Bettina Röhl direkt: Das ungeliebte Gutachten aus dem Bundesfinanzministerium

Ein Gutachten aus dem Hause des Finanzministeriums schlägt vor das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem erheblich zu verkleinern, durch Steuern gerechter finanzieren zu lassen oder die Inhalte über ein modernes Bezahlsystem zur Verfügung zu stellen. Nur einer schweigt lautstark und ziemlich ablehnend: Wolfgang Schäuble.
Blitz Donner! Das öffentlich-rechtliche deutsche Rundfunksystem (ARD, ZDF, Deutschlandfunk) gehört abgeschafft oder zumindest auf ein Minimum eingedampft? So lautet im Prinzip der Vorschlag der Weisen, sprich des „Wissenschaftlichen Beirats“ der Schäubleschen Mammutbehörde (Bundesfinanzministerium) in Berlin, in ihrer kurz vor Weihnachten vorgelegten Bestandsaufnahme zur Fehlkonstruktion der öffentlich-rechtlichen Medien mit dem Titel „Gutachten „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung“.

Dieses ewige, vielen sicherlich unbekannte Gremium des vor sechzig Jahren ins Leben gerufenen „wissenschaftlichen Beirats“ im Bundesfinanzministerium (neue Mitglieder werden aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses des Gremiums vom Bundesfinanzminister ernannt) ist unabhängig, seine Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. In den Beirat werden „grundsätzlich nur Wissenschaftler, „Hochschullehrer der Wirtschafts- oder Rechtswissenschaft mit besonderen Fachkenntnissen auf dem Gebiet der Finanztheorie und Finanzpolitik“, berufen, wie es in der Satzung heißt.

Geballte Sachkompetenz also, gepaart mit unabhängiger Kreativität im eigenen Haus – so etwas ist immer ein willkommener Impulsgeber für jeden Entscheider, sei es in Politik oder auch in großen Wirtschaftsunternehmen. Entsprechend ist traditionell auch die Wertschätzung, die der jeweils amtierende Finanzminister mitsamt seiner Behördenentourage den hauseigenen Mit-und Vordenkern entgegenbringt. Zum Beispiel 2012. Damals hatte der nämliche Beirat seine Studie „zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU“ zur vollsten Zufriedenheit der Schäuble-Administration vorgelegt. Das Finanzministerium tirilierte über die nützliche Assistenz von Seiten seines Beirates in der damaligen politischen Auseinandersetzung um Euro-Krise, EU-Finanzen und Wirtschafts-und Bankenkrise. Dies scheint der Normalfall zu sein, dass nämlich das Ministerium, das die Gutachten des Beirates schließlich auch veröffentlicht, diesem Gremium und dessen Vorschlägen größte Wertschätzung zuteilwerden lässt.

Diametral anders jetzt, wo es um ein Gutachten zum Komplex der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland geht. Im Bundesfinanzministerium windet man sich. Das Bundesfinanzministerium sei für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gar nicht zuständig, der Beirat des Ministeriums sei vollkommen unabhängig von dem Ministerium. Und: als Hammer-News, um die es sich handelt, wird das Gutachten auf der eigenen Seite des Ministeriums nicht präsentiert. Stattdessen teilt ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums auf Anfrage der Autorin mit: „Das Bundesfinanzministerium hat das Gutachten zur Kenntnis genommen, kommentiert es aber nicht.“

Das alte GEZ-Dilemma und der neue Beitragsservice

Was ist da los? Erst Ende 2012/Anfang 2013 hatte eine Allparteienkoalition unter Einschluss eigentlich aller großen Medien und vor allem der öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch unter Einschluss aller gesellschaftlich relevanten Kräfte, wie es im Kontext so schön heißt, die öffentlich-rechtliche Medienkuh relativ brutal vom Eis geholt. Anfang 2013 endete das alte GEZ-Dilemma und wurde durch den neuen „Beitragsservice“ ersetzt, der seither pro Haushalt, eine in diesem Zusammenhang fürwahr absurde Kategorie, 17,95 Euro Zwangsgebühr oder besser Mediensteuer erhebt. Diese Steuer (wobei die Sender energisch behaupten, es sei nur ein „Beitrag“) lassen die sonst um jeden „kleinen Mann“ so bemühten öffentlich-rechtlichen Sender sinnigerweise durch die Finanzämter vollstrecken.

So hat es der Gesetzgeber geregelt. Nach anfänglichem Unmut gegen die neue Servicegebühr Anfang des Jahres 2013 wurde es bald ruhig um die Sender. Der aufgekeimte Protest gegen den anschluss-und gebührenpflichtigen Benutzungszwang legte sich schnell angesichts der manifest gewordenen Aussichtlosigkeit die Monopolmacht der öffentlich-rechtlichen Sender in ihre Schranken zu weisen und auch angesichts des allgemein vermuteten Wohlwollens des Bundesverfassungsgericht zu Gunsten des uneingeschränkten Fortbestandes der öffentlich-rechtlichen Medien, wie sie nun einmal sind.

In Hinblick auf diese über 65 Jahre betonfesten Tatsachen, ist der Inhalt des jetzt vorgelegten Gutachtens von völlig überraschender überragender Bedeutung. Die Gutachter, die auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum substanzlosen Schwabbelbegriff der sogenannten „Grundversorgung“ der Bevölkerung mit Radio und Fernsehen durch die öffentlich-rechtlichen Sender kritisieren, haben ein Riesenfass aufgemacht und dies mit weitreichender gesellschaftlicher Bedeutung.

Und dies scheint dem Bundesfinanzminister zu missfallen. Wie sonst ist sein Beschweigen eines so gewichtigen Themas, wo es außerdem auch um viele Milliarden Euro geht, zu verstehen?

Riesenfass mit weitreichender Bedeutung aufgemacht

Konkret schlagen die Gutachter aus dem Beirat des Finanzministeriums dem Gesetzgeber mit zwingenden Argumenten vor den Status quo aufzubrechen. Wenn überhaupt sollte es öffentlich-rechtliche Medien, gleichsam ausnahmsweise, nur noch dort geben, wo es um Inhalte geht, die von privaten, im Wettbewerb stehenden Sendern trotz staatlichen Reglements und entsprechender Lizenzbedingungen nicht abgebildet würden, wobei anzumerken ist, dass es einen solchen Restbedarf für öffentlich-rechtliche Sender de facto nicht geben kann.

Fakt ist: Die öffentlich-rechtlichen Medien haben seit Bestehen der privaten Konkurrenz kaum eine einzige Sendung geliefert, die die Privaten nicht genauso gut und auch genauso qualifiziert hätten geliefert haben können, wenn die erdrückende Monopolmacht der privilegierten öffentlich-rechtlichen Medien schlechterdings nicht existiert hätte.

Allerdings: Der Qualitätsmythos der Öffentlich-Rechtlichen sitzt tief.

Die Gutachter haben sich mit diesem zusätzlichen Argument gegen die öffentlich-rechtlichen Medien gar nicht erst auseinander gesetzt. Es sei denn man liest es als Qualitätsschelte, dass die Gutachter beispielsweise darauf hinweisen, dass viele moderne Qualitätsserien in den letzten Jahren aus dem Ausland von den Privaten auf die Beine gestellt wurden, wo es den Systemfehler eines verselbstständigten, unkontrollierten, intransparenten öffentlich-rechtlichen Konkurrenzfunk nicht vergleichbar gibt.

Alle, die sich im Status quo der öffentlich-rechtlichen Medien perfekt eingerichtet haben und davon profitieren, klammern am Althergebrachten und verkaufen jede Veränderung hysterisch als Qualitätseinbuße der medialen Versorgung der Gesellschaft. Und der Verteidigungskampf zu Gunsten der öffentlich-rechtlichen Medien wird von diesen selbst, aber auch von den Nutznießern der Konstruktion ziemlich verbissen und auch ziemlich brutal geführt. Selbst die private Konkurrenz kuscht. Gerade mal eben die Printmedien haben mühselig und sehr kleinlaut den Siegeszug der Öffentlich-rechtlichen auch noch ins Internet hinein ein wenig gedämpft.

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