Bayern schießt auf Drohnen mit Netzen

Ferngesteuerte Flugobjekte, sogenannte Drohnen, gefährden Flughäfen und Gefängnisse. Die Maßnahmen der bayrischen Landesregierung dagegen klingen wie ein schlechter Witz. Israel zeigt, wie's besser geht.

Drohnen gefährden seit langem Gefängnisse und Flughäfen. In Bayern sollen in Zukunft Gefängniswärter auf Drohnen Netze schleudern. Dafür müssen sie die Drohnen aber erst erkennen, 24/7, Tag und Nacht, bei jedem Wetter auch Ostern, Allerheiligen und Weihnachten. Man reibt sich die Augen: Sind wir in Schilda oder hat der Fasching schon begonnen.

Fast alle Flughäfen leiden unter Drohnen-Angriffen und beklagen bereits mehrfach Millionenschäden durch ausgefallene oder verspätete Flüge. Vergitterte Gefängnisfenster werden auch in Bayern regelmäßig von Drohnen angeflogen und liefern dort in minutenschnelle Kassiber, Drogen, Handys und manchmal auch Waffen ab. Die Industrie versucht seit Jahrzehnten in allen Bereichen – vor allem wenn es um die Sicherheit geht – die Unzuverlässigkeit des Menschen durch stabile Sensoren, Kameras und exakt berechnete Algorithmen gelenkt von PCs zu ersetzen.

Das ist in der industriellen Produktion seit langem Standard, seitdem man weiss, dass der Mensch der größte Unsicherheitsfaktor ist, wenn es um andauernde Effizienz und nachhaltige Leistung geht. Der Mensch braucht Urlaub, seine Sinne ermüden schnell und die Motivation seines Handelns ist schwankend und eben nicht schnell genug. Die Autoindustrie allein gibt Milliarden aus, um den Unsicherheitsfaktor Mensch am Steuer durch einen Super-PC noch in diesem Jahrzehnt abzulösen.

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 All diese gesicherten Erkenntnisse hat das Bayerische Justizministerium beiseite geschoben und will tatsächlich Drohnenangriffe auf Gefängnisse mit Drohnenjägern – Dropster genannt – bekämpfen. Ein Beamter oder mehrere sollen in Zukunft mit einer Gaswaffe zielen und ein Netz auf das anfliegende rotorgetriebene Fluggerät schießen und damit unschädlich machen. Reichweite 30 bis 50 Meter verrät die Website der Schweizer Firma. Viel Glück! Im 21. Jahrhundert, im Zeitalter der Hochtechnologie.

Selbst wenn die Erkennung nicht mit dem Auge, sondern elektronisch erfolgen sollte, kommt hier der Faktor Zeit ins Spiel. Der JVA-Beamte, der übrigens nur innerhalb seiner Strafanstalt agieren darf, holt also das Gewehr aus dem verschlossenen Schrank und versucht die Drohne ins Blickfeld zu bekommen. Zielt und schießt, bei Nacht und unter allen Wetterbedingungen. Ist die Drohne noch außerhalb des Gefängnisses, muss er die Polizei rufen. So schreibt es das Gesetz vor. Es vergehen also mehrere Minuten wertvoller Zeit, in denen die Drohne oft längst geliefert hat und wieder verschwunden ist. Das zeigt die bisherige Erfahrung.

Bei der Präsentation des Gasgewehrs mit Netzschleuder in der Münchner Stadelheim-JVA ist bereits einiges schiefgelaufen. Als das TV-Team einen zweiten Versuch filmen wollte – so ist der Presse zu entnehmen – verweigerte sich der Minister. Das Bayerische Justizministerium hat für Drohnenbekämpfung immerhin 100.000 Euro im Haushalt ausgewiesen.

Wie schaut die Realität weltweit aus. Mehrere Länder, darunter auch Israel, bieten seit langem erfolgreich und vielfach erprobt High-Tech-Geräte an, die Drohnen bei Tag oder Nacht, unter allen Wetterbedingungen frühzeitig erkennen und unmittelbar selbständig durch Unterbrechung des Funkkontakts zwischen Starter und Drohne – englisch: jammen – sanft und gezielt vom Himmel holen. Die Gefahr ist abgewendet. Genutzt wird diese Technologie weltweit auch in der EU zu verhältnismäßig geringen Kosten. Und zwar überall dort, wo die Vernunft die Bürokratie beherrscht und nicht umgekehrt.

Gegen diese Technologie hat die Bundesnetzagentur etwas und nimmt dem Landes-Justizministerium den Mut, modernste Technologie einzusetzen. Die Bundesbehörde verbietet das Jamming für Privatfirmen, macht aber ausdrücklich eine Ausnahme für Sicherheitsbehörden. Der Justizminister müsste also die Verantwortung für eventuelle Störfälle, die im 0,0-irgendwas-Bereich liegen, übernehmen. Seine Hausjuristen raten ihm davon ab, Verantwortung zu übernehmen. Mutig gegen den Strom zu schwimmen und Neuland zu betreten, ist nun mal nicht die Stärke der hohen Damen und Herren in Ministerien.

Völlig unverständlich wird die Entscheidung für die Netz-Kanone gegen Drohnen, wenn man die Bedrohung der Flughäfen miteinbezieht. Warum kooperieren Justizministerium und die Verantwortlichen für den Flugverkehr in Land und Bund nicht miteinander? Oder soll mit einer Gaswaffe, die Netze auf Drohnen schleudert, auch der Flugverkehr geschützt werden? Und das soll dann sicherer sein als das Jamming?

Bayerns Ministerpräsident Söder hat mit der „Hightech Agenda Plus“ kürzlich die Schaffung von 700 Planstellen für Professoren der Computer-Wissenschaften an bayerischen Universitäten angekündigt. Sie sind dringend notwendig.

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Kommentare ( 35 )

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Deutscher
3 Jahre her

Einfach zusätzliche Gitter oder Netze installieren, so dass die Drohnen die Fenster nicht anfliegen können. Was zum Teufel soll daran so schwierig sein?

Lars Baecker
3 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Die Devise Bayerns lautet wohl: arum einfach, wenn es nicht mal umständlich geht? 🙂

Deutscher
3 Jahre her

Wenn der Mensch der größte Unsicherheitsfaktor ist (das Dogma jedes Digitalfetischisten und Techniksklaven), sollte man ihm nicht die Entwicklung komplexer sicherheitsrelevanter Systeme anvertrauen. Für das Gefängnis gibt´s einfache Lösungen, z.B: > Fenstergitter mit geringen Stababständen, so dass nicht hindurchgegriffen werden kann > Vor jedes Fenstergitter ein weiteres Gitter setzen, außerhalb der Reichweite, Stichwort „eine Armlänge Abstand“ 😉 oder eine stabile Plexiglasscheibe > Am besten aber flächendeckend Netze oder Drahtgeflechte vor die Fensterfronten spannen, Maschenweite dicht genug, dass keine Drohne durchfliegen kann. Aber so was wäre ja zu einfach und vor allem zu kostengünstig. Die Entscheider, allesamt in technischen und praktischen… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Deutscher
Winston S.
3 Jahre her
Antworten an  Deutscher

„> Fenstergitter mit geringen Stababständen, so dass nicht hindurchgegriffen werden kann > Vor jedes Fenstergitter ein weiteres Gitter setzen, außerhalb der Reichweite, Stichwort „eine Armlänge Abstand““ Das versuchen Sie mal. Da haben Sie sofort die Grünen, die SPD, die europäische Menschenrechtskommission, die „Nationale Stelle zur Verhütung von Folter“, unzählige NGO`s, die SZ, den WDR (ja, auch in Bayern), die Taz, Monitor, Kontraste, die BR-Redaktion von „Quer“, den Spiegel und und und auf dem Hals, die sie in einer Einheitsfront attackieren. Stichwort: „Menschenunwürdiger Entzug des Tageslichts“ Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe lange in dem Bereich gearbeitet. Gott sei Dank… Mehr

josefine
3 Jahre her

Die sind umweltverträglich und wieder verwendbar.

Andreas aus E.
3 Jahre her

Das mit den Gefängnisfenstern verstehe ich nicht. Es sollte doch kein Problem sein, die Fenster automatisiert zu überwachen und entsprechend Maßnahmen einzuleiten.

Deutscher
3 Jahre her
Antworten an  Andreas aus E.

Was meinen Sie mit „automatisiert überwachen“?

Andreas aus E.
3 Jahre her
Antworten an  Deutscher

(Nachtsicht-)Kameras mit Bewegungsmeldern – sollte an Fassaden doch kein Problem sein.
Wenn dann einer was einsammelt – rasch Filzkommando in Zelle.

Hans Wurst
3 Jahre her

Was ist mit Drohnenabfangdrohnen, bewaffnet mit Drohnenabfangnetzkanonen?

Epouvantail du Neckar
3 Jahre her

Ich habe kein „Abibur“ und trotz meiner, eingestanden, bescheidenen Kenntnisse in Deutsch, würde ich die Überschrift so gestalten: „Bayern schießt mit Netzen auf Drohnen.“
Trotzdem einen schönen und spannenden Tag.

Hans Wurst
3 Jahre her

In den Niederlanden nutzen sie dafür abgerichgete Greifvögel. Zumindest an Flughäfen.

Wolfsohn
3 Jahre her

Ich denke, der Ansatz mit den Netzen ist vollkommen falsch.

Ein Imobile-Zauber wäre sicher hilfreicher!

Willi Stock
3 Jahre her

700 Planstellen für IT-Expert*Innen?
Passt, schließlich müssen ja die Absolvent*Innen der Genderfakultäten versorgt werden…

josefine
3 Jahre her
Antworten an  Willi Stock

Nur in Bayern!!!

Judith Panther
3 Jahre her

Am 14.09.20 kommentierte ich einen ZEIT-Artikel zu einem dieser neuen Fluggeräte, dem „Volocopter“, deren Insassen damit zukünftig „dem Stau entfliegen“ wollen – und ihn damit einfach nur ans Firmament verlagern. Sie fügen der Wahrscheinlichkeit für Staus und Unfälle einfach nur eine weitere Dimension hinzu: „Bald werden wir die ersten Opfer dieser neuen himmlischen Plage beklagen: Brave Bürger, die sich erst nach rechts, dann nach links umgeschaut haben, bevor sie über die grüne Ampel liefen um dann, kaum am anderen Ufer angekommen, von den Rotorblättern eines dieser Geschosse in servierfertige Scheibchen geschnitten zu werden. Langsam ahnen wir, was der weise Majestix seinerzeit gemeint… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Judith Panther