Der Wettlauf gegen Covid-19

Weltweit forschen Unternehmen und Institute an Mitteln gegen SARS-CoV-2. Dabei gibt es erste Fortschritte. Viele Pharma-Hersteller versuchen, eine Abkürzung zu nehmen.

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Wirklich besiegen lässt sich die globale Covid-19-Pandemie nur durch einen Impfstoff und Arzneien für die schwer Erkrankten. Ein pharmazeutischer Schutz wäre auch das wichtigste Mittel gegen eine befürchtete zweite Welle – möglicherweise mit einem durch Mutation weiter veränderten Virus. Für die Entwicklung eines völlig neuen Mittels bleibt keine Zeit. Es geht nur mit einer Abkürzung. Alle Firmen setzen deshalb entweder darauf, bekannte Medikamente jetzt auch gegen SARS-CoV-2 einzusetzen oder entsprechend weiterzuentwickeln. Tichys Einblick beschreibt einen kleinen Ausschnitt dieser Forschung, den aktuellen Stand – und die Aussichten auf erste Ergebnisse.

Bayer

Den bisher spektakulärsten Schritt unternimmt Bayer: das Pharmaunternehmen mobilisiert einen Arzneimittel-Veteran, das schon 1934 entwickelte Chloroquin. Seit 1944 wird das Mittel gegen Malaria eingesetzt. Auf eine mögliche Wirkung gegen das Virus hatten mehrere Wissenschaftler hingewiesen, auch der kalifornische Unternehmer Elon Musk.

Am 19. März wies Präsident Donald Trump die Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) an, den Einsatz von Resochin (Chloroquinphosphat) gegen das SARS-CoV-2-Virus beschleunigt zu prüfen.

Zu den zuversichtlichen Ärzten gehört Doktor Len Horovitz, Lungenspezialist und Internist am Lenox Hill Hospital in New York. „Es gibt einen Beleg, dass Chloriquin wirkungsvoll ist, wenn es um die Bekämpfung von SARS in Primatenzellen geht“, so Horovitz. „In Laborversuchen wurden virale Partikel durch den Einsatz von Chloriquin signifikant reduziert.“ Das könnte vor allem mild bis mittelschwer Erkrankte vor gefährlichen Verläufen schützen.

Der Off-Label-Einsatz des Anti-Malaria-Mittels kam für Wissenschaftler überraschend. Denn Malaria wird durch einen Parasit verursacht, die Art der Erkrankung unterscheidet sich also deutlich von Covid-19. Bisher wissen die Forscher, dass das Medikament gegen SARS hilft. SARS wiederum ist mit dem SARS-CoV-2 verwand, aber eben nicht identisch. Ob Cloroquin tatsächlich auch gegen das neuartige Virus hilft, müssen jetzt Versuche zeigen.

CureVac

Den Weg, ein bekanntes Medikament zu modifizieren, geht das Tübinger Pharma-Unternehmen CureVac, das auch über eine Dependance in Boston verfügt. Das Unternehmen entwickelte einen erfolgreichen Impfstoff gegen Tollwut, dessen Besonderheit darin besteht, dass er schon in sehr geringer Dosierung immunisiert. Das Medikament basiert auf dem so genannten mRNA-Molekül, einem Boten-Molekül, das Informationen direkt zu den Zellen transportiert. Mariola Fotin-Mleczek, Chef-Technologe von CureVac, erklärt die Wirkungsweise so: “Mit unserer Boten-RNA-Technologie ahmen wir die Natur nach und geben dem Körper die Informationen, die er braucht, um das Virus zu bekämpfen.

„Diese Technologie hoffen wir auch nutzen zu können, um einen Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus zu entwickeln“, sagt Unternehmenssprecher Thorsten Schüller im Gespräch mit Tichys Einblick: „Das Virus unterscheidet sich zwar von dem Tollwuterreger, aber bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 benutzen wir die gleiche technologische Plattform.“ CureVac sei zuversichtlich, so Schüller, noch im Frühsommer über einen Impfstoff-Kandidaten zu verfügen, mit dem das Unternehmen klinische Versuche starten kann. Mit ersten Ergebnissen rechnen die Forscher im Herbst. Im Erfolgsfall würde dann das Zulassungsverfahren beginnen, danach die Großproduktion.

Pfizer, BioNTech

Auf der gleichen Spur beteiligt sich das Mainzer Unternehmen BioNTech am Rennen um den Impfstoff. Am 17. März unterzeichneten BioNTech und der US-Pharmariese Pfizer die Absichtserklärung, gemeinsam eine Impfung gegen das Covid-19-Virus zu entwickeln. Als Vertriebspartner sehen sie die chinesische Firma Fonsun Pharma vor. Auch der Versuchskandidat aus Mainz mit dem Namen BNT162 basiert auf der mRNA-Technik. Klinische Tests sollen Ende April starten.

Gilead Sciences

Der US-Pharmahersteller Gilead mit Sitz in Foster City, Kalifornien, gilt als führend bei der Entwicklung von Medikamenten gegen HIV, besitzt aber auch eine Reihe anderer Patente. Die Hoffnung der Manager ruhen auf Remdesivir, ein per Infusion verabreichtes Medikament, das Gilead eigentlich gegen Ebola entwickelte. Es enttäuschte allerdings die Hoffnungen. Jetzt könnte es gegen SARS-CoV-2 verwendet beziehungsweise modifiziert werden. Gegen SARS zeigte es in Laborversuchen Wirkung. Schon im Februar genehmigten die chinesischen Behörden einen randomisierten Test. Danach begann auch ein Versuch des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) am University of Nebraska Medical Center in Omaha. Als erster Testkandidat nahm ein Passagier des Kreuzfahrtschiffs „Diamond Princess“ teil, auf dem es über 600 Covid-19-Fälle gegeben hatte. Größere klinische Versuche mit mehr als 1000 Patienten sollen bis Mai 2020 stattfinden. Einen Durchbruch verkündete Gilead bisher noch nicht.

Friedrich-Loeffler-Institut

In Deutschland findet nicht nur Medikamentenentwicklung gegen das neuartige Virus statt, sondern auch wichtige Grundlagenforschung. Beispielsweise auf der Ostsee-Insel Riems im Greifswalder Bodden. Auf dem nur 1250 Meter langen Eiland arbeitet seit 1910 die älteste virologische Forschungsstation der Welt, gegründet von dem Virologen Friedrich Loeffler. Heute forschen auf Riems die führenden Veterinäre Deutschlands in der tiermedizinische Außenstelle des Friedrich-Loeffler-Instituts. Sie hoffen, einen Beitrag zur Covid-19-Bekämpfung leisten zu können. Zum einen, so Sprecherin Elke Reinking im Gespräch mit TE, beschäftigen sich die Forscher mit der Frage, ob das SARS-CoV-2-Virus von Menschen auf Haus- und Nutztiere überspringen kann. Zum anderen forschen die Wissenschaftler auf der Insel an Frettchen. „Die Rezeptoren in den Zellen für die Aufnahme des Virus bei Frettchen sind denen von Menschen sehr ähnlich. Unsere Fragestellung lautet, ob Frettchen als Modelltiere für den Test von Medikamenten gegen Covid-19 in Frage kommen.“ Erste Resultate, so Reinking, erwarte sie im Mai.

Die eine große Entdeckung von Pharmakologen und anderen Forschern, die schon in ein paar Monaten zur Verfügung steht und das Virus stoppt, dürfte es also kaum geben. Bei der großen Zahl von Forschern, die jetzt an Medikamenten arbeiten, könnte es aber schon 2020 einen ersten Erfolg geben. Ein massenhaft einsetzbarer Impfstoff, ein effizientes Medikament zu SARS-CoV-2-Virusbekämpfung für Erkrankte könnte 2021 zur Verfügung stehen – mit etwas Glück.

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Kommentare ( 11 )

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skifahrer77
4 Jahre her

Bitte entschuldigen sie meine direkte und persönliche Ausdrucksweise. Ausnahmsweise halte ich sie für notwendig.
„Nach kurzer Zeit sinken die Infektionszahlen“ Man sieht gleich, dass Sie weder in der Schule aufgepasst noch später viel dazu gelernt haben. Exponentialrechnung ist Schulstoff. Nicht nur für Akademiker.
Mein Vorschlag an alle, die „Herdenimunität“ herstellen wollen: Machen Sie dass in Italienischen Krankenhäusern als Hilfskraft. Wenn Sie dort die Krankheit überstanden haben, kommen Sie zurück ohne die Gefährdeten hier zu infizieren.

F. Hoffmann
4 Jahre her

Noch 1 Ergänzung:
TEVA (denen u.a. ratiopharm gehört) hat in den USA angekündigt, dass man, wenn dies angefragt werde, aus dem Stand Hydroxychloroquin produzieren werde.

F. Hoffmann
4 Jahre her

3 Ergänzungen:
Der erste Test mit einem Impfstoff der Firma Moderna Inc. läuft seit dem 16.03.20 in den USA:
https://www.nih.gov/news-events/news-releases/nih-clinical-trial-investigational-vaccine-covid-19-begins
Bayer hat den USA 3 Millionen Resochin (=Chloroquinphosphat) Tbl. angeboten, das beschleunigte Zulassungsverfahren läuft.
Das Gleiche hat Sanofi in Frankreich getan, wobei das Mittel Hydroxychloroquin enthält enthält. Hierzulande wird es unter dem Namen Quensyl als Rheumamittel eingesetzt.

Agrophysiker
4 Jahre her

Noch zwei Ergänzungen zu diesen sehr guten Artikel. In der Presse wird meist Chloroquin und Hydroxychloroquin bunt durcheinander geschmissen. Nun sind beide recht ähnlich. Bei der Untersuchung in Frankreich wurde nun Hydroxychloroquin verwendet. Letzteres ist auch aktuell im Handel und wird vereinzelt bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Da dieses Mittel eine größere therapeutische Breite (Abstand zwischen wirksamer Dosis und giftiger Dosis) hat, dürfte das das wahrscheinlichere Mittel sein, falls beide ähnlich gut wirken. Was die Impfstoffentwicklung betrifft so fehlt in der Aufzählung meines Erachtens noch das israelische Forschungslabor MIGDAL. Dies haben nochmal einen etwas anderen Ansatz. Deren (optimistische!) Schätzungen lautet ja, dass… Mehr

F. Hoffmann
4 Jahre her
Antworten an  Agrophysiker

Beide Mittel dürften gleich gut wirken. In den Therapie-Guidelines von Südkorea und China für COVID-19 werden beide aufgeführt. In den Therapie-Guidelines von Belgien wird Hydroxychloroquine wegen geringerer Nebenwirkungen dem Chloroquinphosphat vorgezogen, Letzteres soll nur verwendet werden, wenn Hydroxychloroquin nicht verfügbar ist.

Mein Name ist Lohse
4 Jahre her

Die Menschen sollten sich meines Erachtens nicht zu sehr auf Impfstoffe versteifen. Was bringt ein Impfstoff gegen SARS-CoV2, wenn der in ein paar Jahren schon wieder mutiert ist. Aber mal sehen. Herdenimmunität und Hirn hilft da vielleicht mehr.

Dass jetzt das „Nazimittel“ Chloroquin von IG Farben eine gute Chance wirksam sein zu können, ist eh der größte Treppenwitz dieses Monats. Natürlich hat Merkels Herr Drosten (den Prof. spare ich mir) schon Bedenken angemeldet.

BOESMENSCH
4 Jahre her

Es wäre mal interessant zu ermitteln, wie viele Milliarden Menschenleben allein der von den links-grünen verhasste Konzern BAYER mit seinen Medikamenten gerettet hat.
Meines jedenfalls bereits mehrfach.

Sollte es tatsächlich einem deutschen Unternehmen wie BAYER, CureVac oder BioNTech gelingen einen Wirkstoff bzw. Impfstoff gegen Covid 19 zu entwickeln und so Millionen von Menschenleben zu retten, so sollten unsere Erinnerungsminister umgehend ein Denkmal des Stolzes in Berlin planen, mit der Inschrift:

„Gerade wir Deutschen mit unserer Geschichte, die durch Naturwissenschaften, Medizin und Technik die Welt zu einem besseren Platz gemacht haben………….“

tavor1
4 Jahre her
Antworten an  BOESMENSCH

Wollen Sie etwa eine 180-Grad-Wende unserer Erinnerungspolitik einleiten…? Geben Sie auf sich acht. Vielleicht stehen Sie schon unter Beobachtung.

BOESMENSCH
4 Jahre her
Antworten an  tavor1

Ja will ich.
Auch wenn das nicht opportun ist.

Mit dem Deutschen Museum in München haben wir übrigens schon ein „stilles“ Denkmal des Stolzes.

Genies wie Röntgen, Haber und Bosch haben mit ihren Erfindumgen allein in den letzten 100 Jahren Millisrden Menschenleben gerettet- das ist wahrlich kein Vogelschiss.

Heinrich Niklaus
4 Jahre her

Sehr informativer Artikel, Danke! Wissen wir etwas die Forschung der Chinesen? Oder warten die auf europäische Ergebnisse, die sie dann in bewährter Manier kopieren.

Entenhuegel
4 Jahre her

Das hört sich ja beinahe so an, als wären Impfungen und Medikamente die einzige Lösung. Die Pharmakonzerne freuen sich schon. Auch der Begriff „Pandemie“ wird inzwischen inflationär verwendet.

Dass Medikamente bei akuten Fällen Sinn machen, wird sicher niemand bestreiten, aber warum wieder allerorts nach allgemeinen Impfungen geschrien wird, ist mir unheimlich. Grippeimpfungen z.B. sind nicht ohne Grund umstritten.