Harry Belafonte im Alter von 96 Jahren verstorben

Harry Belafonte ist tot. Der Sänger ist in seinem Haus in Manhattan an einer Herzinsuffizienz gestorben, wie sein Sprecher Ken Sunshine der New York Times bestätigt hat. Diesen Beitrag haben wir im März anlässlich seines 96. Geburtstags veröffentlicht. 

„Day-O“. Mit diesem Ausruf verbinden die Deutschen Harry Belafonte – dem Ausruf aus seinem „Banana Boat Song“, der einzigen Nummer eins, die Belafonte in den deutschen Charts schaffte. Vor fast 70 Jahren. Doch der gebürtige New Yorker steht für so viel mehr als diesen Hit: für sein begabtes Schauspiel. Für eine musikalische Bandbreite, wie kaum ein anderer populärer Star. Für die Förderung anderer großartiger Musiker wie Miriam Makeba, Nana Mouskouri oder Bob Dylan. Und für bürgerrechtliches Engagement.

Belafonte hat für sein Engagement in einer anderen Währung als dem heute für Linke üblichen Gratismut gezahlt. Wenn er mit befreundeten Sängern auf Tour war, musste er in anderen Hotels übernachten. Als Schwarzer. Noch in den frühen 80er Jahren deckt er im Linzer „City Club“ einen Skandal auf. Erst wird ihm der Eintritt verweigert, weil er einem stadtbekannten Schläger ähnele. Dann erkennen die Verantwortlichen, wen sie da vor sich haben und wollen ihn einlassen. Doch jetzt will Belafonte nicht mehr in den City Club, an dessen Eingang ein Schild hängt, nichtdeutschsprachige Menschen seien hier nicht willkommen.

Da ist Belafonte schon in einem Alter, in dem andere Sänger und Schauspieler über das Ende der Karriere nachdenken. Doch er macht weiter, erlebt gerade in den 90er Jahren den x-ten Frühling, um den y-ten auch noch nachzulegen. Wer weiß schon, wo Harry Belafonte seine Lebenskraft herholt. Mit ihr war er viel reicher beschenkt als die allermeisten anderen. Das hat ihn selbst offenen Rassismus immer wieder durchstehen lassen. Als er 1957 in „Heiße Erde“ eine Affäre mit Joan Fontaine darstellt, laufen amerikanische Nazis Sturm. In Tennessee wird der Film verboten, weil er gemischtrassige Beziehungen verherrliche. Doch es reichte sogar viel weniger, um Rassisten an die Decke gehen zu lassen. Als Petula Clark ihm 1968, im „Jahr der Liebe“, bei einem TV-Auftritt die Hand auf den Arm legt, geht ihr Theater wieder von vorne los.

In Gratismut hat Belafonte nie gezahlt. In der DDR ist er in den 80er Jahren ein gern gesehener Gast. Die linke Regierung versucht ihren Jungen das Leben hinter der Mauer schmackhaft zu machen, in dem sie westliche Popstars einlädt. Belafonte ist dafür nahezu ideal, da er sich immer wieder kritisch über seine Heimat USA äußert. 1983 wird er in Ost-Berlin von Journalisten zum Einmarsch der Army in Grenada befragt. Er liefert der linken Presse. Er sei gegen den Einmarsch – so wie er auch gegen den Einmarsch der UdSSR in Afghanistan sei. Wham. Ein echter Bürgerrechtler kuschelt nicht mit Regierungen und ihren Journalisten.

Harry Belafonte macht es seinen Fans nie leicht. Er kritisiert stark die Regierung von George W. Bush. Er spricht von dessen Sicherheitsapparat als neuer Gestapo. Das ist nach 2008 zwar wieder gesellschaftsfähig. Aber Belafonte lobt auch die sozialistischen Regime in Kuba oder Venezuela, egal wie viele Sympathien ihn das kostet. Zu viel hat der Sänger und Schauspieler gesehen, um bequem sein zu wollen. An der Seite von Martin Luther King und Robert Kennedy kämpft er gegen Rassismus und gegen den Krieg in Vietnam – und muss erleben, wie sie weggeschossen werden.

Das politische Engagement verdeckt Belafontes filmisches und musikalisches Werk. Doch mindestens Letzteres hat es verdient, nach vorne gestellt zu werden. Wegen seines Erfolges. Als Elvis Presley in den 50er Jahren Frank Sinatra verdrängte, konnte nur noch ein Schwarzer mit den Plattenverkäufen des Kings mithalten. 150 Millionen verkaufte Tonträger sind es heute. Belafonte brachte es den Spitznamen „King of Calypso“ ein – den er hasste. Aber auch wegen seiner Qualität bleibt Belafonte in Erinnerung. Seine Bandbreite ist viel größer als Calypso, umfasst von Jazz bis hin zur jüdischen Folklore eigentlich alle erdenklichen Richtungen.

Doch Vorsicht. Seine Musik ist nichts für Soja-Sören und Finn Thorben auf ihrer Suche nach einer steril politisch korrekten Welt. Belafontes Songs sind voller Lebensfreude – sexuelle Anspielungen und andere Unkorrektheiten gehören für ihn dazu. Etwa wenn die „Cocoanut Woman“ ihre Ware einpreist: „It could make you very tipsy / Make you feel like a gypsy / Coco got a lotta iron / Make you strong like a lion.“ Um es Finn Thorben schonend beizubringen: Es geht um Sex und um Ausdauer. Ähnlich in „Matilda“, die mit seinem Geld nach Venezuela durchbrennt: „Well, the money was just inside me bed / Stuck up in a pillow beneath me head.“ Wie sie an das Geld gekommen ist, kann sich dann eigentlich jeder erschließen. Also vielleicht jeder außer Soja-Sören.

Belafonte selbst war kein Kostverächter. Der Vater von vier Kindern konnte nicht nur wunderschöne Musik machen. Er sah auch zum Niederknien gut aus. Tut es mit nun 96 Jahren immer noch. Und dass Belafonte das offene Hemd als sein Markenzeichen etablierte, hatte nicht nur mit den Scheinwerfern auf der Bühne zu tun oder der Hitze, die sie erzeugen.

„Matilda“ oder „Cocoanut Woman“ sind Songs, zu denen sich auf der Autobahn bestens das Gaspedal durchdrücken oder montags schlechte Laune vertreiben lässt. Am schönsten aber singt Belafonte, wenn er melancholisch wird – von seinem „Island in the Sun“ träumt oder von „Jamaica Farewell“. Wer seine Version von „Mary’s Boy Child“ hört oder von „Merci Bon Dieu“, mag ihm im Museum der Musikgeschichte einen besonderen Platz einrichten – in einem Raum mit Elvis Presley, John Lennon oder Bob Dylan.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 13 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

13 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Wolfgang Schuckmann
11 Monate her

Für mich war Belafonte ein Künstler außer Konkurrenz. Zeit meines Lebens habe ich ihn als einen Leuchtturm einer Kultur gesehen, denen nur sehr wenige auch nur annähernd das Wasser reichen könnten. Belafonte war ein unbeugsamer Mensch mit Grundsätzen, die keiner verbiegen könnte. Von einer Medienmacht mehr geschnitten als gelitten ist er sich treu geblieben und man konnte ihn nicht korrumpieren. Das erklärt seine moralische Macht, die sich im Grunde als unantastbar herausgestellt hat. Für mich, als alter, weißer Mann war er einer der Größten seiner Zunft, dessen Größe aus seiner moralischen Standhaftigkeit erwuchs. Wo, bitte schön, haben wir vergleichbares in… Mehr

giesemann
11 Monate her
It is cool to be white
11 Monate her

Oh je, Lobhudelei auf einen negroiden anti-weißen Rassisten. Rückblickend könnte man sagen, er vertrat und propagierte gesellschaftstransformatorische Ziele NWO.

bkkopp
11 Monate her

Ich weiß, dass viele auch hier so denken, weshalb es auch gerne so stehen bleiben soll. ich kann es aber nicht unwidersprochen lassen. In den USA ist diese haßerfüllte Denkungsweise die Seele der MAGA-Welt – Save (the White Supremacy) America with God, Guns and Guts. Demografisch wird dies in den USA nichts ändern. Spätestens zur Jahrhundertmitte werden die weißen, europäisch-stämmigen Amerikaner weniger als 50% der Gesamtbevölkerung sein. Die Erinnerung an Harry Belafonte, und viele andere “ Woke „, die seit mehr als 100 Jahren Amerika und die Welt beglückt und bereichert haben, wird trotzdem unsterblich bleiben.

fatherted
11 Monate her
Antworten an  bkkopp

Das mit der Demografie stimmt zwar….nur werden es nicht die Schwarzen in den USA sein, die dem entgegenwirken….der Bevölkerungsanteil der Schwarzen in den USA erhöht sich fast gar nicht…sondern ist eher rückläufig. Es werden die Asiaten und Latinos sein die die nächsten 100 Jahre der USA bestimmen werden…..und…..MAGA hat vordergründig erst mal nichts mit White Supremacy zu tun…auch wenn einige KKK Leute sich mit Trump haben fotografieren lassen.

Ralf F.
11 Monate her

Sehr informativer und gut geschriebener Nachruf. Danke.
Leider habe ich ihn nie live erlebt.

Wellesz
11 Monate her

Ich schaue gerade zu Ehren von Harry Belafonte den Film „Odds Against Tomorrow“ aus dem Jahr 1958, da war Belafonte 31Jahre alt. OAT war einer der letzten klassischen Filme aus dem Genre ‚film noir‘. Die Musik stammt übrigens vom Modern Jazz Quartet.

Philokteta
11 Monate her

Die Musik Harry Belafontes begleitete mich schon durch meine Jugendzeit. Ich habe nie aufgehört, sie zu hören. Ich habe Harry Belafonte immer bewundert. Es ist nur schade, daß die heutige Jugend keine Ahnung davon hat, wer er war.

azaziel
11 Monate her

Harry Belafonte war vieles, aber vor allem war er ein feiner Mensch, von der Sorte, von denen es viel zu wenige gibt.

Andreas aus E.
11 Monate her

Den fand ich immer klasse, ich wünsche ihm nun gute Ruhe.

Maja Schneider
11 Monate her

Eine angemessene Würdigung dieses wunderbaren und vielseitigen Künstlers und Menschen Harry Belafonte, den wir zwei Mal live auf der Bühne ERLEBEN durften, über zwei Stunden sang (mit damals 70 Jahren), tanzte und moderierte er jedes Mal mit einer Ausstrahlung, einer Lebensfreude, menschlicher Wärme und einer Stimme, die wenn er sprach, immer etwas heiser klang, als Gesang jedoch auch im Bereich des Jazz so mitreißend war, dass man alles um sich herum vergessen konnte. Auch als ausgebildeter Schauspieler war er mehr als überzeugend, neben seiner Kunst wird sein Leben als Freund von Martin Luther King und als politisch engagierter Mensch Vielen… Mehr

elly
11 Monate her

Möge er in Frieden ruhen.