Bedingt begeisterungsfähig: CDU, CSU und SPD scheitern an der gewünschten Angst vorm Krieg

Das Volk zu Opfern auffordern, aber selbst ein Drei-Sterne-Menü speisen. Friedrich Merz und seine Mitspieler scheitern an der Diskrepanz aus den Botschaften, die sie senden wollen und denen, die sie tatsächlich senden. Da hilft es noch nicht einmal, wenn sie die Angst vorm Krieg schüren.

picture alliance / HMB Media | Uwe Koch

Die staatlichen und staatsnahen Medien kannten zwei Erzählstränge, um dem Geschehen rund um die Einheitsfeier in Saarbrücken etwas Berichtbares abzugewinnen. Das Eine war der Wunsch der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) nach einem AfD-Verbot. Das andere der Versuch, den blutleeren Worten, die Kanzler Friedrich Merz (CDU) aneinander reihte, so viel Leben abzuringen, dass es wenigstens für eine dreizeilige Meldung reicht. Vergeblich. Ein regierungstragender Journalist zu sein ist auch nicht immer ein Spaß.

Der Kanzler wolle in Saarbrücken eine „Ruck-Rede“ halten, ließ sein Umfeld besagte regierungstragende Journalisten im Vorfeld wissen. Sie mussten wenigstens so tun, als ob Friedrich Merz dieses Vorhaben gelingen könnte. Es ist nicht immer erstrebenswert, mit ihnen tauschen zu wollen. Echte, weil unabhängige Journalisten sagten bereits vor dem Freitag, dass die Idee einer Ruck-Rede zum Scheitern verurteilt sei – und behielten Recht. Nicht einmal willige Journalisten, die dafür bezahlt werden, konnten sich so recht merken, was Merz auf der zentralen Feier zum Tag der Deutschen Einheit gesagt hat. Außerhalb der Blase, die sich in Saarbrücken hermetisch vor der Außenwelt abschirmte, kamen diese Worte nicht an. Falls doch, verwehten sie schneller als der Geruch von Schwenkbraten.

Nun ist es nachvollziehbar, dass der Kanzler einer niedergehenden Volkswirtschaft die Köpfe und Herzen der arbeitenden Massen erreichen will. Doch die realexistierende Nachrichtenlage sprach gegen den Kanzler: Etwa, weil er sich intern gegen Kritik an seinem Vize Lars Klingbeil (SPD) wehrte – weil der so sensibel sei. Oder die Gehaltserhöhung für die Regierung – um ein Dreifaches der Inflationsrate. Und letztlich das Drei-Gänge-Menü, das sich die Blase in Saarbrücken selbst gönnte. Mit vollen Taschen und Mägen vors Volk treten und das zu Verzicht auffordern. Selbst die Greise des Politbüros bewiesen in den letzten Tagen der DDR mehr politischen Instinkt als Friedrich Merz und seine Mannschaft.

Es ist der Krieg gegen Russland, der Merz Größe verleihen soll. Erscheint der Feind bedrohlich genug, dann wirkt Friedrich Merz plötzlich als die Schutzkraft, die das Volk beschützt. So das Kalkül des Teams um Merz. Doch die Realität spricht wieder gegen den Kanzler. Zum Beispiel die Wehrpflicht. Die sollte der Bundestag eigentlich diese Woche beraten, wird dies aber frühestens nächste Woche tun. Denn die Koalitionspartner sind sich nicht einig.

Es verschlägt Beobachtern schon mitunter den Atem, wie wenig Instinkt Friedrich Merz und die anderen Regierenden dafür zeigen, welche Botschaften sie ungewollt mit ihrem Handeln senden: Da wollen sie einerseits sagen, der Krieg gegen Russland erfordere Opfer. Doch dann sagen sie tatsächlich, dass diese Opfer nur vom Volk kommen sollen. Vorbehaltlos. Ohne Larmoyanz und Wehleidigkeit. Sie selbst sind aber zu keinerlei Zugeständnissen bereit: Die Wehrpflicht ist wichtig, muss aber verschoben werden. Weil die SPD dagegen und Lars Klingbeil sensibel ist, was wiederum die Regierung Merz in Frage stellen würde und er nicht will, dass es Schluss ist mit Drei-Sterne-Menüs, wenn die Berliner Blase mal auf Reisen geht. Blut, Schweiß und Tränen für die anderen – Sekt, Kaviar und Wohlgefallen für sich selbst.

Die Politik, die aus diesem Widerspruch entsteht, ist folgerichtig absurd. So besteht die angedachte Wehrpflicht darin, den jungen Menschen in Deutschland einen Fragebogen zukommen zu lassen. Eine Verordnung regelt dann, wer verpflichtet ist, diesen Bogen beantwortet zurück zu schicken. Das ist eine Regelung, die einem Land würdig ist, dessen regierenden Parteien seit sechs Jahrzehnten versprechen, die Bürokratie abzubauen – um sie mit jedem neuen Gesetz weiter auswuchern zu lassen. Es ist aber keine Regelung, die dazu beiträgt, die Kriegsgefahr so groß wirken zu lassen, dass vor ihrem Hintergrund sogar Friedrich Merz wie ein Staatsmann von Rang aussieht. Die Botschaft, die ankommt, lautet: Mister Putin, wir sind bereit, uns gegen Sie zu verteidigen. Jederzeit. Vorausgesetzt sie füllen einen Antrag aus, auf Erteilung eines Antragformulars zur Bestätigung der Nichtigkeit…

Bei Caren Miosga sagte der Kanzler nun, er vermute, es werde am Ende einen Pflichtdienst für alle jungen Menschen geben. Er vermute. Merz redet über die Politik nicht wie der einzige Mann, der in Deutschland die Richtlinienkompetenz besitzt, sondern wie ein x-beliebiger politischer Berichterstatter. Wobei. Nein. Ein politischer Berichterstatter würde sich entschlossener festlegen als der rücksichtsvolle Partner des sensiblen Lars. Friedrich Merz wäre so gerne der harte Mann, der einfach mal einen raushaut – bleibt aber immer der Politiker ohne Rückgrat, der jedem Druck von links ausweicht wie ein Luftballon im leisesten Windhauch.

Genauso versanden die Botschaften zum Spektakel rund um die Drohnenflüge am Münchener Flughafen. Ausgerechnet jetzt. Ausgerechnet München. Da dort gerade eine internationale Sicherheitskonferenz stattfindet. Da Nato und EU in Drohnenabwehr investieren und 30 Milliarden Euro an Steuergeld dafür ausgeben wollen. Ein schönes Geschäft für alle, die vorab davon wussten und das Geld aus einer Gehaltserhöhung rechtzeitig in die richtigen Aktien investieren konnten.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) setzte sich auf das Thema drauf und profilierte sich in der Parteizeitung Bild damit, dass Drohnen künftig sofort abgeschossen werden sollen. Das sollte Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit suggerieren. Doch auch hier ist die Botschaft, die ankommt, eine andere als die, die eigentlich gesendet werden soll: Selbstdenkende Bürger fragen sich doch vielmehr, wieso das nicht bereits jetzt möglich ist, also Drohnen über Flughäfen unmittelbar abzuschießen? Der Witz an ihnen ist ja, dass sie unbemannt sind.

Es gibt zwei Möglichkeiten, falls tatsächlich Drohnen über dem Münchener Flughafen flogen. Entweder gehören sie Hobbypiloten. Im Online-Handel sind Drohnen – mit Kamera – ab 50 Euro erhältlich. Es würde sich also um ein recht billiges Spielzeug von Menschen mit viel Freizeit und wenig Verantwortungsgefühl handeln. Oder es sind tatsächlich Waffen einer russischen Kriegsführung. In beiden Fällen wäre es nicht einzusehen, warum ein Staat nur eine Sekunde damit zögern sollte, das Zeug vom Himmel zu ballern. Falls es tatsächlich dort oben ist. Was bisher kein einziges Bild belegte.

Der öffentliche Raum und die zentrale Infrastruktur unterliegen schon jetzt einem gesonderten Schutz. Wenn ein Populist wie Söder auffordert, diesen Schutz herzustellen, sendet er eine ungewollte Botschaft aus: Dass die bisherigen Kanzler von CDU und SPD diesen Schutz vernachlässigt haben. Eine Botschaft, die von den regierenden Parteien der letzten Jahrzehnte immer wieder ausging. Durch ihr konkretes Handeln: Vor den vermeintlichen Russen-Drohnen waren es die Saboteure der „letzten Generation“, die Flughäfen lahmlegten – vom Staatsfernsehen liebevoll „Aktivisten“ genannt und gerne als Gäste in ihren Talkshows gesehen.

Auch von der Politik. Etwa vom Vorgänger des sensiblen Lars: Christian Lindner (FDP). Das Finanzministerium ist wie jedes Regierungsgebäude in Berlin massiv geschützt. Ohne Ausweis und penible Kontrolle kommt keiner rein. Außer die „Aktivisten“ der letzten Generation. Die durften unter Lindner im Finanzministerium spielen, damit der abends im Staatsfernsehen sagen konnte: Das sei doch gar nicht notwendig gewesen, er habe ihre Forderungen doch schon längst erfüllt. Lindner meinte, damit die Botschaft zu senden, er verbinde die Inhalte einer Wirtschaftspartei mit den Interessen des Klimaschutzes.

Doch die Botschaft, die bei seinen bürgerlichen Wählern tatsächlich ankam: Der Freidemokrat lässt einen grün-linken Mob toben und die Symbole des Staates buchstäblich besudeln – nur für einen PR-Gag. Vielmehr geht es hier um Lindners ehemaligen bürgerlichen Wähler. Der Tod der FDP hat gezeigt, wie stark und schnell es sich rächen kann, wenn die Schere zu groß wird zwischen den Botschaften, die Politiker senden wollen und denen, die beim Wähler ankommen. Das steht der CDU unter Friedrich Merz noch bevor. Doch die Umfragen sagen, dass er schon auf dem besten Weg ist – und dann passt es, dass es nur eine Botschaft gibt, die aus der Berliner Blase tatsächlich noch nach außen tritt: ihr unbändiger Wunsch, ihre Konkurrenz einfach verbieten zu können.

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Kommentare ( 50 )

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Edwin
1 Monat her

Das gab es mindestens schon einmal. Die Folge war die Französische Revolution. Tja, wer nicht lernen will, muss fühlen!

Haba Orwell
1 Monat her

Putin schlägt wieder zu – Böses Medium meldete vor wenigen Minuten: „Paris: Explosionen vor Residenz des Premierministers gemeldet“. Laut Artikel weiß man nichts Näheres, doch westliche Hysterie-Medien „wissen“ sicherlich längst, dass es Putin war.

PaulKehl
1 Monat her

Anstelle des Drei-Sterne-Diners wäre ein Eintopfsonntag angemessen gewesen.

Unglaeubiger
1 Monat her

Auch wenn diese Politik-Zwerge eine Körpergröße von mehr als 2 Meter hätten, sie sind und sie bleiben charakterlich menschenverachtende, tödlich giftige Zwergkröten, hinterhältig, angriffslustig da mit dem Rücken zur Wand. Wer und/oder was sprengt diese verseuchte Krötenburg?

Micci
1 Monat her

Angst vorm Krieg schüren?
Der Krieg, den die Alliierten 1944-45 gegen Deutschland führten, betrachteten Teile der leidende Bevölkerung völlig zu Recht als kommende Befreiung (es sind Standgerichtliche Erschießungen belegt für Leute, die sich mit entsprechenden Äußerungen erwischen ließen!).

Und nun einmal auf den Punkt: was genau wollen wir hier denn verteidigen? Gender-Lehrstühle? Jurisprudenz nach Gusto? Industrievernichtung? Ausschalten einer 30-%-Opposition? Rentenverschiebung auf 73 Jahre? Rentner, die vom Flaschenpfand leben? Halbjährliche Wartezeiten für Arzttermine? Einstürzende Brücken? Höchste Kriminalitätsrate seit Jahrzehnten?

Vielleicht haben viele ganz einfach nur keine Angst vor einer erneuten Befreiung!

Dellson
1 Monat her

Politik kann doch so einfach sein! Man muss nur erwartungstreu Folgebereitschaft herstellen. Die Hansel und Gretel im Land werden es schon glauben. „Das muss immer wieder gesagt werden. Die tägliche Impfung mit dem ÖRR ist mehr oder weniger nebenwirkungsfrei!“ Oder wieso wählen die Mio. Wähler sonst immer wieder die gleichen Parteien ohne Probleme? Reine Politiker Logik. Natürlich muss man auch das politische Verständnis mitbringen, das Problem mit dem Denken zu übergehen. Der armen Ukraine fehlen Soldaten und wir haben deshalb die verdammte Pflicht mehr in den Fabriken zu arbeiten, um tagsüber die Strassen frei zu halten, damit die Ukrainer hier… Mehr

Nibelung
1 Monat her

Bei NTV, dem Aktions-Sender für linksliberale Werte wurde er heute von einer Journalistin aus Dingsda zu allerhand Themen befragt und da war die alte Leier herauszuhören, daß wir die Freiheit immer noch am Hindukush verteidigen müssen, denn ohne die würden wir in der Unfreiheit enden und vielleicht hat er den erbärmlichen Rückzug aller Recken aus dem Gebirge nicht vernommen, was er nun an der Ukraine-Front erledigen will und damit zum Erfüllungsgehilfen US-imperialistischer Gelüste wird, was wichtiger erscheint, als die Vertretung eigener deutscher Interessen. Dazu benötigt er deutsches Kanonenfutter, obwohl niemand Lust verspürt, für diesen Lotterstaat zu sterben und man kann… Mehr

Lucius de Geer
1 Monat her

Wieder einmal Hut ab vor der Fotoauswahl! Wie Merz zusammengesackt mit lasziv übereinandergeschlagenen Beinen einen angrient – da weiß man: D’land ist fertig, wenn es sich solche Häuptlinge wählt.

Teiresias
1 Monat her

Irgendwie hat mir noch keiner erklären können, warum Russland als Rohstoffreichstes Land der Welt daran interessiert sein sollte, die Schuldenberge des Westens zu erobern.

Ohanse
1 Monat her

Zunächst hieß es ja noch, man verzichte auf den Abschuss, weil man den unkontrollierten Niedergang von Trümmerteilen vermeiden wollte. Dieser Schwindel flog dann recht schnell auf und es stellte sich heraus, daß es weder die rechtlichen Grundlagen noch die Mittel dazu gibt. Es handelt sich also tatsächlich um ein Nicht-Können, nicht um ein Nicht-Wollen. Nichts können die, gar nichts.

hoho
1 Monat her
Antworten an  Ohanse

Na ja man muss aber zugeben, dass sie es auch nicht wollen. Hätte man es gewollt und gekonnt, würde man es womöglich auch tun und dann würden wir uns auch wundern können, wie die Russen an die westliche bzw ukrainische Tech gekommen sind.