Möhringen soll ein antirassistisches Wappen bekommen

Da haben sich die Möhringer aber erstaunlich lang Zeit gelassen. Nun soll also die "Möhrin" aus dem Wappen des Stuttgarter Stadtbezirks getilgt werden – mit Hilfe von Grundschulkindern. Erstaunlicherweise soll der Ortsname bleiben dürfen.

IMAGO / Arnulf Hettrich
Wappen des Stuttgarter Stadtbezirks Möhringen an einer Stadtbahn der SSB

Eigentlich sind wir gleich zweifach überrascht: Erstens weil der Stuttgarter Stadtbezirk Möhringen jetzt erst auf Antirassismus macht. Trotz des Namens, der auf den ersten Blick an „Mohr“ erinnert. Zweitens weil Möhringen nicht seinen Namen, sondern nur sein Wappen ändern will.

Nun, andernorts sind die politisch korrekten Retro-Richter über Rassismus und Kolonialismus längst erfolgreich unterwegs. Die Mohrenstraße in Berlin soll umbenannt werden. Mohren-Apotheken und Mohren-Hotels sind schon weitgehend verschwunden. Mohrenköpfe bleiben auf der Strecke oder unter der Ladentheke verschwunden. In Coburg sollte der Mohr aus dem Wappen verschwinden, aber er bleibt.

Die Möhringer wollen es nun besser machen. Nagel ohne Köpfe sozusagen! Das heißt: Sie wollen, dass im eigentlich fast nirgendwo präsenten Wappen der Kopf einer Mohrin verschwindet. Es ist dies ein schwarzer Frauenkopf mit roten Lippen krausem Haar und Kreolenohrringen.

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Die Sache nahm ihren Lauf Im Frühsommer 2020. „Stuttgart-Möhringen: Rassistisches Stadtwappen umändern SOFORT!“, lautet ein Aufruf samt Online-Petition. Denn dieses Wappen sei menschenverachtend und gehöre abgeschafft. Bis heute haben 11.000 Leute unterschrieben. Eine Entscheidung soll es im Frühjahr 2022 geben. Nun jedenfalls hat der Stadtbezirk am 20. September erst einmal „alle Einwohner*innen ab sechs Jahren“ (ab sechs!) dazu aufgefordert, an einem Ideenwettbewerb für ein neues Wappen teilzunehmen. Die Frist endet am 26. November 2021. 

Dass der Name „Möhringen“ dennoch erhalten bleiben soll, wird anders erklärt. Denn dieser Name verweise auf den „Stammsitz der Moro“, alemannischer Fürsten, die zwischen 500 und 700 n.Chr. in der Region walteten. Die Mohrin sei erst in der Zeit des Kolonialismus ins Wappen gekommen. 

Ein wenig Nachhilfe für die Möhringer

Ob die alemannischen Moro-Fürsten tatsächlich nichts mit „Mohr“ zu tun haben, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Und wissen die ach so korrekten Säuberer und Bilderstürmer überhaupt, was es mit dem Namen „Mohr“ auf sich hat? Hier die Aufklärung: Das Wort „Mohr“ leitet sich vom griechischen mavros (μαύρος) ab, das so viel wie „schwarz“ oder „dunkel“ bedeutet. Im Althochdeutschen (der Zeit der alemannischen Moro-Fürsten) ist „Mohr“ belegt als Entlehnung aus dem Lateinischen maurus, womit ein Maure, ein Bewohner Nordwestafrikas, benannt wird. Das Wort findet sich auch in anderen Sprachen: moor im Niederländischen, mòro im Italienischen. Auf maurus beruhen die Ländernamen Mauretanien und Mauritius. Morisken waren getaufte Mauren im alten Spanien, Morellen sind dunkle Kirschen.

Und was machen all die Menschen, die Mohr heißen? Die Netzseite MyHeritage gibt an, dass sie 1 418 813 Belege für den Familiennamen Mohr besitzt. Dann erst St. Mauritius – Namenspatron von Moritz? Der um 250 bei Theben in Ägypten Geborene ist Patron von weltweit 850 Kirchen, Schutzheiliger der Soldaten und vieler Handwerker. Als Söldner weigerte er sich, wie von Kaiser Maximilian befohlen, gegen Christen zu kämpfen. Mauritius wurde daraufhin hingerichtet. Im Wappen von mehreren Dutzend Städten findet sich St. Mauritius als Schutzheiliger. Sein schwarzer Kopf ziert etwa die Wappen Sardiniens, Korsikas sowie seit 1579 das Stadtwappen Coburg. Dort inszenierten vor zwei Jahren zwei (!) Frauen – nicht aus Coburg – eine Petition zur Entfernung des Mauritius-Kopfs aus dem Stadtwappen. Dieser Kopf sei ein rassistisches Überbleibsel der Kolonialzeit. Die NSDAP hatte das Mauritiusbild 1934 übrigens durch ein Schwert mit Hakenkreuz ersetzt. 1945 führte der Nachkriegsbürgermeister in einer seiner ersten Amtshandlungen das Traditionswappen wieder ein. Und es bleibt.

Also, liebe Möhringer: Es ist nicht ausgeschlossen, dass euer Name, auch der Name eures alemannischen Fürsten, doch mit „maurus“ etwas zu tun hat. Was macht ihr dann, wenn sich Selbiges herausstellt?

Am besten lasst ihr alles beim Alten und maßt euch keine oberschlauen Urteile über eure Vorfahren an!

Aber dass ihr jetzt schon Grundschüler mobilisiert? Reicht die Infantilisierung der Klimadebatte in persona „Greta“ denn nicht?


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Kommentare ( 33 )

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Roland Mueller
2 Jahre her

Es ist mir noch nie gelungen, das Wort Mohr mit irgendetwas Negativem in Verbindungen zu bringen. Weder bei den Königen aus dem Morgenland noch sonst wo. Am besten wäre es, wenn sich die „antirassistischen Möhringer“ in Mohrrüben umbenennen.

Rueckbaulogistik
2 Jahre her

Mein Vorschlag:
Statt der Mohrin eine Möhre,
statt der Burg einen Esel, der nach der Möhre schmachtet,
statt der 5 Punkte nur 3 für Blindheit,
statt des radförmigen Gebildes zwei Hände, die eine Raute bilden.

Last edited 2 Jahre her by Rueckbaulogistik
November Man
2 Jahre her

Es gibt schon länger so eine nichtsnutzige Rassismus-Debatte im Stuttgarter Stadtteil Möhringen.Auf dem Möhringer Stadtwappen ist eine dunkelhäutige Frau mit üppigen roten Lippen, krausem Haar und großen Kreolen-Ohrringen zu sehen. Es gab einen interfraktionellen Antrag im Gemeinderat. Die Fraktion Linke-SÖS-Piraten-Tierschutzpartei, die SPD und die Puls-Fraktionsgemeinschaft im Stuttgarter Gemeinderat haben einen interfraktionellen Antrag aufgesetzt, in dem sie fordern, die rassistische Darstellung im Stadtbezirkswappen von Möhringen auszutauschen. „Die aktuellen Debatten und #BlackLivesMatter-Demonstrationen gegen Rassismus in Stuttgart und in vielen anderen Städten haben deutlich gemacht, dass Rassismus nicht nur in den USA ,sondern auch in Deutschland ein Problem sind“, heißt es in dem… Mehr

Monika Medel
2 Jahre her

Nochmals unnütze Bildung: Der heilige Mauritius war eigentlich Nordafrikaner, Berber, also Weißafrikaner (darf man das noch sagen?). Im 10. Jh. kamen mehrere angebliche Mauritiusreliquien, so das sog. Mauritiusschwert über Burgund nach Deutschland, letzteres wurde Teil der Reichskleinodien. Da siedelte die Sippe der Moringer schon jahrhundertelang auf den fruchtbaren Fildern. Aufgrund der geradezu magischen Verehrung der Reichskleinodien wurde Mauritius zum Reichsheiligen, aber immer als weißer Ritter dargestellt. Erst Mitte des 13. Jh. kommt es zur „Umfärbung“ und zwar bei der Skulptur an der Südseite des Magdeburger Domchores. Dies gilt als erste Darstellung eines Schwarzhäutigen in Mitteleuropa. Die Gründe sind unbekannt. Der… Mehr

olympos
2 Jahre her

Deutschland ist inzwischen ein krankes Land. Die Metastasen der Dummheit sind nicht zu bremsen. Noch nie in der Geschichte hatte der Feind, so ein leichtes Spiel. Das Land ist einfach Kaputt.

FerritKappe
2 Jahre her

Ich starte auch eine Aktion: Buntstifte müssen endlich aufhören rassistisch zu sein.
Da gibt es noch den Farbton „Schwarz“ der muß sofort umbenannt werden.
Ich wäre für:“Much better than white!“
Im gleichen Zug kann man auch Weiß umbenennen, wie wäre es mit „Dirty old white“

Klaus Maier
2 Jahre her

Mal sehen, ob Montenegro (original „Crna Gora“) diesem Beispiel folgen wird. Oder, ob man dort andere, wichtigere Probleme zu lösen hat.
Nächster Kandidat wäre Korsika. Man google mal nach der Flagge bzw. dem offiziellen Wappen :)))

Waehler 21
2 Jahre her

Bilderstürmer. Die Herde muss in Bewegung gehalten werden. Durch Drohungen, Angst, Handlungen….Alles ist recht, Hauptsache man denkt nicht nach.

Hanno Spiegel
2 Jahre her

Ich bin, bis heute, fest davon überzeugt besagtes N-Wort ist „Nationalmannschaft“.
Gibt doch nur noch die „Mannschaft“.
Oder irre ich mich wieder mal?

Hans Wurst
2 Jahre her

Warum so kompliziert? Einfach Umbenennung in Colouringen, die Einwohner heißen dann People of Colouringen (m/w/d). Oderman ersetzt den Mohr_innenkopf einfach durch eine Möhre. Bei dem Mindestalter der Aktion halte ich dies übrigens für die wahrscheinlichste Lösung.

Kraken
2 Jahre her
Antworten an  Hans Wurst

Also wenn Ersatz, dann durch eine Karotte!