Grünen-Politikerin will Fragerecht der AfD einschränken

Irene Mihalic will prüfen lassen, ob Kleine Anfragen der AfD eingeschränkt werden können. Grund sind die Vorwürfe von Thüringens SPD-Innenminister, die Partei würde „Kreml-Aufträge“ abarbeiten. Die schrumpfenden Parteien wollen der AfD immer mehr Kontrollrechte, die ihr als Opposition zustehen, entziehen.

picture alliance / Metodi Popow | M. Popow

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, hat angeregt, prüfen zu lassen, ob die Bundesregierung künftig nicht mehr alle Kleinen Anfragen der AfD beantworten muss. Hintergrund ist die Warnung, über parlamentarische Fragen könnten vertrauliche Informationen an Russland gelangen.

„Parlamentarische Fragen zu beantworten, ist eine verfassungsrechtliche Verpflichtung“, sagte Mihalic dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die Bundesregierung müsse dabei jedoch „sorgfältig abwägen“. Im Fall der AfD bestehe ein „Dilemma“, so Mihalic, „weil die Gefahr besteht, dass so erlangte Informationen direkt dort landen, wo sie nicht hingehören“. Daher sei „wichtig, grundsätzlich zu klären“, wie weit die Auskunftspflicht reiche, und „alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die das Grundgesetz bietet“.

Ein Muster wofür?
Innenminister von Thüringen: „Die AfD spioniert für Russland“
Zuvor hatte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) der AfD vorgeworfen, sie arbeite mit ihren Anfragen „eine Auftragsliste des Kremls“ ab. AfD-Landeschef Björn Höcke wies das als „absurd und diffamierend“ zurück und forderte Maiers Rücktritt. Mihalic nahm die jüngsten Vorwürfe Maiers nun auch wieder zum Anlass, ein mögliches AfD-Verbotsverfahren ins Gespräch zu bringen. „Die AfD schadet Deutschland, und alle Formen der russischen Einflussnahme auf sie sind denkbar“, sagte sie. Wer dies so sehe, „kommt um eine ernsthafte Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens nicht herum“. CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Politiker Alexander Dobrindt müssten „nun Farbe bekennen“.

Unterstützung erhält sie auch von einzelnen Unionsabgeordneten. Der CDU-Parlamentarier Marc Henrichmann, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, sprach von „krassen Indizien“ für russische Einflussnahme. Zwischen dem freien Mandat und der Spionagevermutung müsse man abwägen, sagte er. „Das kann nicht mehr dazu führen, dass sensible Informationen AfD-Vertretern schriftlich zugestellt werden.“

Unionsfraktionschef Jens Spahn forderte die AfD-Spitze auf, die Vorwürfe vollständig aufzuklären. „Der Verdacht, im Bundestag für den Ex-KGB-Spion Putin zu spionieren, wiegt schwer“, sagte Spahn der Rheinischen Post. AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel müsse „zweifelsfrei aufklären, welche Machenschaften es in ihrer Fraktion gibt“. Die AfD weist alle Vorwürfe zurück.

Der politische Reflex: Verdacht ersetzt Beweis

Der Vorstoß Mihalics steht beispielhaft für eine Entwicklung, die längst über den Einzelfall hinausgeht. Immer häufiger werden parlamentarische Rechte der Opposition infrage gestellt oder beschnitten – mit der Begründung, sie könnten „missbraucht“ oder „gefährlich“ sein. Der Verdacht ersetzt zunehmend den Beweis, der moralische Anspruch das Recht.

Ob es um Anfragen, Redezeiten oder Positionen in Ausschüssen geht: Überall lässt sich das gleiche Muster erkennen. Was im Namen der „wehrhaften Demokratie“ geschieht, trifft faktisch nur eine Fraktion, die den Regierungsparteien auf die Finger schaut und dabei manches aufdeckt.

Und während die Regierung die Informationspflicht gegenüber der Opposition als „Sicherheitsrisiko“ definiert, gilt der Ausschluss der AfD aus zentralen Gremien längst als Normalzustand.

Vom Rederecht zur Reglementierung

Sehr streng: Klöckner (CDU) und Aigner (CSU)
Freie Rede? Mehr Ordnungsrufe und Rügen in den Parlamenten
Im Bundestag wurden die Regeln für das parlamentarische Verhalten zuletzt massiv verschärft. Während vor 2017 nur zwei Ordnungsrufe erteilt wurden, waren es zwischen 2017 und 2021 bereits 47, seit 2021 sogar 135 – die meisten davon gegen AfD-Abgeordnete. In vielen Fällen genügt eine zugespitzte Formulierung, um eine Rüge oder ein Ordnungsgeld auszulösen.

Mitte Oktober beschlossen CDU/CSU und SPD dann eine Änderung des Abgeordnetengesetzes: Ordnungsgelder können nun bis zu 4.000 Euro betragen, drei Ordnungsrufe führen automatisch zu einer Geldstrafe oder zum Ausschluss aus dem Plenum. Über die Maßnahmen entscheidet das Präsidium, ein Gremium, in dem die AfD nicht vertreten ist. AfD-Politiker Stephan Brandner sprach von einem „Frontalangriff auf die Opposition“.

Alice Weidel sprach auf X von einer „tendenziösen Sitzungsleitung“, während Beleidigungen gegen AfD-Abgeordnete im Plenum regelmäßig folgenlos blieben. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) bezeichnete die Verschärfung dagegen als „größte Reform der Geschäftsordnung seit 1980“.

Ausgrenzung als Routine

Auch in den Landesparlamenten werden die Regeln enger gezogen. In Bayern schaltete Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) der AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner im Juli das Mikrofon ab, nachdem diese die Regierung scharf angegriffen hatte. Kurz darauf wurde die Geschäftsordnung geändert: Das Schlusswort vor der Sommerpause steht nun allein der Präsidentin zu – nicht mehr der Opposition.

Zudem hat der Landtag seine Disziplinarmaßnahmen deutlich verschärft. Über Ordnungsrufe, Geldstrafen und Sitzungsausschlüsse entscheidet allein das Präsidium – wiederum ohne AfD-Beteiligung. Die Fraktion sieht darin den gezielten Versuch, ihre Arbeit zu behindern, und hat Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht.

Schmaler Grat zwischen Demokratie und Autokratie

Was von der zunehmend in der Wählergunst dahinschmelzenden Blockpartei CDUSPDGRÜNE als Verteidigung der Demokratie verkauft wird, ist längst ihr autokratischer Rückzug hinter die eigenen Mauern. Die etablierten Parteien ziehen sich in eine Wagenburg aus Geschäftsordnungen, Präsidien und Ordnungsmaßnahmen zurück, geschützt vor Widerspruch, abgeschirmt von Kontrolle. Wer kritisiert, wird sanktioniert; wer Fragen stellt, wird verdächtigt.

Das Prinzip der offenen Debatte wird durch eine Politik ersetzt, die ihre eigene Deutung zur Staatsraison erhebt. Das Parlament, einst Ort der Auseinandersetzung, wird zur Festung, deren Zugbrücke nur noch für die politisch Genehmen gesenkt wird. So verteidigt sich keine Demokratie, so entzieht sich Macht zunehmend jeder Kontrollmöglichkeit.

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Kommentare ( 132 )

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Schwabenwilli
15 Tage her

Es ist dieser Hochmut der sie glauben lässt im Besitz des Lichtes zu sein.
Demokratie haben sie missbraucht zu ‚unsere Demokratie“.
Die Sozialisierung ihrer Gehirne ist schon lange abgeschlossen. Ihr Denken werden sie bis ans Ende ihrer Tage nicht mehr ablegen können. Das haben sie mit Honecker und Mielke gemeinsam.
Da lobe ich mir einen Herrn Gysi, der war geistig wesentlich flexibler.
Evolutionsforscher können ein Lied davon singen, über tote Zweige.

honky tonk
15 Tage her

Ach jetzt muss der Beschuldigte seine Unschuld beweisen,interessant.Und wer die Verfassungsfeinde sind ist ja wohl offensichtlich.

Maja Schneider
16 Tage her

Solange die Gesellschaft so zerrissen und vergiftet ist und der Souverän mehrheitlich das alles geschehen lässt, weil ihm die Begriffe Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat nichts mehr zu bedeuten scheinen, wird die machttrunkene Politkerkaste so weiter machen! Wohin das führt wird nicht nur hier bei TE seit geraumer Zeit diskutiert.

Sanijo
16 Tage her

Dann soll Mihalic und Spahn beweisen, dass die AFD für Russland spioniert, ansonsten Untersuchungshaft mit anschließender Haft für die obengenannten, wegen verbreiteten einer Lüge und üble Nachrede oder Verleumdung einer Partei oder deren Mitglieder!

RauerMan
16 Tage her

Vor allem ist zu hinterfragen ob die jugoslawischstämmige Mihalic sich Grundgesetzkonformgemäß z.B.gegenüber RU,oder jedem anderen Land nach unserer Interessenlage verhält, bevor sie sich gegenüber einer ganzen Partei undemokratisch ausläßt.

Riffelblech
16 Tage her

Selber so einfältig das sie kaum mehr die Etiketten im Regal lesen können aber jeden Tag eine neue Unverschämtheit und Herabwürdigung des politischen Gegners ins Feld führen .
Das sind die Markenzeichen linksextremer Politik der einschlägigen Linken und Grünen Teilen der CDU .

bfwied
16 Tage her

Habecks „Der Staat irrt nicht!“ ist nun vorerst gerichtlich abgesegnet durch das Berliner Urteil, dass das WHO allein recht hat, Kritik sei Desinformation, also bestrafbar.
Glaubt noch jemand, dass das alles wieder zurückgedreht werden könnte, in die Zeit, als das Grundgesetz und die Verfassungsgerichtsurteile zur freien Meinungsäußerung und freie Kritik eben diese als völlig in Ordnung erlaubten bzw. verteidigten?
Es ist sinnlos. In 2-3 Generationen vielleicht, sofern …, tja, der Islam!

Michael W.
16 Tage her

Hat die NSDAP genau so gemacht, nur brauchten die dafür nicht Jahre, sondern nur Wochen.

Michael Palusch
16 Tage her

Es geht doch hier nicht um Spionage für Russland, denn die Beantwortung der Anfragen unterliegt nicht der Geheimhaltung. Es geht darum, dass die AfD mit diesen Anfragen, bei deren Beantwortung die Regierung zur Wahrhaftigkeit verpflichtet ist, den Schorf von den Wunden pult, die SPD, Grüne und Union als sicher verschlossen betrachteten.

Last edited 16 Tage her by Michael Palusch
Michael Palusch
16 Tage her

„…die Vorwürfe vollständig aufzuklären. „Der Verdacht, im Bundestag für den Ex-KGB-Spion Putin zu spionieren, wiegt schwer““
Vielleicht kann hier ja wer zur Aufklärung beitragen.
Von konkreten Vorwürfen habe ich bisher jedenfalls nichts gehört, alles was mir bekannt ist, erschöpft sich in Geraune, Mutmaßungen und unbelegten Behauptungen.
Ganz im Gegensatz zu einem gewissen Jens Spahn. Nun gut, um Spionage für Russland geht es dabei nicht. Bei Spahn geht es „nur“ um den im Zusammenhang mit Maskengeschäften und Immobiliendeals im Raum stehenden Verdacht, der Bereicherung und der Vorteilsgewährung im Amt.

CasusKnaxus
16 Tage her
Antworten an  Michael Palusch

Die meisten die für diese Vorwürfe in Frage kommen sind bei den Linken zu suchen und waren früher (?) bei SPD und bei ein paar CDUler und FDPlern. Die ganze Ostpolitik der SPD von Willy Brandt könnte man auch als Spionage bezeichnen, so wie sie eingefädelt wurde (über damals eigentlich verbotene konspirative Ostkontakte via italienische KP…Die Vorwürfe sind sowas von lächerlich. Als wenn Putin nicht schon lange seine eigenen Netzwerke hat, genau wie Amis und Chinesen und Israelis etcpp