Bundesverwaltungsgericht setzt Öffentlich-Rechtlichen Grenzen

Mit seinem heutigen Urteil stellen die Leipziger Richter fest: Bei „gröblicher Verletzung“ des Programmauftrags gibt es keine Rechtfertigung für den Rundfunkbeitrag.

picture alliance / PIC ONE | Peter Engelke

Die Klage einer Bürgerin aus Bayern vor dem Bundesverwaltungsgericht war in der eigentlichen Sache erfolgreich: Heute entschied das oberste Verwaltungsgericht in dem Revisionsverfahren wie beantragt, das Verfahren zurück an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu verweisen. Die Klägerin hatte den Rundfunkbeitrag von sich aus reduziert, und geltend gemacht, ihr stehe ein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk kein vielfältiges und ausgewogenes Programm biete. Damit gebe es keinen individuellen Vorteil für sie als Bürgerin, der die volle Beitragspflicht rechtfertige.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies sie als zweite Instanz mit der Begründung ab, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags schon wegen der Möglichkeit gerechtfertigt sei, das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verfolgen. Das Gericht vertrat also die Auffassung, die Öffentlich-Rechtlichen würden ihren staatsvertraglichen Programmauftrag schon dadurch erfüllen, dass sie etwas senden. Auf die Frage, ob strukturelle Defizite bei der Erfüllung des Funktionsauftrags vorlägen, meinten die Richter in München, käme es daher nicht an. Schließlich gäbe es ja die Möglichkeit der Programmbeschwerde.

Das sah der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts mit seinem heutigen Urteil anders. Das Gericht zog zwar die Grenze weit, indem es entschied: „Die Erhebung des Rundfunkbeitrags steht erst dann mit Verfassungsrecht nicht mehr in Einklang, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt.“ Aber damit stellte es gleichzeitig fest: Das reine Angebot an Sendungen und Kanälen des ÖRR genügt nicht – die Sender müssen auch Meinungsvielfalt bieten.

Zwar sehe der Rundfunkstaatsvertrag, so das Bundesverwaltungsgericht, keine konkrete Gegenleistungspflicht der Anstalten gegenüber dem einzelnen Bürger vor. „Allerdings“, so der 6. Senat in Leipzig, „fehlt es an der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Beitragspflicht des § 2 Abs. 1 Rundfunkstaatsvertrag, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt. Die Schwelle für eine Verletzung des Äquivalenzgebots ist jedoch hoch. Sie muss dem weiten Spielraum des Gesetzgebers bei Ausgestaltung einer Beitragspflicht Rechnung tragen und setzt daher ein grobes Missverhältnis zwischen Abgabenlast und Programmqualität voraus.“

Eine solche ideologische Schieflage dokumentiert allerdings das Schweizer Unternehmen MediaTenor in seiner Langzeitauswertung der öffentlich-rechtlichen Programme seit Jahren.

Fazit des heutigen Tages: Das Bundesverwaltungsgericht zieht den Öffentlich-Rechtlichen erstmals rote Linien, indem es feststellt, dass ihre Freiheit zu senden, was ihnen beliebt, nicht grenzenlos ist. Über die konkrete Klage der Bürgerin muss der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun erneut entscheiden. Das Urteil aus Leipzig fordert die Politik außerdem indirekt auf, wirksame Kontrollinstrumente für ARD, ZDF und Deutschlandfunk zu schaffen.

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Kommentare ( 100 )

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Thilo Braun
29 Tage her

Die Hürden für eine erfolgreiche Klage sind so hoch gesetzt, dass sie nicht erfüllbar sind. Über einen Zeitraum von zwei Jahren sämtliche Sender des ÖRR auswerten und damit eine Schieflage der Berichterstattung nachweisen. Das kann nicht gelingen und das wissen die Richter auch ganz genau. Faktisch ist damit die Zulässigkeit der linkslastigen Berichterstattung zementiert worden und der ÖRR kann weiter machen wie immer.

siebenlauter
30 Tage her

Ein Rückzugsgefecht.

alter weisser Mann
30 Tage her

Es ist ja nicht nur die ideologische Schieflage, die steht neben der Kostenschieflage.
Mittlerweile gibt es eine völlig entgleiste Überversorgung durch den ÖRR durch Abdudelei von Programmschund auf xx teilweise parallelen Kanälen. Da kann man gut sparen und den Versorgungsauftrag, für den es eh nur eine Rumpfanstalt braucht, trotzdem erfüllen.

Joe X
30 Tage her

Man sollte den Paradigmen-Wechsel nicht unterschätzen, der aus diesem Urteil folgt: Ab jetzt werden Verwaltungsgerichte untersuchen müssen, ob der ÖRR seinen Programmauftrag erfüllt. Auch wenn die dann natürlich immer zu dem Ergebnis kommen werden, dass die im aktuellen Urteil gesetzte hohe Schwelle nicht überschritten ist, so wird in den Urteilen doch nachlesbar sein, an welchen Stellen der Programmauftrag verletzt wurde.
Statt einer Programmbeschwerde, die in irgendwelchen Gremien versumpft, wird es dann Gerichtsurteile geben, die die Mängel auflisten.

alter weisser Mann
30 Tage her
Antworten an  Joe X

Das Gericht wird gar nichts untersuchen müssen, das wird allenfalls würdigen, was der Kläger vorlegt.
Und die Vermutung steht nahe, dass das selten als ausreichend gewürdigt wird.
Was hilft es dann, wenn das Gericht mal einzelne Verletzungen des Programmauftrags benennt?

corsen
30 Tage her
Antworten an  Joe X

Was träumen Sie nachts? Jedem, der noch an unsere Gerichte glaubt, dem ist nicht mehr zu helfen.

karmaesk
30 Tage her

Haha wie sie alle Hurra und Rettung rufen bei jedem noch so kleinen Strohhalm..haha.. Illusionen… Es wird KEINE rechtliche Entscheidung gegen die Zwangsgebühr geben, in keiner Instanz der Justiz im Dienst des Tiefenstaats (Vasallen-Nato-Statut).. Nur ein POLITISCHER GEZXIT kann den Orwellfunk beenden.. und dafür braucht die AfD >50% (Illusion!)

corsen
30 Tage her
Antworten an  karmaesk

Illusion richtig, aber sie endet bereits bei 45 plus x.

humerd
30 Tage her

 Das Urteil aus Leipzig fordert die Politik außerdem indirekt auf, wirksame Kontrollinstrumente für ARD, ZDF und Deutschlandfunk zu schaffen.“
Also noch eine NGO schaffen …

Kassandra
30 Tage her
Antworten an  humerd

Gegen den Strich gelesen heißt das, dass die bislang eingesetzten „Räte“ nichts taugen. Oder?

Ein Mensch
30 Tage her

Wollen wir wetten das gar nichts sich ändern wird. Die komplett durchgegrünten Richter werden doch ihren Gesinnungskollegen beim örr kein Auge aushacken. Das ist wie bei den Wahlen, es muss nur so aussehen als ob Recht durchgesetzt wird. Das der Schein immer häufiger trügt, das ficht die ,,Guten“ aber nicht an. Also, wer hält die Wette?

Kassandra
30 Tage her
Antworten an  Ein Mensch

Auch Sie haben es in der Hand.
Denn man kann sie trocken legen.

HansKarl70
30 Tage her
Antworten an  Kassandra

Es liegt in erster Linie beim Wähler, er ist der Souverän.

murphy
30 Tage her

Es gibt das GG, die Ersatzverfassung.Diese Regelungen muss zwingend jedes Gesetz erfüllen, z.B. Gleichberechtigung. Aber auch den Artikel 5.1 der ja nicht nur die Pressefreiheit regelt, sondern auch, dass allgemein verfügbare Sendungen „hindernisfrei“ zu empfangen sein müssen. Das Wort „hindernisfrei“ schließt alle möglichen Hindernisse ein und darf (nach Art. 19.2) nicht verbogen werden, wörtlich „nicht angetastet“, also auch finanzielle Hindernisse, wie jegliche Kosten. Richter haben bei der Ernennung geschworen das GG zu beachten. Ich erwarte außerdem dass keine Rechtsbeugung erfolgt. Das würde ich beim Verfassungsschutz monieren, – wenn wir einen hätten der den Namen verdient. Als die Honnecker-Vertraute die Zwangsabgabe… Mehr

Last edited 30 Tage her by murphy
Edwin
30 Tage her

Und was wird sich ändern? NICHTS!!!

Die „Guten“ werden das Urteil ignorieren oder anders interpretieren.

Es gibt nur eine Möglichkeit : ABSCHAFFEN.

Und wenn das nicht passiert, Zahlung verweigern. Was kann passieren, wenn im ersten Schritt die 25% AfD Wähler keine GEZ mehr bezahlen? Keine Sorge, es werden sich schnell aus reiner Opportunität mindestens weitere 25% anschließen!

Und dann ist das System passe. Nur Mut!

corsen
30 Tage her
Antworten an  Edwin

Versuchen Sie es, Konto gesperrt, Job weg, usw. Oder sind sie schon Rentner.?

Edwin
29 Tage her
Antworten an  corsen

Ich habe natürlich leicht reden, da ich ins Ausland weggezogen bin. Aber im Internet findet man hierzu hoffnungsmachende Erfahrungsberichte. Offensichtlich ist es doch nicht so leicht an das Geld zu kommen, wenn die Zahlung verweigert wird. Die müssen erstmal einklagen, das dauert. Es gibt hierfür Formulare, einfach Googeln. Und am Schluss macht es die Masse. Wenn sich alle AfD Wähler organisieren würden (25%), dann würden die mit dem Einklagen ubd mit den Inkassoverfahren nicht mehr hinterherkommen. Wenn dies dann Erfolg hat, ist es ein Schneeballsystem, also ein Selbstläufer. Ich persönlich habe meinen Wohnsitz, bis ich meinen Wohnsitz in Deutschland endgültig… Mehr

Achilles
30 Tage her

Ein interessanter Teilerfolg. Dennoch wird es ausgehen wie das Hornberger Schießen; viel Schall und Rauch um nichts. Der ÖRR wird jetzt die Drähte heißlaufen lassen in Richtung Berlin, und man wird Lösungen finden – so sicher wie das Amen in der Kirche. Nie im Leben wird sich programmatisch irgendwas ändern. Ein Urteil wie eine Seifenblase.

Kassandra
30 Tage her
Antworten an  Achilles

Eine Lüge ist eine Lüge ist eine Lüge.
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Und jedes Gericht, das das nicht zu erkennen meint, macht sich vor aller Augen lächerlich.