Berlin kauft Raketen-Abwehrsystem in Israel

Netanyahu: „Israel verkauft sein anspruchsvolles Arrow-3 Raketen-Abwehrsystem an ein Land, in dem vor 75 Jahren Juden auf deutschem Nazi-Boden verbrannt wurden. 75 Jahre später gibt der Judenstaat einem ganz anderen Deutschland das Werkzeug sich selbst zu verteidigen. Israel kann stolz sein! Was für ein Wendepunkt!“

IMAGO / Mike Schmidt
Warten auf Pressekonferenz mit Benjamin Netanyahu und Olaf Scholz, Berlin, 16.03.2023

Was verbindet Olaf Scholz und Franz Josef Strauß? Ein ausgiebiger Waffenhandel mit Israel. Der kleine Unterschied: Strauß wusste, ahnte, spürte es schon vor 65 Jahren, Scholz und seine Ampel mussten zuerst die Putin-Erfahrung 2022/23 machen, bevor sie jetzt unausgesprochen eingestehen, dass die oft zitierte Redewendung der Oster-Marschierer „mehr Frieden durch weniger Waffen“ grundfalsch war und ist. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie kapierten: Eine Zusammenarbeit mit Israel ist ein Vorteil für alle Seiten. Neudeutsch: eine Win-win-Situation.

Inzwischen steht es in vielen Memoiren von und über Shimon Peres und Asher Ben-Nathan sowie in der Master-Arbeit zumindest eines Studenten der Ludwig-Maximilian-Universität zu München: Die deutsch-israelischen Beziehungen begannen Mitte der 50er Jahre in Rott am Inn, am Fuße der bayerischen Alpen, wo Marianne Strauß, die Frau des Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß zu Hause war. Damals machte sich Shimon Peres, in jenen Jahren rechte Hand von Staatsgründer David Ben Gurion, von Tel Aviv aus auf den Weg nach Deutschland – eine Dekade nach Ende des Holocaust. Seine Gefühle, so ist es überliefert, musste er unterdrücken, denn Israel benötigte dringend Waffen. Der Sinai-Feldzug 1956 war noch erfolgreich, hatte aber große Lücken offenbart. Frankreich und Großbritannien waren auf der arabischen Seite. Das Öl diktierte ihr Handeln. Die USA öffneten ihre Waffenlager für Israel erst Anfang der 60er Jahre unter John F. Kennedy.

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Wogegen Israel kämpft
Niemand konnte ahnen, dass der junge Shimon Peres, später Außenminister, Ministerpräsident und Staatspräsident Israels wird. In seiner Begleitung auf dem Weg nach Rott am Inn war der damalige Generaldirektor im israelischen Verteidigungs-Ministerium, Asher Ben-Nathan, der erst 1965 Israels erster Botschafter in Bonn wurde. Der eigentliche Grund für Ben-Nathans Mitreise: Er wurde als Artur Piernikarz in Wien geboren, war muttersprachlich deutsch und hatte als einziger prominenter Israeli damals ein Gespür für die ehemalige Habsburger k.u.k.-Region.

2016 lieferte der Südtiroler Geschichtsstudent Hannes Pichler nach 18-monatigen Recherchen in Israels Militär-Archiven unter dem Titel „Freundschaft der mutigen Tat – Franz Josef Strauß und der Sechs-Tage-Krieg 1967“ eine Master-Arbeit ab, in der detailliert die damaligen Waffenlieferungen aufgeführt sind: 24 Sikorsky-Hubschrauber, 34 Militärflugzeuge, 1.600 Cobra-Panzerabwehrraketen, 500 Nato-Lastwagen der Marke Ford mit 472 Anhängern sowie insgesamt 300.000 Schuss Munition. Zusätzlich wurden zwei Flak-Bataillone vollständig mit Radar ausgerüstet und 40 US-Kampfpanzer geliefert, die von der Bundeswehr umgerüstet worden waren. Damaliger Wert: fast 200 Millionen D-Mark. Es wurde nie eine Rechnung gestellt. Außer FJS’ engster Umgebung und Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte niemand eine Ahnung von den Transporten. Schon gar nicht der damalige Bundestag. Strauß wusste: Das wäre auf dem Amtsweg niemals und schon gar nicht zügig durchsetzbar gewesen.

2020 lernte der Autor dieser Zeilen Eliezer Cohen kennen, der in Israel unter dem Spitznamen „Cheetah“ bekannt ist wie ein bunter Hund. Eliezer, inzwischen 88 Jahre alt, war Kampfpilot der Israel Air Force und hat die Schiffsladung mit den 24 Sikorsky-Hubschraubern in Haifa in Empfang genommen. In einer Nacht- und Nebel-Aktion, denn auch in Israel unterlag die Lieferung doppelter Geheimhaltung. Der arabische Feind durfte davon nichts erfahren und Israel musste FJS decken. Wäre es bekannt geworden: Die Karriere des Bundesverteidigungsministers wäre längst vor der „Spiegel-Affäre“ 1962 beendet gewesen. Konrad Adenauer hätte seine Hände in Unschuld gewaschen und den tatkräftigen Bayern mit Krokodilstränen politisch geopfert.

Aber es sollte anders kommen. Israel gewann die Kriege 1967 und 1973 – auch wegen der Waffenlieferungen durch FJS, wie Eliezer Cohen bestätigt. Denn gleichzeitig wurde auch eine Generation junger israelischer Soldaten in deutschen Bundeswehr-Kasernen Ende der 50er Jahre ausgebildet. Alles unter strengstem Ausschluss der Öffentlichkeit.

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Israel verteidigt sich seither rund um die Uhr erfolgreich gegen den arabisch-palästinensischen Terror, gehört heute mit einer jährlichen Pro-Kopf-Kaufkraft von über 50.000 US-Dollar zu den reichsten Länder der Welt, ist seit 2010 Mitglied der wirtschaftlich erfolgreichsten demokratischen OECD-Gruppe und trägt nicht unverdient den Beinamen: Start-up-Nation.

Als die Israel Defence Forces (IDF) Anfang dieses Jahrhunderts damit begann, das Raketen-Abwehrsystem „Iron Dome“ zu planen, lachte die halbe Welt. Wie soll das denn gehen, Raketen zentimetergenau in Bruchteilen von Sekunden vom Himmel zu schießen? In dem kleinen, jungen Staat am Ostrand des Mittelmeeres. Heute lacht niemand mehr. Israel hat mehrfach bewiesen – zuletzt im Mai dieses Jahres –, dass es weit über 90 Prozent aller Raketen der Terror-Organisationen in Gaza unschädlich machen kann. Das System ist dabei so ausgeklügelt, dass nur Raketen abgefangen werden, die auf bewohntes Gebiet zufliegen. Das hat auch einen finanziellen Grund: Jede Abfang-Rakete kostet mindestens 50.000 US-Dollar. Die Hardware kommt aus den USA, die Software ist „made in Israel“. Gäbe es diese Technologie nicht, hätte Israel längst in Gaza einmarschieren müssen. Der Preis: Hunderte von Toten. Vom Aufschrei in der westlichen Welt ganz zu schweigen.

Es ist der technologische Fortschritt Israels, die Leistungen seiner Universitäten in enger Zusammenarbeit mit den IDF, die Forschung, die Hand-in-Hand mit der Praxis agiert, die Israel zu einer Top-Adresse für den Erwerb von Verteidigungswaffen gemacht hat. Die Putin-Gefahr hat die Zwei-Staaten-Lösung zumindest bei dem aktuellen Waffen-Deal so gut wie weggeblasen. Weder Scholz noch EU-Präsidentin von der Leyen reden davon. Es geht schließlich um nicht weniger als die Sicherheit Deutschlands und Europas, die von einem unberechenbaren Putin bedroht ist. Das ist kein Umfeld, politische Bedingungen zu stellen.

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Die ersten 560 Millionen Euro als Anzahlung für den Vier-Milliarden-Deal zwischen Berlin und Jerusalem sind vom Bundestag freigegeben. Die USA haben dem Export schneller als erwartet zugestimmt. Es ist immerhin der größte Einzelauftrag des erfolgreichen Waffenlieferanten Israel, der in Israel und in den USA Arbeitsplätze schafft und auf Jahre garantiert. Arrow 3 ist dabei nur der Anfang. In Israels Waffen-Labors wird schon an der nächsten Generation unbemannter Drohnen gebastelt, die teure Kampfflugzeuge ersetzen und Piloten aus sicherer Entfernung ihr militärisches Handwerk ausüben lässt.

Es ist der unbändige Überlebenswille gepaart mit Mut und Intelligenz, der in Israel scheinbar Unmögliches immer wieder möglich macht. Die unübersehbaren Fakten im aktuellen politischen Umfeld haben nicht nur Olaf Scholz und Frau von der Leyen zum Umschwenken in ihrer Einstellung zu Israel gebracht.

Israels Ministerpräsident Netanyahu steht wegen seines Korruptions-Prozesses und einer leidigen Justizreform im Feuer weltweiter Kritik. Aber zur Unterzeichnung des Arrow-3-Vertrages hat er die richtigen Worte gefunden: „Heute ist ein historischer Tag. Israel hat den größten Sicherheits-Deal seiner Geschichte unterzeichnet. Es ist nicht nur ein Sicherheits-Deal. Israel verkauft sein anspruchsvolles Arrow-3 Raketen-Abwehrsystem an ein Land, in dem vor 75 Jahren Juden auf deutschem Nazi-Boden verbrannt wurden. 75 Jahre später gibt der Judenstaat einem ganz anderen Deutschland das Werkzeug sich selbst zu verteidigen. Israel kann stolz sein! Was für ein Wendepunkt!“ Ein Wendepunkt, der in Rott am Inn vor 65 Jahren seinen Anfang nahm.

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Kommentare ( 25 )

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Exilant99
1 Jahr her

Der einzige Grund wieso Israel nicht gut zu sprechen ist auf Deutschland sind die links-grünen Politiker die immer wieder Israel beschimpfen und verunglimpfen.

Zum alten Fritz
1 Jahr her

Die Dinger werden gekauft um amerikanische Stützpunkte (Atomraketen) zu beschützen. Nix Bimbamborium um Deutsche.
Allerdings nützt nix wenn in Kaliningrad MIG31 aufsteigen und Kinschal abfeuern. Ich glaub in 6min ist alles vorbei.

Die schlaue Loni
1 Jahr her

Israel kann stolz auf sein Verhältnis zu Deutschland sein. Richtig. Und umgekehrt? *Wenn Deutschland aufhört in der UNO jede noch so dümmliche Resolution gegen Israel zu unterstützen *Wenn D. aufhört, antijüdische Schulbücher im Gaza-Streifen zu finanzieren *Wenn jüdische Kindergärten in D. nicht mehr beschützt werden müssen wie Hochsicherheitstrakte *Wenn D. aufhört, Witwen von Hamas-Terroristen in Berlin zu finanzieren *Wenn D. aufhört, wegzusehen, wenn gewaltbereite Palästinenser in Berlin „Tod dem Judenstaat“ brüllen *Wenn D. Jerusalem als rechtmäßige Hauptstadt Israels anerkennt *Wenn ein Artikel, wie dieser hier, thematisch in den Öffentlich-Rechtlichen Medien behandelt wird – dann, ja dann kann Deutschland stolz auf… Mehr

jsobieray
1 Jahr her

Die UZI war zu meiner Zeit bei der BW (72-74) eine der guten Waffen. Ohne Rückstoß, wie MG 3, saß immer im Ziel. 9 mm war auch sehr gut. Hatte bei 5 Schuß 5 Kopftreffer. Waffe wanderte nicht aus. Reichweite nicht besonders hoch, war aber zuverlässig. Keine Ladehemmung erlebt. Ich begrüße Arrow 3. Wenn das System genau so treffsicher ist, eine Verstärkung für unsere BW.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Manchmal braucht es einen kräftigen Tritt, um die Dinge in die richtige Richtung zu lenken… 😉
Einen ganz herzlichen Gruß nach Tel Aviv und Berlin!
Jetzt machen wir es richtig. Es ist Zeit, alte Narben abzuschleifen, frische Wunden zu heilen und zukünftige Wunden zu verhindern. Gemeinsam.
Dafür braucht es den direkten Draht. Aber den haben wir ja jetzt.

murphy
1 Jahr her

Früher gab es Kriegsministerien,
heute lautet der Name der Massenmord-Behörde „Verteidigungs-Ministerium“.
Gegen echte Verteidigungswerkzeuge sollte niemand etwas haben,
in keinem Land.

Nibelung
1 Jahr her

Was soll man dazu noch sagen, wobei der Untergang mit oder ohne deren Abwehrsystem bevor steht, als sichtbarer Ausdruck eigenen Versagens, was man anderen noch nicht einmal anlasten kann, wenn die Politik zu dämlich oder nicht willens ist, sich permanent selbst zu kasteien.

horrex
1 Jahr her
Antworten an  Nibelung

Sich kasteien???
Sie meinen wohl „sich selbst ad absurdum zu führen“.
Durch das was es tut oder lässt.

Lucius de Geer
1 Jahr her

Kann man Israel das Geld nicht einfach so überweisen, also ohne die Abwehrsysteme zu bekommen, die bei der Beamtentruppe BW ohnehin nach ein paar Jahren defekt herumstehen werden? Jeder, der D’land einkassieren wollte (ich weiß: ein sehr theoretisches Szenario), braucht doch nur mit leichtem Gepäck einzureisen und sich nach Ankunft die Uniform überzustreifen. Ein Land ohne Grenzkontrollen möchte die Luft überwachen – rasend komisch! Übrigens halte ich es für eine Legende, dass einst niemand von den Waffenlieferungen gewusst hat – bei rund tausend Fahrzeugen, Dutzenden vom Kampfpanzern und Hubschraubern musste sich das in der BW herumsprechen, bei Bahn- und Hafenarbeitern… Mehr

wachschaf
1 Jahr her
Antworten an  Lucius de Geer

Aber es stand nicht im Spiegel oder Stern…

Schwermetaller
1 Jahr her

Israelische Rüstungsgüter zu kaufen ist eine gute Idee. Die bauen gutes Zeug, das in Schland schon aus ideologischen Gründen nicht mehr gefertigt werden kann. Vor Jahrzehnten die israelische UZI in der Army geschossen – gute Knarre!

Rasparis
1 Jahr her
Antworten an  Schwermetaller

Ich entsinne mich des Umstandes, daß im Quartal meiner Grundausbildung bei der Bundesmarine in der VwR 21 (III/1983) das Schiessen mit der Uzi abgesagt wurde, weil es im Vorquartal einen Schießunfall gegeben hatte (vom Hörensagen her hatte die Handballensicherung an der MP versagt) und aus diesem Grunde die Waffen zur Überprüfung in die Waffenmeisterei verbracht worden waren. Dieses Problem soll an älteren Waffen regelmässig auftreten. So gut kann das Konstrukt des Ingenieus Uzi Gal nicht gewesen sein – ist es doch ohnehin i.w. eine Kopie der tschechischen ZK 476. Übrigens wurde das MP-Schiessen, das nie stattfand, am Ende dennoch in… Mehr

MELTA
1 Jahr her

2023 – 75= 1948

Da habe ich wohl in Geschichte nicht so richtig aufgepasst,

Apropos, wann mussten wir uns die letzten 75 Jahre gegen Raketen verteidigen?

Hoffentlich dient dieser mehr als löchrige Schutzschirm nicht als Rechtfertigung für noch mehr Eskalation.

Ohanse
1 Jahr her
Antworten an  MELTA

Auch die Feuerwehr wird ja nicht abgeschafft, nur weil es 14 Tage kein Feuer gegeben hat. Und wer keine Defensiv-Waffen will, muss dann in Offensiv-Waffen investieren. Kann man wollen, sollte man dann aber auch ehrlich zugeben.

MELTA
1 Jahr her
Antworten an  Ohanse

Hier wird ja auch nichts ab- sondern angeschafft. Und zwar gegen etwas das nicht nur 14 Tage nicht, auch nicht 75 Jahre nicht, sondern noch nie notwendig war.

Ohanse
1 Jahr her
Antworten an  MELTA

Seit wann gibt die Vergangenheit eine Garantie für die Zukunft?

horrex
1 Jahr her
Antworten an  MELTA

Soso …
Ich denke Moltke war es der „ganz unbiblisch“ und „überzeitlich“ und sinngemäß meinte, „nur das geschliffenen Schwert an der eigenen Seite verhindert, dass der Andere sein Schwert benutzt“. –

MELTA
1 Jahr her
Antworten an  horrex

Auch von Moltke:
Der ewige Friede ist ein Traum, und nicht einmal ein schöner, und der Krieg ist ein Glied in Gottes Weltordnung. In ihm entfalten sich die edelsten Tugenden des Menschen, Mut und Entsagung, Pflichttreue und Opferwilligkeit mit Einsetzung des Lebens. Ohne den Krieg würde die Welt im Materialismus versumpfen.