Während Europa über Waffenstillstände und Hilfsgelder diskutiert, hält Ägypten die Grenze zu Gaza eisern geschlossen – obwohl Platz und Ressourcen auf dem Sinai vorhanden wären. Offiziell will Kairo die „palästinensische Identität“ schützen. In Wahrheit geht es um Macht und Angst vor Terror.
picture alliance / Anadolu | Abed Zagout
Ägypten ist mit 120 Millionen Einwohnern das volkreichste Land in der Nahost-Region und grenzt unmittelbar an Gaza. Trotzdem ist es in der öffentlichen Wahrnehmung ein blinder Fleck im aktuell blutigen Nahost-Krieg. Verschiedene politische Varianten werden seit Monaten diskutiert, aber weder Politik noch Medien fordern das Naheliegende: Ein Öffnen der Grenze zwischen Gaza und Ägypten könnte innerhalb von Tagen das Leid der Menschen in Gaza wesentlich erleichtern, wenn nicht sogar beenden.
Nach dem Überfall der Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 verstärkten zehntausende ägyptische Soldaten die Grenze zu Gaza. Stacheldraht, meterhohe Mauern nahe der ägyptischen Stadt Rafah unweit der Grenze zu Gaza sollten ein überdeutliches Signal setzen: aus Gaza – obwohl dort fast nur muslimische Brüder und Schwestern leben – kommt niemand unerlaubt nach Ägypten. Dabei ist die angrenzende Sinai-Halbinsel dreimal so groß wie Israel, mit nur 600.000 Bewohnern. Die Küste zwischen Rafah und Port Said ist mit einer Länge von 220 Kilometer so gut wie unbewohnt. Der Autor dieser Zeilen konnte sich vor einigen Jahren selbst davon überzeugen.
Außerdem ist Ägypten Unterzeichner der „Refugee Convention“ von 1951 und den Folgevereinbarungen 1967 und 1969. Dennoch sagt der ägyptische Präsident Abdal Fattah as Sisi wiederholt und lässt es von seinen Adlaten in die Welt posaunen: Eine Öffnung der Grenze zu Gaza „ist eine rote Linie“. Tatsächlich fürchtet Kairo, dass die Militanten aus Gaza die Sinai-Halbinsel als Ausgangspunkt für Angriffe auf das ägyptische Kernland nutzen könnten. Seine politische Begründung ist nachvollziehbar, aber verräterisch.
Eine Umsiedlung der Menschen aus „ihrem Heimatland Gaza“ würde die „Palästinensische Causa“ zerstören, betont er. Und niemand stellt bei der UNO oder in der EU hörbar die zwingende Frage: Wenn Gaza wirklich palästinensisches Heimatland ist, warum gilt es seit 77 Jahren als Flüchtlingslager auf ägyptischem Boden? Und warum agiert dort mit einem Milliarden-Etat gespeist von westlichen Steuerzahlern das ausschließlich dafür geschaffene Flüchtlings-Hilfswerk „United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East“ (UNRWA). Alle anderen Flüchtlingsregionen von Tibet bis Westsahara unterstehen dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR).
Heute ist bekannt, zahlreich bewiesen und vielfach belegt, wie beispielsweise im Andrew Roberts-Report zum 7. Oktober 2023 (im Internet kostenlos abrufbar), dass die UNRWA schon lange vor dem 7. Oktober 2023 und auch danach gemeinsame Sache mit der Terror-Organisation Hamas macht.
Dr. Munir al Bursh wird im „Palestine Chronicle“ als Generaldirektor des Gaza- Gesundheitsministeriums tituliert. Unerwähnt bleibt, dass er zur Spitze der Hamas-Führung gehört und damit für den Massenmord, die Vergewaltigungen und Entführungen am 7. Oktober 2023 mitverantwortlich ist. Eine Quelle für zuverlässige Informationen und Verfechter der Menschlichkeit ist er damit sicherlich nicht. Dennoch heißt es in dem Propaganda-Blatt, dessen Inhalt gerne von westlichen Medien übernommen wird: „Seit Beginn des Krieges arbeitet Dr. Al Bursh unermüdlich daran, ein kaum funktionierendes Gesundheitssystem zu unterstützen und die abscheulichen Verbrechen Israels im belagerten Gazastreifen zu dokumentieren“.
Die Bedenken des ägyptischen Präsidenten, dass die auf die Sinai-Halbinsel umgesiedelten Palästinenser dort bleiben, sind gegenstandslos. Denn die israelische Regierung unter Benjamin Netanyahu hat mehrfach erklärt, dass die Umgesiedelten nach Gaza zurückkehren könnten, wenn Hamas und der Terror besiegt seien. Die Vereinten Nationen könnten das in einer Resolution festhalten und durch eigene, internationale Truppen absichern. Keine israelische Regierung will dauerhaft in einem weitgehend zerstörten Gaza mit zwei Millionen Muslimen bleiben. Es würde das Bevölkerungs-Gleichgewicht im „jüdischen Staat Israel“ dramatisch ins Wanken bringen.
Eine zeitlich begrenzte Umsiedlung in eine humanitäre Zone auf ägyptisches Staatsgebiet nahe Gaza würde die palästinensische Identität auch nicht auslöschen. Die Massenumsiedlung könnte durch regionale und internationale Kräfte geregelt werden. Stacheldraht und Mauern würden ihre grausame Realität verlieren. Innerhalb von Tagen würden sich die unerträglichen Lebensbedingungen für Hunderttausende spürbar verbessern – bis der Krieg gegen die Hamas aus israelischer Sicht erfolgreich beendet ist. Tausende von LKWs mit Nahrungsmittel und Medizin würden in dieser Zeit die Menschen in Not ungehindert und regelmäßig erreichen.
Diese auf-der-Hand-liegende, überzeugende Argumentation bleibt zumindest vorerst eine Vision. Den 70-jährigen Präsidenten as Sisi in Kairo kümmert das Leid in Gaza wenig. Er putschte sich 2013 gegen die Muslim-Bruderschaft an die Macht. Gegen jene extremistische Organisation, die Muslime, die nicht nach der Scharia leben, als ungläubig bezeichnen. Daraus hat sich die gewalttätige Hamas entwickelt.
Die veröffentlichte Meinung, UNO, EU, die Politik von Australien bis Irland über die Universitäten von Los Angeles bis Berlin haben einen Schuldigen längst ausgemacht: Israel. Historisch fundierter Antisemitismus, aus dem Christentum geborener Judenhass und aggressive Israel-Feindlichkeit sind der Nährboden für die Akzeptanz einer abstrusen Schuldzuweisung. Wer will die Mühe auf sich nehmen, den historisch fundierten Fakten ins Auge zu schauen und der Wahrheit auf den Grund zu gehen?

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https://www.derpragmaticus.com/r/islamismus-muslimbruderschaft
Es mag Steine auf mich regnen, aber der Gazastreifen gehört Israel. Ob die in Gaza ansässigen Araber nach Ende der Hamas plötzlich friedlich bleiben? So naiv kann man selbst in Deutschland nicht sein, wenn man sich das Geschreie von Arabern auf deutschen Straßen anhörte. Was ist so schwierig daran, 2 Millionen Araber aus Gaza unter zu bringen? Es bieten sich doch diverse Bruderländer an, mit denen es wirtschaftlich, kulturell, klimatisch und vor allem religiös passt. Damit gäbe es eine saubere Grenze zwischen Ägypten und Israel, wie sie ja bereits seit 1979 besteht.
„Stacheldraht und Mauern würden ihre grausame Realität verlieren.“ Weil die „Palästinenser“ sich in Agypten frei bewegen könnten? Anders als im ägyptischen Flüchtlingslager Gaza? Und die Hamas würde nicht mitziehen? Sie würde im Stacheldrahtlager bleiben? „Er putschte sich 2013 gegen die Muslim-Bruderschaft an die Macht“: Wahrscheinlich muss er Sorge haben, dass diese Bruderschaft bei ihm im Land nicht ausreichend stark wird, um Ägypten zu übernehmen. Ägyptens Reaktion zeigt für mich: Der gesamte Nahe Osten, der noch nicht radiakal islamisch regiert wird, passt auf, dass er überlebt.Terror in anderen Ländern, um den Islam zu verbreiten, interessiert ihn zudem wenig. Der wird eher… Mehr
Es ist allerdings auch naiv zu glauben, Israel würde nach einer Beendigung des Krieges gegen die Hamas irgendeine nennenswerte Zahl vin Palästinensern zurückkehren lassen.
Denn niemand garantiert, dass nicht sofort eine neue Hamas entsteht.
Fakt ist: Niemand will die Palästinenser aus Gaza. Niemand traut Ihnen. Und nach allem, was sie erlebt haben, ist es nachvollziehbar, dass sie nicht auf Gewalt verzichten werden. Die Kinder und die (wohl wenigen) friedliebenden Vertreter können einem leid tun.
Wer eine Lösung hat, möge sich melden. Und nein, eine Zwei-Staatenlösung (denn nicht anderes war Gaza faktisch) ist gerade krachend
gescheitert.
Es ist doch klar – ein Mal umgesiedelt, werden sie nicht mehr zurück kommen und die ägyptische GEsellschaft beeinflussen. Es ist bei uns genau so – die Syrer gehen nicht. Ihre Kinder sind nun in Schulen, einige wenige haben Arbeit… und die Zustände in Syrien sind schlimmer – keine kostenlosen Zahnspangen, Hebammen und Schulen… also alles nicht gut genug, und das Kind wurde bereits zu einem Geburtstag eingeladen…. Die Ägypter verstehen, dass Palestinänser nicht gehen werden und sie werden Probleme machen. Es stünde uns gut zu Gesicht, auch – wie Ägypten – die Flüchtlingskonvention und die Menschenrechte zu interpretieren…. anstatt… Mehr
> Denn die israelische Regierung unter Benjamin Netanyahu hat mehrfach erklärt, dass die Umgesiedelten nach Gaza zurückkehren könnten Wann sind die Nakba-Umgesiedelten zurückgekehrt? https://de.wikipedia.org/wiki/Nakba Bis heute nicht. > Die Vereinten Nationen könnten das in einer Resolution festhalten Wie viele UNO-Resolutionen gibt es bereits, um die sich Netanjahu nicht die Bohne schert? Zum Beispiel: https://www.deutschlandfunk.de/nach-uno-resolution-weitere-differenzen-zwischen-israel-und-usa-100.html > „… Da sich Washington erstmals nur enthielt und kein Veto einlegte, konnte der Sicherheitsrat in New York eine Resolution für eine sofortige Feuerpause im Gazastreifen verabschieden. …“ Während einer Waffenruhe sollte Netanjahu keine neue Offensive starten? Tut er aber gerade. Besonders absurd allerdings: > Die… Mehr
Man kann es auch anderes ausdrücken: Es scheint so, dass die Ägypter etwas über die so eine friedliche Zivilbevölkerung im Gazastreifen (von denen ca. ein Drittel ägyptischen Name haben) wissen, was die meisten westlichen Politiker und Medien kategorisch nicht wahrhaben wollen.
Im Gegensatz zum Autor habe ich volles Verständnis für die extrem restriktive Haltung der ägyptischen Regierung. Egal ob im Libanon, in Jordanien oder anderswo, haben die „Palästinenser“ bis lang nur Stress bereitet. Und sind deswegen bei den meisten arabischen Regierungen des Nahen Ostens sehr unbeliebt.
Übrigens: „Palästina“, der Begriff war zwei Jahrtausende nur eher Gebildeten ein Begriff. So nannte man das jüdische Volk unter der römischen Herrschaft nach ihrer Vertreibung in alle Winde. Als politischer Kampfbegriff bemächtigten sich Arafat und Genossen seiner vor erst gut 50 Jahren. Die angesehene „Jerusalem Post“ startete 1932 als „Palestine Post“… .
> „Palästina“, der Begriff war zwei Jahrtausende nur eher Gebildeten ein Begriff. So nannte man das jüdische Volk unter der römischen Herrschaft nach ihrer Vertreibung in alle Winde. So nannte man die Region nach dieser Vertreibung oder auch massiven Tötungen nach dem Bar-Kochba-Aufstand um 135 – gerade deswegen, weil die Bevölkerungsverhältnisse anders geworden sind. Das dauerte dann die nächsten 1750 Jahre; Statistik 1881 – 400 Tsd. Araber, 42 Tsd. Christen und nur 13-20 Tsd. Juden. Reichlich ironisch, dass man in Westeuropa so gerne mit Pathos über Römisches Erbe als Westeuropas Identität spricht – dazu gehört auch die Aktion um 135.… Mehr
Nach Ihrem Verständnis, bzgl. Ihrem letzten Absatz, ist es dann richtiger einen Fehler zu machen, nur weil alle dafür sind?!
Das droht uns in Westeuropa nicht, da es die „Eliten“ gibt, die zwar zahlenmäßig klein sind, aber besser wissen, was Fehler und was Richtig sind. Zufällig las ich gerade im Bösen Medium dazu: „Der Irrtum des Fjodor Lukjanow“ .> „… die Geschichte der europäischen Integration hat ihre Wurzeln in Wirklichkeit ganz woanders: im Willen der westlichen Führungskasten, die Völker von den großen politischen Entscheidungen fernzuhalten. Die rechtlich-politische Maschinerie der EU wurde daher mit einem Ziel aufgebaut: dass Entscheidungen auf Ebenen getroffen werden, auf denen die Demokratie – die ihrem Wesen nach nur national sein kann – keinen Einfluss hat. Kurz… Mehr
Wenn man sich die ägyptischen Grenzbefestigungen ansieht, muss man neidlos anerkennen das die deutsch deutsche Mauer Kindespielzeug war.
Das, und das auch nicht ein anderes arabisches Land sogenannte Palästinenser haben will spricht doch Bände, nur im Werte Westen hallt es: Ihr Terroristen kommet, wir bieten euch Rundumversorgung für lau.
Es wird oft ausgeblendet, dass auch Christen aus Gaza vertrieben werden sollen: „Palästinensische Christen wehren sich gegen Vertreibung aus Gaza-Stadt“ – https://tkp.at/2025/08/27/palaestinensische-christen-wehren-sich-gegen-vertreibung-aus-gaza-stadt/ > „… Palästina kannte bis zur Gründung Israels durch die Briten und die zionistische Terrororganisation Irgun ein friedliches Nebeneinander von verschiedenen Religionen. Israel betreibt nicht nur eine ethnische Säuberung von Palästina, sondern auch eine religiöse. Christliche Kirchen wurden und werden zerstört und rein christliche Siedlungen wie Taybeh im Westjordanland werden von rechtsradikalen zionistischen Siedlern gebrandschatzt und Einwohner ermordet. Das war sogar der Vatikan News einen Bericht wert. …“ Mit einem Link: https://tkp.at/2025/07/10/vatikan-news-juedische-siedler-attackieren-nun-auch-christliche-einwohner-in-der-west-bank/ > „… Christliche Priester und Nonnen… Mehr
Etwas Nachhilfe in Historia für Herrn Rosenberg:
Nach den Waffenstillstandserklärungen im Jahre 1949 auf Rhodos fiel der zu Palestina gehörende Gaza-Streifen unter ägyptische Verwaltung; er war aber nie ein völkerrechtlicher Bestandteil Ägyptens.
Auch zu Historie gehört, dass vor Überfall von Araber im 1948 Israel in Gaza muslimisches Teil der Bewohner etwas weniger als 20% gewesen war.
Dafür gibt es aber konkrete Quellen? Ich kenne welche für ganze osmanische Provinz Palästina 1881: 400 Tsd. muslimische Araber, 42 Tsd. Christen, 13-20 Tsd. Juden: https://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4stina_(Region)
Anfang des 19. Jahrhunderts:
> „… Das im christlichen Pilgerwesen Europas und in dortiger Forschung als Palästina aufgefasste Gebiet bewohnten zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwischen 275.000 und 300.000 Menschen. 90 % von ihnen waren muslimische Araber, 7000 bis 10.000 Juden des Alten Jischuvs, 20.000 bis 30.000 arabische Christen und eine unbekannte Zahl von Drusen. …“
Und 1967 mit dem Sechstagekrieg haben dann die Israelis die ägyptische Verwaltung von Gaza beendet, das scheint Herrn Rosenberg ganz entgangen zu sein, wenn er von „Gaza auf ägyptischen Boden“ erzählt.