Wie der Bundestag Robert Habeck vor dem Staatsanwalt rettet

Vor dem Gesetz sind alle gleich. Aber manche sind gleicher. Wegen einer ziemlich offenkundigen Lüge wurde der Ex-Obergrüne Robert Habeck angezeigt. Doch die „demokratische Mitte“ im Parlament weigert sich, seine Immunität aufzuheben.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Eine gute Geschichte erzählt man selten chronologisch. In diesem Fall schon. Denn der Vorgang, um den es geht, gleicht einer hübschen Moritat in drei Akten und einem Epilog.

Erster Akt

Dresden, mitten im vergangenen Bundestagswahlkampf. Am 30. August 2024 tritt der damalige Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler, Bundestagsabgeordnete und „Kanzlerkandidat“ der Grünen, Robert Habeck, in einem Kino auf.

Dort sagt er, jeder wisse, dass AfD und BSW von Moskau bezahlt würden. Das berichten übereinstimmend mehrere Augen- und Ohrenzeugen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Sächsischen Landtag, Franziska Schubert, stellt einen Videomitschnitt von dem Auftritt ins Netz. Die Tonqualität ist schlecht, die betreffende Passage ist deshalb schwer zu verstehen. Gut zu hören sind aber die Vorwürfe Habecks, AfD und BSW würden sich „für ihre Meinung bezahlen lassen“, „Troll-Armeen aufbauen“ und „im Internet Stimmen kaufen“.

Zweiter Akt

Sahra Wagenknecht, die Vorsitzende vom „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW), erstattet wegen der öffentlichen Behauptungen Strafanzeige gegen Habeck. Zuständig ist die Staatsanwaltschaft Dresden, denn dort sind die Äußerungen ja gemacht worden. Für die Justizbehörde besteht der Anfangsverdacht auf Verleumdung gegen politische Personen nach Paragraf 188, Absatz 2 des Strafgesetzbuches, und sie eröffnet ein Ermittlungsverfahren. Außerdem wollen die Staatsanwälte gegen Habeck auch wegen übler Nachrede gegen Politiker ermitteln (§ 188 Abs. 1 StGB).

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Allerdings ist Habeck Mitglied des Deutschen Bundestages, kurz MdB. Prinzipiell genießen Abgeordnete Immunität: Sie dürfen strafrechtlich nicht verfolgt werden. Das ist in den meisten Parlamenten dieser Welt so, jedenfalls in allen demokratischen Staaten, die den Namen halbwegs verdienen. Der Sinn dahinter: Parlamentarier sollen ihr Mandat frei und ohne Angst vor juristischen Konsequenzen wahrnehmen können. Die Immunität soll sie vor Verfolgung durch den politischen Gegner schützen.

Wenn ein Staatsanwalt gegen einen Abgeordneten ermitteln will, weil der Verdacht auf eine Straftat besteht, muss er deshalb erst beim Bundestag die Aufhebung der Immunität des betreffenden MdB beantragen. Darüber berät dann der Immunitätsausschuss des Bundestages und gibt eine Empfehlung ab. Über die stimmt danach das gesamte Parlament ab. Meist wird dabei den Empfehlungen des Ausschusses gefolgt.

Ermittlungen gegen MdBs passieren öfter, als man vielleicht denkt. Der 19. Deutsche Bundestag hat in seiner Amtsperiode von 2017 bis 2021 allein 25-mal die Immunität eines Abgeordneten aufgehoben. Das Parlament hat in seiner Geschäftsordnung (Anlage 6) sogar eine Generalklausel festgeschrieben: Demnach dürfen Staatsanwaltschaften grundsätzlich gegen MdBs ermitteln, wenn das Bundestagspräsidium mindestens 48 Stunden vorher informiert wird. Das gilt für die meisten Straftatbestände. Ausgenommen sind Klageerhebungen, Strafbefehle oder Verhaftungen. Dafür muss immer im Einzelfall die Immunität eines Abgeordneten vom gesamten Bundestag aufgehoben werden.

Die Verleumdung gegen politische Personen (§ 188 Abs. 2 StGB) fällt unter die oben beschriebene Generalklausel – Ermittlungen wegen übler Nachrede gegen Politiker (§ 188 Abs. 1 StGB) dagegen nicht. Hier ist erst die ausdrückliche Aufhebung der Immunität durch den Bundestag nötig.

Dritter Akt

Am 5. Juni 2025, einem schönen Donnerstag, findet sich nachmittags um 16.00 Uhr der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu seiner dritten Sitzung in der noch jungen Legislaturperiode zusammen. In Saal 4800 des Paul-Löbe-Hauses liegt dem Ausschuss der Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Habeck zwecks Ermittlungen wegen übler Nachrede gegen Politiker nach § 188 Abs. 1 StGB vor.

Der Ausschuss (Drucksache 21/389) gibt dem Bundestagsplenum folgende Beschlussempfehlung:

„Die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen das Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. Robert Habeck gemäß Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 11. März 2025 – II B 1 – 1044/1E(303)-21 8/2025 – wird nicht erteilt.“

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Noch am selben Abend um 19.10 Uhr stimmt das Bundestagsplenum unter dem Tagesordnungspunkt ZP 16 darüber ab. Die Mehrheit – also die selbsternannte „demokratische Mitte“, gegen die Stimmen der AfD – folgt der Beschlussempfehlung. Robert Habecks Immunität wird nicht aufgehoben, gegen ihn darf nicht wegen übler Nachrede gegen Politiker ermittelt werden.

In derselben Sitzung – kurz zuvor, unter den Tagesordnungspunkten ZP 14 und ZP 15 – hat das Plenum übrigens die Immunität der Abgeordneten Gökay Akbulut („Linke“) und Ingo Hahn (AfD) aufgehoben. Akbulut soll in einem Zug der Deutschen Bahn einen Fußballfan vom VfB Stuttgart übel beleidigt, mit einer Flasche beworfen und über den Vorgang danach gelogen haben. Hahn soll ein Video verbreitet haben, in dem die Rede einer Politikerin der „Freien Wähler“ aus dem Zusammenhang gerissen und mit anderen Aufnahmen zusammengeschnitten worden sei.

Gegen Politiker der „Linken“ und der AfD dürfen die Staatsanwälte jetzt also ermitteln, gegen den Grünen Robert Habeck nicht. Aber das ist – selbstverständlich, natürlich, ganz sicher – bestimmt nur Zufall.

Epilog

Wegen möglicher übler Nachrede gegen Politiker nach § 188 Abs. 1 StGB ist Habeck also aus dem Schneider. Wegen möglicher Verleumdung politischer Personen nach § 188 Abs. 2 StGB dürfen die Dresdner Staatsanwälte gegen den ehemaligen grünen Zampano zwar weiter ermitteln, weil für diesen Tatbestand die pauschale Immunitätsaufhebung gilt. Für eine Anklageerhebung oder einen Strafbefehl müsste die Dresdner Justiz allerdings noch einmal die Aufhebung von Habecks Immunität beantragen.

Man kann sich wohl denken, wie die „demokratische Mitte“ im Bundestag dann reagieren würde.

Robert Habeck hat „wissentlich Lügen über einen politischen Konkurrenten verbreitet“, schimpft Sahra Wagenknecht. Auch unvoreingenommene Außenstehende kommen kaum umhin festzustellen: Da ist was dran. Habeck selbst lässt mitteilen, seine Aussagen seien eine „strafrechtlich zulässige kritische Meinungsäußerung“.

So ganz sicher scheint er sich dabei aber selbst nicht zu sein: Schon im September 2023 gab er in einem zivilrechtlichen Verfahren eine Unterlassungserklärung ab und versicherte, die umstrittenen Anschuldigungen gegen das BSW nicht zu wiederholen. Selbst die grüne Partei ließ seinerzeit verlauten, Habeck habe „etwas zu sehr zugespitzt“ formuliert.

Konsequenzen daraus muss er aber nicht mehr befürchten. „Es lässt tief blicken, dass ausgerechnet Robert Habeck sich jetzt hinter der Immunität versteckt“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Stephan Brandner. Denn gerade Habeck lässt seine Kritiker besonders unerbittlich verfolgen: Während seiner Ministerzeit hat der Grüne wohl mehr als 800 Strafanträge wegen Beleidigung gestellt. Im Zweifel rückte da schon mal die Polizei morgens um sechs bei den Betroffenen zur Hausdurchsuchung an.

Normale Bürger genießen eben keine Immunität.

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Kommentare ( 40 )

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MarcusPorciusCato
22 Tage her

Das ist eindeutig Missbrauch der Immunität. Sie sollte Politiker davor schützen, wegen Kleinigkeiten bis zur Handlungsunfähigkeit mit Strafverfahren eingedeckt zu werden.
In diesem Fall handelt es sich jedoch nicht um eine Kleinigkeit! Ein Normalbürger könnte dafürfür zu 5 Jahren Haft verurteilt werden, und es steht der dringende Verdacht des Vorsatzes im Raum.
So verspielt der Bundestag sein Vertrauen und die „unsere Demokratie“ erweist sich als totalitär!

Lucius de Geer
23 Tage her

Will der uns mit seinen schwarzen Hemden irgendetwas sagen?

spindoctor
23 Tage her
Antworten an  Lucius de Geer

Dem historisch halbwegs Bewanderten sagt er damit mehr als genug. Fehlt nur noch seine Clara Petacci zur Vervollkommnung Der Rest findet sich sicher bei Wikipedia.

MarcusPorciusCato
22 Tage her
Antworten an  Lucius de Geer

Natürlich, wo er ideologisch herkommt!

Siggi
24 Tage her

Wer Deutschland einen Rechtsstaat nennt, macht sich lächerlich. Die Stabsstelle der versagenden Regierung, ist wert- und gesetzlos. Es geht nur noch um das Verzögern des sowieso Kommenden. Dass diese Politik scheitert, ist mathematisch belegbar. Und danach wird wieder keiner etwas gewusst haben.

Wer das abgestellt wissen will und wieder in einem Deutschland für Deutsche leben will, ohne Angst und Schecken, kommt um die Wahl der AfD nicht mehr umhin.

Rob Roy
24 Tage her

Er will sich doch aus der Politik zurückziehen und einen Dozentenposten in den USA annehmen. Dafür will er angeblich das Mandat aufgeben.
Wir werden sehen. Denn je nachdem wie groß der Druck auf ihn ist, wird er sein Mandat und seine Immunität behalten wollen.
Es ist sogar vorstellbar, dass er in den USA lebt und trotzdem Abgeordneter bleibt. Die Flüge nach Deutschland darf dann der Steuerzahler bezahlen.
Ein Mandat ist heute kein Auftrag des Wählers mehr, sondern ein Privileg, welches sich Bonzen selbst nach Lust und Laune gewähren.

Simplex
24 Tage her

Zumindest handeln die nach Art. 38 GG gewählten Volksvertreter gegen den Geist der Gesetze. Auch das kann wieder als ein Baustein im Mosaik der selbstverschuldeten „Delegitimation des Staates“ wirken.

Sonny
24 Tage her

Wer hat diesem Verbrecher und seinen Kumpanen im Parlament denn überhaupt die Möglichkeit dazu gegeben, Gesetze und Gerichtsverfahren einfach so mißachten zu dürfen? Wobei die Beleidigungen und Verleumdungen noch die geringsten Vergehen sind, die man ihm -wenn es mit rechten Dingen zuginge- vorwerfen muss.
Jeder, der diese Parteien gewählt hat, hat sich mitschuldig gemacht. Und macht es noch immer.
Gab es eine namentliche Abstimmung bei dem Antrag zur Aufhebung der Immunität? Ich würde gerne die Namen wissen, die gegen die Aufhebung gestimmt haben.

Manfred_Hbg
24 Tage her

Zitat: „selbstverständlich, natürlich, ganz sicher – bestimmt nur Zufall.“ > Öhm, Nö; das ist kein Zufall – das ist Demokratie. Zumindest aus Sicht der „Polit-Elite“ des Altparteienkartells. _ _ _ _ _ _ Zitat 2: „Wegen möglicher Verleumdung politischer Personen nach § 188 Abs. 2 StGB dürfen die Dresdner Staatsanwälte gegen den ehemaligen grünen Zampano zwar weiter ermitteln, weil für diesen Tatbestand die pauschale Immunitätsaufhebung gilt. Für eine Anklageerhebung oder einen Strafbefehl müsste die Dresdner Justiz allerdings noch einmal die Aufhebung von Habecks Immunität beantragen.“ > Obwohl es eigentlich alles andere als zum Lachen ist: Hahaha…. -welch wieder prima Trick… Mehr

Siggi
25 Tage her

Es dängt sich der Gedanke auf, dass man Baerbock, Faser, Habeck und Scholz zunächst in Sicherheit gebracht wurden. Die Haupttäter und Geldverbrenner der letzten Versagerregierung. Was die sich erlauben, in ihrer Selbstherrlichkeit, ist nur abstoßend und ekelhaft.

Martin Mueller
25 Tage her

Geht die Politik auch noch so offensichtlich ins Kriminelle gegen das Wohl und Wehe von Volk, Wirtschaft und Land, es passiert den Protagonisten keine Anklage.

Aber Wehe, es furzt einer zu laut eine unliebsame Meinung, dann kommt der Staatsanwalt und klopft an die Haustüre…

Hat schon eine wahrnehmbare Schieflage Richtung artiger DDR 2.0. Nur das TarnEtikett von „unserer Demonratie“ klebt besser und wird besser vermarktet.

AlexR
25 Tage her

Parke ich falsch oder zahle keine GEZ, dann spüre ich die ganze Härte des Gesetzes. Frau Fäser hat das ja jedem der Messerstecher gesagt. Passiert ist nichts. Sind ja auch unsere „Gäste“.

Und eine Flachpfeife wie Habeck bleibt verschont. Obwohl er Milliarden verschwendet hat. Tröstlich ist dann: das Geld ist nicht weg, es ist jetzt nur woanders!“. Wahrscheinlich hat er den Geldbrunnen in Aachen angeschaut.

Last edited 25 Tage her by AlexR