Lars Klingbeil glaubt sich selbst den Aufschwung – fast

Die gute Nachricht: Die deutsche Wirtschaft boomt bald und spült entsprechend viel Geld in die Staatskassen. Die schlechte Nachricht: Das ist nur ein Versprechen des Finanzministers Lars Klingbeil. Er selbst gibt Anlass zum Zweifeln.

picture alliance/dpa | Christoph Soeder
Pressekonferenz zur Sitzung des Arbeitskreises Steuerschätzung im Bundesfinanzministerium, 23.10.2025

Eine Lüge ist gar nicht mal so schwer. Doch wer lügt, braucht ein gutes Gedächtnis. Der Lügner muss sich daran erinnern, was er gesagt hat, und dafür sorgen, dass die unterschiedlichen Geschichten später zusammenpassen. Vor allem aber muss er auf eins achten: Er darf nicht anfangen, sich selbst zu glauben. Den Verantwortlichen der DDR ging es zum Beispiel so. Die SED-Oberen ließen immer wieder freitags Ostmark in Westmark und dann zurück in Ostmark tauschen. Aufgrund der unterschiedlichen Wechselkurse ergab das einen positiven Effekt in der Bilanz. In der Realität blieb es allerdings genauso viel Geld. Nur glaubten die SED-Oberen irgendwann dem selbst erzeugten Effekt und hielten ihre Wirtschaft für stärker, als sie war. Lügner brauchen halt ein gutes Gedächtnis.

Doch in diesem Text geht es nicht um die Lügen der SED-Oberen. Sondern um SPD-Chef Lars Klingbeil. Der hat als Finanzminister die Zahlen der Steuerschätzung vorgestellt und bringt positive Botschaften mit: Es gäbe künftig eine „deutliche, wachstumsbedingte Mehreinnahme“. Die Reformen der schwarz-roten Regierung würden die Wirtschaft boomen lassen, wovon der Staat dann durch erhöhte Einnahmen profitiere. Das sollten sich Bürger, Journalisten und Klingbeil gut merken. Die Bürger und Journalisten, um den Finanzminister später an diesen Versprechen messen zu können – Klingbeil, um künftige Aussagen an diese Aussagen anpassen zu können.

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Klingbeil ist noch weit entfernt vom Stadium der greisen SED-Bonzen, die an ihre eigene Wechselkurs-Lüge glaubten. Würde sich der Finanzminister selbst vorbehaltlos trauen, könnte er in all seinen Problemen auf die Kraft der wieder erstarkenden Wirtschaft setzen. Das tut er aber (noch) nicht. Er spricht von „weiterhin schwerem Fahrwasser“ und sagt: „Wir müssen dafür sorgen, dass viel privates Kapital nach Deutschland gelockt wird.“

Denn der Finanzminister sieht, worauf die positiven Nachrichten beruhen, die er da verkündet: Für das laufende Jahr rechnen Bund, Länder und Kommunen mit gemeinsamen Steuereinnahmen von insgesamt 990,7 Milliarden Euro. 11 Milliarden Euro mehr als erwartet. Das geht laut Klingbeil vor allem auf Mehreinnahmen aus der Lohnsteuer zurück.

Die sind wiederum nicht das Ergebnis einer boomenden Wirtschaft, sondern der massiv steigenden Preise unter der Regierung Olaf Scholz (SPD). Darauf reagierten manche privat dominierten Branchen, vor allem aber der öffentliche Dienst mit massiven Lohnerhöhungen. Die holt sich der Staat nun über die Steuer zurück. Damit hatten und haben die Regierungen Scholz und Friedrich Merz (CDU) genug Geld für erfundenen Klimaschutz in China, Erhöhung der eigenen Diäten, Radwege in Peru, Parteifreunde in den NGOs oder das Bürgergeld. Die Verlierer unter den sozialdemokratisch wie christdemokratisch geführten Regierungen sind die Arbeitnehmer: Von den Lohnerhöhungen bleibt ihnen nichts, die deutlich teureren Preise müssen sie trotzdem zahlen.

Auch ein Blick auf die nähere Zukunft stellt schon jetzt die frohe Botschaft des Finanzministers vom nahenden Wirtschaftsboom in Frage. Im kommenden Jahr bricht der Staat laut Klingbeil durch eine Schallmauer. Dann nehmen Bund, Länder und Kommunen ihren Bürgern erstmal mehr als eine Billion Euro weg – 1016,5 Milliarden Euro, um genau zu sein. 10,6 Milliarden Euro mehr als erwartet.

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Wenn Klingbeil also sagt, die „positiveren Wachstumsaussichten“ seien „kein Grund, sich auszuruhen“, dann hat das mehrere Gründe. Der eine ist strategischer Natur: Die Botschaft von der boomenden Wirtschaft soll der Bürger glauben, um beruhigt zu sein – nicht aber die Kämmerer oder die Finanzminister der Länder, die dann aus dem versprochenen Aufschwung einen realen Geldzufluss für ihre Städte und Landeskassen erwarten. Phantasiemilliarden lassen sich versprechen, aber nicht auszahlen.

Real bleibt Klingbeil klamm. Die Wirtschaft boome zwar bald, aber nicht stark genug, um das Loch von 30 Milliarden Euro zu füllen, das Klingbeil für das Jahr 2027 stopfen muss. Die Geschichte vom Handelsblatt, nach der er bald über 100 Milliarden Euro Mehreinnahmen verfügen könne, könne er nicht bestätigen, sagt Klingbeil. Was aber eine reale Zahl ist, sind die 66 Milliarden Euro an jährlichem Zinsdienst, den der Finanzminister des Jahres 2029 aufbringen muss. Wenn die Wirtschaft tatsächlich boomt, dann muss sie halt so stark boomen, um die Schuldenorgie zu finanzieren, die Merz und Klingbeil aktuell veranstalten.

Was real an der wachsenden Wirtschaft ist, die Klingbeil da verkündet, beruht auf eben dieser Schuldenorgie von 850 Milliarden Euro – wohlgemerkt bei einer Steuerlast von über einer Billion Euro im Jahr für den Bürger. Allein das kleine Saarland gibt von diesem Schuldengeld 120 Millionen Euro für Schwimmbäder aus. Das lässt kurz ein paar Bauunternehmen an Blies und Prims blühen, auch erhöhen die 120 Millionen Euro das Bruttoinlandsprodukt eben um 120 Millionen Euro – aber sich selbst zu glauben, dass die neuen Bäder die Auto- oder die Stahlindustrie an der Saar ankurbeln, so weit ist selbst Klingbeil noch nicht.

Mit einer Schuldenorgie kann sich der Staat wie beschrieben ein höheres Bruttoinlandsprodukt kaufen. Sogar höhere Steuereinnahmen, wenn er in seinem öffentlichen Dienst schuldenfinanziert den Personalbestand und die Besoldung erhöht. Doch eine boomende Wirtschaft kann sich ein Staat eben nicht kaufen. Da kann Klingbeil gerne die SED-Bonzen fragen, die überlebt haben. Die haben nämlich genau das 40 finstere Jahre lang versucht.

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Wenn Klingbeil 2025 sagt: „Wir haben nach wie vor eine starke Industrie.“ Dann klingt der SPD-Chef wie ein Wanderer, der im düsteren Tunnel pfeift, ohne Licht zu sehen: der Lieferengpässe ausblendet. Die exorbitant hohen Lohnnebenkosten – oder die Kosten für Energie. Die offenen Fragen in der sicheren Energieversorgung. Die Überalterung der Gesellschaft. Das allgemein sinkende Bildungsniveau. Eine Einwanderung, die einen Zuwachs oft nur im Bürgergeld bringt. Auch wenn Klingbeil gerne verkündet, dass mit der Einwanderung nur Fachkräfte kämen. Da ist der SPD-Vorsitzende schon längst ins Stadium übergegangen, sich selbst zu glauben.

Andere Institutionen sind noch nicht so weit. Der Bundesrechnungshof hat einen Bericht vorgestellt, indem er Klingbeils Schuldenorgie nach allen Regeln der Controlling-Kunst zerlegt: Die Planungen des Finanzministers enthielten „wiederkehrende Mängel“. Klingbeil sei nicht in der Lage, konkrete Ziele für das Wirtschaftswachstum zu definieren. Er schiebe ohnehin vorhandene Investitionen in das „Sondervermögen“ und schaffe sich damit im regulären Haushalt Platz für politisch gewollte Projekte und Konsumausgaben – deren Einfluss auf das Erstarken der Wirtschaft unklar bis fraglich sei.

Doch immerhin von der Seite warten auf Klingbeil gute Nachrichten, die real sind: Der Bundesrechnungshof steht demnächst unter der Führung von Genossin Klara Geywitz. Klingbeils Parteifreundin hat als Bauministerin bewiesen, dass sie große Versprechen machen kann, die den Bürger beruhigen sollen – und dass sie die reale Umsetzung dieser Versprechen bestenfalls für zweitrangig hält. Unter Geywitz sind vom Rechnungshof nur lobende Beiträge zu erwarten. Und das Beste daran ist, dass Geywitz schon längst so weit ist, sich den Inhalt auch zu glauben. Dann muss die Sozialdemokratie nur noch den letzten Schritt gehen und die Kritik an der Regierung als Hetze verbieten und ihre Regierung ist für 40 weitere Jahre abgesichert. Das wird dann ein echtes Arbeiterparadies geben. Zumindest wird sich Klingbeil das selbst glauben.

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Kommentare ( 29 )

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HansKarl70
13 Tage her

Manchmal kommt mir der Herr Klingbeil vor wie ein Suchender der nichts findet.

Last edited 13 Tage her by HansKarl70
wackerd
14 Tage her

Klingbeil hat weder von Wirtschaft noch von Finanzen eine Ahnung. Das sagt mir alles und ich glaube ihm kein einziges Wort.

Last edited 14 Tage her by wackerd
Logiker
14 Tage her

Fragen Sie mal in Ihrem persönlichen Umfeld, was die Leute von Klingbeil halten.

Sonny
14 Tage her

Haaalllloooo!
klingbeil ist spdeeeeee e!
Da erübrigt sich jeder weitere Kommentar.
Im übrigen hat man in der grünroten Berichterstattung Deutschlands mittlerweile das Gefühl, dass die abgewählte und abgewrackte spd schon jetzt den wirklichen Bundeskanzler von diktatorisch angehauchten, sozialistischen Gnaden in dieser fürchterlichen Koalition stellt, weil der cdu-Kanzler einfach nur zum Heulen ist.

Last edited 14 Tage her by Sonny
JamesBond
14 Tage her

Es boomt, aber nur Migration, Steuerprüfungen, Energiepreise, Geldverschwendung und sonstige Bürokratie – weiter so und die neuen SED-Parteien leben in einer Parallelwelt …..

HarryDax
14 Tage her

Lars Klingbeil ist ein linker Machtmensch, wie jeder andere Politiker auch.
Es gibt viele gute Gründe, den zu kritisieren.
Ich war neulich bei einem SPD-Kreisverband und hatte die SPD-Leute und Politik kritisiert. Die saßen wie Zombies da und ich konnte da ruhig wieder weggehen.
Die Leute da raffen nix mehr!

Armes Deutschland!

WGreuer
14 Tage her

„Die Wirtschaft boome zwar bald…“ Ich weiß ja nicht, was der Herr Finanzminister geraucht hat oder eingenommen hat, aber einen Boom? Womit? Chemie, Grundstoffe, Stahlindustrie, Pharma? Alle weg oder pleite! Maschinenbau, Elektrotechnik, Automobilbau, Schhiffe, etc. ? Werden gerade mit Vollgas vor die Wand gefahren. IT oder gar KI? Bei den derzeitigen Strompreisen und der „Bildung“ unserer Uniabsolventen? Kleiner Scherz? Bleiben noch die Windmühlen, aber sogar da schaffen wir uns derzeit ab. Einen Boom wird’s daher die nächsten 20 Jahre nicht mehr geben, höchsten einen Bumms, wenn die Kriegstreiber in der EU weiterhin die Russen provozieren Dann dürfte sich auch die… Mehr

Zum alten Fritz
14 Tage her

Wenn sich der Mangel an elektronischen Bauteilen in KfZ Industrie ausweitet, entspricht das Ausmaß einen kleinen Generalstreik oder auch schon einmal einen Vorgeschmack auf das Verbrenner-Aus.
Mit der Schulden-Orgie fehlt es auch an möglichen Reserven für „Rettungsanker“. Es darf neu kalkuliert werden, falls in der Regierung überhaupt jemand weis was das ist.
Genosse Xi wird es mild belächeln.

November Man
14 Tage her

Klingbeil ist nur Finanzminister und Vizekanzler weil dieses Amt dem linksextremen Koalitionspartner der Union zusteht. Ahnung von Finanzen hat der keine. Dieser Mann wird in unserem Land unermesslichen Schaden anrichten wie einst die unfähigen Habeck und die Baerbock. Die hatten auch keine Ahnung von ihrem Job. Leider gibt es immer noch einige Leute die solche schädliche Parteien wählen und alle Anderen mit in den ganzen Schlamassel mit hineinziehen.

Juri St.
14 Tage her

Das Agieren von Schwarz-Rot ist deutlich schlimmer als das Gehampel der Ampel. Scholz hat wenigstens nichts gemacht, Klingbeil und sein Lakai Merz machen Vieles unwiederbringlich kaputt und zerstören den letzten Rest des Vertrauens der Bürger in Staat, Justiz und Verwaltung.