Demoskopie: Emnid sieht Grüne wieder bei 18 Prozent

Allmählich scheint der Erfolg der Grünen sogar ihren Freunden in den Redaktionen unheimlich zu werden. Oder zählt nur die Schlagzeile, auch wenn demoskopische Ergebnisse gar keine Veränderungen zeigen, weil sie innerhalb der statistischen Schwankungsbreite liegen?

imago Images/photothek

Bis zu drei Prozentpunkte rauf oder runter in Umfragen sind seriös nicht interpretierbar. So weit ist auch der Fehlerbereich der Statistik aufgespannt. Aber wer kennt noch deren Grundprinzipien? Das hindert Medien nicht, genau das zu tun. Für sie als Auftraggeber der Demoskopie würden sich deren Kosten nicht lohnen, brächte jede Umfrage nicht mindestens eine Schlagzeile. Beliebt ist, Partei X „stürzt ab“, hier aktuell: „Grüne deutlich unter 20 Prozent – auf 18 gefallen“.

Es schadet den Verbreitern solcher Botschaften der Demoskopie nicht, dass sich der Sturz im Text als das herausstellt, was sich auf Sturz reimt, ich hier aber aus Gründen der sprachlichen Höflichkeit nicht schreibe.

— Wahlrecht.de (@Wahlrecht_de) November 2, 2019

Hinweise auf tatsächliche Veränderungen und Trends lassen sich nur aus dem längeren Zeitvergleich gewinnen. Schaut man sich den beim Beispiel Emnid (bei allen anderen Instituten ähnlich) an, fallen drei Zusammenhänge aus der Demoskopie auf:

  • Union rauf – AfD runter und umgekehrt
  • SPD rauf – Grüne runter und umgekehrt
  • FDP und LINKE wenig bis fast keine Bewegung

Damit behaupte ich nicht, dass sich die Wählerabsichten so einförmig verändern, also dass eine direkte Austauschbeziehung zwischen AfD und Union bestünde. Werden die Veränderungen durch denZustorm aus den Bereichen der Nichtwähler bewirkt? Leider erfragt – oder veröffentlicht (?) – kein Institut die „Partei“ der Nichtwähler. Dann ließe sich ein wichtiger Faktor erkennen, mit dem sich die Demoskopie immer nur nach Wahlen befassen. Oder anderen die Wähler über mehrere Parteigrenzen? Also von der SPD zur AfD, wenn diese steigt? Und gleichzeitig von der CDU zur SPD?

Seriöser Journalismus würde sich dadurch auszeichnen, Ergebnisse der Demoskopie nicht zu interpretieren, die keine Veränderungen zeigen können, weil sie innerhalb der statistischen Schwankungsbreite liegen.

Aber mit den fortgesetzten Schlagzeilen von demoskopischen „Stürzen“ und „Sprüngen“ ist es wie mit den Studien à la Bertelsmann am laufenden Band, die Schlagzeilen produzieren, obwohl sie gar nicht abgeschlossen sind (und manchmal nie werden). Die Auftraggeber und Veröffentlicher spekulieren darauf, dass die meisten Konsumenten mehr als die Schlagzeilen ohnehin nicht lesen: leider sehr oft zu Recht.

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