Pedelec-Fahrer leben gefährlich: Unfalltote im Radverkehr auf Rekordhoch

Im krassen Gegensatz zur Unfallentwicklung im Autoverkehr ist die Anzahl der Unfälle und Verkehrstoten im Fahrradverkehr in den letzten Jahren steil angestiegen. Vor allem die Zahl der Verunglückten mit elektrisch angetrieben Fahrrädern (Pedelecs) steigt.

IMAGO / KS-Images.de
(Symbolfoto) Pedelec-Fahrer muss nach Unfall mit PKW auf Kreisstraße reanimiert werden, 20.04.2022

Bayern ist bekanntlich nicht Deutschland, hier gehen die Kuckucksuhren anders als bei den nördlichen Nachbarn. Aber Bayern ist als Industrie-, Urlaubs- und Transitland durchaus repräsentativ für das Unfallgeschehen im Straßenverkehr: Anzahl der gemeldeten Unfälle, Verletzte, Verkehrstote, Todesursachen etc. 

Die Straßenverkehrsunfallstatistik des Statistischen Bundesamtes erfasst alle von der Polizei aufgenommenen Unfälle, bei denen auf öffentlichen Straßen und Plätzen Personenschaden oder Sachschaden entstanden ist. Die Zahl der Verkehrstoten ist seit ihrem Höchststand Anfang der 1970er Jahre mit 19.193 stark rückläufig bis hin zu geschätzten 2.770 im Jahr 2022. 

Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig und statistisch zeitlich sauber zuzuordnen: neben rechtlichen Regelungen (Höchstgeschwindigkeit 100 km/h auf Landstraßen im Jahr 1972; Richtgeschwindigkeit 130 km/h auf Autobahnen im Jahr 1978;  Alkohol-Promillegrenze 0,8 ab 1973, dann 0,5 ab 2001; Helm-, Gurt- sowie Kindersitzpflicht) spielen erheblich verbesserte Fahrzeugtechnik (Tagfahrlicht und Pflichtausrüstung, ABS etc.) und straßenbauliche Maßnahmen eine große Rolle.

Im krassen Gegensatz zur Unfallentwicklung mit oder ohne Todesfolgen im Autoverkehr auf Landstraßen und Bundesautobahnen ist die Anzahl der Unfälle und Verkehrstoten im Fahrradverkehr in den letzten Jahren steil angestiegen. Aktuelle Zahlen dazu gibt es nur auf Landesebene, wie soeben für Bayern veröffentlicht (Süddeutsche Zeitung). Die Zahlen sind alarmierend! Und zeigen klar und deutlich: 

Die Forderungen nach einem Tempolimit sind berechtigt – aber vor allem für Pedelecs.

Zunächst zum statistischen Befund: In Deutschland haben sich im Jahr 2021 2,3 Millionen Verkehrsunfälle ereignet mit rund 323.000 Verletzten und 2.562 Verkehrstoten, deutlich weniger als im Vor-Pandemiejahr 2019. 

Im Jahr 2021 sind insgesamt 372 Radfahrer im Straßenverkehr in Deutschland gestorben. Damit ging auch die Zahl der verstorbenen Fahrradfahrer im Vergleich zu den Vorjahren coronabedingt zurück. Das ist zwar positiv, aber nicht beruhigend. Die Betrachtung der Altersgruppen zeigt, dass vor allem ältere Fahrradfahrer tödlich verunglücken. 

Zu den Gründen zählt unter anderem die gestiegene Nutzung von Pedelecs/E-Bikes. Im Jahr 2021 verunglückten 17.045 Menschen, die mit dem Pedelec unterwegs waren. Das sind achtmal mehr als im Jahr 2014 mit rund 2.223 Verunglückten. Eine ähnliche Entwicklung findet sich auch bei den Getöteten: 2021 kamen 131 Menschen auf einem Pedelec ums Leben, 2014 waren es noch 39 Frauen, Männer und Kinder.

Zahlen auf Bundesebene liegen für 2022 nicht vor, nur für Bayern wurden soeben von Innenminister Joachim Hermann detaillierte Angaben veröffentlicht. Das Ergebnis:

Die Anzahl der Fahrradunfälle erreichte 2022 in Bayern ein Rekordhoch, den höchsten Stand seit Beginn der Erhebung vor mehr als 65 Jahren!

Im Einzelnen ergibt sich für 2022 folgendes Bild:

  • neuer Höchststand mit19.646 Fahrradunfällen;
  • dabei starben 84 Radler, weniger als 2019, aber Tendenz steigend;
  • bei rund einem Drittel der Rad-Unfälle (circa 6.000) waren keine weiteren Verkehrsteilnehmer beteiligt, davon haben wiederum zwei Drittel der Radfahrer den Unfall selber verursacht, durch Alkohol und Leichtsinn, laut Hermann, so durch verkehrswidrige Nutzung der Radwege in beiden Fahrtrichtungen und Kollisionen mit Autofahrern; oder durch Fahren ohne Licht bei Nacht.

Auffällig hoch mit circa einem Drittel ist bei den tödlichen Radunfällen der Anteil jener mit Pedelecs, das heißt mit zusätzlichem elektrischen Antrieb. Nach dem Motto: „Hilft Opa aufs Fahrrad wie früher die Oma im Hühnerstall aufs Motorrad“.

Offensichtlich ist: Viele „Pedelecer“ überschätzen die Geschwindigkeit ihrer Zweiräder. Vor allem überschätzen sie sich selber. Dabei spielt vor allem das Alter eine Rolle. Der Anteil der kreglen Alten am oberen Drittel der Bevölkerungspyramide nimmt ständig zu. Kein Berg zu hoch, kein Fluß zu lang, als dass sie heute nicht von Scharen von „silver-agers“ beradelt würden, zumeist in Rudeln.

Das Pedelec macht es möglich! Und Pedelec-Fahrer leben von allen Verkehrsteilnehmern am gefährlichsten. Eine detaillierte Untersuchung von Auto Motor Sport (AMS) für den Zeitraum Januar bis November 2020 zeigt, dass es bei fast allen Verkehrsbeteiligungsarten weniger Getötete im Straßenverkehr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gab. Den stärksten prozentualen Rückgang in den ersten elf Monaten des Jahres 2020 gab es bei den Getöteten in Personenkraftwagen mit -14,3 Prozent (- 176 Getötete).  Dagegen nahm die Zahl der getöteten Pedelec-Fahrerinnen und -Fahrer  um 22 (19,1 Prozent) auf 137 Personen zu.

Fazit: Nur Pedelec-Fahrer leben gefährlicher

Bemerkenswert an der AMS-Untersuchung ist auch, dass es die meisten Verkehrstoten durch Unfälle auf Landstraßen gab, die strikt tempolimitiert sind. Hier starben 1.592 Menschen, das waren 58,6 Prozent aller Verkehrstoten. Autobahn-Unfälle dagegen gehen weiter zurück, sehr zum Leidwesen der Befürworter eines Tempolimits. Auf Autobahnen staben 2021 317 Menschen (11,7 Prozent aller Verkehrstoten).

Und noch folgende Fakten aus Bayern für die deutsche Verkehrspolitik sind bemerkenswert:

  • In Bayern nahm die Zahl der Verkehrsunfälle 2022 mit 375.700 gegenüber Normal-Jahr 2019 um knapp 10 Prozent weiter ab.
  • Mit 519 Toten sind in Bayern noch nie so wenige Menschen durch Verkehrsunfälle gestorben.
  • Das Problem sind die Landstraßen. Von den 519 Toten starben mit 315 mehr als die Hälfte auf Landstraßen, nicht auf Autobahnen. Hauptgründe: überhöhte Geschwindigkeit (91 Todesfälle) und Alkohol + Drogen (67 Todesfälle). 

Will die Verkehrspolitik in Deutschland die tödlichen Unfälle im Straßenverkehr durch hoheitliche Maßnahmen weiter einzuschränken versuchen – gegen menschliches Fehlverhalten und Dummheit ist kein behördliches Kraut gewachsen –, sind drei Maßnahmen sinnvoll:

  • Pedelecs sind technisch mit einem Geschwindigkeitslimit auszustatten;
  • Pedelec-Fahrer der Altersgruppe Ü60 müssen einen Nachweis erbringen (Quasi-Fahrprüfung), dass sie ein Pedelec beherrschen; ab Ü80 jährliche Kontrolle;
  • Geschwindigkeitsbeschränkungen auf BAB’s sind wenig zielführend, Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Landstraßen sind schärfer zu kontrollieren.
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Kommentare ( 63 )

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Keinweltretter
1 Jahr her

Ein Punkt, der nicht berücksichtigt wurde: Die rel. hohe Zahl der Verkehstoten auf Landstrassen hat auch eine nicht unwesentliche Ursache in den genau dort immer wieder vorkommenden Suiziden! Man acht nur einmal auf die doch ziemlich hohe Anzahl an Kreuzen an Bäumen von schnurgeraden Landstraßen.

E-Ingenieur
1 Jahr her

Was will dieser Artikel? Bashing von E-Bike-Fahrern? Soll den E-Bike-Fahrern ein neu gewonnenes Stück Lebensfreude vergällt werden? Oder soll von den eigentlichen Problemen abgelenkt werden? Zurück zum Thema: Destatis nennt für 2021 372/131 tote Radfahrer/E-Bike-Fahrer. Außerdem gab es ungefähr genau so viele Tote durch Ertrinken beim Baden und 13.595 Tote durch Unfälle im Haushalt. Was ist also gefährlicher: im Haushalt umzukommen oder beim E-Bike-Fahren? Wie kann eine Tendenz steigend sein, wenn sowohl die Zahl der Toten (-12,7%) als auch die Zahl der Verletzten (-8,5%) gegenüber 2020 abnimmt? Und dann kommen die Maßnahmen um die niedrige Anzahl der Toten zu reduzieren:… Mehr

Proffi
1 Jahr her

Im Allgemeinen ist die Hätschelung der Fahrradfahrer durch städtebauliche Maßnahmen ein Irrweg. Wer ist schon im Winter nachts mit dem Fahrrad unterwegs ?, Wer bei Regen und Nebel? Wer bei Schnee und Glatteis? Wer Wert auf gepflegte Kleidung legt, kann nicht lange mit dem Fahrrad unterwegs sein.
Hier soll eine das Klima auf eigene Weise schützen wollende Gruppe von Überzeugungstätern besonders bevorzugt behandelt werden, wohl weil ihre Mitglieder in Städten anscheinend eine verkehrsbehindernde Funktion ausüben sollen.

Igel
1 Jahr her

Die absoluten Zahlen über das gesamte letzte Jahrzehnt zu betrachten, ist mit großen Fehlern behaftet: Die ersten E-Bikes habe ich bei uns überhaupt erst etwa 2012 wahrgenommen, sodass mit dem steigenden Anteil der E-Bikes natürlich auch der Anteil bei den Unfällen steigt. Interessant wäre eine Betrachtung der Verletzungsschwere (neben Todesfolgenanteil z.B. Anzahl Krankenhaustage). Ansonsten sehe ich das Problem gespalten: Einerseits finde ich es gut, daß viel mehr Leute wieder in der Natur unterwegs sind – vor allem im Gebirge. Außerdem bekommt man im Alter ein Stück Mobilität zurück und man kann physische Unterschiede in einer Gruppe viel besser ausgleichen. Geselligkeit… Mehr

Nibelung
1 Jahr her

Pedelecs heute im TV wärmsten aufbereitet und empfohlen und nicht einmal ein Automobilclub ist sich zu fein, dabei mitzumischen, obwohl er ja für die Motorisierten deren Interessen vertreten sollte und da sieht man wie die grüne Krake schon lange überall ihr Tentakeln drin hat. Das wird erst spannend, wenn es Münsteraner Verhältnisse übersteigt und in Richtung Schanghai oder Kalkutta geht, wo dann das Zweiradfahren zum größten Abenteuer wird und man nicht weiß ob man noch den Tag überlebt. Wenn dann noch der Zustand des Unfalls eintritt, wie es dort eben üblich ist, daß die anderen dann drumherum fahren um schnell… Mehr

ae01
1 Jahr her

Wenn ich mit meinem 25 km/h schnellen E-Bike (mit super solidem Rahmen, Voll-Federung und Top-Bremsen) ab 60 einen Führerschein brauche, verlange ich sofort Rente ohne Abschlag ab 60!

Anglesachse
1 Jahr her

Ach, da muss ich auch noch mein „Senf dazugeben“: Hier hab ich nun viele „manuelle“ Fahrradfahrer-Kommentare gelesen…stimmt natürlich. Ich bin 65 und ein 125er-Motorradfahrer (Schnitt:50-60Km/h) und was ich so lokal an Rüchsichtslosigkeit auf dem Lande durch „Städter“ und im Stadtverkehr erlebe und parieren muss…ich hab g-ttseidank erstklassige Scheibenbremsen!!! alleine 2022: 2x geschnitten und abgedrängelt! 1x ausgebremst..warum? 1x durch „Rückwärts-Ausparker“ beinahe umgesemmelt. klassische Radfahrer und Fussgänger stehen also nicht alleine da. Heute geht es nach dem SUV-Motto: „Wer nicht mitbrettert, wird an den Bordstein gedrängelt“. Grüsschen an alle Chopper-Fans und Bummler“ Ulli (Alt-Rocker) REM: ich gehöre zu der Generation, die in… Mehr

Robert Tiel
1 Jahr her

Seltsamerweise fällt mir eine andere Gruppe auf:
Große, junge Männer, 30-40, die mit hoher Geschwindigkeit auf gemischten Wegen, gern auch im Wald und gern auch mit Lastenaufsatz und Kindern drin, unterwegs sind.
Ohne Rücksicht auf Fußgänger, kleine Kinder und Hunde.

Icarus
1 Jahr her

Die Forderung nach einer Quasi-Fahrprüfung für Ü60 ist nichts anderes als eine Altersdiskriminierung. Weiterhin gehört der Autor offensichtlich der immer größer werdenden Gruppe an, die ein BETREUTES DENKEN UND HANDELN fordern. Zudem sollte er einmal darüber nachdenken, ob nicht eine zunehmende Zahl von Pedelec-Fahrern zwangsläufig mit einer zunehmenden Unfallrate korreliert.

Hundefan
1 Jahr her

Ich selbst bin begeisterer Radsportler (aber alles „natural“, d.h. ohne jegliche E-Unterstützung). Ich finde die Technik durchaus sinnvoll, es hat viellleicht viele Menschen Radtouren ermöglicht, die vielleicht sonst nur auf der Couch geblieben wären. Mein Vater hat es ermöglicht, noch schöne Radtouren zu unternehmen..die ihm ansonsten vorenthalten würden.. Aber…es ist leider so, das ich viele (ich nenne sie mal „Untrainierte“) sehe, die teilweise mit Tempi unterwegs sind…an manchen Stellen würde ich selbst da auf keinen Fall so schnell fahren und ich bin ein sehr umsichtiger,sicherer und erfahrener Radfahrer…der, wenn möglich auch ganz gut Tempo macht. Aber IMMER so, das ich… Mehr