In Europas Regierungen wächst Widerstand gegen die EU-Zwangssanierung

Nicht nur SPD-Bauministerin Klara Geywitz und der Koalitionspartner FDP haben jetzt ihren Widerstand gegen die von der EU geplante Zwangssanierung von Wohnimmobilien deutlich gemacht. Auch aus der italienischen Regierung kommt eine klare Absage an Brüssels grüne Pläne.

IMAGO / Future Image
Bundesbauministerin Klara Geywitz im Deutschen Bundestag, Berlin, 16.03.2023

Italiens Regierungspartei Lega hat ebenso wie Deutschlands Bauministerin Klara Geywitz (SPD) scharfe Kritik an dem EU-Beschluss geübt, der Zwangssanierungen von Häusern und Wohnungen zum Zweck des Klimaschutzes vorsieht. So formiert sich ein lagerübergreifender Widerstand in mehreren Mitgliedsstaaten. Unter anderem auch Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat seine Ablehnung klar gemacht: Hier werden Regeln für 27 Länder beschlossen, die gar nicht umsetzbar und damit völlig weltfremd sind. Nehammer verband das auch mit einer Generalkritik an der EU und ihrem Parlament, das sich mitunter im Klein-klein verliere.

In Deutschland geht, nachdem FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler die Unterstützung seiner Partei für Geywitz’ Widerstand deutlich machte, der Riss durch die Ampel selbst. Die Grünen scheinen nicht nur der Kritik aus der Opposition, sondern auch einem innerkoalitionärem Bündnis von FDP und SPD gegenüber zu stehen. In Brüssel verläuft der Riss unter anderem zwischen dem CSU-Politiker und EVP-Präsidenten Manfred Weber und der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (deren CDU-Mitgliedschaft allerdings ruht).

LNG-Irrsinn
Rügen: Eine Insel wehrt sich gegen Robert Habeck
In Italiens Regierung ist es ebenso wie beim Kampf gegen das EU-Verbrenner-Aus der kleinere (aber im EU-Parlament deutlich größere) Koalitionspartner Lega, der zur Speerspitze des Widerstands gegen grün motivierte EU-Politik wird. Führende Lega-Politiker wie der Delegationsleiter im EU-Parlament Marco Campomenosi und der Chef der ID-Fraktion Marco Zanni haben in einem gemeinsamen Statement klar gemacht, dass Italien ähnlich wie beim Verbrenner-Aus dieses Vorhaben der EU aufhalten will:

„Die EU, angeführt von einer zunehmend ideologischen Linken und weit entfernt von der Realität, gibt grünes Licht für einen Angriff auf italienische Häuser. Das Europäische Parlament billigt die Wohnungsbaurichtlinie, eine sachlich und methodisch falsche Bestimmung, ein verdecktes EU-Eigentumsrecht ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Gebäudebestands unseres Landes und ohne Rücksicht auf die Anforderungen der betreffenden Gebäude-Kategorien“. Die vom EU-Parlament gebilligte Richtlinie sei ein „schwerer Schlag für Italien, für unsere Unternehmen und für unsere Arbeitnehmer, denen von oben neue Lasten und neue Auflagen auferlegt werden, mit Kosten von Zehntausenden von Euro auf den Schultern jeder italienischen Familie“. Man sei auch für Umweltschutz und teile die Ziele, aber die Fristen und Methoden seien nicht akzeptabel. „Wie beim Autoverbot ab 2035 hoffen wir, dass die Verhandlungen diesem Euro-Wahnsinn ein Ende setzen können: Der Kampf um die Verteidigung italienischer Häuser endet hier nicht.“ 

Die Worte von FDP-Fraktionsvize Köhler klingen nicht völlig anders: Es ist gut, dass nun auch die Sozialdemokraten den sozialen Sprengstoff erkannt haben und sich der Kritik aus der FDP anschließen, sagte er der Bild. Die Liberalen stünden bereit, gemeinsam mit der SPD für die Rechte der Hausbesitzer und gegen eine Überforderung der Mieter durch immer höhere Auflagen und Kosten zu kämpfen.

Deutschland, nüchtern und emotionslos gesehen
Deutschland am Kipppunkt – oder: die Folgen totalitärer Ideologie
Köhler verband das auch mit dem Ruf nach einer Änderung der Vorhaben von Robert Habeck zum Verbot von Verbrennungsheizungen für Wohnhäuser: Wenn es Frau Geywitz ernst damit ist, erwarte ich nun aber auch erhebliche Änderungen am Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes, den sie gemeinsam mit Wirtschaftsminister Habeck vorgelegt hat. Dieser enthalte eine Reihe von zusätzlichen Belastungen, die so nicht hinnehmbar seien, sagte der FDP-Politiker weiter. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte am Wochenende in der Bild am Sonntag zugleich auch eine Abmilderung der scharfen Regulierungen im Heizungsbereich verlangt.

Geywitz hatte zuvor im Deutschlandfunk gesagt, sie halte es mit dem Grundgesetz nicht für vereinbar, dass man per Gesetz einen Sanierungszwang macht“. Das sei ein absolut harter Eingriff in die Eigentumsrechte der Hausbesitzer und unverhältnismäßig.

Die Union schaltet sich indes mit eigenen Vorschlägen zur Senkung der Emissionen im Gebäudesektor in die Debatte ein – mit dem Tenor: staatliche Anreize statt Zwang. In Bild forderte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, einen Klimabonus für den Austausch alter Heizungen in Höhe von 80 Prozent der Kosten und eine Abwrackprämie für Energiefresser.

Die Richtlinie der EU sieht vor, dass alle neu zu bauenden Wohnimmobilien bis 2030 emissionsfrei sein müssen. Und bis 2033 sollen alle bestehenden Wohngebäude  mindestens die Energieeffizienzklasse D erreicht haben, das heißt einen Energiebedarf von höchstens 130 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter Nutzfläche (m2a). Laut einer Studie des Immobiliendienstleisters McMakler müssten demnach etwa 54 Prozent der deutschen Wohnimmobilien bis 2033 saniert werden, um eine Energieklasse von D oder höher zu erreichen. Allerdings weisen die Immobiliendienstleister darauf hin, dass rund 60 Prozent der Eigentümer überhaupt nicht wissen, welche Energieklasse ihr Gebäude überhaupt hat.

(mit Material von dts)

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 51 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

51 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
libelle
1 Jahr her

Es ist ein Paradox, dass viele Gesetze in Deutschland nicht erlassen oder umgesetzt werden mit dem Verweis, dass dies nur gehe auf dem Wege der Harmonisierung also der Gleichmachung des europäischen Rechtes. Mit der nunmehrigen Disharmonisierung des EU-Umweltrechtes, der Unterscheidung, die bei der Sanierung getroffen werden soll, dass nicht alle EU-Staaten die gleichen Umweltstandards durchsetzen müssen, sondern die, welche beim Umweltschutz bereits in kostspielige Vorleistung gingen, zu Lasten ihrer Bürger wie z.b.: Deutschland, auf diese Vorleistungen noch drauf satteln müssen, wiederum zum Schaden ihrer Bürger, entlarvt dass die gesamte EU eine Institution ist die eine über die allgemeinen Lasten aller EU-Staaten… Mehr

Britsch
1 Jahr her
Antworten an  libelle

Ist es nicht so,
daß z.B in Athen die Meßstalion für die „Schadstoffbelastung“ des Straßenverkehrs nicht dierekt neben der Straße stand, sondern auf dem Dach eines nicht gerade niedrigen Gebäudes.
Einhaltung hier so, wo andest quasi Absurdum?

Semmelknoedel
1 Jahr her

Sollten da in einigen Oberstübchen doch noch Reste von gesundem Menschenverstand überlebt haben?

AlexR
1 Jahr her

Deutschland wehrt sich gegen eine EU-Zwangsmaßnahme? Ich hab wohl nicht richtig gelesen!? Diese sog. Bundesregierungen stimmen doch sonst jeder noch so idiotischen EU-Maßnahme uneingeschränkt zu. Und wenn ein Volker Wissing zwei Worte bzgl. des vollkommen verblödeten Verbrennungsmotorverbotes in eine von der EU einseitig geänderte Regelung aufgenommen haben möchte, fordert Luisa, derer von Reemtsma, den Rücktritt des Ministers. Besser, sie aktivistiert mit ihrer ganzen Sippe in China, dann haben wir sie in kurzer Zeit endlich los.

humerd
1 Jahr her

Geywitz sagte im Interview mit dem Deutschlandfunk: „Ich persönlich halte das auch mit dem Grundgesetz nicht für vereinbar, dass man per Gesetz einen Sanierungszwang macht.“ Das sei „ein absolut harter Eingriff in die Eigentumsrechte der Hausbesitzer“ .
Habeck geht da subtiler vor: er verbietet Öl- und Gasheizungen, was die Immobilienbesitzer zur Zangssanierung zwingt. Schon ein wenig perfide, diese Regierung

Helfen.heilen.80
1 Jahr her

Das wird gern aus den Augen verloren: bei der grünen Transformation gibt es zwei Gewinner: 1) Überzeugte Klimaschützer, 2) Teile der Industrie, Handel, Investment. Sollten 54% der deutschen Immobilien als „renovierungsbedürftig“ deklariert werden, bedeutet das für einige Firmen eine Aussicht auf gute Umsätze in den nächsten Jahren. Das war zu keiner Zeit ein Geheimnis. Die grüne Transformation wurde oft genug als Innovationsmotor für den nächsten industriellen Zyklus begriffen. Sicher werden dabei auch neue Arbeitsplätze geschaffen, also kann man nicht sagen, dass die Entwicklung allein zu Ungunsten der „kleinen Leute“ geht. Allerdings scheint es, als werde es erheblich zuviele ökonomische Verlierer… Mehr

Bernd Geiss
1 Jahr her

Ich möchte mal an Beispiel meines Hauses darlegen mit welchem Aufwand ich im Baujahr 2008 des Hauses gerade noch so die Klasse D 127KW\qm erreichen würde. Das Haus hat keinen Keller. Dämmung unter der Bodenplatte 10cm Styrodur, auf der Bodenplatte 20cm Styropor. Außenwände 24cm Poroton Dämmstein plus 14cm Vollwärmeschutz. Fenster dreifach verglast. Dach 30cm Dämmung. Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und integrierter Brauchwasserwärmepumpe. Heizung ein Pelletofen. 10KWp Fotovoltaikanlage mit 9,5 Kw Batterie. Ich bin vom Fach (40Jahre Bauleiter) und sage ein Haus, dass 30 Jahre und älter ist, ist nicht auf die Stufe D nachrüstbar. Da bleibt nur noch abreißen und neu… Mehr

Freigeistiger
1 Jahr her

Es ist gut, wenn die grünen Klima-Ideologen den Bogen völlig überspannen, denn im Gegensatz zu angeblichen Klima-Kipp-Punkten sind soziale Kipp-Punkte eine Realität und die sind dann erreicht, wenn Millionen Bürger ihre existenziellen Bedürfnisse ernsthaft bedroht sehen. Dann interessiert sich kaum mehr jemand für den propagierten anthropogenen Klimawandel und diese epochale Lüge wird verworfen werden. Damit bricht die legitimatorische Basis der Herrschaft der grün-globalistischen Diktatoren in sich zusammen und die Welt wird befreit aufatmen.

Richy
1 Jahr her
Antworten an  Freigeistiger

Schön wäre es. Aber ich glaube nicht daran. Der deutsche Michel glaubt doch alles, was ihm die ÖRRen vorsetzen, die von diesen links-grünen Laien unterwandert sind und mit den Zwangsgebühren kostenlose Werbung für Habeck & Co. machen. Die Opposition wird ausgeschaltet und eine Minderheit stellt die Weichen für die Mehrheit. Das hatten wir in jüngerer Vergangenheit unter brauner und roter Farbe schon zweimal in Deutschland, 1933 im damaligen Gesamtdeutschland und nach 1945 in der DDR.

DerHerbert
1 Jahr her

Ob man noch erleben darf, dass sich in der EU wieder um wirkliche Probleme gekümmert wird? Es kann doch nicht sein dass man sich dort im Parlament nur noch um grüne Hirngespinste kümmert, die man nur noch unter aufbietung aller Kräfte verhindern kann, damit nicht der komplette Kontinent in die totale Verarmung rutscht.

Thorben-Friedrich Dohms
1 Jahr her

Da bekommen Politiker kalte Füsse, weil sie überhaupt nicht verstanden haben, was ihre Kollegen in der EU da auf den Weg gebracht haben. Jetzt haben Sie, wie so oft, schlicht Angst vor dem Wähler. Nach der Vernichtung langfristig angesparter Barmittel duch die Niedrigstzinsen, soll jetzt eine zweite wichtige Säule eigenverantwortlicher Altersvorsorge geschleift werden. Diese Regierung setzt den Kampf der Groko gegen die eigene Bevölkerung in verschärftem Tempo fort.

Thorben-Friedrich Dohms
1 Jahr her

sie nicht Sie, sorry!

Biskaborn
1 Jahr her

Aber alle betonen, das Klima damit retten zu können. Damit fängt doch der eigentliche Blödsinn an. Weg mit diesem Thema wäre der erste Schritt hin zur Vernunft. Dann kann man überlegen wie man sich auf den Klimawandel einstellen muss und was für tatsächlichen Umweltschutz zu tun ist. Des Weiteren kann man viel, auch hinsichtlich Wärmedämmung, machen zur Reduzierung des Verbrauchs fossiler Energieträger. Das dann mit Anreizen, wie Boni, zu unterstützen ist durchaus sinnvoll.