Kommission widersteht dem Druck von CDU, CSU und SPD

Die Bundesregierung hat die unabhängige Kommission auf unzulässige Weise unter Druck gesetzt, den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen. Die hat überraschend widerstanden. Der Mindestlohn steigt zum kommenden Jahreswechsel nur auf 13,90 Euro an.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Christiane Schönefeld, Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Steffen Kampeter (BDA) und Stefan Körzell (DGB), Berlin, 27.06.2025

Die schwarz-rote Koalition hat sich in ihrer Gründung auch zum Mindestlohn ein Schelmenstück erlaubt. Sie hat die zuständige Kommission damit auf unzulässige Weise unter Druck gesetzt, dass sie einen Mindestlohn von mindestens 15 Euro in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat. Die aus Gewerkschaftern, Arbeitgebern und Wissenschaftlern bestehende Kommission hat dem widerstanden. Einen Mindestlohn von 15 Euro wird es auf absehbare Zeit nicht geben.

Der Mindestlohn steigt zum Jahreswechsel von jetzt 12,82 Euro auf dann 13,90 Euro. Zum Jahreswechsel 2027 geht der Mindestlohn dann erneut auf 14,60 Euro hoch. Das entspricht Steigungen von zuerst 8,4 und dann nochmal 5,0 Prozent. Diesen Vorschlag habe sie gemacht, sagte die Vorsitzende der Kommission Christiane Schönefeld vor der Bundespressekonferenz. Die neun Mitglieder der Kommission hätten dem einstimmig zugestimmt.

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Der Kommission ist es laut Schönefeld gelungen, den Mindestschutz von Beschäftigten mit der schwierigen Situation der Betriebe zu vereinbaren. Die stagnierende Konjunktur und die unterschiedlichen Prognosen zur kommenden Entwicklung der Wirtschaft hätten gegen eine noch stärker ausfallende Erhöhung gesprochen. Die öffentlich geäußerten Erwartungen hätten die Verhandlungen schwierig gemacht, sagt die Vorsitzende der Kommission Schönefeld diplomatisch zurückhaltend.

Den Mindestlohn eingeführt hat die dritte Regierung Angela Merkel (CDU). Es war der Preis dafür, dass die SPD erneut in eine damals noch “große Koalition” eingetreten ist. Die SPD versprach 2015, sie werde die Unabhängigkeit der Kommission respektieren und den Mindestlohn nicht als politisches PR-Mittel missbrauchen. 2021 machte die SPD dann Wahlkampf damit, den Mindestlohn auf 12 Euro zu erhöhen, 2025 machte die SPD damit Wahlkampf, den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen. Zwischenzeitlich bestimmte die Regierung Olaf Scholz (SPD) den Mindestlohn an der unabhängigen Kommission vorbei per Diktat auf 12 Euro. CDU und CSU akzeptierten im Koalitionsvertrag der Regierung Friedrich Merz (CDU) den Formelkompromiss, man akzeptiere die Unabhängigkeit der Koalition, erwarte aber einen Mindestlohn von 15 Euro.

Arbeitgeberpräsident Steffen Kampeter kritisierte dieses Vorgehen der Politik hart: Diese habe einen enormen Druck aufgebaut und mit ihren Einlassungen die Findung massiv belastet. Damit habe sie am Grundgesetz vorbei gehandelt, weil die Verfassung die Tarifautonomie garantiere. Der Hauptgeschäftsführer des BDA sprach eine Warnung aus: “Wenn die Politik nicht langsam begreift, dass die Unabhängigkeit der Kommission ein Wert an sich ist, dann wird es schwierig werden, dass wir unsere Arbeit erfolgreich fortsetzen.” Aussagen wie die von SPD-Chef Lars Klingbeil machte Kampeter zum Anlass eines Vergleichs mit Fußballfans, die das Geschehen auf dem Rasen mit ihren Kommentaren begleiteten.

Begleitet zum Entschluss hat die Kommission einen Bericht vorgestellt. Nach diesem arbeiteten im April 2024 in Deutschland 2,3 Millionen Beschäftigte für den Mindestlohn. In Ostdeutschland entsprach das 6,5 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse, im Westen waren es 5,7 Prozent. Schönefeld geht von einer gewissen Dunkelziffer an Beschäftigten aus, die entgegen dem Gesetz für weniger als den Mindestlohn arbeiteten. Eine Befragung unter Arbeitnehmern hätte ergeben, dass nur knapp die Hälfte die richtige Höhe des Mindestlohns kenne.

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Kommentare ( 47 )

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Sonny
16 Tage her

Die Erhöhungen von Mindestlohn, Renten und Löhnen und Gehältern beseitigt nicht das Problem. Sie mindert nur (sehr begrenzt) das tägliche Leid der Arbeitnehmer, was die enormen Preissteigerungen und die Inflation betrifft. Gleichzeitig bringt es die Wirtschaft in noch größere Gefahr, als es jetzt schon der Fall ist. Ein Politikwechsel wäre dringend geboten – weg von den Verschwendungsorgien der Steuergelder. Auch mit den „Sonderschulden“ scheint das Geld vorne und hinten nicht zu reichen, es ist anscheinend immer zu wenig, um die Prestigegeschäfte der Politiker zu befriedigen. Wobei wahrscheinlich 80% dieser Geschäfte völlig ohne wirklichen Nutzen sind und die deutschen Bevölkerung niemals… Mehr

Zum alten Fritz
16 Tage her

Schon wieder seitenweise bedrucktes Papier dargereicht von Experten.
Würde der Staat auf die Lohnsteuer bei dem Mindestlohn verzichten, hätte der Empfänger von Mindestlohn mehr in der Tüte als jetzt und nächstes Jahr. Die Unternehmen müßten nicht neu kalkulieren. Es würde den Markt mehr Kaufkraft bringen. So aber wird nur alles teuerer und der Staat nimmt schon mal mehr Lohnsteuer ein.
Mein Expertenrat ist an dieser Stelle kostenfrei und muss nicht auf Papier ausgedruckt werden.
! Mehr Netto vom Brutto ! Hatte auch schon mal Frau Merkel festgestellt und das will was heißen.

Paprikakartoffel
16 Tage her

Die Abgaben müssen runter, nicht die Löhne rauf, denn davon kassiert das meiste der Staat. Erst das echte Existenzminimum besteuern – das sind keine ca 9 TEUR, sondern das Doppelte. Und alle Kranken- und Pflegekasseninanspruchnahmen durch arbeitsfähige Nicht- und Niemalseinzahler trägt der Steuerzahler (=alle einschl Auslandsinvestoren etc) und nicht nur der gesetzlich Versicherte. Gleiches für Rentenzahlungen.

Wo man das einsparen soll? Mit der Riesen-Haltungsblase alias „Vorfeld“ kann man anfangen….

Michael Palusch
16 Tage her

zum Jahreswechsel von jetzt 12,82 Euro auf dann 13,90 Euro. Zum Jahreswechsel 2027 geht der Mindestlohn dann erneut auf 14,60 Euro hoch. Das entspricht Steigungen von zuerst 8,4 und dann nochmal 5,0 Prozent.

Bin mal gespannt, ob die für in meinem Bereich zuständige Gewerkschaft auch eine Lohnerhöhung von 13% innerhalb 12 Monaten aushandelt?
Da bin ich allerdings sehr skeptisch. Verdi z.B., hat sich erst kürzlich für 5,8% feiern lassen.

Deutscher
16 Tage her

Leider sind so viele Leute so gutmütig, sich für harte Arbeit mit 12, 13 oder 15 € abspeisen zu lassen, damit Cheffe mehr Kohle bleibt, um sie in Immobilien zu investieren, deren Mietpreise seine Arbeiter nicht mal bezahlen könnten.

Sie sollten alle zusammen mal die Arbeit niederlegen, nur für vier Wochen.

Biskaborn
16 Tage her
Antworten an  Deutscher

Wo haben Sie denn das abgeschrieben, bei den Linken zu oft zugehört? Das ist natürlich aberwitzig, weil dem Cheffe keineswegs mehr Kohle bleibt weil er die Lohnerhöhungen nicht 1:1 an die Kunden weitergeben kann!

verblichene Rose
16 Tage her
Antworten an  Deutscher

Wir machen das jetzt so:
Ein „Cheffe“ mit drei Millionen auf dem Konto verteilt das Geld an seine drei Angestellten und schwups, haben wir drei neue Millionäre und nur noch einen, der dann pleite ist. Super Idee, oder?

Mikmi
16 Tage her
Antworten an  Deutscher

2335 Euro Grundlohn für Hilfskräfte, das ist gutes Geld und der Chef zahlt ca. 2700 Euro, weil er ja auch seinen Anteil zahlt, nennt sich Arbeitgeberanteil!
Mit gutmütig hat das wenig zu tun, Weiterbildung, Verantwortung übernehmen, dann gibt es auch mehr Lohn.

Siggi
16 Tage her

Das wird den Handwerkerrechnungen noch einen weiteren Schub geben. Hoch lebe die Schwarzarbeit.

Deutscher
16 Tage her

Das ist die asoziale Seite der TE-Community. Und es ist auch der Grund, warum diese Klientel nicht Teil derer ist, die im Interesse des Volkes handeln.

Biskaborn
16 Tage her
Antworten an  Deutscher

Wieso ist jemand asozial wenn er zumindest ansatzweise betriebswirtschaftlichen Verstand hier niederschreibt?

Michael M.
16 Tage her
Antworten an  Deutscher

Bei diesem Thema sind sie leider so „vernagelt“, dass man ihre Kommentare einfach nicht mehr ernst nehmen kann.

verblichene Rose
16 Tage her
Antworten an  Deutscher

Ich hoffe doch, daß Sie zuletzt sehr gut vom Kapitalismus gelebt haben.
Oder bekommen Sie etwa Bürgergeld? Na dann ist doch erst recht wieder alles im Lot!

Boudicca
16 Tage her

Das Ziel ist, mehr Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu generieren. Vom Mehrverdienst haben die Arbeitnehmer nur ca. die Hälfte und die Pauschalbeiträge für Minijobber steigen auch, ohne dass die Leute außer mit einem kleinen Beitrag zu Rentenversicherung wirklich versichert sind.

Paprikakartoffel
16 Tage her
Antworten an  Boudicca

Genau das. Wer den Niedrigverdienern wirklich helfen will, der läßt ihnen mehr in der Tasche.

Mikmi
16 Tage her
Antworten an  Paprikakartoffel

Ja genau und die bekommen auch 20% Zinsen bei der Bank und an der Tankstelle werden 10 % Rabatt abgezogen und im Supermarkt 20% auf alles, ich hoffe, ich konnte ihnen helfen.

Johny
16 Tage her

Bin nicht gespannt, wie sich die Leute entscheiden – Brutto 13,90€/h oder Bürgergeld.

Aegnor
16 Tage her

Also 14,60€ – wenn auch erst in 18 Monaten – ist für mich jetzt schon sehr stark an 15€ dran. Weiß nicht, was es da zu feiern gibt.