Landesregierung und Verbände greifen Weimarer Richter an

Die Staatsanwaltschaft prüft, gegen den Richter in Weimar zu ermitteln, der Corona-Restriktionen an zwei Schulen kippte. Das Bildungsministerium macht auch mobil. Die Exekutive will also die Judikative kontrollieren. In einem Rechtsstaat ist das Gegenteil vorgesehen.

IMAGO / Steve Bauerschmidt
Amtsgericht Weimar

Jüngst hatte ein Gericht in Weimar die Maskenpflicht an zwei Schulen per einstweiliger Verfügung aufgehoben. Auf 200 Seiten hatte der Richter dargelegt, dass sich aus den Hygieneregeln eine Kindeswohlgefährdung ergebe. Der Beschluss verbietet Schulleitungen, Schutzmasken, Mindestabstände und Corona-Tests vorzuschreiben. Das rot-rot-grüne Bildungsministerium in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt geht inzwischen gegen den Beschluss vor – mit eifriger Schützenhilfe aus Verbänden und Medien. Der Richter habe seine Amtsbefugnisse überschritten, argumentiert die Staatsregierung und meldete „gravierende verfahrensrechtliche Zweifel“ an.

Gegen den Richter sind nun bereits drei Anzeigen wegen Rechtsbeugung eingegangen. Laut Oberstaatsanwalt Hannes Grünseisen wird nun geprüft, ob die Vorwürfe ein Ermittlungsverfahren rechtfertigen, heißt es im Spiegel, der bereits ordentlich gegen den Richter trommelt. Ein Vorwurf aus der Thüringischen Allgemeinen: Die Kläger sollen gezielt in Telegramgruppen nach Kindern deren Nachnamen mit bestimmten Buchstaben gesucht haben, damit deren Klagen dann jenem Richter zufallen. Dazu zitiert der Spiegel dann noch die „neue Richtervereinigung“, die wohl als vermeintlich juristische Autorität den Fall passend als „unhaltbar“ kommentiert. Dass dieser Verband ein dezidiert politisierter Richterbund ist und proklamiert, dass die Ausübung des Amtes als Richter oder Staatsanwalt immer eine „gesellschaftspolitische Relevanz“ habe und daher politisch sei – das muss der Spiegel-Leser offenbar nicht erfahren.

Nach infrage stellenden Bemerkungen zum Bundeslockdown, der pauschal etliche Grundrechte aushebelt, sucht man indes vergeblich. Seit wann ist es eigentlich die Aufgabe der Regierung die Gerichte zu kontrollieren – war es nicht im Rechtsstaat andersherum gedacht?

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Kommentare ( 57 )

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over stag
3 Jahre her

Die Links-Wendung der Kontrolle der Rechtsprechung durch eine sich selbst ermächtigende Regierung anstelle der rechtsstaatlichen Kontrolle der Regierung durch die Rechtsprechung macht den Unterschied zwischen der alten BRD und der neuen DDR-2.0 aus.

18246
3 Jahre her

„Die Exekutive will also die Judikative kontrollieren. In einem Rechtsstaat ist das Gegenteil vorgesehen. Seit wann ist es eigentlich die Aufgabe der Regierung die Gerichte zu kontrollieren – war es nicht im Rechtsstaat andersherum gedacht?“ ?…nun ja, das ist der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit, inzwischen sollte es eigentlich jeder wissen,daß die so genannte „Unabhängigkeit der Justiz“ in Deutschland real nicht existiert und das wohlgemerkt seit Gründung der BRD. Die Gewaltenteilung der Bundesrepublik existiert nur auf dem Papier, weshalb es in Deutschland auch nie geben wird,daß die Staatsanwaltschaft wie in Italien ungebremst gegen Politiker ermitteln kann. Das Dilemma der Gewaltenteilung… Mehr

Andreas aus E.
3 Jahre her

„neue Richtervereinigung“? Alles klar, klingt wie „neue deutsche Medienmacher“.

Albert Pflueger
3 Jahre her

Die gezielte Suche nach Klägern ist doch gängige Praxis der Verfassungsrichterin Baer. Was ist dagegen zu sagen, wenn andere Leute das auch machen? Immerhin hat nicht der Richter Kläger gesucht, oder wäre das besser gewesen?

Karl Schmidt
3 Jahre her

Vorhang auf für die Einschüchterungskampagne im besten Deutschland, in dem wir je gelebt haben. Das Ziel ist dabei nicht der Richter, der es noch wagt, im Deutschland der linken Netzwerke das Recht tatsächlich anzuwenden. Gemeint sind die Richter, die sich noch trauen könnten, es ihrem Kollegen gleich zu tun. Wieder sind die Relotiusse ganz vorn dabei, wenn es darum geht Demokratie, Recht und die Pluralität zu zerstören und politische Kampagnen gegen Bürger zu entfachen, sie fachlich und charakterlich herabzusetzen. Hetze gibt es aber natürlich nur beim politischen Gegner – das versteht sich ja wohl von selbst.

Chris Groll
3 Jahre her

Danke den Richtern. Das ist heute leider nicht mehr selbstverständlich, dass nach Recht und Gesetz geurteilt wird.

nachgefragt
3 Jahre her

Artikel 19 Absatz 4 wurde in einem heutigen Urteil des BVerfG 2 BvR 194/20 noch einmal ausdrücklich hervorgehoben: Zitat: „3. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer überdies in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Daraus folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen.“ (Hervorhebung von mir) Eine kleine Hoffnung habe ich, dass das BVerfG, wie in diesem Fall in Bayern einem Landgericht und Obersten Landesgerichtes, auch den untätigen Verwaltungsgerichten, die sich einzig… Mehr

pcn
3 Jahre her

Das linksfaschistische Deutschland lebt! Mehrere Jahrzehnte hat es gebraucht, dass das im Untergrund schwelende Buschfeuer, von dem man sagte, es sei gelöscht, sich endlich an der Oberfläche zeigen darf, und den Rechtsstaat nun systematisch verbrennt.
Möglicherweise war und ist dieses Volk niemals bereit für einen wirklich funktionierenden freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat gewesen. Deutschland zu einem solchen machen zu wollen war vergebliche Liebesmüh` gutwilliger Mütter und Väter des 1948 in Kraft gesetzten Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.

Last edited 3 Jahre her by pcn
dertreckerfahrer
3 Jahre her

Es ist bald soweit: Die goldenen 30 + 40 Jahre lassen grüßen.
Der deutsche “ Rechtsstaat “ zeigt mit nacktem, erhobenen Finger auf Polen und Ungarn, prangert die Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Gerichte in den Ländern an.
Pfui Deibel – fasst Euch einmal an die eigene Nase! Der Fisch stinkt immer vom Kopf heran. Daran sollten sich auch die deutschen Qualitätsmedien denken bevor wieder irgendwelcher Blödsinn gedruckt wird.

Physis
3 Jahre her

Ich gebe ganz ehrlich zu, dass ich bis heute nicht wusste, dass man Richter ob ihrer Urteile anklagen kann!
Das Maximum der Kritik an einem Richter vermutete ich bislang jedenfalls in der Ablehnung wegen Befangenheit, oder wenn ein Richter Rechtsbeugung begangen hat.
Aber Verfahrensfehler bei einer 200 (!) seitigen Urteilsbegründung?
Was geht eigentlich in diesem Land ab…???