Mehr abgegebene Stimmen als Wähler

Laut vorläufigem Wahlergebnis wurden in Berlin mehr Stimmen abgegeben, als Wähler in den Wahllokalen waren.

IMAGO / Emmanuele Contini

In den Berliner Wahllokalen häufen sich die Ungereimtheiten. Nachdem schon in der vergangenen Woche immer wieder Stimmen für ein Wahllokal in Lichtenberg auftauchten, meldete am Samstag die taz, dass in einigen Berliner Wahllokalen mehr Stimmen abgegeben wurden, als Wähler im Lokal waren. Darin bezieht sich die taz auf den vorläufigen Bericht des Landeswahlleiters, den das Statistische Landesamt veröffentlicht hat.

Die taz berichtet von 1.248 Erststimmen und 726 Zweitstimmen mehr, als Wähler in den Wahllokalen waren. In einem Wahllokal in Steglitz-Zehlendorf zum Beispiel sollen 375 Stimmen abgegeben worden sein – obwohl nur 275 Wähler registriert wurden. Ein anderes Beispiel der taz nennt 59 Zweitstimmen zu viel.

Im vorläufigen Bericht des Landeswahlleiters wird dieses Problem statistisch kaschiert. Diesen Zahlen zufolge gingen zum Beispiel im Wahlkreis Mitte 7, den die Grüne Laura Neugebauer gewann, 14.359 Bürger zur Wahl. Laut vorläufigem Ergebnis wurden aber 14.366 Erststimmen abgegeben. Macht eine Differenz von 7 Stimmen. Weitere Unstimmigkeiten:

  • In Friedrichshain-Kreuzberg 1 (Gewinner Katrin Schmidberger, Grüne), wurden 18.546 Wähler gezählt, aber 18.547 Zweitstimmen abgegeben.
  • In Friedrichshain-Kreuzberg 2 (Gewinner Marianne Burkert-Eulitz, Grüne) wurden 12 Erststimmen mehr abgegeben, als Wähler verzeichnet wurden.
  • Friedrichshain-Kreuzberg 4 (Gewinner Damiano Valgolio, DIE LINKE): 2 Erststimmen zu viel;
  • Friedrichshain-Kreuzberg 5 (Gewinner Vasili Franco, Grüne): 3 Erststimmen und 2 Zweitstimmen zu viel;
  • Spandau 3 (Gewinner Kerstin Brauner, CDU): 14 Erststimmen zu viel;
  • Spandau 5 (Gewinner Kai Wegner, CDU): 3 Erststimmen zu viel;
  • Steglitz-Zehlendorf 2 (Tom Jan Filip Cywinski, CDU): 73 Erststimmen und 84 Zweitstimmen zu viel;
  • Tempelhof-Schöneberg 6 (Gewinner Scott Körber, CDU): 11 Erststimmen zu viel;
  • Mahrzahn-Hellersdorf 5 (Gewinner Katharina Günther-Wünsch, CDU): 22 Erststimmen zu viel;
  • Lichtenberg 4 (Gewinner Sebastian Schlüsselburg, DIE LINKE): 1 Zweitstimme zu viel.

Die übrigen Ungenauigkeiten werden durch die Aggregierung von Wahllokalen zu Wahlkreisen kaschiert. Denn üblicherweise werden weniger Stimmen abgegeben, als Wähler registriert sind. Wahllokale, in denen die Ergebnisse stimmen – mit weniger oder gleich vielen abgegebenen Stimmen wie Wählern –, verdecken in der Summe die Wahllokale, in denen es zu Problemen kommt.

Unter diesem Aspekt ist auch der Wahlkreis Neukölln 1 verdächtig. In diesem wurden 19.092 Erststimmen abgegeben – und exakt 19.092 Personen gingen zur Wahl. Kein einziger Briefwähler vergaß seinen Brief rechtzeitig aufzugeben? Möglich, aber unwahrscheinlich.

Der taz gegenüber bestätigte Wahlleiter Stephan Bröchler die Differenz und sagte, dass die Bezirksämter dabei seien, „Schnellmeldungen aus den betroffenen Wahllokalen und Wahlniederschriften zu prüfen“. Das Ergebnisse in den Wochen nach der Wahl korrigiert werden müssen, weil zum Beispiel Erfassungsfehler gefunden werden, so Bröchler, sei etwas ganz Normales. Das endgültige Ergebnis wird am 27. Februar verkündet.

Damit ist in der Berlin die Frage des Oberbürgermeisters noch immer in der Schwebe. Franziska Giffey leitet aus 127 Stimmen Vorsprung der SPD gegenüber den Grünen ab, dass die SPD eine rot-grün-rote Koalition führen würde.


In eigener Sache: Roland Tichy, Herausgeber von TE, hat eine Initiative gegründet, um die Wiederholung der Bundestagswahl in allen Berliner Bezirken einzuklagen. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wird von Verfassungsrechtler Ulrich Vosgerau im Namen von zwei Tichys-Einblick-Lesern geführt. Die Finanzierung hat „Atlas – Initiative für Recht und Freiheit“ übernommen.

Die von TE eingereichte Wahlprüfungsbeschwerde ist dem Bundesverfassungsgericht am 5. Januar per Fax und am 7. Januar per Brief zugegangen. Am Donnerstag, dem 26. Januar, hat das Gericht den fristgerechten Eingang bestätigt und der Beschwerde ein Aktenzeichen (2 BvC 15/23) gegeben.

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Kommentare ( 70 )

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Querdenker73
1 Jahr her

Nach dem „Vollzug“ der Wiedervereinigung wurde natürlich auch die bundesdeutsche Gerechtigkeit in den Osten importiert. Dazu gehörte auch, dass der Dresdener SED – Bezirkschef wegen Wahlbetrug angeklagt und verurteilt wurde. Er hatte wohl mehr als 100% Wahlbeteiligte! Da staunten wir nicht schlecht und es machte Mut, für das neue System einzugestehen. Dass 30 Jahre später das Gleiche in Berlin passiert und von einigen Abgeordneten sogar die Wahlwiederholung boykottiert wurde, um an den Pfründen der Macht zu bleiben, ist auch beeindruckend. Denn Modrow’s Bande wollte ja damals auch nur an der Macht bleiben. Aber was ist nur mit der Demokratie in… Mehr

Walter Eiden
1 Jahr her

Im Beitrag kurz erwähnt möchte ich dennoch nochmals die Aufmerksamkeit darauf lenken um die Dimensionen afzuzeigen. Theoretisch möglich aber fernab jeder Realität dass jeder Wahlberechtigte auch von seiner Wahlmöglichkeit gebrauch macht, also eine Wahlbeteiligung von 100% (und eben mehr) vorliegt. Nimmt man nun großzügig eine Wahlbeteiligung von 70% an sind es eben, je nach Größe des Wahlbezirks, nicht nur ergaunerte Stmmen im zwei- oder dreistelligen Bereich. Nimmt man das Beispiel Neukölln dann läge der Anteil der „Stimmen aus dem Jenseits“ bei knapp 6.000. Das wird nicht eben mal dadurch erreicht dass ein paar Wähler die Breifwahlunterlagen doppelt erhalten und abgegeben… Mehr

fatherted
1 Jahr her

Das Schlimme ist ja….das die Mehrzähligen Stimmen eigentlich nur den Hinweis darauf geben, dass die Wahl/Stimmzettel manipuliert wurden…..wenn schon zu viele Stimmen da sind…..wer will dann sagen, was noch alles manipuliert wurde….wie viele Stimmen….“dazu gekippt“ bzw. „ausgetauscht“ wurden?

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Nicht die Wähler bestimmen, wer eine Wahl gewinnt, sondern diejenigen, die die Stimmen auszählen. Da in unserem Heimatland eine sozialistische Ökodiktatur errichtet werden soll, übt man halt noch bei den Wahlen, damit man irgendwann den DDR-Standard erreicht. An der Perfektion, die die DDR-Kommunisten in diesem Metier erlangt hatten, muss man halt noch arbeiten. Aber man ist auf einem guten Weg. Die Wahl in Berlin bestätigt dies. 🙂

Lacantun
1 Jahr her

So ist das halt im „besten Deutschland aller Zeiten“. Da klappen nicht einmal mehr die Wahlen. Aber Berlin wäre ja auch nicht Berlin, wenn da tatsächlich etwas funktionieren würde. Diese Stadt auszumisten ist eine Aufgabe, die wahrscheinlich nicht einmal Herkules schaffen würde.

Frank G.aus D.
1 Jahr her

Haben da wieder einige „Wahlhelfer“ bei der Wahl nachgeholfen?
Es dürfte doch ein leichtes sein kurz vor Ende der Wahl die Urnen zu füllen wenn kein AFD`ler zuschaut.
Natürlich nur im Namen der Demokratie.
Diesen Manipulateuren ist ihr mikriges nutzloses Leben eben mehr wert wie die Demokratie die sie mit solchen Taten zerstören..

Horologe
1 Jahr her

Solche Wahlschlampereien gab es in der DDR nicht. Die Anzahl der Wahlzettel stimmte immer mit den abgegebenen Stimmen peinlichst genau überein. Es wurde lediglich bei Bedarf die Grundaussage auf dem Wahlzettel “ umgewidmet „. Und das immer sehr „behutsam“ mit einem Gesamtergebnis von ca. 98,5 % Zustimmung für die Parteien der sogenannten Nationalen Front unter Führung der SED. 100 % waren selbst den Genossen zu auffällig. Vielleicht sollte man in Berlin vor der nächsten Wahl mal Egon Krenz als Wahlberater engagieren. Der weiß wie man so etwas ohne große Pannen hinbekommt.

Ronny
1 Jahr her

Bei einer Wahlbeteiligung von insgesamt 63% (2021 waren es 75%) muss sich der Anteil der Nichtwähler in jedem Wahllokal auch deutlich widerspiegeln! Ich hau jetzt mal einen Bereich zwischen 15 und 50 Prozent in den Raum. Wenn dann im „politisch so interessierten“ Wahlkreis Neukölln 1 alle registrierten Wähler angetreten sind…naja
Die anderen Unstimmigkeiten lassen sich durch Fehler beim Austausch von unliebsamen Wahlzetteln erklären oder bei größeren Differenzen haben paar genehme Wahlzettel schon vor Aufschluss der Wahllokale in den Müllto… ähm Wahlurnen gelegen.
Für mich sieht es nach dem größten Wahlbetrug in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte aus.

Matthias F.
1 Jahr her

Interessant ist, dass die Abweichung in den meisten Fällen genau dort sehr hoch ist, wo die CDU die Nase vorn hatte. Kann das Zufall sein?

Michael Palusch
1 Jahr her

Hab’s mit den Originaldaten
https://wahlen-berlin.de/wahlen/BE2023/AFSPRAES/agh/DE/Datenexport_AGH2023_*_W_BE.csv
nachgerechnet und bis auf

Mahrzahn-Hellersdorf 5 (Gewinner Katharina Günther-Wünsch, CDU): 22 Erststimmen zu viel

stimmen die Angaben im Text.
Marzahn-Hellersdorf 5 (eigene Berechnung):
Wähler: 25.650
Gültig: 25.414
Ungültig: 158
abgeg. Gesamt:25.572

Die übrigen Ungenauigkeiten werden durch die Aggregierung von Wahllokalen zu Wahlkreisen kaschiert.

Auch das entspricht den Tatsachen.
Bei den Erststimmen gibt es 125 Wahlbezirke in denen insgesamt 749 Stimmen mehr abgegeben wurden als Wähler ausgewiesen sind und bei den Zweitstimmen sind es 67 Wahlbezirke mit insgesamt 338 Stimmen.

Last edited 1 Jahr her by Michael Palusch