Kurze Geschichte des langen Abstiegs, der zum freien Fall wurde

Reformen fallen nicht nur aus, Deindustrialisierung ist Programm einer neuen deutschen Moral, mit der das Weltklima gerettet werden soll und ein neues Wirtschaftswunder herbei phantasiert. Es ist aber nur Sozialismus hinter einer neuen Maske namens Ökologie.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich „im freien Fall“ (Industriepräsident Peter Leibinger), Pleitenrekord im Mittelstand, Investitionsschwäche, Abwanderung, bald auch Massenarbeitslosigkeit, Überdehnung des Sozialstaats, Bürokratieexzesse, Reformstau: Das ist der Befund, den niemand übersehen kann, es sei denn, er hieße Bärbel Bas und regierte als SPD-Vorsitzende das Land mit ideologisch gefestigt in den Abgrund. Aus dem zunächst langsamen „Abstieg eines Superstars“, wie Gabor Steingarts Bestseller schon vor gut zwanzig Jahren hieß, ist ein Absturz geworden. Er deutete sich seit langem an. Versagt haben mehr oder weniger alle Regierungen. Der Aufstieg zum Exportweltmeister stieg ihnen zu Kopf und machte sie blind. Noch immer ist das Land unfähig zur Umkehr.

I.

In Zeiten des Wirtschaftswunders fielen die Sünden nicht weiter auf. Das Wachstum ließ vergessen, dass der Sozialstaat bald stärker wuchs als die Wirtschaft. Ein Urfehler: Umlagesystem statt kapitalgedeckter Rente. Spätestens seit klar war, dass immer weniger Beitrags- und Steuerzahler für immer mehr mehr Alte aufkommen mussten, war das System nicht mehr zukunftsfähig. Was die Regierung Kohl und seinen Dauersozialminister Blüm nicht daran hinderte, immer wieder gegen besseres Wissen zu beteuern: Die Rente ist sicher. Nur ein Beispiel für eine grundlegend falsche Politik, die die ökonomische Realität verleugnet.

II.

„Modell Deutschland“ hieß das einmal. Es ist nur noch ein ferner Klang. Auch berauscht von der „Wiedervereinigung“, verloren sich die Deutschen in Illusionen von ewigem Frieden und globaler Marktführerschaft. Zwischen Verwunderung und Spott sehen die Nachbarn nun die Reformunfähigkeit dieses Modells. Kanzler Gerhard Schröder bemüht sich noch mit einer Teilreform erfolgreich um Besserung – und bezahlt prompt mit dem Verlust seiner Kanzlerschaft. Er hilft Angela Merkel ins Amt und schüttet damit das Bad aus. Übrig bleibt das Kind, das Deutschland vollends trocken legt. Merkel startet als Hoffnung und führte statt in eine Reformära in eine bleierne Zeit. Erst nur betäubt von den Routinen des Krisenalltags, versetzt sie das Land in einen Zustand der Apathie. Damit nicht genug. Aus ideologischer Verblendung legt sie das Land lahm: Atomausstieg, Willkommenskultur, Klimawahn.

III.

Ließ Merkel die wahren Probleme nur treiben, greifen Kanzler Scholz und seine Ampel aktiv ein – und beschleunigen den Absturz. Der bekommt jetzt einen neuen vollklingenden Namen: Große Transformation. Reformen fallen nicht nur aus, die Deindustrialisierung wird vielmehr zum Programm einer neuen deutschen Moral, mit der das Weltklima gerettet werden soll und ein neues Wirtschaftswunder herbei phantasiert. Es ist aber nur Sozialismus hinter einer neuen Maske namens Ökologie. Darunter leidet dann nicht nur die Freiheit der Unternehmer, sondern auch die Freiheit der Debatte. Das Land blockiert sich geistig selbst.

IV.

Friedrich Merz koaliert mit den SPD-Versagern von gestern und mit dem Mühlstein der Merkel-CDU am Bein. Er spuckt große Töne und schafft allenfalls minimalinvasive Eingriffe, die den Absturz nicht aufhalten. Merz hat das Schicksal Schröders vor Augen. Dem Land aber hilft es nicht, es scheint in Abstiegsroutine zu erstarren und zu resignieren. Offensichtlich liegt das Dilemma nicht nur an Personen. „Systemversagen“ betitelt folgerichtig Steingart seine gerade erschienene Fortsetzung der alten Geschichte von Aufstieg und Fall der einst musterhaften Deutschen. Hinter der Kettenreaktion des Abstiegs steckt auch eine unselige Staatstradition und Mentalität. Wir sind, so Steingart, „das wahrscheinlich langsamste Staatswesen der westlichen Welt, wenig sprunghaft, frei von Exzessen, gründlich in jeder Hinsicht – auch in der, dass wir den Weg nach unten seit Jahrzehnten unbeirrt weitergehen.“ Kurz: Wir sind unbelehrbar.

V.

Im Tal der Trauer und des Zorns taucht paradoxerweise selbst bei jenen, deren Befund kein Auge trocken lässt, immer häufiger das Wort Zuversicht auf. Was aber fehlt, sind „Ehrlichkeit und Schonungslosigkeit“, wie auch Steingart moniert, um sogleich selbst die „Zuversicht als erste Bürgerpflicht“ zu predigen. Er setzt, darin typisch deutsch, auf den „Weltgeist“, um danach gleich abzuwiegeln: „Wir sollten nicht auf Erlösung durch Politiker, Wirtschaftskapitäne und Wissenschaftler warten.“ Sondern auf uns selber setzen. Es ist eine Utopie. Als ob die obrigkeitshörigen Untertanen jemals kapiert hätten, warum sie immer wieder geschlossen ins Elend stürzen.

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Kommentare ( 107 )

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Sonny
1 Tag her

Wir werden mit großer Wahrscheinlichkeit erleben wie es ist, wenn die Wirklichkeit über die Ideologie triumphiert. Und zwar wieder einmal äußerst schmerzhaft. Immer noch zu hoffen, dass die Vernünftigen das Ruder herumreißen können ist zwar menschlich, aber wenig realistisch. Deutschland ist bereits so sehr zerstört (auch wenn viele das nicht sehen wollen), dass es völlig unwahrscheinlich ist, dass wir aus dieser Situation mit nur einem blauen Auge und einer Amputation einer der beiden Gehirnhälften wieder herauskommen können. Die Zuversicht ist längst einer unverhohlenen Angst vor der Zukunft gewichen und das bestimmt den Alltag. Und bei so viel Angst haben die… Mehr

Biskaborn
1 Tag her

Großartiger, punktgenauer Aufsatz! Was will man zu den beschriebenen Zuständen kommentieren? Außer: Alle machen auf diesem Weg eifernd, untertänigst mit. Wer nicht mitzieht wird kaltgestellt oder am Besten gleich verboten! Dieses Land ist verloren!

Carl22
2 Tage her

Herzzerreißend (ohne Ironie) ist das Aufrufen von Internetauftritten der Firmen, von denen der Konkurs gerade bekannt wurde. Beispiel Feldmühle Papiere, heute am 13.12.25: Eine Wirtschaftsleiche, die noch nichts von ihrem Ableben weiß, blüht medial noch einmal in allen Regenbogenfarben des Bildschirms auf, dazu ökologisches Glaubensbekenntnis und grünes Pathos – und Bilder, ach diese Zukunftsglücksweltbilder – überschlagen sich, während der Leser bereits vom Exitus der Papiermühle unterrichtet ist. Wieder ist Herbst in Deutschland.

Manfred_Hbg
2 Tage her

Zitat 1: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich „im freien Fall“ (Industriepräsident Peter Leibinger), Pleitenrekord im Mittelstand, Investitionsschwäche, Abwanderung, bald auch Massenarbeitslo…..“ > Jau, und ja bloß auf den Bestand der Brandmauer achten und ja bloß nicht mit der AfD sprechen. Immer schön weiter so wie die letzten 10 und 20+ Jahre. _ _ _ _ _ _ Zitat 2: „Friedrich Merz koaliert mit den SPD-Versagern von gestern und mit dem Mühlstein der Merkel-CDU am Bein. Er spuckt große Töne und schafft allenfalls minimalinvasive Eingriffe, die den Absturz nicht aufhalten.“ > Höhöhö….. -hier fehlt dann nur noch, dass wir bei der… Mehr

Micci
2 Tage her

Nicht nur eine absolut ernstgemeinte, sondern auch sehr dringliche Frage an Herrn Herles:

Sehen Sie noch einen möglichen Ausweg – wenn ja: welchen – , oder ist es Ihrer Meinung nach für jegliche Auswege zu spät?

Axel Haare
2 Tage her
Antworten an  Micci

Wir müssen sehen, was kommt danach? Unser total verpfuschtes Bildungssystem scheidet Jahr für Jahr über 50.000 Neets (No education. No employments. No trainings) aus! Der Gruppe der Neets gehören bereits heute rund 1,3 Millionen 15-29jährige, überwiegend junge Männer an. Die Schulversager mit Migrationshintergrund hier noch gar nicht mitgerechnet. Darüber hinaus erleben wir die bösartige Entfaltung einer ungemein selbstbewussten Generation junger Menschen, die so faul, so dumm und so ich-bezogen auf ihrer Haltung mit Abitur abheben und gleichzeitig eine so extrem faschistoide Tendenz zur Meinungsfreiheit offenbaren, wie sie keine andere Kohorte zuvor an den Tag gelegt hat! Gestern standen wir noch… Mehr

ekki
2 Tage her
Antworten an  Micci

ich bin nicht herr herles, aber meiner meinung nach ist schicht im schacht. die zahlen sprechen eine klare sprache. rente, energie, infrakstruktur, bildung…katastrophen. man müsste radikal gegensteuern, aber wo soll das herkommen? selbst dann würde es 10 bis 20 jahre dauern, wir müssten erstmal eine neue generation ausbilden etc. die frage ist: dummheit oder absicht? wenn sie es genau wissen wollen: herr lüning, unternehmerblog, hat ein augenöffnendes video darüber gemacht, auch er sieht kein licht im tunnel.

Micci
1 Tag her
Antworten an  ekki

Mich interessiert speziell Herr Herles‘ Meinung, weil er ja eine mögliche Lösung massiv mitbekämpft hatte, als sie noch etwas hätte ausrichten können!
Ansonsten neige ich auch zum Ergebnis: Game Over. Ein rechtzeitiger Blackout oder auch ein Währungscrash könnte allerdings die Karten noch einmal ganz neu mischen.

GermanMichel
20 Stunden her
Antworten an  Micci

Ganz einfach:
– den Dollar und das internationale Anglo Finanzsystem crashen
– Bündnis mit Russland und China mit atomaren militärischen Sicherheitsschirm
– raus aus der EU, zurück zur deutschen Stärke
– Arbeitsdienst für Systemdiener des alten Systems

Das sollte klappen.
USA sind 70% privater Konsum von Gütern die woanders hergestellt wurden und mit frisch gedrucktem Falschgeld importiert werden.

Den Dollar crashen und der Kaiser ist nackt.

WandererX
2 Tage her

Hörig? Unsinn! Die Deutschen waren und sind nie hörig, sondern – wie alle Menschen in der Welt – auch mal gerne bequem. Das ist auch nichts Verwerfliches, nur solte man an der richtigen stelle es sich gemütlich machen und nicht dort, wo Elan angesagt wäre. Aber wo es sich sogar Merkel/Seehofer und Schäuble in 2015/16 sehr gemütlich machten: ja, jetzt sind sie halt da….

ekki
2 Tage her
Antworten an  WandererX

die coronazeit hat deutlich gezeigt, wie hörig 80% der deutschen sind, nichts neues. auch die franzosen sind bequem, aber weit weniger hörig, was schon napoleon berichtete.

Fieselschweif
2 Tage her

Solange man den ÖRR als bestens finanzierten Staat im Staate weiterwursteln lässt mit seinem immer kroteskter werdenden Laolawellen-Lobeshymnen auf die Regierung und der aktiven Verleugnung der Problem, solange wird sich nichts ändern. Denn die breite Masse der Rentner glaubt den weit verbreiteten Unsinn und wählt weiter unfassbaren BS, um es man mit der Bärbel zu sagen. Gerne genommen auch die Verbreitung der inhaltsleeren und daher offensichtlich populistische Angstmache vor der Wiederauferstehung des 3. Reiches. Da ist man sich sicher, dass man, wenn man die Teufelspartei wählt, Hilter aus dem Grabe holt, vor allem aber die Demokratie abschafft. Was genau die… Mehr

Last edited 2 Tage her by Fieselschweif
WandererX
2 Tage her

Wir hatten es nach 2005 mit dem Export nach China erstmal bequem – die Industrie zahlte sich gute Gehälter: daß dies nicht ewig funktionieren würde, war klar, interessierte aber die Kurzfrist- Manager und -Politiker die Bohne. Jetzt ist halt diese Champagnerphase vorbei. Versäumt hat man in der Boomphase 2006 bis 2019 den Digitalaufbau der Industrie, also eine breitere Grundlage: man baute lieber „Frauenbenachteiligungen“ mit Milliardensummen ab.Unseren Parteieliten geht es allzu oft vor allem um den Selbsterhalt der jewe. Partei! Und genau dies macht blind: der Fehler liegt im System des Parteienstaates. Das wird aber viel zu selten thematisiert, denn man… Mehr

Hans Schmidt
2 Tage her

Im Bereich Wissenschaft und Technik hat das deutsche Volk so viel geleistet wie kein anderes. Im Bereich Politik ist kein Volk der entwickelten Welt so naiv und dämlich wie das deutsche.

Michael W.
2 Tage her

Die deutsche Wirtschaft befindet sich „im freien Fall“ (Industriepräsident Peter Leibinger)

Der Kasper ist doch mit seinen Industriebossen als erster losgerannt, als die grüne CDU damit anfing. Und als der Habeck kam, rannten die nur noch schneller in Richtung Abgrund.

Manfred_Hbg
2 Tage her
Antworten an  Michael W.

Auch ich bin mich mit Blick auf (auch) unseren „Wirtschafts-Eliten“ immer wieder nur am wundern wenn ich daran denke, wie sie sich dann zum Beispiel auf irgenwelchen politischen Veranstaltungen mit Reden von der grünwokelinken „Polit-Elite“ ihre Hände am blutig klatschen sind anstatt sich die Versager am Rednerpult zur Brust zu nehmen und Klartext zu sprechen. Wobei ich hier nun nicht auch noch auf deren Verhalten bezüglich der Brandmauer und der AfD eingehen will wie dies zuletzt bei jene Frau Ostermann vom Mittelstandsverband zu sehen und hören war. Unsere rückgratlosen und heuchelnden „Wirtschafts-Eliten“ haben eine nicht geringe Mitschuld an den Zuständen… Mehr