Baden-Württemberg: Genehmigungen für Windräder sind rechtswidrig

Der Verwaltungsgerichtshof von Baden-Württemberg stoppt den Bau zweier Windparks. Da die gesamte Genehmigungspraxis bisheriger Anlagen betroffen ist, steht der Windkraftausbau im Südwesten generell in Frage. Die Stuttgarter Landesregierung hat jetzt ein riesiges Problem.

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Sämtliche Genehmigungen von Windrädern in Baden-Württemberg sind vermutlich rechtswidrig. Das geht aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim hervor, die kurz vor Weihnachten verkündet wurde. Konkret wurde das Bauverbot für die Windparks „Blumberg“ und „Länge“, die in Baden-Württemberg entstehen sollen, bestätigt. (10 S 566/19 und 10 S 823/19 ) Dieses Bauverbot hatte zuvor das Verwaltungsgericht Freiburg ausgesprochen.

Doch sensationell ist nicht nur dieses Bau- bzw. Rodungsverbot, sondern die viel weitergehende Entscheidung des zehnten VGH-Senats, dass die verwaltungsrechtlichen Vorgaben der Landesregierung zu Genehmigungsverfahren und insbesondere zur Beteiligung der Öffentlichkeit im wesentlichen alle rechtswidrig sind. Eine größere Klatsche ist für eine Landesregierung kaum vorstellbar. Der Karlsruher Fachanwalt für Verwaltungsrecht Rico Faller von der Kanzlei Caemmerer Lenz fasst die wesentlichen Inhalte der VGH-Beschlüsse folgendermaßen zusammen:

»Die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen sind rechtswidrig, weil eine Öffentlichkeitsbeteiligung hätte erfolgen müssen und zudem fehlt es an ausreichenden forstrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen zu Kompensation des mit der Waldumwandlung verbundenen Natureingriffs.

Die Waldumwandlungsgenehmigung ist rechtswidrig, weil diese von einer unzuständigen Behörde nicht im richtigen Genehmigungsverfahren und ohne die hierfür erforderliche Rechtsgrundlage erteilt wurde.«

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Eigentlich hätten alle Voraussetzungen für die Genehmigungen der Umwandlung des auf den Anlagenstandorten stehenden Waldes wegen der Konzentrationswirkung nach § 13 des Bundesimmissionsschutzgesetzes geprüft werden müssen. Die Landesregierung Baden-Württemberg argumentierte, dass zum Beispiel die Rodung des Waldes für die Windkraftanlagen nicht unter das Genehmigungsverfahren falle. Das überzeugte den Senat nicht, wie es in dem Beschluss ausdrücklich heißt.

»Wenn auf dem Anlagenstandort eine Waldnutzung besteht und deswegen zur Errichtung der Anlage die Nutzungsart bald in eine andere Nutzungsart (Errichtung und Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage) umgewandelt werden müsse, handele es sich um eine die Anlage im Sinne von § 3 Abs. 5 BImSchG betreffende behördliche Entscheidung im Sinne von § 13 BImSchG«, so erläutert Anwalt Faller die Urteilsbegründung.

Vor einer solchen »Waldumwandlungsgenehmigung« müssten Rechte, Pflichten und wirtschaftliche Interessen des Waldbesitzers sowie die Belange der Allgemeinheit und insbesondere die nachhaltige Sicherung des Waldes wegen seiner Bedeutung für die Umwelt gegeneinander abgewogen werden. So müssten laut Senat beispielsweise Horstbäume geschont, Nistzeiten beachtet und Jagdreviere sowie Überflugrouten insbesondere gefährdeter Vogelarten oder Fledermäuse mit betrachtet werden.

Außerdem seien keine ausreichenden forstrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen worden, auch daraus ergebe sich die Rechtswidrigkeit der Genehmigung. Diese Rechtsverstöße sind laut VGH-Senat auch keine Kleinigkeiten, die fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung sei ein absoluter Verfahrensfehler.

Die Waldumwandlungsgenehmigung sei rechtswidrig, weil die von einer unzuständigen Behörde, nicht im richtigen Genehmigungsverfahren und auch ohne die hierfür erforderliche Rechtsgrundlage erteilt wurde. Deutlicher gehts nicht. 

Die weitreichenden Bedeutung des Urteils hat bisher noch kaum Eingang in die öffentliche Diskussion gefunden. Dabei ist die überhaupt nicht zu unterschätzen: Dieses neue Urteil des VGH könnte das Aus für die Windkraft in Baden-Württemberg bedeuten.

Anwalt Rico Faller stellt fest: »Bei den Beschlüssen des VGH Baden-Württemberg handelt es sich um Entscheidungen, deren Bedeutung weit über die streitgegenständlichen Windparks hinausgeht.«

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Umweltrechtliche Vorschriften seien nicht oder unzutreffend angewandt worden, damit habe auch die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht ordnungsgemäß stattgefunden. Rechtsanwalt Faller sieht, dass diese Entscheidung künftig dazu führen wird, dass vielen Fällen ein förmliches Verfahren nach § 10 BImSchG – und damit eine Öffentlichkeitsbeteiligung – durchzuführen ist. Diese Beteiligung wiederum führe eher dazu, dass Abwägungsbelange umfassender und verlässlicher ermittelt und gewichtet würden als lediglich in einem nicht-öffentlichen Verfahren.

Wie die Landesregierung Baden-Württemberg weiter die Landschaften des Südwestens rigoros mit Windrädern bestücken will, wird interessant. 

Damit ist das große Projekt einer gigantischen Windindustrieanlage im südlichen Schwarzwald erst einmal auf Eis gelegt. Das Singener Unternehmen, das den Industriepark errichten wollte, hatte viel Geld in das Projekt gesteckt und schon die Wälder für die Windräder roden lassen.

Für Michael Thorwart, Universitätsprofessor für Theoretische Physik, der auch schon den Schwindel im baden-württembergischen Windatlas aufdeckte, ist das Urteil ein rechtsstaatliches Trostpflaster: »Es zeigt sich, dass unser demokratischer Rechtsstaat sich auch nicht durch eine ideologiegetriebene „Energiepolitik“ aus den Angeln heben lässt, was zunächst einmal beruhigend ist. Allerdings müssen wir Bürgerinnen und Bürger weiter wachsam sein.«

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Kommentare ( 135 )

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Wolfgang M
4 Jahre her

Warum lese ich das nur bei TE?
Das ist doch eine wichtige Nachricht. Auch wenn es aktuell nur B-W betrifft. Das kann auch auf die anderen Bundesländer durchschlagen.
Das Urteil könnte die ganze langfristige Planung zur CO2-freien Energiegewinnung zu Fall bringen. Es sei denn, man hofft auf einen erfolgreichen Einspruch. Aber auch dann müssten alle Medien davon berichten.
Der Vorwurf der „Lückenpresse“ erhält immer neue Nahrung.

Old-Man
4 Jahre her

Ich lese den Artikel und freue mich,aber dann kommt mir das Handeln der regierenden mit dem „Lemiagefühl“ im Gepäck in den Sinn,und schwups,meine Freude ist verflogen.
Was wird passieren??,nichts,absolut nichts!
Der alte Spruch :“ Macht korrumpiert,totale Macht korrumpiert total“,der wird hier wohl zum tragen kommen.
Die Landesregierung wird das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht „überprüfen“ lassen,um es dann zu den Akten zu legen!
Viel Wind um nichts,denn nichts wird passieren,oder glaubt irgendwer diese politischen Hohlköpfe würden sich an Recht und Gesetz gebunden sehen??.

„Lemiagefühl“= Leck mich am Ar…. Gefühl!

friedrich - wilhelm
4 Jahre her

…..ich habe die urteile mit einem freund besprochen, der präsident eines olg ist, und der hat mir nicht widersprochen, als ich erwog, daß sämtliche in deutschen wäldern errichtete
windkraftanlagen wohl mit den gleichen genehmigungsverfahren genehmigt wurden, wie die in baden – würtemberg und damit nicht rechtsmäßig betrieben werden! somit per gerichtsverfahren versucht werden solle, den weiterbetrieb höchstrichterlich zu verbieten!

Dr. Michael Kubina
4 Jahre her

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube … Wenn die ganze Zeit nur ein Rechtsanwalt zitiert wird, habe ich so meine Zweifel, ob das Urteil in der Praxis tatsächlich die massiven Folgen hat, die hier suggeriert werden.

Gernoht
4 Jahre her

Na, wenn das keine gute Nachricht ist. – Bestehen nun Chancen, auf Abriß der illegal errichteten Anlagen zu klagen? Das wäre ein Traum!

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her

»Es zeigt sich, dass unser demokratischer Rechtsstaat sich auch nicht durch eine ideologiegetriebene „Energiepolitik“ aus den Angeln heben lässt, was zunächst einmal beruhigend ist.

Sheldon Cooper ist auch Professor für Theoretische Physik, ist das Zufall? Sorry, so naiv kann man doch gar nicht sein.
Gesetze kann das Politbüro über Nacht umschreiben und störende Urteile kann es sowieso folgenlos ignorieren. Ist ja auch erwiesenermaßen kein Problem für eine Landesregierung Jahr für Jahr einen verfassungswidrigen Haushalt zu beschließen.
Statistiken zurechtfälschen, Fakenews verbreiten, Grenzen öffnen, das Verfassungsgericht mit willfährigen Parteisoldaten besetzen, geht doch alles und noch viel mehr.

Lili Moon
4 Jahre her

… och mennooo … Sie haben sicherlich recht … trotzdem tut so ein ‚Trostplaster‘ gelegentlich gut …
… wenn die ÖR es ignorieren – wir müssen das nicht … also – darüber reden, es zumindest im eigenen ‚Dunstkreis‘ bekannt machen … vielleicht sind bei dem einen oder der anderen Kontakte zu Windkraftgegenern (Bürgerinitiativen etc.) dabei …

armin wacker
4 Jahre her

Da bin ich aber Mal gespannt, wie unsere grün** Mainstreampresse das Urteil kommentiert.

Alf
4 Jahre her

Liebe Politiker in Merkel-Deutschland. Auch das Recht kann man nicht beliebig biegen. Irgendwann kommt der Bruch. Und es gibt noch Richter, die Mut haben.
Nehmen wir ein weiteres Beispiel, das Gutachten von Herrn Papier zur Rechtswidrigkeit des Solidaritätszuschlags.
https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2019-05/Papier_Soli-Gutachten.pdf

Nehmt Ihr natürlich nicht zur Kenntnis. Ihr habt genügend Fachkräfte im eigen Haus, die zwar keine Ahnung haben…ich traue lieber einem früheren Verfassungsrichter als Euch.

Und was würde Merkel zu den rechtswidrig gebauten Windkrafträdern sagen:

Nun sind sie halt mal da.
Wird ausgesessen.

Lotus
4 Jahre her

Es gibt noch gute Urteile, es gibt noch gute Meldungen. Vielleicht sollte man über die Abschaltung von Neckarwestheim 2 noch einmal nachdenken. Wäre gut fürs Klima und die Versorgungssicherheit. Vielleicht siegt ein Mal Vernunft über linksgrüne Ideologie. Allerdings habe ich da wenig Hoffnung.

Lili Moon
4 Jahre her
Antworten an  Lotus

…ja, gelegentlich taucht mal ein Funken Hoffnung auf …
Neben dem hier genannten Urteil war das in letzter Zeit meiner: https://dual-fluid-reaktor.de/

Alter weiser Mann
4 Jahre her

Zuerst muß man feststellen, daß hier offensichtlich Richter geurteilt haben, die nach herrschendem Recht und Gesetz urteilten und gerade nicht nach Moral, Gesinnung, Ethik und persönlihcer Ideologie, wie es nicht nur in Baden-Württemberg sondern in ganz Deutschland üblich geworden ist. (vgl nur heute bei TE „ZDF bedauert Einordnung islamistischer Massaker als „Streit““ – das ist ungheuerlich und NICHT entschuldbar!). Aber wo ist hier ein BUND, der selbst zugibt immer politischer zu werden und sich damit immer mehr von seinem Ursprungszweck Umweltschutz abwendet? Deutschland ist zu einer tief gespaltenen Heuchlergesellschaft geworden. So wie es in Diktaturen, Sozialismus und Kommunismus üblihc ist.… Mehr