Merkel torpediert ihren eigenen Parteichef und zeigt der CDU die kalte Schulter

Was Angela Merkel von ihrer eigenen Partei und deren Vorsitzendem hält, machte sie gestern bei Anne Will überdeutlich. Laschet bekam eine Watsche und die CDU nichts als kalte Distanz. Was aus der Union nach ihrer Kanzlerschaft wird, ist ihr offensichtlich völlig gleichgültig.

IMAGO / Eibner
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Bundeskanzlerin Angela Merkel im September 2017

Wer noch glaubt, dass Angela Merkel für Armin Laschet besondere Sympathie hegt und sich den Vorsitzenden ihrer eigenen Partei als nächsten Kanzler wünscht, dürfte seine Meinung nach diesem Interview ändern. An diesem Sonntagabend hat Merkel ihre Geringschätzung für die eigene Partei und deren Spitzenpersonals überdeutlich gemacht. Im Duett mit Anne Will demontierte die Kanzlerin nicht nur den CDU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten des größten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, sondern distanzierte sich letztlich von ihrer eigenen Partei vor den Bundestagswahlen.

Zwei Ministerpräsidenten, die sich oft als besonders treue Merkelianer gezeigt hatten, traf es namentlich. Anne Will lieferte der Kanzlerin die Vorlagen. Erst ist CDU-Ministerpräsident Tobias Hans im Saarland dran, der wie Will anmoderiert, „statt über einen Lockdown nachzudenken, großflächig lockern will“. Dann folgt ein Einspieler, in dem Hans seinen Plan einer Modellregion vorstellt, dem aber Karl Lauterbach dann eine Absage erteilt: „Wir brauchen keine Lockerungen, wir brauchen eine Verschärfung.“ Und als dann Will fragt: „Ist das eines dieser Bundesländer, wo Sie sagen, das ist nicht mehr meine Politik?“, nimmt Merkel ihren Parteifreund nicht in Schutz, sondern sagt, die „Grundlage“ (für Hans‘ Lockerungen) sei nicht gegeben und es sei „nicht der Zeitpunkt, so etwas jetzt ins Auge zu fassen“. Es sei „vielleicht eine sehr gewagte Ankündigung gewesen in eine psychologische Situation hinein, wo ja eigentlich das Gegenteil gemacht werden muss“.

Eine CDU-Kanzlerin stellt sich also auf die Seite eines SPD-Gesundheitsexperten namens Karl Lauterbach gegen einen CDU-Ministerpräsidenten.

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Und dann legt Will den nächsten, sehr viel wichtigeren CDU-Ministerpräsidenten aufs Tablett. Armin Laschet wolle die „Notbremse“ nur in bestimmten Kommunen einsetzen: „Hatten Sie sich die Notbremse so flexibel gedacht, wie sie der CDU-Vorsitzende …“ Da lässt Merkel Will kaum ausreden und sagt scharf: „Nein!“ Es gebe da keinen Ermessensspielraum für Kreise mit einer Inzidenz über 100, das stehe klar in den Beschlüssen ihrer Ministerpräsidentenkonferenz.

„Also verstößt Armin Laschet gegen den Beschluss, den er mit Ihnen gefasst hat?“ – „Es gibt mehrere Bundesländer, die eine sehr weite Interpretation haben, und das erfüllt mich nicht mit Freude.“ Und nochmal: „Das Land hat eine Umsetzung gewählt, die zu viel Ermessensspielraum mit sich bringt.“

Nach den beiden derart abgewatschten Ministerpräsidenten zeigt Merkel später dann auch der gesamten Partei die kalte Schulter, als es um die Bundestagswahlen geht: „Die CDU hat ja keinen Rechtsanspruch auf das Kanzleramt“, sagt sie. Natürlich ist das nicht falsch. Es ist eine der typisch merkelsch-banalen Feststellungen von Selbstverständlichkeiten. Aber warum sagt sie diesen Satz jetzt? Letztlich vermittelt dieser Satz die Botschaft: Nach meinem Abtritt als Kanzlerin ist es mir ziemlich egal, ob die CDU noch den Kanzler stellt. Und wie um das zu unterstreichen, sagt sie dann noch so einen scheinbar banalen Satz: „Dass andere auch regieren wollen, ist doch klar, und das ist Teil dieses demokratischen Wettbewerbs.“ Man braucht nicht viel Fantasie, um hier zwischen den gesprochenen Worten die Botschaft zu vernehmen: Dann sind nach mir eben mal die anderen dran.

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Das auszuformulieren verkniff sich Merkel zwar, doch was sie dann über die eigene Partei in diesem Wettbewerb sagte, ist jedenfalls kalt wie eine Hundeschnauze: „Aber ich glaube, dass die Union das Potential hat, gute Antworten zu geben auf die Fragen, die sich stellen.“ Wohlgemerkt, sie sagt noch nicht einmal, dass die Union die besten Antworten gibt. Sie habe nur das „Potential“ dazu. Und mit keinem Wort erwähnt sie dabei den Vorsitzenden dieser ihrer eigenen Partei oder auch einen anderen Namen eines führenden CDU-Politikers. Die Frau, die fast 19 Jahre Vorsitzende dieser Partei war, bringt keinen Satz über die Lippen, der glauben ließe, dass dieses Land bei der CDU und jenen, die ihr jahrelang treu ergeben waren, in den besten Händen ist.

Offener als an diesem Sonntagabend bei Anne Will hat Merkel die rein machtinstrumentelle Funktion, die die CDU für sie hatte und hat, noch nie deutlich gemacht. Nach mir die Sintflut, scheint die eigentliche parteipolitische Devise der Kanzlerin zu sein. Was muss eigentlich noch geschehen, fragt man sich, bis die noch knapp 400.000 Parteimitglieder inklusive ihres Vorsitzenden sich darüber klar werden, welchen Platz sie im Herzen der Kanzlerin haben.

Die ersten Reaktionen von Laschet im CDU-Präsidium am Morgen nach dem Interview könnten darauf hinweisen, dass der CDU-Chef und Ministerpräsident des größten Bundeslandes sich nicht mehr ganz so unterwürfig zu benehmen gewillt ist, wie Merkel es von CDU-Politikern gewohnt ist.


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Kommentare ( 228 )

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Brotfresser
3 Jahre her

Herr Knauss, Sie bringen es schön auf den Punkt:
„Die Frau, die fast 19 Jahre Vorsitzende dieser Partei war, bringt keinen Satz über die Lippen, der glauben ließe, dass dieses Land bei der CDU und jenen, die ihr jahrelang treu ergeben waren, in den besten Händen ist.“
Unter dieser Prämisse gebe ich ihr sogar Recht!
Es hat aber irgendwie so ein bisschen was von Groucho Marx: „Ich würde niemals einem Verein beitreten, der mich als Mitglied akzeptiert!“

bfwied
3 Jahre her

„Platz im Herzen“! Nein, in einer Partei braucht man keinen Platz im Herzen, man ist ein Interessenverband, und der wird mit Hirn gelenkt. Emotionalität hat bei der Führung eines Staates bzw. eines Volkes nichts zu suchen, dementsprechend haben sich alle früheren Kanzler verhalten, bis auf Kohl, der begann mit dem Gefühl zu laborieren.

moorwald
3 Jahre her

Merkels größter „Fehler“ war vielleicht, daß sie nicht polarisiert, sondern gelähmt (entpolitisiert) hat. Ein Merkmal ist nicht zuletzt die ungeheure Langeweile, die sie verströmt. Die Deutschen brauchten wohl so jemanden. Denn Politik als Auseinanderetzung und immerwährender Machtkampf ist ihnen im Grunde zuwider. Aber dem Politischen entkommt man nicht. Mit „Corona“ hat es sich höchst schmerzhaft zurückgemeldet. Außerdem bewahrheitet sich wieder einmal, daß die Summe der Macht in einer Gesellschaft konstant ist. MIt dem Wohlstand verhält es sich, entgegen der Ansicht der frühen Sozialisten, die noch auf Umverteilung setzten, anders. Das merken wir gerade jetzt, wo die Produktivkräfte so weitgehend gelähmt… Mehr

Riffelblech
3 Jahre her

Es ist eigentlich unbegreiflich das sich in einer Partei mit 440 T Mitgliedern niemand auf die Idee kommen sollte ,diese Kanzlerschaft zu durchschauen . Es sind aber wahrscheinlich die Führungskräfte dieser Partei ,welche erbärmlich versagt haben und weiterhin Versagen . Nach diesem Kotau der Frau Will und dem ausgesprochen rigorosen Machtanspruch der Frau Merkel auf dieses Land mit seinen Menschen hätte es sofortige Rücktrittsforderungen aus der CDU geben müssen . Es scheint immer wieder klar zu werden ,einer der wenigen ,welche Merkel durchschaut hatten ist der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Maßen . So wird sich die CDU abwickeln lassen und Merkel wird… Mehr

Stefan Z
3 Jahre her

Im Prinzip kann man Frau Merkel nicht einmal einen Vorwurf machen. Sie war Mitglied der Ost-CDU und damit schon immer Sozialistin. Das sie ihre Überzeugung umsetzt, hat sie allen anderen in der West-CDU voraus. Bei diesen geht es nur noch um die Pöstchen und den Machterhalt. Alles was in der CDU mal konservativ war, hat sie sozusagen „ausgemerzt“. Alles was nun passiert, ist also nur folgerichtig und dürfte jeden der nicht die Augen vor der Realität verschließt nicht überraschen. Eine Partei und das Volk, die sich die „Klassenfeindin“ an die Spitze wählt, hat es nicht anders verdient.

schwarzseher
3 Jahre her

Früher mußten so richtig fiese Intrigen Stadl wie Dallas und Denver für das Fernsehen aufwendig produziert werden. Heute liefert die CDU/CSU dies gratis.

moorwald
3 Jahre her

Merkel ist ein Ergebnis („Nebenprodukt“ oder „Beifang“) der Wiedervereinigung.
Nur in einem Augenblick der historischen Windstille konnte so jemand mit solchem Background an die Spitze des westdeutschen Staaates gelangen.
Der große Irrtum der führenden Poltiker war es, zu glauben, es werde einfach eine etwas größere Bundesrepublik entstehen. Daß mit dem Anschluß der DDR selbstverständlich die ganze Ideologie samt ihren Protagonisten mitübernommen wurde und nicht über Nacht verschwand, entzog sich dem Vorstellungsvermögen der meisten. Sie glaubten an eine wundersame „Transformation“ …höchst unpolitisch.

rehtnueg reiemekcuerk
3 Jahre her

Ist irgendetwas an Merkels Verhalten als neu einzuordnen?
Sie hat sich doch keinerlei „Ermessensspielraum“ in ihrem theologisch-staatssozial indoktrinierten Verhaltensspektrum aneignen können – eigentlich ist sie doch nur eine „empathie-, freud- und kinderlose, arme Frau“, vor dem Trümmerhaufen ihrer vergeblichen Lebens- und Daseinsbemühungen.

cd
3 Jahre her

Hier zeigt sich erneut, dass es bei allen Entscheidungen nur und nur um Merkel selber geht – ha, doch nicht um Deutschland oder die CDU!
Sie hat keinerlei Interesse, dass ein konservativerer Politiker nach ihr allen vor Augen führt, wie man D besser regieren kann. Wenn es dann mit den Grünen mit D auf Wunsch des Wählers weiter abwärts geht, so sollen sich alle an die „schönen“ Zeiten mit Merkel erinnern.

Wenzel Dashington
3 Jahre her

Merkel war nie Mitte, geschweige denn konservativ zu verorten. Das verbietet ihre Sozialisierung. Nach der Wende, die Wahl zwischen SPD und CDU, entscheidet sie sich für die CDU. Von da an gestaltet sie die CDU zu dem was sie heute ist, eine entkernte, richtungslose Vereinigung. Wer so eine Frau zur Parteivorsitzenden und Kanzlerin macht, braucht sich über gar nichts zu wundern. Die daraus resultierende Geburt der AfD kommt ihr sogar zugute, hat sie doch so einen vorzeigbaren Grund für ihre Linkstrift. Merkel ist keine Kanzlerin die im Sinne des deutschen Volkes handelt, nein sie ist das größte U-Boot was das… Mehr