Klima und Medien: schlimm wie nie

„Noch nie war ein Juni in Deutschland und weltweit so heiß“, berichteten Medien reihenweise. Stimmt das?

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Klima, Wetter und Medienberichte darüber – das ist ein besonderer Stoff. Im Juni herrschte in weiten Teilen Deutschlands Hitze, ein Phänomen, das in diesem Monat nicht ganz überraschend auftritt.

In mehreren Medienberichten ging es um einen deutschen Juni-Temperaturrekord. Und um einen passenden Spin hin zum Großthema Klimapolitik.

Die Tagesschau veröffentlichte eine so genannte Kachel – eine kurze, grafisch aufbereitete Botschaft für Social-Media-Kanäle – für die sie sich auf den Wissenschaftler Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Klima Institut berief.

„Noch nie war es in Deutschland im Juni so heiß: 38,6 Grad“, textete die Tagesschau. Und stellte das Zitat von Rahmstorf dazu: „Wir verlieren die Kontrolle über das Klimasystem.“

Die Mitteilung aus der ARD-Hauptnachrichtensendung enthält eine Falschbehauptung und eine Irreführung.

Die Behauptung: „So heiß war es noch nie“ ist falsch. Natürlich war es in Deutschland schon heißer. Beispielsweise in der mittelalterlichen Warmzeit von etwa 950 bis 1250. Damals herrschten höhere Temperaturen nicht nur in Mitteleuropa, sondern deutlich darüber hinaus. Baumreste, die heute immer wieder von Schweizer Gletschern bei ihrem Rückzug freigegeben werden, belegen, dass die Eisflächen früher auch schon einmal deutlich kleiner waren*. Um das Jahr 985 begann die Besiedlung des damals überwiegend eisfreien Grönland durch die Wikinger. Auf der britischen Insel gediehen Weingärten bis nach Schottland (mehr Informationen dazu finden sich in “Winelands of Britain“ des Geologen Richard C. Selley).

In noch viel früheren Perioden herrschte im heutigen Deutschland sogar ein subtropisches Klima, im Tal des Ur-Rheins lebten vor etwa 15 bis 10 Millionen Jahren Kolibris, Krokodile und Urelefanten. Der Schädel des so genannten „Riesigen Schreckenstiers“ (Deinotherium giganteum), eines Rheinelefanten, dessen Schädel 1835 bei Eppelsheim gefunden wurde, lässt sich heute im Naturkundemuseum Wiesbaden bestaunen.

Die Tagesschau meint tatsächlich: Noch nie seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen, also seit etwa 1860. Zwischen „noch nie“ und „seit 150 Jahren“ besteht gerade bei Klimabetrachtungen ein erheblicher Unterschied. Denn 150 Jahre gelten hier als kurzer Zeitraum.

Stimmt wenigstens die Feststellung, seit Beginn der systematischen Temperaturmessungen sei es in einem Juni in Deutschland noch nie so heiß gewesen wie 2019? Sie steht zumindest auf sehr wackligem Boden. Wir wissen es nicht genau. Der Unterschied zum bisherigen Rekord von 1947 beträgt nämlich gerade 0,1 Grad. Das liegt innerhalb der Messfehlertoleranz. Außerdem gab es 1947 deutlich weniger Messstationen als heute. Dazu kommt ein Wechsel der Messinstrumente – vom Glas- zum deutlich genaueren elektronischen Thermometer.

Die zusätzliche Irreführung liegt in dem Tagesschau-Zitat von Rahmstorf: „Wir verlieren die Kontrolle über das Klimasystem“. Eine menschliche „Kontrolle“ über „das Klimasystem“ gibt es nicht. Einige Einflussfaktoren entziehen sich komplett der Beeinflussbarkeit, etwa die Sonnenaktivität und der Vulkanismus. Auch das Kohlendioxid, dem eine Klimasensitivität zugeschrieben wird, stammt zu 96 Prozent nicht aus von Menschen verursachten Quellen.

Den Unterschied zwischen „noch nie“ und „seit einer klimageschichtlich sehr kurzen Periode“ ließ nicht nur die Tagesschau unter den Tisch fallen.

„Noch nie war es im Juni so heiß“, dichtete die BILD.

„So heiß wie nie zuvor“, textete die Süddeutsche Zeitung.

Die Information, dass sie eigentlich „seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“ meinte, versteckte das Münchner Blatt deutlich weiter unten im Text.

Auf das Problem der Fehlertoleranz und der schwierigen Vergleichbarkeit der Messergebnisse von 1860, 1947 und heute gingen weder ARD, BILD oder Süddeutsche ein.

Spiegel Online meldete sogar: „Juni war weltweit heißester Monat der Geschichte“.

Auch hier hätte es heißen müssen: Bestenfalls in der sehr kurzen Geschichte wissenschaftlicher Temperaturmessung. Hier liegt die Abweichung zum vorher heißesten gemessenen globalen Jahr – 2016 – bei den gleichen 0,1 Grad, also ebenfalls in der Fehlertoleranz. Auch die WELT, sonst in Wetter- und Klimafragen vergleichsweise nüchtern, berichtete unter der Überschrift:

„Vergangener Monat heißester Juni aller Zeiten weltweit“.

Medienpreise gibt es in Deutschland mehr als genug. Ein Preis für nüchterne, unalarmistische Wetter- und Klimaberichterstattung fehlt allerdings.

*Zur Geschichte der Gletscherausdehnung in der Schweiz: ein Video der EHT Zürich


Der Beitrag von Dirk Schwarzenberg ist zuerst bei PUBLICO erschienen.

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Kommentare ( 161 )

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nhamanda
4 Jahre her

Mit Katastrophenmeldungen läßt sich am besten Kasse machen. Also machen die Medien alles zu Hyper… Hyper…. Dann nennen sie es noch Journalismus oder Nachrichten und alles ist gut. Da es inzwischen zu allen Übeln auch noch „Forscher“ und „Experten“ und „Aktivisten“ gibt, macht den Geschichtenschreibern das Story (Er)finden noch leichter und unterstreicht ihre „Seriosität“.
Früher wurde einmal im Monat eine Sau durchs Dorf getrieben (um dieses Bild zu verwenden) Heute müssen es mindesten drei pro Tag sein. Das ist harte Dichtkunst, Leute. Respekt!

GUMBACH
4 Jahre her

Ich konstatiere: Es gibt eine Lügenpresse. Der Begriff passt also sehr gut.

Klaus Weber
4 Jahre her

Dafür ist der Juli so nass und kalt wie selten! Um Gotteswillen, ist vielleicht der Klimawandel in Gefahr!?

Horst Hauptmann
4 Jahre her
Antworten an  Klaus Weber

Das sind, wie im kalten Mai, erste großartige Erfolge der fridays-for-future kids.
Hätte nicht gedacht, dass das so schnell klappt.
Noch schneller wird es dem CO2 an den Kragen gehen, wenn die Wirtschaft zusammenbricht: Klappe zu, Affe tot, Ziel erreicht – dann wird gefeiert, aber sowas von!!

Ingolf Paercher
4 Jahre her
Antworten an  Horst Hauptmann

Halt! Zuerst im Namen des Weltklimas bitte sämtliche Konten in einen „Besserwelt-Fond“ entleeren.
Erst dann dürfen wir retrospektiv über die Narretei lachen – wenn uns das Lachen nicht irgendwo steckengeblieben ist.

Slawek
4 Jahre her

Nachdem auch die Schweizer Studie zur weltweiten Wiederaufforstung wiederholt in den deutschen Medien durch den Kakao gezogen wurde, wäre es echt wertvoll ins Detail zu schauen, was dran ist. Zumal mir glasklar ist, daß wir jene Klimaziele nie erreichen werden und jene kurzfristigen Termine dank „Experten“ aber auf einmal gleichzeitig gegen Aufforstung sprechen sollen. Klimaschützer auf einmal vs. Wald also und pro milliardenschwere Technologie. Seeehr, sehr seltsam. Mir ist z.B. schon klar, daß sich die Natur im Normalfall ganz von alleine erholt hätte, wäre da nicht der Einsatz der Axt, um Landflächen zu schaffen und Holz zu verbrauchen. Jetzt auf… Mehr

Sharkeen
4 Jahre her

Mal davon abgesehen, dass vor ein paar Tagen der Juli Kälterekord an einigen Orten in NL gekratzt bzw. gebrochen wurde. Das war keine Meldung wert. Könnte zu Häresie führen. 😉

K. Sander
4 Jahre her

Ende 2019 werden wir auch lesen, dass der Juli der heißeste Juli seit Beginn der „Industrialisierung“ war. Die „Klimaforscher“ werden sich da mal wieder etwas aussuchen.
Ganz schön kalt draußen. Haben wir noch Sommer? Und diese Dürre … jeden Tag regnet es hier ganz schön lange.

Aber die Dürre wird garantiert noch kommen. Nein, nicht da draußen sondern auf unseren Konten. Der Staat will noch mehr Geld über Steuern und Gebühren abkassieren. Bei der Autoindustrie hat man schon mit angeblichen Strafen in Milliardenhöhe die Konten reduziert.

Contra Merkl
4 Jahre her

Die haben wirklich die Kontrolle über das Klima verloren. Mehr als knöchelhoch gab es Hagel zum Schaufeln gestern. Mitten im Sommer. Bevor Merkel sich für Klima interessiert hat, ist das hier noch nie passiert. Lasst die Frau bloß nie in ein Kernkraftwerk. Dann ist hier auch noch alles verstrahlt, wenn die mit ihren Zitteranfällen da was anfasst. Die Frau sollte abtreten, je eher desto besser.

Ali
4 Jahre her

Es ging und geht nie um das Klima. Es geht nur darum neue Steuern und Abgaben erschaffen zu können. Der Traum die Luft zu besteuern zu können ist genauso alt wie das ganze andere Raubrittertum.

Klaus Weber
4 Jahre her
Antworten an  Ali

Völlig richtig, den Leuten hinter den hüpfenden Freitagskindern geht es tatsächlich nicht um‘s Klima. Es geht Ihnen vielmehr um die Umkehrung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die Zerstörung der Industrie und des sog. „ neoliberalen Schweinesystems“. Sie sind keine Klimaschützer, sie sind Sozialisten und Kommunisten, die erkannt haben, daß der sozialistische Umsturz am besten mittels Panik und Hysterie über den „Klimawandel“ funktioniert.

FZW
4 Jahre her

Ich schaue aus dem Fenster und sehe Landregen bei 18,5°C; Nordbayern, 13.07.2019 – eigentlich müsste ich schon verglüht sein 😉

giesemann
4 Jahre her
Antworten an  FZW

Ja, weil die ärgern einen bis zur Weißglut, die ganzen Dummschwätzer … .

RNixon
4 Jahre her
Antworten an  FZW

Tja, Wetter eben.

Karl-Otto
4 Jahre her

…Die Märchenfabrik aus Potsdam…das gefällt mir! Aber hier geht’s nicht um Märchen, sondern um konstruktivistisches Ökosystemdenken, um Hybris und schlicht um politische Macht. In Wahrheit leben wir im Wärmeoptimum und da ist es ganz logisch halt warm. Die solare Aktivität war bis zum vorletzten Schwabezyklus eine der stärksten seit 11000 Jahren. Nur in 15 % der Zeit des Holozäns war die Aktivität gleich stark oder noch stärker. Dadurch hat sich die Temperaturkurve, die einem ca. 60-Jahreszyklus folgt, kräftig nach oben gebogen. Und wenn jetzt auch noch das System aus Polarfront und Strahlstrom eine höhere Breitenvariabilität aufweist, was zyklisch immer wieder… Mehr