Grüne Hybris: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“

Eigentlich müsste die Grüne Partei selbstkritische Debatten führen, um die eigenen Widersprüche nicht nur in der Energie- und Klimapolitik aufzuklären. Ist ohne Atomkraft eine sichere und CO2-arme Energieversorgung vielleicht doch unmöglich?

picture alliance / SvenSimon | Malte Ossowski

Heute reflektiert in der Welt Thomas Schmid, der in früheren Tagen mit Winfried Kretschmann in einem ökolibertären Zirkel agierte, über die grüne Überheblichkeit. Die Ökopartei darf sich schon seit vielen Monaten, begleitet von einer freundlichen journalistischen Hofberichterstattung, im politischen Show Business ihre eigene Welt inszenieren, wie einst Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf im Lied.

Schmid startet seine Analyse mit für die Grünen ernüchternden Sätzen: „Die Grünen wollen die nächste Bundeskanzlerin stellen. Daraus wird voraussichtlich nichts werden. Das liegt auch an der grünen Kanzlerkandidatin. Sie ist mit den Angaben zu ihrer Ausbildung und zu ihren Nebeneinkünften ungeschickt und nicht eben offen umgegangen.“ Obwohl sich die deutsche Parteienlandschaft in einem Umbruch bisher nicht gekannten Ausmaßes befinde, bisher große Parteien klein und kleine groß werden können, haben die Grünen nach Schmids Beobachtungen darauf „mit leichtem Größenwahn“ reagiert. Sein hartes Urteil: „Es war ein schwerer Fehler, das sie (die Grünen) sich für eine Kanzlerkandidatur entschieden. Denn die ist immer noch mindestens eine Nummer zu groß für sie.“

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Drastisch fällt Schmids Urteil über Annalena Baerbocks Bundestagsrede am 7. Mai aus, in der sie die Geschichte der Bundesrepublik bemühte, um für eine kühne Klimapolitik zu werben, dabei aber vor allem zu erkennen gab, dass sie – wie die Grünen vielleicht überhaupt – diese Republik nicht verstanden hat. Unser Wohlstand beruhe darauf, dass die Gesellschaft in Zeiten des Umbruchs durch gemeinsames politisches Handeln einen großen Schritt vorangekommen sei, meinte die Kanzlerkandidatin. Und dann der peinliche O-Ton Baerbock: „1945 nach dem Krieg: gemeinsam gehandelt. In den 60er-Jahren die Sozialdemokraten: soziale Marktwirtschaft auf den Weg gebracht.“

Tatsächlich aber hat bekanntlich die CDU gegen den Widerstand der Sozialdemokraten Ludwig Erhards marktwirtschaftlichen Kurs durchgesetzt. Die SPD machte erst auf ihrem Godesberger Parteitag 1959 ihren Frieden mit der marktwirtschaftlichen Ordnung und baute dann in ihren Regierungszeiten den Sozialstaat, oft mit Unterstützung der Union, immer weiter aus. Manchesterkapitalismus herrschte jedenfalls im schwarz regierten Nachkriegsdeutschland nicht, auch wenn die Grüne Seele anscheinend in der Vorstellungswelt gefangen bleibt, dass die CDU für Reaktion und Neoliberalismus steht und die Welt in Gut und Böse noch immer auf der Links-Rechts-Skala angeordnet wird. Die Haltung hat sich aus der Entstehungsphase der Grünen bis in die Gegenwart herübergerettet, gewinnt sogar durch den antikapitalistischen Öko-Furor der Friday-for-future-Generation eher wieder mehr Resonanzraum in der Partei.

Während CDU wie SPD in ihrem Selbstbild als beste aller nur denkbaren Parteien im Laufe der Jahrzehnte bescheidener geworden sind – ihre dramatischen Wählerverluste haben das ihre dazu beigetragen –, haben sich die Grünen ihre Hybris bis heute bewahrt, konstatiert Schmid. Dass viele Grüne mit einem missionarischen Sendungsbewusstsein auftreten, das sich in einem fast demonstrativ zur Schau gestellten moralischen Überlegenheitsgefühl manifestiert, zeigt sich nicht zuletzt beim Thema „gendergerechte“ Sprache, wo sie sich über die Vox populi erhaben fühlen.

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Wolfgang Kubicki brachte diese grüne Überlegenheitspose mal spöttisch auf den Nenner, die Grüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckhard halte wohl jeden, der eine andere Meinung vertrete, für einen schlechten Menschen. Ähnlich überlegen und irreal agieren die Fridays for Future (FFF)-bewegten jungen Leute, die selbst altgediente Grüne Kämpen wehmütig an ihre radikalen Jugendzeiten erinnern. Auch wenn die Grünen natürlich wissen, dass man den Klimaschutz nicht eins zu eins – der Wissenschaft folgend, wie das FFF-Credo lautet – umsetzen kann, weil Politik die Menschen mitnehmen muss und massive Widerstände in der Demokratie immer Kompromisse erfordern, reden sie den Klimaaktivisten häufig genug nach dem Mund. Dabei sollten sie die Widersprüche benennen, die gerade durch die grüne Energiewende so schonungslos offengelegt werden.

Wer aus Atomkraft und Kohle zur Stromgewinnung aussteigt, zum Ersatz dieser Grundlast-Kraftwerke voll auf volatile regenerative Energien setzt, aber jedes Pumpspeicherwerk, jede Stromtrasse, jedes Windrad vor Ort politisch bekämpft, der besitzt eben nicht den Stein der Weisen, sondern leugnet die Realität. Die Versorgungssicherheit geht verloren, die ohnehin schon höchsten Strompreise der Welt explodieren munter weiter und die ökologische Bilanz sieht zappenduster aus, wenn Deutschland in Dunkelflaute-Zeiten französischen Atom- oder polnischen Kohlestrom importieren muss. Längst müsste die Grüne Partei harte und selbstkritische Debatten führen, um diesen eklatanten Widerspruch in einem Kernbereich ihres ökologischen Anspruchs aufzuklären. Ist ohne Atomkraft eine sichere und CO2-arme Energieversorgung vielleicht doch unmöglich? Sind alle anderen Staaten, die nach wie vor auf die von den Grünen seit Bestehen geächtete Atomenergie setzen, auf dem Holzweg? „Würden die Grünen hier Diskussionsräume eröffnen, würden sie jene undogmatische Diskursfähigkeit beweisen, von der sie glauben, sie mit Löffeln zu sich genommen zu haben“, schließt Thomas Schmid seine harte, aber zutreffende Analyse.

Ich bin mir sicher, dass Schmids Beitrag eine Reihe weiterer kritischer Medienberichte einläutet, gerade weil der ehemalige Welt-Herausgeber nicht im Verdacht steht, ein Grünen-Fresser zu sein. Auch sinkende Umfragewerte werden ihren Teil dazu beitragen, dass die grüne Hofberichterstattung in den kommenden Wochen leiser wird.

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Kommentare ( 36 )

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Volker Meyringer
2 Jahre her

Wir leben inzwischen eindeutig nicht mehr in der Postmoderne, sondern in der postrealen Epoche, in der „Postreale“.

Oliver Koenig
2 Jahre her

„dass die grüne Hofberichterstattung in den kommenden Wochen leiser wird“, sehe ich eher nicht.
Die wird im Gegenteil lauter werden. Die Medien wollen Annalena als Kanzlerin sehen, das verspricht viele Klickzahlen, die Journalisten haben ein Thema, über das sie bis zum Erbrechen schreiben können, die Fernsehsender können unzählige Sendungen mit allem, was Annalena sagt, meint, denkt, tut oder nicht, produzieren.
Kurz, das verspricht eine Riesenshow zu werden.
Das lassen die sich doch nicht von der Realität verderben.

anita b.
2 Jahre her

Ein grosses Problem der Grünen ist doch auch, dass Naturschutz und energiegewinnung sich diamentral gegenüberstehen. Auch aus regenerativen Quellen. Nach ihrem Wollen soll der energiegewinnung ohne hohle- gas- Kernenergie alles untergeordnet werden auch das Leben der Menschen. Warum vor allem due westdeutschen so unkritisch sind und ihnen ,wie dem Rattenfänger von Hameln bedenkenlos nachdenken, kann ich nicht verstehen.

Teufelskralle
2 Jahre her

ANNALENA Die Annalena hat es geschafft, zu werden der Grünen hellster Stern, ist ihre Bildung auch zweifelhaft, bei Grünen ist man eh bildungsfern. – Bleiben die Grünen unter sich, mag es nicht interessieren, doch haben sie zur Zeit den Stich, wollen Deutschland regieren. – Schon jetzt sind ihre Wahnideen von Klima, Gender, was auch immer, bei der Regierung gern gesehen, kann werden nur noch schlimmer. – Gelingt es nicht bald, dem Volk aufzuzeigen der Grünen Dilettantismus, spielen in Deutschland ganz andere Geigen, dirigiert vom Öko-Faschismus.

Hoffnungslos
2 Jahre her

Die Grünen machen sich die Welt, wie es ihnen gefällt? Weltweit machen können sie gar nichts in dieser Welt, außer vielleicht im gefühlten „Riesenreich“ der einfältigen Deutschen. Die Welt lacht über diese Hybris.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
2 Jahre her

„Eigentlich müsste die Grüne Partei selbstkritische Debatten führen, um die eigenen Widersprüche nicht nur in der Energie- und Klimapolitik aufzuklären.“
Dazu fällt mir nur das berühmte Zitat des großen deutschen Philosophen Dieter Bohlen ein:
“Das Problem ist: Mach mal einem Bekloppten klar, dass er bekloppt ist.”

Kaltverformer
2 Jahre her

Wer glaubt, dass die „Grünen“ eine Öko-Partei sind und ihnen die Umwelt am Herzen liegt, der glaubt auch daran, dass der Storch die Kinder bringt.
Die Grünen sind eine linksfaschistische Vereinigung, die unter dem grünen Mäntelchen eine brutale Gesellschaftstransformation durchführen will.
Vor 90 Jahren war es ein Bruderkrieg und heute versuchen sie es wieder.

Physis
2 Jahre her

Oswald Metzger.
Vom Saulus zum Paulus und zurück!
Ich habe heute übrigens davon gehört, dass ein „Irgendwas“, also irgendeine Leitung zwischen den Wasserfällen Nordeuropas und dem Not-Strom-Zwang Deutschlands zu irgendwas führen könnte, aber diese Wunderkerze zuvor Zweimilliarden Euronen gekostet hat!
Gleichzeitig hörte ich die Frau aus der Uckermark und die erzählte von einem PROBLEM seitens der Energieversorgung!
Nun, da fällt mir der § 258 Stgb ein!Warum?

Biskaborn
2 Jahre her

Die Grüne Hofberichterstattung wird in den nächsten Wochen garantiert nicht leiser, ganz im Gegenteil, da muss ich dem Autor den Wind aus den Segeln nehmen. Warum sollen die Grünen sich irgendwelchen Diskussionen öffnen wo doch nicht nur die Medien sondern vor allem die Wirtschaft den Grünen in ihrem Klimaaktionismus, siehe hier beispielhaft VW , fast noch im Eilschritt vorweg läuft? Ähnlich beim Thema Gendern, auch hier ist es die Wirtschaft, Beispiel Audi, die den Grünen tatkräftig zur Seite springt. Nein die Grünen müssen nicht diskutieren, warum auch wenn, ich wiederhole mich, insbesondere die Wirtschaft sich grüner als die Grünen gibt… Mehr

Hoffnungslos
2 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Die sog. „Grünroten“ verhindern doch über die Medien jede kritische Diskussion. Sie glauben tatsächlich, diese Welt, von der sie leider keine Ahnung haben, retten zu können. Darin liegt ihre Hybris.

Heiner Mueller
2 Jahre her

Die Baerbock ist eine Hochstaplerin. Nur dank der linksgrünen Medienmeute wird das nicht so deutlich, wie es schon längst hätte sein müssen.