Olaf Scholz: Der ein bisschen-Frieden-Kanzler

Olaf Scholz möchte mit dem Ukraine-Thema Wahlkampf machen. Doch ihm bleibt nur eine Nische zwischen Union und Grünen auf der einen Seite – und AfD wie Bündnis Sahra Wagenknecht auf der anderen.

picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Frieden war der große Hit der 80er Jahre. Hunderttausende versammelten sich zu Demos in Bonn, bildeten kilometerlange Schlangen, um gegen den Nato-Doppelbeschluss zu protestieren. Der Komponist Ralph Siegel nutzte diesen Trend, um mit „Ein bisschen Frieden“ den ESC zu gewinnen, der damals noch Grand Prix Eurovision de la Chanson hieß. Nur „Frieden“ wäre zu viel gewesen, das hätte das konservative Publikum verschreckt. „Ein bisschen Frieden“ war gerade richtig.

Ralph Siegel war ein stark von sich überzeugter, nicht gerade hünenhafter Mann mit sehr viel Stirn auf dem Kopf. Er hatte mal ein Gespür für den Zeitgeist, wurde dann aber peinlich und ein Dauerwitz. Wie kommen wir nun von Ralph Siegel zu Olaf Scholz? Der Kanzler setzt ebenfalls auf ein bisschen Frieden. Das machte er in der Aussprache zur Vertrauensfrage noch einmal deutlich.

Scholz war einst SPD-Generalsekretär unter Gerhard Schröder. Als solcher hat er miterlebt, wie Schröder den schier aussichtslosen Wahlkampf von 2002 gedreht hat. Sein größter Hit war das klare Nein Deutschlands zu einer Teilnahme am Krieg der USA im Irak. Der Friedenskanzler Schröder gewann die Wahl. Scholz wäre auch gerne ein solcher Friedenskanzler. Linke Unterstützer wie Fraktionschef Rolf Mützenich drängen ihn dazu. Deswegen betonte Scholz in der Debatte zur Vertrauensfrage, dass es mit ihm als Kanzler keine deutschen Soldaten in der Ukraine geben werde und auch keine Lieferung von Taurus-Raketen.

Doch Scholz ist ebenfalls – und muss es als Kanzler auch sein – Atlantiker und Realpolitiker. Er unterstützt daher EU und Nato grundsätzlich in ihrem Engagement für die Ukraine. Deswegen inszenierte er bisher lautstark sein Nein zu Waffenlieferungen – etwa Leopard-Panzer –, um dann doch immer klein beizugeben. Damit ist Scholz höchstens der ein bisschen Friedens-Kanzler.

Scholz besetzt mit seiner Position eine Nische. Er will die kriegsmüden Wähler nicht AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht überlassen, die sich eindeutig gegen das deutsche Engagement für die Ukraine stellen. Gegenüber dem Koalitionspartner Grüne will er aber der ein bisschen Friedens-Kanzler bleiben. Deren Außenministerin spekulierte bereits öffentlich über deutsche Bodentruppen in der Ukraine.

Bliebe noch Friedrich Merz. In der Opposition legte er sich klar fest, als Unterstützer eines stärkeren deutschen Engagements in der Ukraine. Doch seit die Scheinwerfer des Wahlkampfs den Kanzlerkandidaten der Union beleuchten, rudert er auch in dem Punkt zurück. Er wolle schon noch das Taurus-System liefern – wenn es der designierte US-Präsident Donald Trump denn auch tue. Mit anderen Worten: also gar nicht.

Ob sich das alles als Wende von der Zeitenwende lesen lässt, ist offen. Denn letztlich entscheidet sich die Ukraine-Politik nicht in Berlin, sondern vielmehr in Paris, London, vor allem aber in Washington. Ab Januar wird besagter Trump den Deutschen sagen, wohin sie zu marschieren haben und wohin nicht. Merz, Scholz oder Robert Habeck wären genug Atlantiker, vor allem aber genug Realpolitiker, um dem amerikanischen Präsidenten zu folgen. Um sich über ihre Machtlosigkeit hinwegzutrösten, können sie ja zum alten Siegel-Hit greifen: „Wie eine Puppe, die keiner mehr mag. Fühl ich mich an manchem Tag… Ich singe aus Angst vor dem Dunkeln ein Lied. Und hoffe, dass nichts geschieht.“

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Kommentare ( 25 )

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Wolfram
1 Monat her

„Kriegsmüde Wähler “ ist der falsche Ausdruck. Es sollte besser heißen: Wähler mit entschiedener Kriegsgegnerschaft.
Der ÖRR sollte endlich mal Bilder vom Schlachtfeld mit toten und zerfetzten Ukrainern und Russen zeigen.

Freigeistiger
1 Monat her

Gegenüber den Grünen und Schwarzen kann Scholz natürlich mit ein bisschen Realitätssinn, Besonnenheit und Verantwortungsbewußtsein aufwarten. Immerhin lehnt er den Einsatz weitreichender Waffen ab und damit eine direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands. Trump hat den Einsatz solcher Waffen übrigens (zurecht) als Wahnsinn bezeichnet. Vielleicht denken ein Habeck, eine Baerbock, ein Merz etc. einmal darüber nach. Wahrscheinlich bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, wenn auch die deutsche Russland-/Urainepolitik von der neuen Regierung Trump bestimmt wird. Vasallen haben es nicht leicht, wenn sie einen neuen Herrn und ganz andere Anweisungen bekommen. Da rudert man wie Merz doch lieber vorab schon zurück. Als Friedenskanzler taugt… Mehr

Helfen.heilen.80
1 Monat her

Das Szenario einer Konfrontation zwischen Deutschland und Russland im 21. Jhrt. könnte vielleicht einmal in einem möglichst realitätsnahen Szenario durchdekliniert werden. Damit sich wirklich jeder, auch Hr. Kiesewetter, genau vorstellen kann, wie sowas aussehen würde. Es könnte ja meinetwegen sein, dass Putin mehr als die UKR will (glaub ich zwar nicht, aber naja). Zweitens könnte vielleicht ein westliches Bündnis involviert werden. Aber von diesen zwei Punkten einmal völlig abgesehen, könnte man einmal überprüfen, ob denn wirklich grade Deutschland für sowas militärisch, infrastrukturell, ökonomisch, demographisch und (wenn man will) ethisch besonders geeignet wäre, um bei diesen Überlegungen eine herausgehobene Rolle zu… Mehr

Last edited 1 Monat her by Helfen.heilen.80
ketzerlehrling
1 Monat her

Ein bisschen Frieden bis nach der Wahl. Dann käme er möglicherweise mit dem Taurus-Hammer um die Ecke

Cabanero
1 Monat her

Die deutschen Friedenshuber schieben stets beiseite, daß ihre zwischen „Ohne mich“ und Appeasement mäandernde Haltung bisher nirgendwo zu „Frieden“ geführt hat, irgendeinen Anteil daran hatte und moralisch ebenso wertlos wie überheblich ist. Das beste an ihnen ist daher, daß sie ohne Belang sind.   Den Waffenstillstand der 1950er bis 1980er Jahre garantierte keine „Friedenspolitik,“ sondern nur die Atombomben. Und der seit 1914 stets vorhandene, wenn auch nie offen artikulierte Konsens der Weltmächte, wegen Deutschland (oder ähnlicher kleinerer Nationen wie Vietnam oder Afghanistan) keinen Krieg gegeneinander zu führen. Wenn es unvermeidlich schien, teilte man diese Nationen und ließ beide aufeinander los.… Mehr

Grenz Gaenger
1 Monat her

Man schaue sich diesen Mann mit diesem verschla…en Blick an: das offenbart alles an Negativem, was diesen Menschen beherrscht und umtreibt.

hoho
1 Monat her

Wäre Scholz ein Realpolitiker würde er die Grünlinge wegschmeißen, die CDU bzgl Krieg in die Schränke weisen und Ukraine zu Frieden überreden. Schließlich halten sie sich mit den Hilfen aus D. und USA über dem Wasser. Fehlt da unsere Unterstützung, dann sind sie schnell am A. Das kann er sagen und viel politisch gewinnen. Er musste dann aber gegen die feindlichen Kräften in den Medien gerade stehen und wohl einiges aus USA ertragen, womöglich würde er mit Kompromat angegriffen. Das ist das einzige was man vlt erwägen sollte, da in seinem Fall konnte sogar der Knast drohen. Nun das ist… Mehr

joly
1 Monat her
Antworten an  hoho

Jemanden einbuchten, weil er sich nicht erinnern kann oder gerne auch vergisst? Vielleicht in die Geschlossene zum Eigenschutz. Mehr aber nicht.

WGreuer
1 Monat her

Etliche deutsche Politiker wie Kiesewetter haben öffentlich erklärt, worum es der EU und den USA beim Ukraine-Konflikt geht: natürlich nicht um die Menschen, die werden auf dem Schlachtfeld verheizt, nun sollen ja sogar die ganz Jungen ran, die Zukunft des Landes wird damit willentlich und wissentlich zerstört. Nein, es geht um die Bodenschätze im Donbas und anderen Regionen, Lithium (Kiesewetter: „das Lithium brauchen wir für den Erfolg der Energiewende“), Kohle, Stahl und anderes, die man keinesfalls den Russen überlassen könne. Da stellen sich aber die Frage, wo wäre der Unterschied, wenn man diese Ressourcen von Russland kaufen müsste, anstatt von… Mehr

joly
1 Monat her
Antworten an  WGreuer

Wenn man in der oberrheinischen Tiefebene bohrt, sprudelt einem heiße Sohle in den Eimer – massenhaft. In der Sohle ist auch massenhaft Lithium gelöst. Die halbe Pfalz schwimmt auf dieser Sohle. Das darf aber wegen Malu nicht genutzt werden. Könnte es sein, dass dann die pfälzer Kartoffeln nicht mehr ausreichend mehlig sein könnten und der Wein ohne Beigeschmack keine Chance beim Verkauf hätte? Wir könnten Europa mit diesem Lithium komplett über Jahrzehnte versorgen.

Klaus D
1 Monat her

Doch ihm bleibt nur eine Nische….ich meine das das bezogen aufs thema auch die beste wahl ist – aus politisch strategischer sicht in diesen wahlkampf. Denn er vermittelt das er für frieden ist aber wenn dieser nicht möglich ist man auch zu den waffen greifen muss. Und diese antwort lassen AfD und das BSW ja weg sprich WAS ist wenn Putin sich auf keinen frieden einlässt bzw nach einem sieg über die ukraine weiter fordert und oder weiter krieg führt gegen zb Moldau, Polen. Wer sich mit Putin beschäftigt hat weiß das es ihm um viel mehr als nur um… Mehr

Haba Orwell
1 Monat her

> Deswegen inszenierte er bisher lautstark sein Nein zu Waffenlieferungen – etwa Leopard-Panzer –, um dann doch immer klein beizugeben. Damit ist Scholz höchstens der ein bisschen Friedens-Kanzler.

Dafür verspricht Merz offen den Krieg mit Russland binnen 24 Stunden – und 1/3 der Michels sieht die Chance, dass es diesmal mit der Nero-Operation klappt. Wieso können sich all diese Leute nicht individuell dekarbonisieren?