Helmut Kohl, der Phaeton der alten Bundesrepublik ist tot

Nun ist „Der Kanzler“ tot, denn das wird wohl zukünftig sein Titel sein. Alle anderen verblassen. Mit Helmut Kohl stirbt endgültig auch diese Bundesrepublik, wie wir sie kannten.

Was mir von Helmut Kohl bleibt, ist zunächst einmal eine späte persönliche Erinnerung: 2006 war ich Gast der Premiere des Films „Dresden“, der auch Kohl beiwohnte. Er in der ersten Reihe, ich irgendwo unter ferner liefen oben im Rang, wo man die Schreiberlinge hinsetzte.

Kohl kam auf den letzten Drücker. Quälend langsam schleppte er sich zum zentralen Mittelplatz, seine zarte zweite Frau im Schlepptau. Dann Licht aus und auf der Leinwand brach die Hölle über Dresden los. Infernalische Lautstärke, die in der ersten Reihe auf eine Weise körperlich spürbar gewesen sein musste, um die ich dort vorne niemanden beneidete. Noch weniger, wenn man körperlich so überproportioniert war, wie Helmut Kohl dort an der Dresdner Kinofront kurz vor dem leeren Orchestergraben.

Spät am Abend gab es noch einen Empfang in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen. Und da kam er dann mit dem Phaeton vorgefahren und durch die weit geöffneten silberfarbenen Tore, in entgegen gesetzter Richtung der voluminösen Oberklasse Volkswagen, die hier sonst alltags in großer Inszenierung hinausschwebten dem neuen Besitzer entgegen – wie fliegende Panzer.

Der Phaeton ist längst Geschichte, Kohl war es damals schon: einerseits ein von der Spendenaffäre selbstbeflecktes Denkmal und andererseits eben unwidersprochen Macher der Einheit. Beides in Personalunion.

Kurzserie: Was bleibt von Helmut Kohl?
Bonn trägt Trauer, Helmut Kohl ist gestorben
Enemy mine, denn natürlich hatte auch ich mich in den 1980er und 1990er Jahren an dem Oggersheimer Fels in Diskussionen, bei Demonstrationen und mittels hingeworfenen Verunglimpfungen abgearbeitet. In Dresden dann zum ersten Mal leibhaftig. Aber diese tief beeindruckende Erscheinung hatte ich nicht erwartet: Gezeichnet zwar, massig, nicht von dieser Welt. Aber mit einer Präsenz und von einer frösteln machenden Aura umgeben, die einen für den Moment den Atem anhalten ließ. Der alte Pate der alten Bundesrepublik. Ein wandelndes Mahnmal. Aber was oder wen mahnte er an? Seine Widersacher? Der alte Augstein soll sich entschuldigt haben. Beide einte die Liebe zu Deutschland, als die Wiedervereinigung vollzogen schien. Das verband wohl über tiefste Gräben hinweg.

Ich denke heute manchmal, in Helmut Kohls Großtat war der Abgesang auf Deutschland schon programmiert: Eine Bundesrepublik, wie wir sie wider Willen lieben gelernt hatten. Erst fiel die D-Mark, dann die Grenzen. Dann kam Angela Merkel als Gerichtvollzieherin.

Nun ist „Der Kanzler“ tot, denn das wird wohl zukünftig sein Titel sein. Alle anderen verblassen. Mit Kohl stirbt endgültig auch diese Bundesrepublik, wie wir sie kannten. Er hatte diesem vergangenen Deutschland der sozialen Marktwirtschaft eine letzte strahlende Supernova beschert und sie damit leider gleichzeitig zu Grabe getragen.

Merkels neues deutsches Wirtschaftswunder war schon eines der Eliten, hier saßen Millionen schon am Katzentisch. Bei Kohl saßen sie noch im Nacken in Gestalt der Sozialdemokraten, die diesen Namen damals noch irgendwie verdient hatten. Sie meinen auch, die Lorbeeren für die Einheit wird Kohl keiner mehr nehmen können? Nein, seine Nachfolgerin hat schon zu Kohls Lebzeiten begonnen, Kohls offene Rechnungen zu begleichen.

Nein, dieser Helmut Kohl war leider nicht gut für Deutschland. Aber wer wäre besser gewesen? Und vielleicht wollte er tatsächlich nur das Beste. Viele sehen es heute so. Ruhe er in Frieden. Ein komisches Bauchgefühl, dass alles noch viel schlimmer kommt, wird ihn auf seinem letzten Gang begleiten.

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Kommentare ( 82 )

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Oberon
6 Jahre her

„Helmut Kohls Verdienste um unser Land sind unschätzbar“,so die CSU! Welche Verdienste? Etwa daß er am 16. April 1996 in unverantwortbarer Weise 15 wichtigtuerischen Kultusministern und 1 extrem wichtigtuerischen ( weil dazu mehrmals seine Meinung wechselnden) Kultusminister von der CSU seine Zustimmung zur Einführung des von Grammatik-Ignoranten und üblen Geschäftemachern ausgeheckten Neuschriebs erteilte, 1) der „nur“ Steuergelder in Höhe von zig. Mrd. Euro . verschlang 2) der die Deutschen „nur“ jahrelang mit Protesten dagegen und letztlich doch unerläßlichen Umlernversuchen beschäftigte und sie viele ernsthafte Probleme (wie u.a. das dabei völlig unbeachtet bleibende und daher gut gedeihende Krebsgeschwür Islam) übersehen ließ… Mehr

karel
6 Jahre her
Antworten an  Oberon

Sorry, Polizei und Bildung sind Ländersache. Seit Gründung der Republik. Als meine Tochter 1977 eingeschult wurde, habe ich diese ganzen „modernen Bildungsreformen“ erst kenengelernt und nie akzeptieren können. Als Beispiel sei die „Ganzwortmethode“ als Weg zum Erlernen des Lesens und Schreibens genannt. Erst Ende ihres 2. Schuljahres war ihre Klasse zum Lesen und Schreiben in der Lage. Sogar das einfache Rechnen. Fähigkeiten, die meine Tochter bereits am 1. Schultag mit einbrachte. Ich erwähne dies deshalb, weil wir als Eltern, beide aus einfachen Verhältnissen stammend, ihre Neugier nach Wort und Schrift absolut ernst nahmen, ohne sie in irgendeiner Weise „dressieren“ zu… Mehr

Hanna Jüngling
6 Jahre her

„Angela Merkel als Gerichtvollzieherin.“
Kommentarlos.

Old-Man
6 Jahre her

Ich habe diesen Mann leider nie gemocht,Ich habe mich sogar gerne und häufig über ihn lustig gemacht. Aber eigentlich hat der Mann immer nur seine Linie verfolgt und durchgezogen,das nötigt Respekt ab. Was kann Ich persönlich Helmut Kohl vorwerfen? Eigentlich nur die Spendenaffäre und Angela Merkel. Aber bei der Spendenaffäre hat er ein gegebenes Wort nie gebrochen,da haben wir beide einen tiefen Verbindungspunkt,Ich breche auch niemals ein gegebenes Wort,egal ob im guten oder bösen!Diese Haltung erfordert Rückgrat,das haben leider heute die Politkasper nicht mehr!! Das aus Merkel einmal die große Volksvernichterin wird,das konnte er nicht ahnen. Und wenn wir ehrlich… Mehr

Wolleus
6 Jahre her

Einspruch Herr Wallasch. Der Kanzler war, ist und bleibt der Alte (Adenauer) mit seinem Ludwig (Erhard). Sie haben die soziale Markwirtschaft und den neuen deutschen Nationalstaat geschaffen und etabliert. Doch nur ein Franz-Josef Strauß (FJS) hatte das Kaliber einem Kohl Paroli zu bieten. Nachdem er 1988 verstorben war (das war der Zeitpunkt für die eigentliche geistige und moralische Wende für Deutschland), war für Kohl nach dem alten Sprichwort (und jetzt werden die Linkspopulisten aufjaueln und heulen) „Polen offen“. Er hat es reichlich ausgenutzt, bis der Wähler dem ein Ende setzte. Die Wiedervereinigung war nur eine wirtschaftliche, politische Wende in einem… Mehr

Gerd
6 Jahre her

Helmut Kohl mochte ich nie. Als Kanzler der Einheit wird er jedoch – mit Recht – in die Geschichtsbücher eingehen. Was sonst noch war – Spendenaffäre etc. – spielt in historischen Dimensionen keine Rolle. Sein größter und wirklich unverzeihlicher Fehler war es jedoch, eine gelernte Marxistin aus der DDR an die Spitze der deutschen Republik zu hieven, wo sie bis heute im Sinne Honeckers alles tut, um Deutschland zu vernichten.

karel
6 Jahre her
Antworten an  Gerd

Sorry, Kohl hat Fr. Merkel nicht an die Spitze der deutsche Republik gehievt. Das hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun, das ist eher eine erneute Klischee-Bildung. Es war die Kanzlerin selbst, die es ihrem politischen Geschick zu verdanken hat. All die „Kronprinzen“ aus dem „Andenpakt“ verfügten über „Gefolgstruppen“, Fr. Merkel dagegen nicht. Daß es keiner aus der Riege der „Kronprinzen“ wurde, hat was mit deren Konkurrenz-Denken untereinander und dem fehlenden Wagemut zu tun. Die Kanzlerin galt bis dahin nur als „schlichte“ Außenseiterin. Es war ihr politisches Geschick, ihr taktisches Talent, daß sie an die Macht brachte und sie bis… Mehr

KoelscherJung
6 Jahre her

Ich für meinen Teil gebe gerne zu, dass ich diesen Mann nie gewählt habe. Irgendwie konnte ich nie Vertrauen zu ihm aufbauen. Dass das Misstrauen berechtigt war, beweist seine unrühmliche Nachfolgerin tagtäglich.OHNE Kohl wäre uns somit Viel erspart geblieben.

NoName
6 Jahre her

Das Ende der Siebziger Sowohl Kohl als auch sein Gegenspieler Helmut Schmidt habe ich als junger Mensch erst mal positiv wahrgenommen. Kohl kam neben Filbinger, Dregger, Kiesinger irgendwie modern rüber. Das war Ende der 60er, wer nicht dabei war, kann sich glaube ich nur schwer vorstellen, wie statisch die Gesellschaft damals war. Nun 1982 war ich 25 und schon deutlich desillusionierter. Die Raf, DDR-Besuche und endlose Diskussionen hatten mich von Links entfremdet. Konservativ kam es neue Heimat nicht in Frage. Liberal hatte zu wenig Kontur. Ich war politikmüde. Ich fuhr nach Indien und Nepal. Das Theater um Misstrauensvotum gegen die… Mehr

Harry James mit Armbrust
6 Jahre her

Ausgerechnet Kohl als „Den Kanzler“ zu bezeichnen grenzt an den gleichen Wahnsinn der heute in der gesamten Politik Normalität ist.

„Der Kanzler“ das ist Erhard, später dann Schmidt, selbst Brandt war um Welten besser als Kohl jemals hätte sein können!

Im Vergleich mit Merkel war er besser, aber im Vergleich mit Merkel ist jeder besser.

Kohl war der Kanzler, der zwar zuerst die Einheit langsam wollte, der sie aber viel zu schnell und mit einem Rums umgesetzt hat. Das war der Anfang vom Ende. Er hat Merkel möglich gemacht.

Mit Kohl begann der Verfall Deutschlands!

Beelzebub
6 Jahre her

Bei den so oft erwähnten 16 Jahren Kanzlerschaft bleibt eines leider regelmäßig unerwähnt: Die Rekordamtszeit verdankt Kohl in erster Linie dem Umstand, dass die SPD das eigentlich Unmögliche geschafft hat, gleich vier mal hintereinander eine Alternative anzubieten, die noch trostloser war. Erinnert sich noch jemand an den nervtötenden Oberlehrer Vogel, der zuverlässig jede Wahl verlor, zu der er als Spitzenkandidat angetreten war? An den salbadernden Wanderprediger Rau, der im Wahlkampf immer von „eigener Mehrheit“ der SPD fabulierte, an die er unübersehbar nicht mal selber glaubte? An den geldgierigen Gartenzwerg Lafontaine, dem nichts Dümmeres einfiel, als ständig an der sich abzeichnenden… Mehr

Erwin2016
6 Jahre her
Antworten an  Beelzebub

Hühner sind übrigens schlauer als ein Hund und der Fuchs hat einen sehr sehr guten geruchssinn. der kann ein totes Huhn 70 cm im Erdreich vergraben riechen. da hat ein Huhn was nachts schlecht sieht, keine Chance, da er das im Versteck riechen kann ;). aber der einäugige ist unter den Blinde der König! und der König gilt im eigenem Lande nichts.

e.Feldhahn
6 Jahre her

Eines kann ich Kohl nicht verzeihen: das er die letzten Jahre mehr oder weniger Kommentarlos diese Psychopathin hat wursteln lassen ohne wenigstens einmal ihr die ********** Maske von der ******* gerissen zu haben. Diese ****** ist auch sein Werk.