Gericht in Münster: Italien kein sicheres Herkunftsland für Asylbewerber

Das Verwaltungsgericht in Münster hat die Zurückführung zweier Migranten nach Italien untersagt. In Italien kann man es kaum fassen, von deutschen Richtern auf eine Stufe mit Schurkenstaaten gestellt zu werden.

IMAGO / Panthermedia

Wohl selten schafft ein deutsches Gericht, was dem Verwaltungsgericht in Münster gelang: Eine Entscheidung schaffte es in die italienischen Medien. Die Tageszeitung Il Giornale griff ein besondere Urteil auf, wonach zwei Asylbewerber, und demnach illegale Migranten, im letzten Moment nicht nach Italien zurückgeführt werden dürften. Die Zeitung titelte dann auch gleich: „Jetzt kommen uns die Deutschen auch bei den Migranten mit ihrer Moral“.

Laut den Münsteraner Richtern muss man in Zukunft eine inhumane Behandlung der eigentlich zu Unrecht in Deutschland befindlichen Asylsuchenden in Italien befürchten. Also stellte Italien von deutscher richterlicher Seite so dar, als herrsche dort Gefahr für Leib und Leben der zwei männlichen Migranten, zumindest aber eine unmenschliche Behandlung und Diskriminierung. In Italien, so muss man wohl die Richter verstehen, warte auf die zwei Afrikaner quasi die tägliche Tortur.

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Laut deutschen Berichten handelte es sich dabei um einen somalischen Staatsbürger und einen weiteren Mann aus Mali, die beide kein Anrecht darauf hatten, in Deutschland zu bleiben. Der Transfer, die Zurückführung per Flugzeug nach Italien, ist laut des Dublin-Verfahrens rechtens, da beide einst zuerst in Italien angekommen waren und ergo Italien über deren Asyl zu entscheiden habe, wurde damit ausgesetzt.

Das Dublin-Verfahren, nunmehr seit 30 Jahren in Gesetzestexte gegossen, benennt und regelt zwar ganz klar, welches Land, wann, wie und wo für die anlandenden Migranten zuständig sei. Unmut kommt aber stets bei den europäischen Mittelmeeranrainern auf, die eben am nächsten sind, und wo die Boote der illegalen Migranten, oder doch gleich die vermeintlichen NGO-Rettungsschiffe samt Schleuserauftrag, dann ankommen. Also fast immer in Italien, Griechenland, Spanien, aber auch auf Malta. Dank der offenen und durchlässigen europäischen Grenzen schaffen es aber viele Migranten dann ins attraktivere Deutschland.

Als ehemaliger Flüchtlingskoordinator und Integrationsbeauftragter kann ich aus zahlreichen Gesprächen und den dazugehörenden Biographien bezeugen, dass sehr viele Asylbewerber zuerst mindestens ein halbes bis zwei Jahre in Italien verweilten, bis sie auf Umwegen in Deutschland ankamen.

Sehr oft meinten sie, in Italien sei das Wetter zwar besser, die Leute zudem sehr warmherzig, doch in Deutschland würde es mehr finanzielle Unterstützung und Arbeit geben (wer so etwas wohl ständig erzählt? Schlaraffenland Germania als Narrativ), außerdem sei die italienische Polizei härter. Ja, klar, bei männlichen Delinquenten allemal.

Zurück zum Fall, der die Italiener sehr verwunderte, da es nur eine Frage der Zeit gewesen sei, bis die Männer wieder in Italien aufschlagen würden. Nun also doch nicht, da ja Italien zu unsicher sei, nach der neuesten Rechtslage aus Münster.

Italien wurde also tatsächlich mit einem Land gleichgesetzt, in dem die Menschenrechte nicht respektiert werden, und in dem Migranten misshandelt werden. In etwa wie in den bekannten Schurkenstaaten. Es ist nicht klar, auf welcher Grundlage die deutschen Richter ein solches Urteil erlassen haben. Eventuell ist es auf das Insistieren von Asylfreundeskreisen zurückzuführen, bis hin zu Anwälten, die sehr oft mit solchen Geschichten Lobbyarbeit betreiben, wie es der Autor dieser Zeilen oft erlebte; bereits 2017, auf einem Seminar und Netzwerktreffen, stufte ein Moderator und Kenner der Asylthematik, Italien, Ungarn und Griechenland als unsichere Länder ein.

Seit 2018 wurden im Schnitt jährlich bis zu 2000 Migranten zurückgeflogen, und es hätten sicher mehr sein können, würde man den Druck aufrechterhalten.  Doch wenn dieser Richterspruch Schule macht, dann wird man noch erleben, einmal abgesehen von dem gravierenden Imageschaden Italiens, dass das Land
gar einen sensationellen Rückgang der Flüge mit Migranten an Bord erleben könnte, die als Zielland Italien anvisiert hatten.

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Kommentare ( 101 )

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Henni
2 Jahre her

Wie war das nochmal, SPD überholt die CDU, die Grünen stabilisieren sich bei 17-20 % trotz Baerbock, die Linken sind auch nicht wirklich kleinzukriegen. Alles zusammen macht dieser linke Haufen etwas über 50 % und bestimmt damit den Kurs. Was man nicht ändern kann, sollte einem gelassen machen. Ich lebe in Deutschland mittlerweile so, wie z.B. in Mexico. Man schaut, das man im Dschungel seine eigenen Interessen rücksichtslos verfolgt. Man lebt in einer etwas gesicherteren Parallelwelt wo die Kinder in Privatschulen gehen usw.. Wer das nicht kann bleibt auf der Strecke.

elly
2 Jahre her

Es ging dem Gericht eben NICHT um Sicherheit, die Begründung lautete
„. In Italien drohe den Schutzsuchenden materielle Not, heißt es zur Begründung.  „Beide Kläger haben für den Fall ihrer Rückkehr nach Italien keinen Zugang zu einer Aufnahmeeinrichtung und einer damit verbundenen Versorgung. Ihnen steht in Italien kein Recht mehr auf Unterbringung zu“, heißt es in der Begründung. Auch würden die Kläger bei der derzeitigen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage in Italien keine Arbeit finden.“
Im Januar hatte das OVG bereits eine Rücküberstellung nach Griechenland durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus vergleichbaren Gründen untersagt. 

Martin Mueller
2 Jahre her

An solchen Urteilen lässt sich ermessen, wie sehr unser Land in eine politische und demokratische Schieflage geraten ist.

Ein Land wie Italien als humanitäre Diaspora abzustempeln und damit als
humanitäre demokratische Instanz zu delegitimieren, grenzt schon an Größenwahn. Heute marschieren wir mit moralischen Imperalismus in andere europäische Länder ein.
Dieses Urteil ist ein politisch und ideologisch motiviertes Urteil.

Und ich dachte, diese Zeiten mit Mündelrichtern hätten wir hinter uns…

Rob Roy
2 Jahre her

Mit unserer verbrecherischen Politikern sind wir ja eigentlich auch ein Schurkenstaat. Nur leider bleiben wir weiterhin das Traumziel Nummero Uno für Armutsflüchtlinge aus der ganzen Welt.

Maja Schneider
2 Jahre her

Hat hier die ganze Klarheit des deutschen Rechtsstaates wieder zugeschlagen? Nun wissen wir es: Deutschland und seine Moral sind nicht zu überbieten, und Italien ist ein „Schurkenstaat“! Nun wissen wir es! Es ist unfassbar, welche Entscheidungen unsere deutschen Richter in letzter Zeit fällen, angefangen beim Bundesverfassungsgericht. Man kann nur auf eine sehr massive Reaktion aus Italien hoffen, obwohl nicht davon auszugehen ist, dass es der Selbstgerechtigkeit der deutschen Politik oder Justiz einen ernsthaften Dämpfer versetzen wird.

Dieter
2 Jahre her

War das der selbe Richter, der Griechenland zum unsicheren Land erklärt hatte? Nicht genug Brot, Butter, Bett oder so ähnlich?

Martin Mueller
2 Jahre her

Jetzt sind die obersten deutschen Gerichte auch in der politisch korrekten Moralfalle gefangen beim Verbiegen des geltenden Rechtes.

Alle EU-Staaten seien sichere Herkunftsländer!

So steht es implizit im GG Artikel 16a Absatz 2,

Faktisch gilt Asyl nun als Einbahnstraße ins deutsche Sozialsystem. No Return, egal, was sie auch hier anstellen…

Der (moralische) Trick: Alle anderen Länder werden einfach zu Schurkenstaaten erklärt.

Die voll Gelckmeierten sind Michel und Michaela…

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Britsch
2 Jahre her

Jetzt sind also schon Staaten die in der EU sind, Gar sogar Italien unsichere Herkunftsländer?
Wird in Deutschland Italienern nach diesem Urteil nun Auch Asyl gewährt?
Können nun alle Italienische Taugenichtse kommen?
Bei uns werden sie besser versorgt und die Italienischen kassen werden entlastet?
Na nach diesem Urteil kann Italien ja Alle Asylbegehrer die in Italien anlanden und sind, getrost schnellstmöglich nach Deutschland durchleiten und Italiener die den Italienischen Staat Geld kosten gleich mit?
Nach diesem Urteil darf Niemand Derer zurück geschickt werden?
Es lebe Deutschland als EU Zahler

zweisteinke
2 Jahre her
Antworten an  Britsch

Genau DAS war von Anfang an das Vorhaben. Wir bezahlen Milliarden an Griechenland, Italien u.s.w für die“Aufnahme der Flüchtlinge“ und Besagte dann doch am Hals. Und die, welche solchen Schwachsinn einfädeln, werden immer und immer wieder“gewählt“.

alter Preusse
2 Jahre her

Über die Justizreformen in Polen und Ungarn wundere ich mich nicht mehr. Eine der naturrechtlichen Mystik verfallene Richterkaste ist unfähig und unwillig zu begreifen, das das Recht Interessen und Interessenkompromisse für die überwiegende Mehrheit des Volkes manifestiert und umsetzen soll.

Konservativer2
2 Jahre her

Der Wahnsinn hat Methode. Nur in Deutschland scheint nach eigenem Verständnis ein Leben oberhalb der Shithole-Grenze möglich zu sein. Irre, einfach irre.

Nur – irgendwann sind wir das Shithole. Das notwendige Personal hierzu schaffen wir begeistert hierher. Es ist nicht mehr zu glauben, was hier abgeht.