genug Nettowertschöpfer in D gibt, die Interesses an einem Politikwechsel haben.

Spyderco
11 Tage her

,,Merz hat die Merkelianer nie rasiert.“

…und wieder die ,,Merkelianer“-Legende.🥱

Solange die Union,weder geltendes Recht (Art.16a2GG,§18Abs.2 Asylgesetz)durchsetzten,noch illegale und kriminelle Zuwanderer rückführen,den Klimawahnsinn beenden und die Milliardengeschenke von Afghanistan bis Ukraine stoppen will,bleibt nur ein Schluß:
Die Union besteht aus NICHTS als,,Merkelianern“!

Last edited 11 Tage her by Spyderco
Caprivi
11 Tage her

Merz ist ganz offensichtlich überfordert, er weiß nicht, was er will. Heute so, morgen ach lieber doch nicht. Und natürlich stellt sich so die Frage, was er kann. Seine politische Erfahrung liegt schon Jahrzehnte zurück. Bei dieser Regierung auf magere 30% zu kommen, die Hälfte davon vermutlich, „Verzweifelungsstimmen“, das ist schon eine Leistung. Kurz und gut bzw schlecht, die CDU bringt es wieder nicht.

EndofRome
11 Tage her

Es sind noch knapp 7 Wochen und erste Umfragen (YouGov) sehen die Union schon unter 30 Prozent! Da geht noch was. Ich freu mich auf das Gesicht von Merz, wenn er am Wahlabend zum „Laschet“ wird.

DDRforever
11 Tage her

Merz ist Habeck und die CDU die Grünninnen. Esgibt inhaltlich überhaupt keinen Unterschied. Nur der Wahlmicheline wird vogegauckelt etwas verändern zu können mit einer CDU Wahl. Es ist wie in der DDR, die Liste der nationalen Front.