Studie der Otto-Brenner-Stiftung: „Die Flüchtlingskrise in den Medien“

Die neueste Studie der Otto-Brenner-Stiftung möchte sich gerne als selbstreinigende Handreichung sehen, entpuppt sich aber im genauen Blick als der Versuch, die Schwerkraft in einer Vakuumkammer selbst zu belegen.

© Johannes Simon/Getty Images
28. Oct. 2015 - German police lead arriving migrants across a field to a transport facility after gathering them at the border to Austria near Wegscheid, Germany

Wenn der Sünder dem Sünder Absolution erteilt, nennt man das in der katholischen Kirche Beichte. Wenn ein Gauner dem anderen vor Gericht ein Alibi ausstellt, spricht man von Meineid. Wenn nun aber von zwei Gaunern einer den Offenbarungseid ablegt, hofft er auf den Status des Kronzeugen.

Diese Zuspitzung mag besonders geeignet sein, wenn es darum geht, eine gerade veröffentlichte Medienschelte aus dem Hause der Otto-Brenner-Stiftung (OBS) besser einzuordnen. Die Schelte ist eine Studie mit dem Titel: „Die Flüchtlingskrise in den Medien – Tagesaktueller Journalismus zwischen Meinung und Information“.

Die gewerkschaftsnahe OBS beauftragte Prof. Michael Haller mit der Ausführung. Haller darf man als einen der renommiertesten Journalisten Deutschlands bezeichnen. Seine Sachbücher zum Journalismus sind Standardwerke an Universitäten, seine vielfältigen Tätigkeiten gelten als tadellose Referenz.

Im Folgenden nun Bemerkungen zur Stiftung, zur Studie und eine finale Einordnung.

Mit der Studie als „Dokumentation erheblicher Defizite in der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise durch die „Mainstream-Medien“ (so aus der OBS-Presseerklärung zur Studie vom 21.07.2017) möchte die Stiftung allzu gerne eine Art Kronzeugenrolle für sich beanspruchen. Zu tiefgreifend war wohl die Kritik an OBS-Erzeugnissen der Vergangenheit. Damals, Ende 2016, als man an der Studie „Die enthemmte Mitte“ beteiligt war und ein weiteres Intitial gab für eine enthemmte Vorgehensweise der Mainstream-Medien in der so genannten „Flüchtlingskrise.“

Bullshit ist Bullshit
Nicht die Mitte war enthemmt, nur die Studie
Mit „Die enthemmte Mitte“ bekamen die Medien genau jenes Futter, das nötig wurde, weiterhin politischer Akteur zu sein vs. neutraler Beobachter. Der von der OBS erteilte und von den Medien gerne aufgenommene Auftrag damals: die gesellschaftliche Mitte kontrollieren, sie überwachen und misstrauisch beäugen. OBS legte vor, die Medien plapperten nach, was ihnen aufgetischt wurde. Kritischer Journalismus? Genauso selten wie saubere Analysen in der dazugehörigen Studie. Und der Kick-off-Geber: die Otto-Brenner-Stiftung im Verbund mit der Heinrich-Böll- und der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Nun beim OBS die überraschende Kehrtwende hin zum Kronzeugen. Die große Beichte in Form einer umfassenden Medienkritik. Aber ist es wirklich eine Beichte? Oder doch eher der knapp zweihundert Seiten starke Versuch eines umfassenden Greenswashings, um die drohende geistige Insolvenz doch noch abzuwenden?

Jedenfalls war man bienenfleißig: So wurden weit über 30.000 Medienberichte erfasst und über einen gut zwanzigwöchigen Zeitraum, in dem sich 2015 die Ereignisse überschlugen, rund 1.700 Texte analytisch ausgewertet. Im Fokus standen Printleitmedien wie FAZ, SZ, Welt und Bild, über achtzig verschiedene Lokal- und Regionalzeitungen sowie die reichweitenstarken Onlinemedien focus.de, tagesschau.de und Spiegel Online. Alles unterhalb dieser Größe sei nicht relevant, entschuldigt man sich. Wo aber kommt dann die Kritik an den Mainstream-Medien her, die hier verhandelt wird? Na klar, reine Selbsterkenntnis. Das ist eine elegante und doch durchsichtige Art sich nicht mit kritischen Medien auseinander setzen zu müssen – indem zu seinen Gunsten eine Wertung und Ausgrenzung vornimmt bevor es andere tun.

Die restriktive Auswahl der Medien begründet die Studie (siehe dort S.24 f.) so: Süddeutsche, Frankfurter Allgemeine und Welt seien doch drei Blätter, die drei eigensinnige Sichtweisen auf die Ereignisse vermitteln und deshalb ein breites Themen- und Meinungsspektrum abbilden würden. Nein, mehr muss man dazu nicht wissen, wenn man in diesem pausbäckigen Akademikertalk auf Tretminensuche geht.

So geht man also zu Werke. Hier soll es uns ein erstes Indiz für die Halbherzigkeit dieser Beichte sein: Noch mehr, wenn die OBS fast zeitgleich eine Empfehlung an Journalisten veröffentlicht, wie diese mit der AfD umzugehen hätten:

Von Pit Gottschalk, mediapreneure.de (02.09.2015)
"Die moderne Journalisten-Welt von heute?"
Man nennt diese politisch motivierte Empfehlung frech „Analyse und Handreichung“. Und in einer Pressemitteilung vom 17.07.2017 heißt es: „AfD inszeniert (sich) als Opfer des Mediensystems.“ Die AfD würde die Medien als „Lügenpresse verdammen“. Währenddessen erklärt man in der deutlich aufmerksamkeitsstärkeren Studie „Die Flüchtlingskrise in den Medien“: „Statt als neutrale Beobachter die Politik und deren Vollzugsorgane kritisch zu begleiten und nachzufragen, übernahm der Informationsjournalismus die Sicht, auch die Losungen der politischen Elite.“

Schizophren? Oder will man diese Doppelzüngigkeit als Vielfalt, als Ambivalenz oder womöglich als aufrechte wissenschaftliche Vorgehensweise verkaufen? Nein, man kann auch kurz und knapp sagen: Die Maus strampelt im vollen Wassereimer so lange von rechts nach links, bis sie am Ende vor Erschöpfung untergeht.

„Erst nach der Silvesternacht 2015/16“, schreibt Michael Haller, „entdeckten die Medien die reale Wirklichkeit hinter der wohlklingenden Willkommensrhetorik“. Doch da sei der öffentliche Diskurs längst weitgehend von der Tagesordnung verschwunden. Andersdenkende hätten sich übergangen oder ausgegrenzt gesehen. Und statt integrativ zu wirken, hätte der Informationsjournalismus die Frontenbildung verschärft.

30.000 Artikel hin oder her: Nun krankt diese Kronzeugen-Studienbeichte von Anfang an an ihrer bewusst begrenzten Medienauswahl. Denn mitnichten haben „Die Medien“ die reale Wirklichkeit unter einer Willkommensrhetorik beerdigt, wie die Studie klar stellen will. Im Gegenteil: Es ist Medien wie Tichys Einblick‘und anderen zu verdanken, dass die reale Wirklichkeit nie ganz von der Tagesordnung verschwand.

Wirkmächtiges Indiz dafür war, wie wir und andere immer wieder auf üble Art und Weise ins Fadenkreuz der Mainstream-Medienkritik gerieten. Und wenn wir diese Kampagne beim Namen nannten, warf man uns sogar vor, wir würden uns so gerne in der Opferrolle sehen, gipfelnd in einem schäbigen Tweet von Ralf Stegner (SPD) Richtung TE: „Mimimi….Taschentuch gefällig?“

Dabei ist es ganz einfach und braucht kein verquastes Akademiker-Sprech: Ursache und Initial für die OBS-Studie „Die Flüchtlingskrise in den Medien“ war der Verlust von Deutungshoheit an Portale wie TE nebst kontinuierlich sinkenden Leserzahlen und Jobabbau in den Mainstream-Redaktionen. Zusätzlich krankten die politischen Stiftungen an fehlender Glaubwürdigkeit.

Nun der groteske Moment der Studie: TE, Achse, Cicero usw. finden dort überhaupt nicht statt. Werden mit keiner Silbe erwähnt. Logisch, denn fänden wir statt, wäre dieses als Beichte getarnte Greenwashing, wäre die Masterthese der Studie, nämlich, dass die Medien ihre Arbeit nicht gemacht hätten, ad absurdum geführt.

Nun kann, nun muss man von so einer Studie mindestens verlangen können, dass sie auch in die vergleichende Analyse geht, das allerdings unterlässt sie wohlweislich: zuviel Kniefall. Man wäre sprichwörtlich auf dem Hintern gelandet. Aber eine Studie, die den Effekt der Schwerkraft in einer Vakuumkammer selbst belegen möchte, ist wertlos.

Nein, von einer Handreichung kann hier nicht die Rede sein, nicht als Hilfestellung für Journalisten und schon gar nicht als Entschuldigung an jene Medien gerichtet, die hier über annährend 200 Seiten nicht nur nicht zur Sprache gekommen sind, sondern die Journalismus gegen massive Widerstände von Kollegen verteidigt haben.

Aber verstehen wir es doch so: Diese Studie unterlässt es zwar sträflich, anzuzeigen, wo kritische Berichterstattung ein neues zu Hause gefunden hat. Aber umso bemühter man um das Unaussprechliche kreist, desto deutlicher zeichnet es sich ab.

Ein bunter Medienobservierungsblog zählte zu den ersten, die dem Kronzeugen OBS auf den Leim gingen, als man feststellte: „Aber seit vorgestern scheint es, als könnte man die ganze Arbeit in dem einen schlichten Satz zusammenfassen: „Die Medien haben in der Flüchtlingskrise völlig versagt.“ Weitere werden folgen.

Auf den medialen Schulz-Rausch folgt der Kater
„Spiegel“, „Stern“ und „Zeit“ fehlt die „Deutungsdemut“
Und damit ist dann die Hauptaufgabe der Otto-Brenner-Stiftung erfüllt: Wenn wir von „Die Medien“ sprechen, wenn wir eine Auswahl treffen, diese dann aber exemplarisch stellen für alle Medien, dann vernachlässigen wir wunschgemäß die rühmlichen Ausnahmen. Und wenn also alle schuld sind, wenn alle Täter sind, dann gibt es auch keine Kläger mehr. Die Studie also nur ein weiterer Versuch, eine regierungskritische Gegenöffentlichkeit mundtot zu machen. So betrachtet, reiht sich diese Studie, die vorgibt, etwas ganz anderes zu sein, nahtlos ein in beispielsweise so schäbige Aktionen wie Anetta Kahanes mittlerweile umbenanntes „Netz-gegen-Nazis“ unter Mitarbeit der ZEIT, Heiko Maas’ Abschied vom Rechtsstaat, sein antidemokratisches Pamphlet „Aufstehen statt wegducken: Eine Strategie gegen Rechts“ – ach, die Liste ist lang.

Nun sind die Stimmen der Gegenöffentlichkeit aber quasi als Antithese zur Studie dokumentiert in den Archiven von Tichys Einblick, Achse des Guten, Cicero und weiteren Medien, die in „Die Flüchtlingskrise in den Medien“ nicht auftauchen. Noch kann jeder zu jeder Zeit diese Archive als Lesetipp nehmen, wer die Flüchtlingskrise aus einem echten journalistischen Blickwinkel nachlesen will. Denn immerhin das hat diese falsche Kronzeugen-Beichte über den Umweg der Nichtbeachtung klargestellt: Wenn es eine Wahrheit gibt, dann findet man sie nicht in den Mainstream-Medien. Aber geben tut es sie trotzdem.

Artikel um Artikel und Kommentar um Kommentar war uns das Motivation und Antrieb. Dazu braucht es nur den gesunden Menschenverstand. Möglicherweise ist er gerade deshalb ein von den Mainstraim-Medien gefürchtetes Regulativ der Massen, wenn wiederum die ZEIT im Leserartikelblog schreibt: „Der ‚gesunde Menschenverstand‘ ist also eher eine Floskel, eine Phrase“.

Fazit an die Otto-Brenner-Stiftung: Der eigentliche Clou Ihrer Studie besteht doch darin, dass Sie, wenn Sie um Absolution bitten und dafür die massive Fehler der Mainstream-Medien benennen, wenn Sie feststellen, dass die „Leitmedien“ das Volk aus den Augen verloren und nur noch der Regierung nach dem Mund geredet hätten, das dann der Umkehrschluss noch vernichtender ist. Die Ausweitung der Absolutionszone: Denn dann bescheinigen Sie der Merkel-Regierung quasi im Vorübergehen ebenfalls das Volk aus den Augen verloren zu haben.

Sie bitten also für sich, für die Medien und die Regierung um Entschuldigung. Aber wie soll das gehen, wenn Sie allesamt anschließend und vor allem nach den Bundestagswahlen einfach so weitermachen wollen wie bisher?

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Kommentare ( 21 )

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horst s
7 Jahre her

Wenigstens hier können Sie es erwähnen Frau Sabine – wenn es auch nur einem Ausatmen gleicht. In vielen Foren werden kritische Erwähnung gleich gelöscht, sie sind dann wohl »politisch inkorrekt« … Als ich z. B. »Cicero online« entdeckte war ich erst verwundert, über eine scheinbare Offenheit, es war aber nur ein Wunschdenken … – Kritisches wird abgewürgt. Was nicht sein kann … Die lieben, meist wohl in Europa geborenen, sich provozierend in islamischen Kopftuch einwickelnden jungen Damen – dürfen sich in Europa »Pro-Kalifig-Erdowahisch« gebären … – das hat man wohl hinzunehmen ¿ Ich verstehe das ganze nicht – ebenso sind… Mehr

Werner Bellmann
7 Jahre her

Eine benachbarte Erstaufnahmeeinrichtung, z.Zt. mit ca. 60 Asylanten belegt, wird unter massivem Zeitdruck bis Ende August für 500 Flüchtlinge ausgebaut.
Noch Fragen?

Bernhard Freiling
7 Jahre her

Willkommen im Widerstand 😉

NahGha
7 Jahre her

Ich musste erst recherchieren 🙁 Der Begriff ist aber gut, und ich werde ihn in zukunft auchverwenden.

NahGha
7 Jahre her

Die sogenannte Flüchtlingskrise ist genauso zu Ende wie die Griechenlandkrise, die Eurokrise und die Schukldenkrise.

NahGha
7 Jahre her

Nicht nur das! Es findet ja ein schleichender Wechsel der Termini statt. Anfangs waren es Flüchtlinge (in den Varianten Schutzsuchende, Refugees, etc.), dann Asylbewerber und Asylanten. In letzter Zeit wird immer öfter von Migranten und Zuwanderern gesprocehn und gechireben. Das ist zwar endlich ehrlich, zeigt aber auch, dass man uns von Anfang an ein A für ein D vorgemacht hat.

Heinz Stiller
7 Jahre her

Stimme Ihnen zu. Ausgerechnet von der Brenner-Stiftung hätte ich so eine Studie allerdings nicht erwartet. Angesichts der weitgehenden Kritik-Allergie deutscher MM-Medien (Motto: Wir kritisieren alles – aber wenn man uns kritisiert, ist das Faschismus) ist das immerhin schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. – Amüsant in diesem Zusammenhang ist ein heutiger Artikel in der Bild-Zeitung von J. Reichelt, „Täter werden zu Opfern gemacht“. Nachdem die Mainstream-Presse vor einiger Zeit wochenlang wutschnaubend die Kritiker kritisiert hat, die sie als „Lügenpresse“ bezeichneten, wird jetzt – von mainstreamjournalistischer, also berufener Seite – in praxi der gleiche Vorwurf erhoben. Ein Julian Reichelt,… Mehr

Till Eulenspiegel
7 Jahre her

Der Löwenanteil unserer lieben Dauergäste besteht eben gerade nicht aus den Bedürftigen, Armen, Schwachen, Kranken und Verfolgten der Herkunftsländer, sondern aus reichen (für dortige Verhältnisse, die Schlepper sind nicht billig), starken und gesunden jungen Männern. Ganz davon abgesehen war Kriminalität zu allen Zeiten immer schon sehr mobil und findet sich ganz schnell konzentriert dort ein, wo am meisten zu holen ist! Das ist ein ganz natürlicher Vorgang. Über unsere gutmenschlichen politisch korrekten Strafen lachen diese Leute sich kaputt, denn sie sind im Gegensatz zum deutschen Normalbürger ganz andere Kaliber gewöhnt!

Gernot Radtke
7 Jahre her

Sein Glück und das seiner Lieben ggf. auch woanders zu suchen, auch dort, wo die Menschen weniger durchgeknallt sind und es v.a. kaum linke deutsche Intelektuelle gibt, ist, so schwer und zunächst traurig der Abschied von der Heimat sein mag, ein Ur-‚Recht‘ des Menschen. Auswanderungen sind selten spontanen Gemütslagen verdankt, sondern wohlbedacht. Sich einer Staatsidiotie zu verweigern und sich von ihr nicht länger schurigeln und auspressen zu lassen, halte ich für ein akzeptables Auswanderungsmotiv. Schlechte Gesellschaft, sagte schon meine Oma, soll man meiden. Schlechte Gesellschaften auch.

Dr. Steffen Hein
7 Jahre her

Alles richtig – bis auf den gehässigen Seitenhieb auf die Kath. Kirche:
Wenn ein Sünder (in diesem Fall notwedigerwise ein Priester) einem anderen in derselben Sache die Absolution erteilt, ist das automatisch Exkommunikation.