TV-Duell: Also sprach die Chefin – und der Bewerber nickte

Das sogenannte Duell am Sonntagabend war der Auftakt für Gespräche über eine Verlängerung der Großen Koalition. Das könnten nur noch die Wähler verhindern. Aber danach sieht es nicht aus.

Heute in drei Wochen ist alles vorbei, jedenfalls der Wahlkampf. Dann geht’s machtpolitisch aber erst richtig los – bei den Koalitionsverhandlungen. Dann wird niemand mehr vom TV-Duell reden. Dabei hängen Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen eng zusammen: Das sogenannte Duell am Sonntagabend war der Auftakt für Gespräche über eine Verlängerung der Großen Koalition. Das könnten nur noch die Wähler verhindern. Aber danach sieht es nicht aus.

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Die Medien hatten die Diskussion zwischen Angela Merkel und Martin Schulz zur Entscheidungsschlacht hochgejubelt. Was sie natürlich gar nicht sein konnte. Konnte man wirklich erwarten, dass sich der Herausforderer von allem distanziert, was seine SPD zusammen mit der CDU/CSU in Berlin und anderswo ausgehandelt und umgesetzt hat? Nicht wirklich.

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In den Medien wird heftig kritisiert, in den ersten 45 Minuten TV-Duell sei fast ausschließlich über Flüchtlinge und Integration gesprochen worden sei. Tenor: Hier habe die AfD das Thema diktiert. Was aber nur die Abgehobenheit der meisten Journalisten zeigt. Im aktuellen „Politbarometer“ nennen 49 Prozent der Befragten das Thema Flüchtlinge und Integration als drängendstes Problem. Erst weit dahinter folgen Rente und Bildung (jeweils 17 Prozent) und soziale Gerechtigkeit (13 Prozent). Der Vorwurf der medialen Elite lautet demnach: Es wurde am meisten darüber diskutiert, was die meisten Wähler am meisten interessiert. Darauf muss man erst einmal kommen.

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In der Immigrationsfrage konnte es allerdings keine echte Kontroverse geben. Hatten doch Union und SPD gemeinsam im Herbst 2015 die Politik der offenen Tür praktiziert und den damit verbundenen Kontrollverlust hingenommen. Freilich ist Schulz für eine Beendigung der Vereinbarung zwischen EU und Ankara, wonach die Türkei Flüchtlinge davon abhält, durch die Ägäis nach Griechenland zu kommen. Merkel fragte lieber nicht nach, was die Wiedereröffnung dieser EU-Außengrenze bedeuten würde. Es hätte zu sehr an die unkontrollierte Öffnung unserer Grenzen 2015/16 erinnert.

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Schulz war der Aggressivere, musste er auch sein. Aber seine eher zaghaften Attacken verpufften, weil die Kanzlerin sie einfach abprallen ließ. Und im Zweifelsfall ihn süffisant daran erinnerte, dass sie dieses und jenes mit dem Außenminister und SPD-Genossen Gabriel ja abgesprochen habe.

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Zwei Mal brachte Schulz die Kanzlerin in die Defensive: bei der „Rente mit 70“ und mit der Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Zweimal ließ Merkel ihn ins Leere laufen. „Rente mit 70“ – das wird es laut Merkel mit der CDU aber nicht geben, obwohl alle Rentenexperten ihrer eigenen Partei für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit plädieren. Plötzlich war auch Merkel dafür, die Gespräche mit Ankara über einen EU-Beitritt faktisch zu beenden. Da zeigte sich Merkels größte Stärke oder Schwäche: Sie räumt politische Positionen aus Gründen der Opportunität schneller, als der Beobachter mitschreiben kann. Da blieb Schulz nur noch der hämische Hinweis, vor der letzten Wahl habe Merkel auch die Maut ausgeschlossen, und jetzt komme sie doch. Da hatte er einen Punkt.

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Je nach Blitzumfrage gewann Merkel die Debatte deutlich (ARD) oder knapp (ZDF). Schulz hat in der „Kanzlerfrage“ etwas aufgeholt, aber keinen großen Schritt nach vorn gemacht. Wie sollte er auch? Wenn Merkel – ganz Staatsfrau – ihm und dem Publikum erklärte, worüber sie mit den Großen der Welt gerade verhandelt habe und ihre imposante Telefonliste der nächsten Tage aufblätterte, konnte der Herausforderer nur andächtig mit dem Kopf nicken. Da wollte der Bewerber bei seiner künftigen Chefin punkten – der künftige Außenminister bei der ewigen Kanzlerin.

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In den nächsten Tagen werden die beiden großen Parteien alles daran setzen, ihre Frau und ihren Mann als den großen TV-Duell-Sieger zu portraitieren. Die SPD – auf Wahlkampf-Pannen spezialisiert – hatte die entsprechende Jubel-Meldung bereits in der Nacht zum Sonntag per Internet verbreiten lassen – 20 Stunden vor dem Duell. Auch Martin Schulz hatte sich für sein Schlusswort etwas Besonderes ausgesucht, brachte es dann schon vorher und gab auch noch zu, dass er damit den Schlussakkord vermasselt hatte. Es ging um das Zitat eines islamischen Sufi-Mystikers: „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ Was der Kandidat uns damit sagen wollte? Er weiß es wohl selbst nicht.

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Das Peinlichste an der ganzen Veranstaltung war, wie wichtig sich die vier Moderatoren nahmen. Am Freitag gaben sie eine Pressekonferenz, als wären sie die Hauptpersonen und die Kandidaten die Statisten. Und am Sonntagabend kam Sandra Maischberger, die beim Duell die ARD vertreten hatte, anschließend in die Talkrunde von Anne Will, um sich selber zu kommentieren. Da merkt man, wie sehr die Öffentlich-Rechtlichen um sich selbst kreisen. Warum dann nicht gleich ein ganz anderes Duell – mit sechs Moderatoren und null Politikern?

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Wahlkampfweisheit zum Tage: Entscheidend ist auf’m Platz.

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Kommentare ( 39 )

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Michael Scholz
6 Jahre her

Ja, traurig, aber wahr. Wem haben wir diese ‚tolle‘ Entwicklung zu verdanken? Das haben Sie vielleicht gestern in der gestrigen „Anti-Weidel“-ZDF-Sendung gesehen und gemerkt. Es gibt eigentlich nur zwei Parteien in DE, die Vereinigte Einheitsfront (CDU/CSU(!),SPD ….) u. die AfD. Die Sehenden und Nachdenklichen werden am 24.9. die (noch) kleine AfD wählen.

Michael Scholz
6 Jahre her

Ja, meine These ist, wir werden langsam zu einem anderen Land, Deutsch-Arabien. Mittelfristig wird so wohl so kommen – wie Sie hier nachweisen – dass die Städte mehrheitlich muslimisch werden, das flache Land wird aber noch eine Weile deutsch/christlich bleiben. Es ist bereits zum Teil in den Großstädten so, dass die Funktionseliten ins Umland / ins Grüne ziehen und nur noch zur Arbeit in die Innenstädte reinfahren, dieser Trend wird sich m.E. fortsetzen und vertiefen.

ThurMan
6 Jahre her

Das Studio-Design fand ich Klasse: Alles in AfD-Blau. Super. Passt.

Janz Jeck
6 Jahre her

Nur noch 20 Tage! Hört sich nach wenig an. Aber diese 20 Tage werden uns noch ziemlich lang vorkommen, vielleicht sogar quälend lang. Jeden Tag Staatsfernsehen mit d totalem AfD-Bashing und Anti-Rechts-Programm in allen nur erdenklichen Variationen, auf allen Sendern, im Rundfunk und im Videotext, so als ginge es bei dieser Wahl nur darum, gemeinsam die AfD aus dem Bundestag herauszuhalten. Und die Privaten sind keinen Deut besser, machen dem Staatsfernsehen alles nach. Und das Allerschlimmste: Während man z.B. nach einer stressigen Examensvorbereitung mit dem bestandenem Examen aus dem Gröbsten raus ist und nun hoffnungsfroh in die Zukunft sehen kann,… Mehr

Onkel P
6 Jahre her
Antworten an  Janz Jeck

„Schande für Deutschland“. Für mich ist das Beleidigung, Verleumdung, Hatespeech und Hetze in einem. Aber gegen das, was man selbstherrlich als „rechts“ (=böse) definiert, darf man als „Linker“ (=Guter) ja bekanntlich so viel und so lange hetzen, wie man möchte, ohne irgendwelche Konsequenzen von irgendjemandem befürchten zu müssen.
Meine unausweichliche Retourkutsche: Für mich ist Herr Oppermann eine Schande für Deutschland und seine Partei ebenfalls. (Andere Personen und Parteien stehen hier ja nicht zur Debatte).

Klaus J. Reupold
6 Jahre her

Schade, dass der Autor den einzig geistreichen und weisen Satz, den unser Würseler je von sich gab, so partout nicht zu erfassen vermag und wahre Worte lächerlich macht.
Zeigt aber auch letztendlich, wes Geistes und Charakters Kind er selbst ist.
Bitte auf BILD-Kommentare beschränken …

ZurückzurVernunft
6 Jahre her

Einfach nochmal genau lesen, was ich geschrieben habe.

ZurückzurVernunft
6 Jahre her

Zitat:
„Warum dann nicht gleich ein ganz anderes Duell – mit sechs Moderatoren und null Politikern?“

Klingt gut.
Der unvergessene Werner Höfer selig hat ja auch das Kunststück fertiggebracht, sechs Journalisten aus 12 Ländern diskutieren zu lassen.

Illusionslos
6 Jahre her

“ Warum dann nicht gleich ein ganz anderes Duell, sechs Moderatoren und null Politiker ?“
Der Wunsch könnte Ihnen bald erfüllt werden Herr Müller-Vogg, wenn Merkel weiter so machen kann, wird DE bald nicht mehr von der DDR zu unterscheiden sein und da gab es meines Wissens solche Duelle nicht. Merkel hatte ja auch schon ein zweites Duell verweigert, warum sollte sie dann nicht auch bald das erste schon verweigern ?

Horst Stamm
6 Jahre her

Die Gegner der Freiheit, Herr Müller-Vogg, verstecken sich hinter Bärten und in roten Socken. Während rote Socken offenkundig sind, schleicht sich der Bartwuchs in die Gesellschaft. Auch wenn er sagt, er sei kein Vollbart, sondern nur ein Dreitagebart.

Ich hätte erwartet, dass Sie sich um Röpke kümmern, nicht um Herrn Lindner als Alternative zu Merkel. Denn Röpke hatte Ideale und Überzeugungen. Lindner ist ein Populist in eigener Sache. Und das hat mit Röpke nichts zu tun, sondern mit dem Nutzen aus dem Status Quo.

Peter Gramm
6 Jahre her

„Warum dann nicht gleich ein ganz anderes Duell – mit sechs Moderatoren und null Politikern?“ Ganz einfach. Bei diesen Alimentationen müßte man vorher die Zwangsgebühren erhöhen. Was diese Leute abgreifen ist schlicht überirdisch für das was sie da so zu Wege bringen. Man sehe sich nur mal die Bilanzen dieser sogen. Produktionsfirmen und deren Gewinne an. Zwangsabgaben machen es möglich. Diese mediale Bussibussigesellschaft ist ein geschlossener Kreis. Da werden die Pfründe mit Zähnen und Klauen verteidigt. Fachliches Können ist eher zweitrangig.